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II

Meine Herren, ich lass' also drei Tage verstreichen, um die Sache zu beschlafen – dann meine beiden Jucker Jucker – Leichtes Wagenpferd. in die Sielen – und im gelben Jagdwagen, heidi! nach Krakowitz.

Schönes Land! ... Nichts zu sagen! – Bißchen verludert – aber genial. – Viel schwarze Brache, aber vielleicht für Winterraps oder so ... Weizen lala ... Rindvieh famos ...

Der Hof! Ja, wissen Sie, der Hof ist wie des Menschen Herz. ... Hast du nur gelernt, hineinzusehen, so macht man dir schwer ein X für'n U ... Es gibt verwahrloste Herzen, wo aber aus dem Dreck überall die Goldklumpen vorgucken, und aufgeputzte, aufgedonnerte, sozusagen mit Arsenik aufgefutterte Herzen – die funkeln und glitzern von fern und von nah, daß man nur rufen möchte »Donnerwetter«, und dabei ist alles faul und modrig. ... Es gibt Herzen in auf- und absteigender Linie – Herzen, von denen das bessere hoffnungsloser ist als das weit, weit schlechtere, weil dieses sich erkuwert erkuwern – Erkowern: sich erholen, zu neuen Kräften kommen. und jenes langsam abwärts geht. –

Na, und so weiter.

Der Hof von Krakowitz war von allem ein bißchen. Blanke Scheunen – liederliche Wagen – schöne Jauchenabfuhr – matte Stallordnung. Der Geist, der über dem Ganzen lagerte, hieß Laune – mit einem Schuß Geiz oder Mangel, denn dies beides läßt sich beim Ansehen schwer unterscheiden. Herrenhaus: zweistöckig, rotzieglig, mit gelben Verblendern, Efeu ringsum. Kurz, nicht übel. So was wie unbewußte – na, Sie wissen schon.

»Herr Baron zu Hause?« – »Ja, – wen soll ich melden?« – Hanckel, Baron Hanckel-Ilgenstein.« – »Bitte, so lange einzutreten.«

Ich tret' also ein ... alles alt... alte Möbel, alte Bilder – wurmstichig, aber gemütlich.

Da hör' ich ein Schimpfen durch die Tür!

»Der Aaskerl – der untersteht sich – hat immer mit dem Pütz gehalten, dieses heimtückische Luder.«

»Schöner Empfang«, denk' ich.

Und Frauenstimmen dazwischen. »Aber, Papa!« winselt die eine. »Aber, Mannchen«, piepst die andre.

Ei weh! – Na! –

Da kommt er 'rein. Ja, meine Herren, hätt' ich's nicht eben mit diesen meinen Ohren gehört, – die Hände ausgestreckt – das graue Sündergesicht strahlend – blinzt mit den Dachsaugen schlau und selig.

»Nachbar – Freund – wie glücklich!« »Sie, Krakow«, sag' ich, »nehmen Sie sich in acht, ich hab' eben alles gehört!«

»Was haben Sie gehört, Freundchen, was?«

»Wie Sie mich tituliert haben: Aaskerl, und weiß Gott.«

»Na ja«, sagt er, ohne auch bloß mit der Wimper zu zucken, »ich sag's ja jeden Tag zu meiner Frau: die Türen taugen nüscht. ... Aber das müssen Sie mir nicht übelnehmen, alter Freund, ich hab' mich immer geärgert, daß Sie zu dem Pütz, gehalten haben. ... Und, Mann, ich sag' Ihnen, meine Weiber brauen grad' so 'ne Bowlen wie er ... wären Sie man zu mir gekommen ... Jolanthe!! – Das ist nämlich meine Tochter. Jolanthe!! – Das ist der Trost meiner Seele! – Hört nich! ... Hört nich! – Hab' ich's nicht eben gesagt, die Türen taugen nichts? ... Aber jetzt stehen diese Weiber beide hinterm Schlüsselloch! ... Werdt ihr wohl weg, ihr Kröten! ... Hören Sie das Geraschel, wie sie weglaufen? Hä – hä – was! So'n Weiberzeug!«

Meine Herren, da sei nun mal einer beleidigt! Ich kann's nicht – ist mein Fell zu dick? – ich kann's nicht...

Wie er aussah? ...

Viel weiter wie bis übern Gürtel reichte mir das ganze Gewächse nicht. Rund, fett, mit O-Beinen – und auf diesem Wanst ein richtiger Apostelkopf. Entweder Petrus oder vielleicht Andreas oder sonst einer. – Ein schöner, breiter, kreisrunder Bart mit zwei weißen Strähnen von den Mundwinkeln her – gelbe Pergamenthaut mit einem dichten Faltenkranz um die Augen ... die Stirn kahl, aber über den Ohren zwei mächtige, graue Büschel.

Tanzt der Kerl da vor mir 'rum – wie doll.

Glauben Sie nicht, meine Herren, daß ich mir durch diese Sperenzchen was vormachen ließ. ... Ich kannt' ihn lang genug, ich sah ihm durch seinen Nabel wie durch ein Glasfenster – aber, nun schimpf' mich einer Hundsfott, er gefiel mir.

Und was drum und dran war, gefiel mir auch.

Da war so'n Winkelchen vorm Fenster mit geschnitzten Eichenschranken drumrum – von Efeu überwachsen ... ganz mollig. ... Da schien die Sonne blank mitten durch wie durch eine Laube ... und drin auf dem Tisch lag ein Wollenknäuel in einem Elfenbeinschälchen – und eine Nummer »Daheim« Daheim – Familienblatt mit recht hoher Auflage (ab 1864 zwischen 35 000 und 80 000), konfessionelles Gegenstück zur >Gartenlaube<. und ein angeknabbertes Stückchen Torte.

Wie gesagt: ganz mollig.

Da setzten wir uns nu 'rein, und ein Mädchen brachte Zigarren.

Die Zigarren taugten nichts, aber ihr Rauch wölkte sich so fein und lustig im Sonnenschein, daß ich gar nicht mal viel hinsah, wie die Strempel kohlten.

Ich wollte anfangen, von meinen Geschäften zu reden, aber er legt mir die Hand auf die Schulter und sagt: »Freund und Gönner, nach dem Kaffee.«

Ich sag': »Na, erlauben Sie, Krakow«, sag' ich.

»Freund und Gönner, nach dem Kaffee.«

Ich erkundigte mich höflicherweise nach den Feldern und ließ mir seine Neuerungen, mit denen er prahlte wie doll, dringend ans Herz legen, trotzdem sie bei mir längst zum alten Eisen gehörten.

Und dann kam die Baronin.

Ein feines altes Stück. – Große, schmale, blaue Augen – silbergraue Haare mit schwarzem Spitzenhäubchen drauf ... dünne Taille – wehleidiges Lächeln ... feine, gelbliche Hände .. das Ganze ein bißchen zu zart für eine Landedelfrau und namentlich für solchen Tölpel von Mann ...

Bewillkommnet mich ganz proper, und der Alte schreit derweilen wie besessen: »Jolanthe – Frauenzimmer – wo steckste? – ein Junggeselle ist da – ein Freier ist da – ein Freier!«

»Krakow«, sag' ich ganz betreten, »machen Sie nicht solche Witze mit mir altem Krauter.«

Und die Baronin lenkt ab, indem sie ganz zierlich sagt: »Haben Sie keine Angst, Herr Baron, wir Mütter haben Sie schon seit zehn Jahren als rettungslos aufgegeben.«

»Aber trotzdem kann das Frauenzimmer doch 'reinkommen!« schreit der Alte.

Na, endlich kam sie.

Meine Herren, alle Achtung! Wie vor den Kopf gestoßen stand ich da ... Rasse, meine Herren, Rasse!... ein Körper wie 'ne junge Königin... das Haar losgelöst in tausend Wirbeln und Wickeln – goldbraun wie so die Mähne von einem Berber ...der Hals weiß und üppig mit einem leichten Kropfansatz ... der Busen nicht zu hoch, aber breit ausgelegt mit seitlichen Wölbungen, was wir beim Pferde eine Löwenbrust nennen ... und wenn sie atmete, schien der ganze Körper mitzuatmen, so mächtig wälzte sich die Luft durch diesen jungen, edelschlächtigen Organismus ... Fesselgelenke elegant ... Beckenbildung noch unreif, aber tadellos und zu normaler Dehnung geschaffen ...

Meine Herren, Weiberkenner bin ich nicht, aber man muß nicht Züchter sein mit Leidenschaft und wissen, wie viel Schweiß es kostet, bis sich irgendein vollendetes Exemplar, welcher Gattung es sei, 'ranbildet, um nicht beim Anblick eines so gelungenen Wesens die Hände zu falten und zu beten: »Lieber Gott, ich danke dir, daß du so was in der Welt 'rumlaufen läßt, denn solange solche Körper geschaffen werden, braucht uns auch um die Seelen nicht bang' zu sein.«

Was mir im ersten Moment nicht recht gefiel, waren die Augen. Zu blaßblau, zu schwärmerisch für diese Lebensfülle. – Schienen gen Himmel zu schwimmen und bekamen dagegen bei zugekniffenen Lidern etwas Forschendes, Lauerndes, einen Blick, wie ungutmütige Hunde ihn haben, die zu viel geprügelt werden.

Der Alte faßte sie bei beiden Schultern und renommierte nach Noten: »Das ist mein Werk ... das hab' ich zustande gebracht ... In mir seht ihr den Vater ... und so weiter.

Sie schüttelt sich und wird blutrot.

Schämt sich seiner. –

Dann bereiten die Damen den Kaffeetisch ... frische, rösche Waffeln ... Eingemachtes dazu nach russischer Art ... blinkender Damast ... Messer und Teelöffel mit Hirschhornstielen ... und über allem ein feiner, bläulicher Kohlenrauch, der aus dem Schornstein der messingnen Maschine quoll und das Ganze noch gemütlicher machte.

Wir aßen und tranken. – Der Alte schwefelte, die Baronin lächelte nett und leidensvoll, und Jolanthe machte mir schöne Augen.

Ja, meine Herren, machte mir schöne Augen. – Sie sind noch in einem Alter, wo Ihnen so was vielleicht nicht allzu selten geschieht, aber kommen Sie man erst hoch in die Vierziger und werden Sie sich Ihrer Glatze und Ihres Fettes in tiefster Seele bewußt, und Sie werden erleben, wie dankbar verpflichtet Sie sich schon einer Schenkmamsell oder einem Stubenmädchen fühlen, wenn es sich die Mühe nimmt, Ihnen zuliebe mit den Augäpfeln zu feuerwerken. Und nun erst so eine, so ein Gnaden- und Elitegeschöpf. Zuerst dacht' ich, ich hätte mich versehen, dann versteckt' ich meine roten Hände, dann kriegt' ich das Husten, dann schimpft' ich mich »Geck« und »Esel«, dann wollt' ich Reißaus nehmen, und schließlich sah ich verschämt in meine Kaffeetasse 'rein. Wie so 'ne Jungfer.

Aber wenn ich aufsah – und aufsehen mußt' ich doch schließlich dann und wann –, so begegnet' ich auch immer den großen, hellblauen, schwärmerischen Augen, die so taten, als wollten sie sagen: »Solltest du es am Ende noch nicht wissen, daß ich eine verwunschene Prinzessin bin und daß du mich freundlicherweise erlösen wirst?«...

»Wissen Sie, warum ich ihr den verrückten Namen gegeben hab'?« fragte der Alte und grinste schlau nach ihr hin.

Da warf sie verächtlich den Kopf ins Genick und stand auf. Schien seine Witzchen zu kennen.

»Das kam nämlich so: sie ist acht Tage alt, liegt in der Wiege und strampelt mit den Beinchen ... Beinchen wie die Würschte! ... Und ein Popochen, wissen Sie –«

Donnerwetter! Ich riskierte kaum aufzusehen, so verlegen war ich. Die Baronin tat, als hörte sie nichts, und Jolanthe war aus dem Zimmer gegangen.

Der Alte aber schüttelt sich vor Lachen.

»Hä–hä – so was – ja–ganz rosenrot ... und die Windelbänder haben Landkarten 'reingeschnürt, – und eine Zartheit und eine Form – wie'n Rosenblatt. Na, und wie ich das seh', da sag' ich nun in meiner jungen Vaterfreude: die wird schön und niederträchtig werden und wird mit den Beinen strampeln ihr Lebelang. – Die muß einen sehr poetischen Namen kriegen – dann steigt sie bei den Freiern im Preise. ... Ich such' also im Bücherschrank nach: Thekla, Hero, Ilse, Angelika – ne, die Sorte war zu pflaumenweich – da schmachtet sie sich für irgendeinen diätenlosen Referendar zu Tode. Oder aber Rosaura, Carmen, Beatrice, Wanda – auch nich – zu hitzig – da brennt sie mit dem ersten besten Inspektor durch – denn des Menschen Name ist sein Schicksal. ... Und schließlich fand ich Jolanthe ... das zerschmilzt so hübsch auf der Zunge – für Liebende wie geschaffen – und reizt doch nicht zu dummen Streichen. Das ist kitzlig und erhaben zu gleicher Zeit, lockt an und verpflichtet zu ernsten Absichten. So hab' ich kalkuliert, und es war ja auch so weit ganz richtig, wenn sie mir nur schließlich nicht sitzen bleibt mit ihrem Geziere und Geaffe.«

Da kam sie ins Zimmer zurück, hatte die Augen halb geschlossen und lächelte wie eine, die unschuldig beschimpft ist. ... Das arme Geschöpf tat mir leid, und um dem Gespräch rasch eine andre Wendung zu geben, kam ich auf mein Geschäft zu sprechen.

Die Damen räumten stillschweigend den Kaffeetisch ab, der Alte stopfte sich einen halb zerkohlten Pfeifenkopf mit Knaster voll und schien bereit, geduldig zuzuhören.

Aber kaum hab' ich den Namen »Pütz« in den Mund genommen, da springt er in die Höhe und schmeißt die Pfeife gegen den Ofen, daß die feurigen Tabakblätter nur so 'rumstieben. – Und hätten Sie bloß sein Gesicht gesehen, Sie hätten Angst gekriegt. Ganz blaurot und gedunsen war es, als sollt' ihn auf der Stelle der Schlag rühren.

»Herrrr!« schrie er mich an, »sind Sie deshalb mein Gastfreund geworden, um mir mein Haus zu vergiften? Wissen Sie denn nicht, daß dieser verfluchte Name hier nicht genannt werden darf? Wissen Sie denn nicht, daß ich den Kerl im Grabe verfluche und seine Brut verfluche und alle verfluche–?«

So weit kam er, da verschluckte er sich, bekam einen Hustenanfall, mußte sich in den Polsterstuhl setzen, und die Baronin gab ihm Zuckerwasser zu trinken.

Ich griff stillschweigend nach meiner Mütze. Da fiel mein Blick auf Jolanthe. – Weiß wieder Kalk an der Wand und mit gefalteten Händen stand sie da und sah mich an, als ob sie mich in all ihrer Scham und Trostlosigkeit um Verzeihung bitten wollte oder gar so was wie Hilfe von mir erwartete.

Wenigstens ein Abschiedswort wollte ich noch dran wenden – und wartete ruhig, bis ich annehmen konnte, daß der Alte, der stöhnend dalag und nach Luft jappte, imstande sein würde, mich zu verstehen; dann sagte ich: »Sie werden es selbstverständlich finden, Herr von Krakow, daß nach diesem Ausfall auf meinen verstorbenen Freund und seinen Sohn, den ich wie meinen eigenen liebe, unsere Beziehungen –«

Er polterte mit Händen und Füßen, zum Zeichen, daß ich nicht weiterreden solle, und nachdem er noch eine Weile vergeblich gejappt hatte, kam ihm die Sprache wieder.

»Dieses Asthma ... dieses Deiwelsasthma ... wie ein Strick um den Hals ... schwupp – Kehle zu ... du willst reden, Bruder? – Prost! ... du willst atmen, Bruder? ... Kuchen. Aber was kakeln Sie da von unseren Beziehungen? Unsere Beziehungen, das heißt Ihre und meine Beziehungen, sind nie getrübt worden, Freund meiner Seele, das sind die besten Beziehungen von der Welt, Freund meines Herzens ... Und wenn ich jenen da beleidigt habe, den Prozeßhansl, den – den – edlen Mann, so nehm' ich alles zurück und erkläre mich für einen Hundsfott ... Nur reden darf mir keiner von ihm ... Ich will nicht daran erinnert sein, daß sein Name sich fortpflanzt. Für mich ist er tot – sehen Sie, so tot – so tot!«

Er machte mit der Faust drei Querstriche durch die Luft und sah mich triumphierend an, als hätte er meinem Pütz damit den Gnadenstreich versetzt.

»Nichtsdestoweniger, Herr von Krakow –« sagte ich.

»Hier wird nichts genichtsdestowenigert ... Sie sind mein Freund! Sie sind der Freund meiner Familie ... Sehen Sie die Weiber ... ganz hin sind sie von Ihnen. ... Nu, genier dich nicht, Jolanthe! Mach ihm ruhig verliebte Augen, mein Kind! Glaubst du, ich sehe nichts, du Kröte?«

Sie wurde nicht rot und schien auch nicht verwirrt, nur hob sie ein wenig die gefalteten Hände nach mir hin. Das war so rührend und hilflos, daß es mich ganz entwaffnete.

Ich setzte mich also noch ein Weniges, sprach über gleichgültige Sachen und empfahl mich, sobald ich konnte, ohne den Erzürnten zu markieren.

»Begleit ihn hinaus, Jolanthe«, sagte der Alte, »und sei lieblich gegen ihn; er ist der reichste Mann im Kreise.«

Diesmal lachten wir alle, doch als Jolanthe in dem halbdunkeln Hausflur neben mir herging, sagte sie ganz leise mit einer Art von schüchternem Kummer: »Ich weiß, Sie wollen nicht wiederkommen.«

»Nein, mein Fräulein«, erwiderte ich aufrichtig und wollte ihr meine Gründe auseinandersetzen, da kriegt sie meine Hand zu packen, preßt sie zwischen ihren schmalen, weißen Patschen und sagt halb weinend: »Ach, kommen Sie wieder! Bitte, bitte, kommen Sie wieder!« –

Ja, ja, so geht das. – Davon war ich alter Schwede nu sofort verrückt geworden.

Zigarre hatt' ich auf der Heimfahrt vor Erregung aufgelutscht, aber das Anstecken hatt' ich vergessen.

Mein erster Gang vor den Spiegel ... alle Lichter angezündet, Tür verschlossen, Läden eingehakt, dann wieder vor den Spiegel ... beseh' mich von vorne, von hinten und mit Hilfe des Rasierspiegels auch von der werten Profilseite.

Resultat niederschmetternd ... dicker, kahler Schädel, Specknacken, Säcke unter den Augen, Doppelkinn, das Ganze feurig braunrot wie ein scharf angeheizter Kupferkessel.

Und was schlimmer war als das alles: Wie ich mich anseh' in meiner sechs Fuß langen Massigkeit, geht mir ein Licht auf, warum die Menschen mich von Anbeginn den »guten« Hanckel genannt haben. Schon beim Regiment hieß es immer: »Hanckel? Lumen – ne! Aber'n guter Kerl!«

Und bist du erst mit so einem Kainszeichen versehen, dann wird das ganze übrige Leben nur noch eine Kette von Gelegenheiten, um die Probe darauf zu machen. – Angeweimert weimern – kläglich tun, weinerlich jammern. und angeulkt, – angepumpt und angeblasen wirst du Tag für Tag, und machst du mal einen schüchternen Versuch, dich dagegen zu wehren, so heißt es sofort: »Was, Sie wollen ein guter Kerl sein?« Da hast du gut schreien: »Ich will gar kein guter Kerl sein!« Du bist es und bleibst es, denn du bist als solcher geeicht und gestempelt.

Und so einer will sich mit Weibern einlassen? Mit Weibern, deren Phantasie nach dem sogenannten »Dämonischen« verlangt, die, um recht zu lieben, selber begaunert, verlassen, brutalisiert und en canaille behandelt sein wollen? –

»Hanckel, sei kein Esel«, sagt' ich zu mir, »geh vom Spiegel, lösch die Lichter, schlag dir die Träume aus dem Kopf und kriech ins Bett.«

Meine Herren, ich hatte ein Bett ... und hab' es noch – ... ein ganz gewöhnliches Bett ... schmal wie ein Sarg aus rotgebeiztem Tannenholz – auf Gurten, ohne Matratze und ohne Federboden, mit einem Elchfell statt des Unterbettes ... alle Jahre zweimal wird der Strohsack frisch gefüllt, das ist der ganze Luxus. – Meine Herren, man erzählt sich viel von den dürftigen Feldbetten allerhöchster Personen. Man sieht solche Dinger auch ausgestellt in Schlössern und in patriotischen Museen, und wenn die Besucher vorbeigetrieben werden, verfehlen sie nie, die Hände zusammenzuschlagen und pflichtschuldigst auszurufen: »Welche Kraft der Entsagung! welche spartanische Bedürfnislosigkeit!«

Schwindel, meine Herren! Nirgends schläft sich's molliger als in so einer Klappe ... vorausgesetzt natürlich, daß du ein tüchtiges Tagewerk hinter dir, ein gutes Gewissen in dir und kein Weib bei dir hast ... Was alles drei ungefähr dasselbe sagt ...

Du reckst dich, du streckst dich in einem wohltuenden Krampf so weit, daß die Zehenspitzen gerade gegen die Bettkante stoßen, beißt mit den Zähnen einmal oder zweimal in das Deckbett, mummelst dich in die Kissen, greifst nach einem guten Buch, das neben dir auf dem Nachttisch liegt, und stöhnst ganz gottsjämmerlich vor lauter Wonne.

Das tat ich auch an jenem Abend, nachdem der Versucher von mir gewichen war, und während ich langsam hinüberdröselte, dacht' ich noch bei mir: »Ne, ne. Deinem lieben, harten, schmalen Junggesellenstrohsack macht dich keine untreu, selbst wenn sie Jolanthe heißt und als edelstes Vollblut auf Gottes schöner Weide herumläuft.«

Ja, dann vielleicht um so weniger.

Denn – wer weiß?


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