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Eine Nationaltracht, welche der Üppigkeit einzeler Verschwender steuert, wird endlich auch die Ausgaben des Staats vermindern und selbst den Geist der Nation vaterländischer stimmen, wenn eine Kleidung alle vereinigt und von andern Völkern unterscheidet. Es ist freilich abgeschmackt, sich unter jedem Himmel wie ein Pariser zu kleiden, wenn Klima, Lebensart und Körper eine sehr verschiedene Einhüllung fodern, und es ist rühmlich, den Modezepter voll edlen Unmuts zu zerbrechen, den bald ein Schneider, bald eine Operndirne über ganze Königreiche schwingt. Aber ob in unsrer Zeit, bei unsern Sitten, in unserm Weltteil eine solche Reformation beständig werden kann? Das, dünkt mich, ist noch nicht entschieden.
Wo eine Nationaltracht übrig ist, da erhält sie sich durch Religion, durch eine barbarische Verachtung des Fremden, die mit der Aufklärung schwindet, durch eine immer genährte Eifersucht, sich von den Fremden zu unterscheiden, durch mächtigen Einfluß des Klimas, durch Armut oder Absonderung von der übrigen Welt.
Der Turban und Muhammeds Moden sind seinen Nachfolgern ehrwürdig; auch den Banianen und Parsen ist ihre Kleidung heilig; ein eifersüchtiger Stolz erhielt bis in unser Jahrhundert die spanische Tracht neben den Franzosen, und der Sineser kleidet sich wie seine Väter, weil er seine Väter göttlich verehrt und den Tataren nicht ähnlich werden will. In Afrika gebeut die Sonne, in Lappland Armut und Kälte der Mode, und manche Insel des Südmeers war eine Welt für sich.
Was ist nun in Europa übrig? Gesetz und Beispiel der Fürsten.
Gesetze drücken immer, sobald sie an die Sitten rühren und Opfer in gleichgültigen Dingen fodern, die wir nach unsrer Neigung anzuordnen gewohnt sind. Wem wird es in einem Lande schmecken, wo die Regierung einen allgemeinen Küchenzettel macht? zumal wenn man einen geschickten Koch aus Frankreich mitgebracht hat. Eine beständige Zirkulation unter gesitteten Völkern weckt neue Begierden, die endlich zu neuen Bedürfnissen werden. Nur ein Volk, das nie über seine Grenzen schreitet, wird nicht nach fremden Moden, aber auch nicht nach fremder Weisheit lüstern, und diese ärmliche Genügsamkeit wiegt die Vorteile des Handels, der Reisen und der Wißbegierde nicht auf.
Also Beispiel der Fürsten. Aber nur solang ein Weiser herrscht, den nie ein eitles Weib, nie ein gereister Günstling lenkt. Und wer ist uns Bürge, daß sein Nachfolger nicht auch verstehen will, was ihn vorteilhaft kleidet? daß er an seinem Hof ein glänzend Gefolg nicht angenehmer findet als einen Haufen einförmiger Klostergestalten? So wäre denn Nationaltracht nichts weiter als Uniform einer einzigen Regierung, und zwar endlich doch eine kostbare Uniform, wenn erst der Scharfsinn der Eitelkeit daran gekünstelt haben wird. Denn man wird so lang den Zeug verfeinern, die erlaubte Farbe nuancieren, Zieraten erfinden und nach Seltenheit ringen, bis ein Nationalgalakleid ebenso teuer ist als ein französisches. Alsdann spart der einzele Bürger nichts mehr, und am Ende vielleicht auch der Staat nicht, weil es, aller Zöllnertreue ungeachtet, gewiß gelingen wird, die Volkstracht in zierlicheren Formen, in besseren Stoffen aus der Fremde heimlich einzubringen.
Ich verehre den Mut des Monarchen, der gleichwohl die wohltätige Sittenänderung wagt. Meine Einwürfe sind nicht Tadel, sondern Zweifel, die gewiß seiner Weisheit nicht entgangen sind, und vielleicht wird die Wirkung seines Beispiels ewig dauern, wie der Ruhm seiner Taten.