Auguste Supper
Herbstlaub
Auguste Supper

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                Heilige Nacht.

Nun nahst du wieder, heil'ge Nacht.
Ich hör das Rauschen deiner Schwingen
Mit alter, wundersamer Macht
Aus aller Himmel Tiefen dringen.

Schon seh' ich deines Kleides Saum,
An dem die goldnen Sterne glänzen.
Ich stehe wartend wie im Traum.
Womit wirst du das Haupt mir kränzen?

Einst, da ich Kind war, lehnt ich fromm
Und zitternd unterm Fensterbogen.
»O Christkind, liebes Christkind, komm
Vom Himmel her zu mir geflogen!«

So ging mein Beten heiß und rein,
Und Christkind ließ sich gern bewegen,
Bei Tannenduft und Kerzenschein
Trat es mir lächelnd bald entgegen.

Heut steh ich wieder, heilge Nacht.
Weit ist mein dürstend Herz dir offen.
Sag an, was hast du mitgebracht?
Was soll ich wünschen, darf ich hoffen? 39

Christkindleins leichter Kinderschritt,
Er geht vorbei an meiner Türe.
Ich lausch ihm nach, dem lieben Tritt.
Ist nichts, das ihn zurück mir führe?

Umsonst, ach er verhallt so schnell.
Im Nachbarhaus ist er verklungen.
Dort haben Kinderstimmen hell
Vom Stall zu Bethlehem gesungen.

Was bleibt nun mir? O heilge Nacht,
An deinem Mantel Sterne funkeln.
Schenk einen von der ganzen Pracht,
Nur einen mir, – ich steh im Dunkeln!

Da flammt ein Licht durch meine Not.
Mit Feuerzeichen steht geschrieben:
Du kommst von Gott und gehst zu Gott.
Vorwärts! Und nicht am Weg geblieben! 40


                    Der Stern

Ueber die Berge mit Schätzen schwer
Von den fernen Enden der Erde
Kommen drei fremde Könige her
Und fragen, wo denn das Kindlein wär,
Der König, für welchen der Stern so hehr
Allnächtlich entzündet werde? –

Dem König Herodes gerinnt das Blut
Vor Schrecken in jener Stunde.
Doch lächelnd spricht er: »Ihr Männer gut,
Sobald ihr am Ziel eurer Reise ruht
Und dem Königskinde Verehrung tut,
So gebt mir, ich bitt euch, Kunde.«

Ihr arglosen Männer, o hättet ihr dort
Die Worte klüger bemessen.
Zu Bethlehem tobt jetzt der blutige Mord,
Ein Stöhnen, ein Wimmern klingt fort und fort,
Denn Rahel weinet an jenem Ort,
Kann nimmer die Kleinen vergessen. 41

Drum hast du den funkelnden Stern erschaut,
Der dir deinen König will zeigen,
So folg' ihm, so weit nur der Himmel blaut,
Bring all deine Schätze – doch sag's nicht laut!
O selig, wer einzig dem Stern vertraut
Und vor den Menschen kann schweigen. 42


                              Sylvester

Kein Glanz von Lichtern und kein Glückwunschschrei'n.
In dunkler Sturmnacht steh ich ganz allein.
Da irgendwo schlägt in der schwarzen Runde
Die ferne Uhr des Jahres letzte Stunde.
Ein Läuten schauert auf, um zu ersterben.
Will wohl der Klang um meine Seele werben?
Umsonst, umsonst, da ist kein Widerhall.
In eis'ger Leere stirbt der fromme Schall.
Ich steh erstarrt. Da streichelt mir der Wind
Rauh übers Haar, wie einem scheuen Kind,
Das Zuspruch braucht vor einer fremden Schwelle.
Ich taumle vorwärts. Führ mich, Nachtgeselle! 43


                      Nacht

Komm, scheue Nacht, und neige dich,
O neig dich gnädig nieder!
Trag auf den dunklen Schwingen mich
Zu starken Quellen wieder.

Der Tag ist käuflich, Jeder mag
Ihn bald mit Lächeln minnen.
Dein großes Herz hat schweren Schlag
Und läßt sich hart gewinnen.

Dein Gürtel und dein Schleier fällt
Nur für die Schmerzenssöhne.
Doch dann erbleicht der Glanz der Welt
Vor deiner hohen Schöne. 44


                    Wunsch

Tu mir die Liebe, Herr, mein Gott,
Und laß mir's also werden:
Viel Arbeit und bescheidnes Brot
Und liebe Weggefährten.
Auch noch ein Häuschen schlicht und klein,
Doch Licht und Sonne drinnen,
Und dann am Ende einen Schrein,
Auf den die Tränen rinnen. 45


            Lied ohne Worte

Mir ist ein hohes Lied vertraut,
Doch ist's kein Lied zum singen.
Nie wird es auf den Gassen laut,
Wo andre Lieder klingen.

In meines Herzens tiefstem Grund
Schwillts an zu banger Schöne.
Ein bleicher, ein verstummter Mund
Küßt in mir wach die Töne. 46


                Unterwegs

Wir gehen unsres Weges fort,
– Wie oft mit müden Füßen –
Und freuen uns, wenn da und dort
Uns andre Wandrer grüßen.

Sinkt einer still am Wegrand hin,
So nicken trüb die andern.
Sie dürfen nimmer zu ihm knien,
Sie müssen wandern, wandern. 47



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