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Sechstes Kapitel.

Mr. Endertons Brief überraschte und ärgerte mich, und doch mußte ich über die unerwartete Art, wie er den wahrscheinlich ewigen Wanderungen des Ingwertopfes ein Ziel gesetzt hatte, lachen. Ich reichte den Brief Mr. Dusante, dessen Gesicht beim Lesen eine tiefe Röte überzog, und ich konnte sehen, daß er sehr zornig war, obgleich er sich vollkommen beherrschte.

»Mr. Craig,« sagte er, als er mir den Brief zurückgab, »das können mir nicht dulden. Der Topf mit seinem Inhalt bleibt mein Eigentum so lange, bis Mrs. Lecks sich bereit erklärt, ihn wieder anzunehmen. Ihn überhaupt zurückzugeben, war mein freier Entschluß, nicht meine Verpflichtung, und ich habe mich dahin entschieden, ihn Mrs. Lecks zu überantworten. Jeder, der diese meine Absicht durchkreuzt, überschreitet die Grenze des rechtlich Zulässigen. Ich werde demnach morgen früh nicht nach Westen reisen, sondern Sie mit meiner Familie nach Chicago begleiten, wo ich von Mr. Enderton die Herausgabe meines Eigentums verlangen und nach Gutdünken darüber verfügen werde. Sie müssen mich entschuldigen, Mr. Craig, wenn irgend etwas von dem, was ich über diesen Herrn, mit dem Sie verwandt sind, gesagt habe, Sie verletzt hat.«

»O, kein Gedanke daran!« rief ich aus. »Ziehen Sie nur über Mr. Enderton los, soviel Sie Lust haben, Sie können sich darauf verlassen, ich werde nichts dawider haben. Als ich seine Tochter zur Frau nahm, habe ich den Vater nicht mitgeheiratet. Aber meiner Frau wegen hoffe ich allerdings, daß diese Angelegenheit nicht in ihrer Gegenwart besprochen wird.«

»Darüber können Sie ruhig sein,« entgegnete Mr. Dusante, »und Sie müssen mir die Bemerkung gestatten, daß Mr. Endertons Frau eine ganz reizende Dame gewesen sein muß.«

»Weshalb denken Sie das?« fragte ich.

»Ich urteile,« erwiderte er mit einer Verbeugung, »nach dem, was ich von Mrs. Craig gesehen habe.«

Ich begab mich hierauf sofort zu Ruth, die, wie ich fand, weiter nichts von dem Vorgefallenen wußte, als daß ihr Vater unsrer Gesellschaft nach Chicago vorausgereist war und nur Zeit gehabt hatte, ihr ein kurzes Lebewohl zu sagen. Ich enthielt mich aller Bemerkungen über die Hast, die Mr. Enderton nicht gestattet hatte, sich von uns zu verabschieden, während er Zeit genug gefunden, einen ziemlich langen Brief zu schreiben, und da Ruth von diesem Brief nichts mußte, beschloß ich, ihr auch nichts davon zu sagen. Ihres Vaters unerwartete Abreise überraschte sie nur wenig, denn, wie sie mir sagte, war es eine seiner Eigenheiten, daß er gern vor seinen Reisegefährten am Ziel anlangte. »Selbst wenn wir in die Kirche gehen,« sagte sie, »eilt er immer voraus. Ich weiß nicht, warum er das thut, aber es ist seine Gewohnheit.« Ich mußte, warum.

Als ich Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine von dem Vorgefallenen in Kenntnis fetzte, gerieten sie in einen furchtbaren Zorn.

»Wie Mr. Dusante das nennt, weiß ich nicht,« rief Mrs. Lecks aus, »aber wie ich's nenne, weiß ich ganz genau.«

»Un ich auch!« fuhr Mrs. Aleshine dazwischen, wobei ihre runden Augen vor Aufregung funkelten. »Wenn das nit Ex-Ehrlichkeit is, dann is er kein Ex-Missionar! Die Heiden, die der bekehrt hat, können mir leid thun.«

»Ich werde ihn schon bekehren,« sagte Mrs. Lecks, »wenn ich 'n nur zu fassen kriege! Mit 'nem Paket durchzubrennen, wo mein Name drauf steht! Er kann ja ebensogut meine goldene Brille oder meinen Schildkrotkamm mitgehn heißen! Ihn einzuholen, wird wohl nicht gehn, aber ich will hinter ihm her telegraphieren, un er soll erfahren, daß wenn er sich untersteht, mein Paket aufzumachen, es ihm schlecht bekommen soll!«

»So is es!« sprach Mrs. Aleshine. »Du kannst auf dem ganzen Weg nach jeder Station 'n Telegraphen an ihn schicken, un die Schaffner werden sie ihm in den Wagen reichen, un kannst sie an Mr. Enderton, en großen Mann mit meliertem Haar un 'nem gestohlenen Bündel adressieren. So haben sie's in meinem Ort gemacht, wie dem Adam Marin seine Frau in 'n Brunnen gefallen war, un er war eben mit der Bahn nach der Stadt gefahren. Da haben sie nach fünf verschiedenen Stationen an 'n telegrapht, wo er die Leiter hingethan hatte, un wie die Antwort kam un sie zogen sie raus, da war sie tot.«

»Das is kein schlechter Gedanke,« antwortete Mrs. Lecks, »aber der Name ohne die Beschreibung wird genug sein, un ich thue's diese Minute un will mich beim Oberkellner nach den Stationen erkundigen.«

»Sie müssen sich aber bei der Abfassung des Telegramms sehr vorsehen,« sagte ich, »denn das wird auf der Station gelesen und könnte Mr. Enderton große Unannehmlichkeiten machen, die ich sehr bedauern würde. Die Depesche muß so abgefaßt werden, daß nur er und niemand sonst sie versteht.«

»Lassen Sie mich nur machen,« erwiderte Mrs. Lecks. »Un nun keine Zeit verloren; aber ich muß sagen, er verdient nicht, daß man ihm Unannehmlichkeiten erspart, denn so wahr ich ein lebendiges Frauenzimmer bin, der hat niemand keine Widerwärtigkeit erspart seit der ersten Minute, wo er geboren is.«

Folgende Depesche wurde nun ausgeheckt und nach Bridger zur Aushändigung an Mr. Enderton im Zug Nr. 325 abgeschickt:

»Paket, von dem Sie wissen, gestohlen. Kennen den Spitzbuben. Gibt er es im Hotel in Chicago ab, laufen lassen; macht er's auf, kommt er in Nummer Sicher. - Mrs. Lecks.«

»So, nun wird er wohl seine Finger davon lassen,« meinte Mrs. Lecks, »un wenn Mr. Dusante ihm 'was von derselben Sorte nach einer andern Station nachschickt, kann's auch nichts schaden. Un wenn dieser Enderton so ins Bockshorn gejagt wird, daß er uns aus Augen un Ohren kommt, dann is es das allerbeste. Un verstehn Sie mich nur recht, Mr. Craig, es wird nichts geschehn oder gesagt werden, was Ihrer Frau unangenehm sein könnte, un sie braucht von dem, was schon geschehn un gesprochen worden is, überhaupt nichts zu hören. Aber das muß ich doch sagen, daß sie, wenn auch natürlich Mr. Enderton ihr Vater is und sie ihn deshalb verehrt, ganz gewaltig viel lebhafter un lustiger is, wenn er fort is, als wie wenn er bei ihr is. Un was wir andern sin, na, da brauch' ich ja wohl nicht über die Ergebung zu sprechen, womit wir seinen Verlust tragen.«

»Das mein' ich auch,« entgegnete Mrs. Aleshine, »denn wenn's jemals en Menschen gegeben hat, der neun un neunzigmal an sich selber, ehe er ein einzigstes Mal an jemand anders denkt, un dann dies einzigste Mal auch noch sehr leicht vergißt, dann is es der Mann. Ich habe nicht das mindeste gegen die Missionare, ich habe sogar manche Kiste für sie gepackt un dabei weder Kosten noch Mühe gescheut, un werde das hoffentlich noch recht oft thun. Aber den sollte man gar nit mehr so nennen, er hat's ja aufgegeben – wenn sie ihn nit aufgegeben haben, was man nit wissen kann – denn wenn's irgend was gibt, das zeigt, was Gutes in 'nem Mann steckt, dann is es seine Bereitwilligkeit, die Annehmlichkeiten eines christlichen Landes aufzugeben, um hinzugehn un Heiden zu bekehren, aber die Heiden aufzugeben un die Annehmlichkeiten wieder zu suchen, zeigt ihn als ganz was andres, und es is ja auch sehr möglich, daß er sie nur halb bekehrt, aber den doppelten Preis dafür berechnet hat.«

Mr. Dusante war fest entschlossen, mit uns weiterzureisen, bis er wieder in Besitz seines Ingwertopfes gelangt sein würde. Seine freundliche Gesinnung gegen meine Frau und mich hielt ihn zwar ab, viel über Mr. Enderton zu sprechen, allein ich hatte guten Grund, zu glauben, daß seine Meinung über meinen verehrten Schwiegervater nicht sehr von der Mrs. Lecks' und MrZs. Aleshines abwich. Seit Mr. Enderton, als er genötigt worden war, sein Zimmer im Gasthaus an der Bahnstation den Damen der Familie Dusante einzuräumen, seine störrische Selbstsucht so unverhohlen gezeigt hatte, war Mr. Dusante sehr kalt gegen ihn gewesen, und die beiden Herren waren sich aus dem Wege gegangen.

Wir waren alle sehr vergnügt, daß unsre angenehme Gesellschaft nicht auseinanderging, und wenn wir auch das Fehlen des Ingwertopfes nicht mit Ergebung trugen, traten wir unsre Reise am nächsten Morgen doch in der besten Laune über Mr. Endertons Abwesenheit an. Ehe wir Ogden City verließen, gab Mr. Dusante ein Telegramm nach Kearney Junction auf, das Mr. Enderton bei seiner Ankunft dort zugestellt werden sollte. Wie diese Botschaft abgefaßt war, weiß ich nicht, allein ich denke mir, daß er mit seiner Ansicht über Mr. Endertons Handlungsweise nicht hinter dem Berge hielt.

Unsre Fahrt nach Chicago war sehr angenehm. Wir waren nun alle sehr genau miteinander bekannt geworden, und es befand sich kein unharmonisches Element in unsrer Gesellschaft. Einige von uns machten sich allerdings etwas Sorge, es könnten uns Unannehmlichkeiten in Chicago bevorstehen, aber mir sprachen nicht darüber. Ruth wußte nichts von ihres Vaters schmählicher Handlungsweise, und die andern benahmen sich so, daß man glauben konnte, sie hätten es vergessen.

In Chicago angelangt, begaben wir uns sofort nach Brandigers Hotel, fanden aber dort, statt Mr. Endertons, einen Brief von ihm an Ruth:

»Meine liebe Tochter! Ich habe meine ursprüngliche Absicht, hier zu warten, aufgegeben und mich entschlossen, allein weiter zu reisen. Es thut mir leid, daß Du mich hier nicht mehr triffst, aber es wird nicht lange dauern, bis wir uns wiedersehen, und Du weißt ja, daß ich nicht gern in Gesellschaft reise. Reisegenossen werden mir so leicht auf die eine oder andre Weise unbequem. Anfänglich hatte ich die Absicht, nach Philadelphia zu fahren und dort auf Dich zu warten, habe mich aber nun entschlossen, nach Meadowville, einem kleinen Ort im Innern von Pennsylvanien, zu fahren, wo, wie ich erfahren habe, die beiden Frauen, Mrs. Lecks und MrZs. Aleshine, wohnen. Ich möchte gern die ganze Gesellschaft noch einmal zusammen sehen, ehe ich mich endgültig von ihr verabschiede, und ich nehme an, daß die beiden genannten Frauen keine Lust haben, weiter zu reisen, als bis nach dem kleinen Landstädtchen, das ihre Heimat ist. Eingeschlossen findest Du einen Brief an Deinen Mann, der Geschäftsangelegenheiten betrifft. Ich hoffe, er wird während des Rests Eurer Reise aufs beste für Dich sorgen und dadurch zu Danke verpflichten Deinen Dich liebenden Vater.«

Der Brief an mich lautete:

»Geehrter Herr! Ich hätte erwartet, daß Sie imstande gewesen wären, die unverschämten Telegramme, die einige Glieder Ihrer Gesellschaft mir nachzusenden für gut befunden haben, zu verhindern, allein es scheint mein Schicksal zu sein, mich in denen zu täuschen, denen ich vertraue. Ich werde diese Telegramme unbeantwortet lassen, Ihnen will ich aber sagen, daß ich mich von meiner Absicht, das jetzt in meinem Besitz befindliche Geld unter diejenigen, die einen rechtmäßigen Anspruch darauf haben, zu verteilen, durch Drohungen nicht abbringen lassen werde. An dem vergleichsweise geringfügigen Betrag, der mir und meiner Tochter zufallen wird, liegt mir nichts: es handelt sich für mich lediglich ums Prinzip. Meiner Stellung war man die Rücksicht schuldig, das Geld an mich und an niemand anders zurückzugeben; an mir war es, die Teilung vorzunehmen. Ich stütze mich somit auf meine Grundsätze und mein Recht, und um nutzlose Zänkereien zu vermeiden, begebe ich mich nach Meadowville, wo ich, wenn der Rest unsrer Gesellschaft eintrifft, das Geld ordnungsmäßig verteilen werde. Ich hoffe, dieser Herr Dusante wird nicht so thöricht sein, seine Reise weiter als Chicago auszudehnen. Ihre Pflicht wird es sein, ihm klar zu machen, wie unpassend es sein würde, wenn er es dennoch thäte. Ihr p. p. D. J. Enderton.«

Ruths Brief ward der ganzen Gesellschaft gezeigt, während den meinen ich nur Mr. Dusante, Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine zu lesen gab.

»Na,« rief Mrs. Lecks aus, als sich das erste Erstaunen gelegt hatte, »ich weiß schließlich nicht, ob es mir besonders leid thut, daß der alte Spitzbube das gethan hat, denn nun sin wir 'n doch für den Rest unsrer Reise los, un aus der Art, wie er schreibt, läßt sich ziemlich bestimmt sehn, daß er seine Finger noch nicht in den Topf gesteckt hat. Wir haben ihm doch en bißchen Angst davor eingejagt.«

»Aber so 'ne Unverschämtheit von ihm!« meinte Mrs. Aleshine, »Geht der Kerl geradeswegs in die Stadt, wo wir wohnen, un kommt zuerst hin! Nun sitzt er gewiß auf der Wirtshausveranda un hat alle Bummler des Orts um sich versammelt, un erzählt 'n die ganze Geschichte, alles, was passiert is von A bis Z; un wenn mir hinkommen, weiß sie schon der ganze Ort un sie is so schimmelig, wie Brot vom vergangenen Jahr,«

»,Dieser Herr Dusante',« bemerkte dieses Individuum ruhig, »wird den Zweck seiner ganzen Reise nicht aufgeben. Er hat seine Insel verlassen, um den Ingwertopf mit dem darin befindlichen Geld der Gesellschaft zu Händen der Mrs. Lecks zurückzugeben. Er wird demnach mit nach Meadowville reisen und dort in aller Form, nötigenfalls mit Unterstützung der Behörde, die Rückgabe des Topfes und des Geldes verlangen und hierauf seine ursprüngliche Absicht ausführen.«

Wir sprachen ihm unsre Freude darüber aus, daß wir ihn und seine Damen noch weiter als Reisegefährten haben sollten, und Mrs. Lecks bot ihm sofort die Gastfreundschaft ihres Hauses für die Zeit seines hoffentlich recht langen Aufenthalts dort an.

»Das Wetter is dort oft bis zum großen Danktag Wird alljährlich vom Präsidenten, gewöhnlich auf den letzten Donnerstag im November, festgesetzt. Anm. d. Uebers. prachtvoll,« sagte sie, »un niemand kann mir willkommener sein, als Sie.«

»Ich hätte darum gebeten,« fiel Ms. Aleshine ein, »wenn Mrs. Lecks es nicht gethan hätte – un daß sie's thun würde, das wußt' ich – aber Mr. Craig un seine Frau kommen zu mir, un da unsre Häuser ganz nahe bei einander. liegen, können wir die ganze Zeit zusammen sein. Un wenn Mr. Enderton ein paar Tage im Wirtshaus bleiben will, kann er 'rüber kommen, so oft er will, um seine Tochter zu besuchen. So weit will ich gehn, aber weiter nicht. Ich bin keine von denen, die jemand von ihrer Thüre weist, mag er ein Heide sein, oder ebenso schlimm, oder noch schlimmer. Aber einmal oder vielleicht zweimal Thee, das is alles, was ich dem Mann anbieten kann, nach dem, was er gethan hat.«

Da Dusante und Ruth den Wunsch aussprachen, etwas von Chicago zu sehen, wo sie noch nie zuvor gewesen waren, blieben wir zwei Tage dort. Wir waren überzeugt, Mr. Enderton würde auf unsre Ankunft warten, ehe er etwas mit dem Ingwertopf vornahm, so daß keine Eile nötig war.

Früh am Nachmittag des zweiten Tages trat ich in den Salon des Hotels, in der Erwartung, unsre Gesellschaft zum Ausgehen bereit zu finden, um sich einige der Sehenswürdigkeiten anzuschauen; allein ich traf nur Mrs. Aleshine in Hut und Umhang. Ich hatte nur wenige Worte mit ihr gewechselt, als Mrs. Lecks ohne Hut und Tuch und mit dem Strickzeug in der Hand eintrat. Sie nahm in einem großen Armstuhl Platz, setzte ihre Brille auf und fing an zu stricken.

»Mrs. Lecks!« rief ihre Freundin überrascht aus, »willst du denn nicht mit ausgehen?«

»Nein,« antwortete Mrs. Lecks. »Ich habe schon alles, woran mir etwas liegt, gesehn, un werde zu Hause bleiben un mich ruhig halten,«

»Geht denn Mr. Dusante diesen Nachmittag nit aus?« fragte Mrs. Aleshine,

Mrs. Lecks ließ ihr Strickzeug in den Schoß fallen, nahm hierauf die Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie neben ihren Garnknäuel. Dann drehte sie ihren Stuhl um und sah ihre Freundin an. »Barb'ry Aleshine,« sagte sie, mit großer Ueberlegung sprechend, »hast du dir etwa in Kopf gesetzt, daß ich nach Mr. Dusante angle?«

»Ich sage nicht ja, un ich sage nicht nein,« antwortete Mrs. Aleshine, ihre dicken Hände auf ihren Knieen faltend, wobei ihr rundes Gesicht voll Herzensgüte unter ihrem neuen Hut strahlte, »aber das will ich sagen, – un 's kann's jeder hören, wer Lust hat – wenn du Mr. Dusante unter deine Haube bringen willst, so kann niemand was dawider haben, solange du damit zufrieden bist. Ich würde ihn gerade nit für dich ausgesucht haben, wenn ich was zu sagen hätte, denn ich würde einen mit 'nem amerikanischen Namen un keiner Insel nehmen. Aber das is ja nun ganz einerlei, denn du bist 'en ausgewachsenes Frauenzimmer, un wenn's zum Aussuchen kommt, dann is das auch deine Sache, denn es is volle elf Jahr, seit du die Witwentrauer abgelegt hast, un wenn Mr. Lecks in dieser Minute aus seinem Grabe aufstände, dann könnte er nit die Hand aufs Herz legen un sprechen, du hättest nit deine volle Pflicht gegen ihn gethan, als er noch lebte un auch als er schon begraben war. Un wenn du also wählen willst und denkst an Mr. Dusante, dann is weiter nichts zu sagen. Ihr seid beide mündig un wißt, was ihr wollt, un ihr seid beide wohlhabend genug, um euch zusammen zu thun, wenn ihr dazu Lust habt. Un was seine Schwester is, die wird er wohl bald los werden. Un wenn du dich in 'ne adoptierte Schwiegermutter finden kannst, dann is das auch deine Sache un geht mich nichts an.«

»Is das alles?« fragte Mrs. Lecks.

»Ja,« versetzte die andre. »Das is alles, was ich für jetzt zu sagen habe. Es fiele mir aber vielleicht noch mehr ein, wenn ich ordentlich darüber nachdächte.«

»Nun,« sagte Mrs. Lecks, »dann habe ich auch ein Wort über die Sache zu sagen, un ich bin froh, daß Mr. Craig hier is un uns hört. Wenn ich in Beziehung auf Mr. Dusante das Gefühl hätte, daß er 'n Mann wäre, wenn auch nicht gerade so, wie ich mir 'n wünschen möchte, denn er hat 'n bißchen was Fremdländisches un dann is er mit 'n Sandwichinseln verknüpft, was ich mir nicht gerade aussuchen würde, wenn ich was dabei zu sagen hätte, aber doch ein christlicher Herr – wie er's in seinen Handlungen un nicht bloß mit Worten beweist – un e'n liebevoller Bruder un e'n aufmerksamer Sohn gegen seine eigene Adoption, un der auch mir, solange wir noch zu leben haben, gewiß ein guter Mann sein würde, dann würde ich hingehen und nach ihm angeln, wie du sagst, aber nicht in einer frechen oder in einer für eine Frau meines Alters unpassenden Weise, sondern nur gerade so weit, daß er, wenn er Gefühle für mich hegte un der Meinung wäre, daß er, wenn er sich überhaupt so spät im Leben noch 'mal veränderte, das am besten mit einer Frau thäte, die alt genug is un ihre Erfahrungen in guten un schlimmen Tagen, im Ehestand un im unverehelichten Stand gemacht hat un von der er überzeugt sein kann, sie wird immer so sein, wie er sie gefunden un genommen hat, dann sage ich, alles, was er zu thun hat, wäre dann, daß er zu mir kommt un gerade herausspricht, was er denkt, un ich würde sagen, was ich denke, un dann wäre die Geschichte in Ordnung, un kein Mensch in der Welt hätte ein Wort mitzureden als wir, außer uns Glück zu wünschen un sich dann um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Nun aber sage ich dir, Barb'ry Aleshine, un Ihnen auch, Mr. Craig, ich habe gar keine solche Gefühle in Beziehung auf Mr. Dusante, un ich beabsichtige gar nicht nach ihm zu angeln, un wenn er 'ne Angel hätte un wollte mich fischen, dann würde ich ihm freundlich, aber bestimmt sagen, er könne sie ruhig wieder einziehen, und wenn's ihm gefiele, sie nach 'nem andern Frauenzimmer auswerfen, un wenn's meine beste un liebste Freundin auf der Welt wäre, dann stehe ihm das meinswegen frei, un ich würde alles thun, was ich könnte, ihre Ehe so glücklich zu machen, wie's unter diesen Umständen möglich is; und was auch passierte, ich würde kein Sterbenswörtchen sagen, wenn ich auch dächte, was ich Lust habe. So, un nun wißt ihr, was die Glocke geschlagen hat. Wenn ich angeln wollte, dann würde ich angeln, wenn nicht, na, dann nicht. Ich will nicht, also thu' ich's nicht.«

Dabei setzte sie ihre Brille wieder auf und strickte weiter.

Mrs. Aleshine wandte ihrer Freundin ein freudestrahlendes Antlitz zu.

»Mrs. Lecks,« sagte sie. »Deine Worte nehmen mir 'ne Last vom Herzen. Ich würde nit darunter zusammengebrochen sein, un du würdest niemals gemerkt haben, daß ich sie schleppte, aber nun is sie runter, un ich bin gewaltig froh darüber. Un was ich und meine Angel sin – un wie du von deiner liebsten un besten Freundin sprachst, konntest du doch niemand anders meinen – da kannst du dich beruhigen. Ich mag sein, was ich will, un er mag sein, was er will, un ich mag von ihm denken, wie ich will, und er kann von mir denken, wie er will, ich könnt's niemals übers Herz bringen, meinem Sohn, wenn er den ganzen weiten Weg von Japan in seiner Mutter Arme zurückkommt, zu sagen: George, hier is en Franzose, den ich dir als Vater beschere!' Das wäre 'ne schöne Bescherung.«

Ich konnte nicht länger an mich halten, sondern brach in ein lautes Gelächter aus, allein Mrs. Lecks sah mich vorwurfsvoll an.

»Un nun hoffe ich, is die Angelgeschichte ein- für allemal abgethan,« sagte sie ernst.

»Das is sie,« antwortete Mrs. Aleshine, als sie sich erhob, um dem Rest unsrer Gesellschaft, der in diesem Augenblick ins Zimmer trat, entgegenzugehen.

Mehrere Tage lang konnte ich den würdevollen und beinahe vornehmen Mr. Dusante nicht ansehen, ohne innerlich zu lachen und mich zu fragen, was er wohl denken würde, wenn er wüßte, wie, ohne daß er seinerseits die geringste Veranlassung dazu gegeben, diese beiden guten Frauen eine eheliche Verbindung mit ihm besprochen hatten, und wie die Sache schließlich zu Ende gebracht morden war. Ich glaube, er würde dies für das überraschendste in der ganzen Reihe seiner Abenteuer gehalten haben.

Um Ruths und der Damen der Familie Dusante willen unterbrachen wir unsre Reise von Chicago nach der kleinen Landstadt im Innern von Pennsylvanien an einigen interessanten Punkten. Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine fügten sich großmütig in diese Verzögerung, obschon sie, wie ich wußte, sehr ungeduldig waren, ihre Heimat zu erreichen. Sie standen jetzt auf dem besten Fuß mit Mrs. Dusante, und die drei Frauen plauderten zusammen wie alte Freundinnen.

»Ich hab' sie gefragt, ob wir sie einfach Emily nennen dürften,« vertraute mir Mrs. Aleshine an, »un sie hat ,ja' gesagt, un nun thun wir's. Ich hatte das schon lange vor, denn 's schien mir so natürlich, wenn man bedenkt, daß wir die beiden als Emily un Lucille gekannt haben, noch ehe sie uns vor Augen kamen. Aber solange mir der Stein wegen Mrs. Lecks' un Mr. Dusante auf 'm Herzen lag, konnte ich seine adoptierte Mutter doch nit einfach emilyen. Das wäre mir doch gegen mein Gefühl gegangen. Aber nun is ja alles in Ordnung, un obgleich Emily nit ganz die Frau is, wie ich erwartet hatte, so is dafür Lucille das genaue Bild von dem, was ich gedacht hatte, wie sie sein würde. Un was Emily is, so habe ich nie 'ne nettere Dame gesehn oder eine, die bereiter is, 'was von Leuten zu lernen, die Erfahrung haben. Aber Lucille hab' ich eben doch immer am gernsten gehabt.«

Wir trafen eines Nachmittags zeitig in Meadowville an und waren erstaunt, Mr. Enderton nicht auf dem Bahnsteig zu finden, als wir aus dem Zuge stiegen. Statt seiner standen drei Männer dort, deren Anwesenheit uns ebenso überraschte als erfreute. Es waren der rotbärtige Bootsmann und die beiden Matrosen, alle drei in neuen, sauberen Anzügen, die Hand zum Seemannsgruß erhoben. Ein Freudenschrei ertönte. Mrs. Aleshine ließ Handtasche und Regenschirm fallen und eilte mit ausgestreckten Händen auf sie zu: auch Mrs. Lecks, Ruth und ich traten hinzu und hießen unsre nautischen Gefährten von der Insel warm willkommen.

Als die Familie Dusante mit den Matrosen bekannt gemacht worden war, zeigte sie beinahe ebenso große Freude als wir, und Mr. Dusante lieh seiner Genugthuung, auch die andern Glieder der Gesellschaft, der seine Insel Zuflucht gewahrt hatte, kennen zu lernen, herzliche Worte.

»Ich freue mich so furchtbar, euch zu sehn,« rief Mrs. Aleshine, »daß ich nicht weiß, ob ich auf 'm Kopf stehe, oder auf 'n Füßen. Aber wie, im Namen alles Wunderbaren, kommt ihr denn hierher?«

»Das is eine ganz einfache Geschichte,« antwortete der Bootsmann, »un war ungefähr so. Als Sie uns in Frisko verlassen hatten, war uns sehr lila zu Mute, noch dazu, da wir kein Schiff finden konnten, das uns gefiel, un dann kam der Agent von dem Haus, dem unsre Brigg gehört hatte, un wir kriegten unser Geld vor de letzte Reise. Un wie wir uns neu aufgetakel hatten, da dachten mer annerster über de Arbeit an Bord 'nes Kauffahrers, wo mer immer geschimpft wird un harten Zwieback un ranziges Schweinefleisch essen muß, un was immer leicht leck weren kann, un dann muß mer Tag un Nacht pumpen un geht schließlich doch zu Davy Jones Amerikanischer Volksausdruck für Teufel. Anm. d. Uebers..

Un wie mer das nu so alles hin un her besprochen hatten, da blies uns en Gedanke an der Luvseite, daß 's verflucht viele besser wäre – Verzeihung, Madame – in schenem weichen Boden Gartenbeete umzugraben, un Erbsen zu säen, un Fische zu fangen – das heißt, diese im Wasser – un alle so 'ne Arbeit am Lande zu machen, und dann die schenen Sachen zu essen, die Sie immer für uns gekocht haben, Mrs. Aleshine, un Ihnen 'was vorzutanzen und Vögel zahm zu machen, wenn unsre Wacht vorbei wäre. War's nit so, Bill un Jim?«

«Ja, ja, Herr!« erwiderten die beiden schwarzbärtigen Matrosen.

»Nu sag' ich also: ,Hört emal, Maate,' sag' ich, ,nu wollen mer aber nit hergehen un all das schene Geld verputzen. Mer wollen's nehmen un 'ne Landreise damit machen, dahin, wo de Mrs. Aleshine wohnt.' un den Namen von dem Hafen, den hab' ich mer ufgeschrieben uf 'n Stick Papier, was Sie mer gegeben haben, Madame.«

Mrs. Aleshine nickte bei diesen Worten lebhaft, da sie die fesselnde Erzählung nicht unterbrechen mochte.

»,Un wenn se widder 'n Garten hat, und will drinne gegraben un 'was gepflanzt un Fische gefangen – das heißt, die im Wasser – un irgend 'ne annere Sorte Landarbeit gemacht haben, dann sin mir de Leute davor, un mer wollen uns vor 'ne Reise verheuern, so lang, wie se will, un mer wollen bei er aushalten in gutem un schlechtem Wetter, vor Tagarbeit un Nachtarbeit und immer fix, wenn se ruft: Alle Mann an Deck!' War's nit so, Jim un Bill?«

»Ja, ja, Herr!« antworteten die Matrosen mit tiefem Ernst.

»Das muß ich sagen,« rief Mrs. Aleshine, wobei ihr die Freudenthränen über die runden Wangen liefen, »die Heuer soll abgeschlossen werden, un wenn ich Tag un Nacht arbeiten muß, um für euch auch was zu thun zu finden. Ich habe jetzt einen Mann, der mein Land besorgt, aber oft genug habe ich zu mir selbst gesagt: ,Wenn ich nur jemand hätte, dem ich trauen könnte, daß er die Arbeit richtig besorgte, dann kief ich die beiden Stücke von Squire Ramsey un thäte 'n Zwiebelgeschäft anfangen.' Un nun seid ihr Matrosen gekommen wie drei Seeengel, un wenn's euch paßt, dann wollen wir das Zwiebelgeschäft auf Anteil anfangen.«

»Das paßt uns uf 'n Knopp, Madame,« sagte der Bootsmann, »un mer wollen Zwiemeln vor Sie pflanzen, uf 'n Anteil un uf 'n Kiel un ufs Trockendock. 's is uns ganz Wurst, wo Se se hinhaben wollen, Se brauchen's nur zu sprechen.«

»Na ja,« fiel hier Mrs. Lecks ein. »Ich weiß nicht, wie das sich machen wird, aber da wollen wir jetzt nicht drüber reden. Also ihr seid geradeswegs hierhergekommen?«

»Allerdings, Madame,« antwortete der Bootsmann. »Un wie mer hierherkamen, da fanden mer den Schwarzrock, aber niemand von euch Leuten. Das hat uns zuerst 'n bißchen koppscheu gemacht, aber er sagte, er wohne nit hier un ihr kämt balde, un da haben mer uns im Wirtshaus eingerichtet un seit drei Tagen sin mer zu jedem Zug hierhergegangen un haben euch erwartet.«

Unser Gepäck war inzwischen auf den Bahnsteig gebracht worden, der Zug war weitergefahren, und wir standen noch immer ins Zuhören vertieft. Nunmehr hielt ich es aber für nötig, zum Aufbruch zu drängen. Es war nur ein kleiner Wagen am Bahnhof zu haben, der nicht mehr als zwei Personen faßte, und so half ich Mrs. Dusante und Ruth hinein. Jene war nicht ans Gehen gewöhnt und diese verlangte sehr nach ihrem Vater. Ich befahl dem Kutscher, nach dem Wirtshaus zu fahren, das etwa eine Meile vom Bahnhof entfernt lag, wo wir einstweilen bleiben wollten, bis Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine ihre Häuser zu unsrer Aufnahme hergerichtet haben würden.

»Mrs. Craig wird sich freuen, ins Wirtshaus zu kommen, um ihren Vater wiederzusehn,« sagte Mrs. Aleshine. »Er wird wohl die Ankunftszeit des Zuges vergessen haben.«

»Gott steh' mir bei, Madame!« rief der Bootsmann aus. »Is se nach 'm Wirtshaus gefahren? Da is der Schwarzlock nit!«

»Wo is er denn?« fragte Mrs. Aleshine.

»In Ihnen Ihrem Haus, Madame,« antwortete der Bootsmann.

»Na, das geht doch übers Bohnenlied! Was macht er denn in meinem Haus?« rief Mrs. Aleshine mit vor Ueberraschung und Entrüstung funkelnden Augen.

»Ja, Madame,« antwortete der Bootsmann; »zunächst hat e' de Hausdiere neu anstreichen lassen.«

»Was?« riefen Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine in einem Atem.

»Ja,« fuhr der Bootsmann fort, »der Schwarzrock sprach, er könnte 's nit mit ansehn, wenn de Menschen umherlungerten un thäten nix. Un dann guckte er sich um un sagte, de Farbe an der Hausdiere, die wäre ganz schlecht, un mer sollten uns an de Arbeit machen un se anstreichen, un dann schickte er Jim nach 'm Laden un ließ Farbe un Pinsel holen.«

»Auf meine Rechnung?« fragte Mrs. Aleshine.

»Jawohl, Madame,« antwortete der Bootsmann. »Un Jim un Bill haben de alte Farbe mit Bimsstein abgerieben un ich hab' se widder angemalt, o, ich habe so Arbeiten oft uf 'n Schiffen gemacht, un ich glaube, 's is sehr schene geworden, oben un unnen rot un in der Mitte weiß, wie 'n Dampferschornstein,«

Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine sahen einander an. »Un er hat Euch aufgetragen, das zu thun?« fragte Mrs. Lecks.

»Jawohl, Madame,« erwiderte der Bootsmann. »Der Schwarzrock sagte, wenn er wo wäre, dann thäte er gerne alles, was er könnte. Un er hat auch noch von annern Sachen gesprochen, die mer anstreichen sollten, aber mer sin noch nit drangekommen, un hoffentlich habe ich nix Unrechtes gethan, Madame?«

»Sie trifft nit die geringste Schuld,« sagte Mrs. Aleshine, »aber ich werde der Sache schon auf den Grund gehn. Unbesorgt! Un wie is er denn dazugekommen, sich in mein Haus einzudrängen? Und wie is er überhaupt 'reingelangt? Das möcht' ich doch wissen?«

»Alles, was ich darüber gehört hab',« entgegnete der Bootsmann, »is das, was mer die Diern, die da wohnt, gesagt hat, un das that se, wie se uns gefragt hat, ob mer auch da zum Wohnen hinkämen, un ob se Betten vor uns auf 'm Boden ufstellen sollte, aber mer sagten ihr, nä, dazu hätten mer keine Order un mer bezahlten vor uns im Wirtshaus. Se sagte, der Schwarzrock, der wäre dahergekommen, sagte se, un hatte behauptet, er wäre ein Freind von der Mrs. Aleshine un wäre mit ihr zusammen gereist, un wenn se zu Hause wäre, dann würde se ihn gewiß nit in keinem Wirtshaus bleiben lassen; un er wüßte, was se thun würde, un deshalb wollte er nur gleich kommen un sich's einstweilen bequem machen, bis se selber widder da wäre. Se sagte, se wäre doch nit ganz sicher, aber se ließ 'n 'reinkommen, un wollte sich de Sach' mal überlegen, un dann kamen wir, un mer konnten doch nit annerst wie sagen, er wäre wirklich der Pastor, der mit Mrs. Aleshine un uns annern zusammen gewesen wäre. Un da dachte se, es wäre ja wohl alles in Ordnung, un wenn ich unrecht gethan habe, dann bitt' ich um Entschuldigung, un das war's, was Bill und Jim un ich gethan haben.«

»Na!« rief Mrs. Aleshine, »wenn das nit so recht Elisabeth Grootenheimer gleichsieht! Stell dir nur mal vor, Elisabeth Grootenheimer überlegt sich was! Die Grootenheimers waren immer die dümmste Familie in der ganzen Stadt, un Elisabeth Grootenheimer is die allerdümmste von allen. Als ich fortging, sagte ich mir: ,Die Elisabeth Grootenheimer is so dumm, daß sie ruhig hier bleiben und das bißchen thun wird, was ich ihr auftrage, sie is zu dumm, um Dummheiten zu machen.' Un nu sieh nur 'mal einer!«

Dabei drohte sie mit der Hand in der Richtung der unsichtbaren Elisabeth Grootenheimer.

Mrs. Lecks hatte während dieser überraschenden Enthüllungen sehr wenig gesagt, aber jetzt hatte ihr Gesicht einen finstern und entschlossenen Ausdruck angenommen, und nun sprach sie: »Ich denke, wir haben genug gehört, un thäten am besten, mitzugehn un nachzusehn, was Mr. Enderton un Elisabeth Grootenheimer sonst noch anstellen.«

Mrs. Lecks' und Mrs. Aleshines Häuser waren nicht weit voneinander entfernt und lagen etwa halbwegs zwischen dem Bahnhof und dem Wirtshaus, und unsre Gesellschaft machte sich jetzt nach ihnen auf den Weg. Mrs. Aleshine setzte sich ganz gegen ihre Gewohnheit an die Spitze und marschierte mit ungewöhnlich großen Schritten drauf las. Mrs. Lecks ging dicht hinter ihr, ich folgte mit Mr. Dusante und seiner Schwester und die drei Matrosen, die darauf bestanden, das ganze Gepäck zu tragen, machten den Beschluß. Wir gingen rasch, denn wir waren sehr gespannt auf das, was nun kommen würde, und erreichten bald Mrs. Aleshines Haus. Es war ein ziemlich großes, freundlich aussehendes Gebäude, weiß mit grünen Fensterläden und einer langen bedeckten Veranda an der Vorderseite. Zwischen Straße und Haus lag ein sauberer Garten mit Grasplätzen und Blumenbeeten, und von der Gartenthüre führte ein mit Backsteinen gepflasterter Pfad zum Hause.

Unsre Ankunft schien bereits bekannt geworden zu sein, denn auf der Veranda vor der bunt bemalten Hausthür stand Mr. Enderton, hoch aufgerichtet und mit einem milden, wohlwollenden Lächeln im Gesicht. Seine eine Hand war wie zur Begrüßung ausgestreckt, und mit der andern hielt er anmutsvoll den Ingwertopf, der jetzt seiner Umhüllungen entkleidet war.

Bei diesem Anblick stürzten Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine gleichzeitig auf die Gitterthür zu, fanden sie aber verschlossen. Sie stampften mit den Füßen vor Aerger. »Wollen Sie gleich den Topf hinsetzen!« rief Mrs. Lecks.

»Elisabeth Grootenheimer! Elisabeth Grootenheimer!« schrie Mrs. Aleshine, »komm hierher un mach die Thür auf!«

»Schlagt sie ein,« sagte Mrs. Lecks, sich an die Matrosen wendend.

»Ja nicht,« stieß Mrs. Aleshine hervor und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die Thür, »laßt mir ja meine Thür in Ruh! – Elisabeth Grootenheimer!«

»Meine lieben Freunde,« hob Mr. Enderton in klarem, verständlichem Tone an, »beruhigt euch. Ich habe den Schlüssel zu jener Thür in meiner Tasche. Ich fürchtete nämlich, daß ihr in der freudigen Aufregung über die Heimkehr etwas ungestüm ins Haus eilen und euch von gleichgültigen Dingen in Anspruch nehmen lassen möchtet. Es war indessen mein Wunsch, euch insgesamt und in einer Stellung anzureden, in der ich eurer ungeteilten Aufmerksamkeit sicher war. Ich halte hier in meiner Hand das Gefäß, meine Freunde, worin das in gänzlicher Verkennung der Sachlage während unsres Aufenthaltes auf der Insel uns abgepreßte Kostgeld hinterlegt worden ist. Dies Geld habe ich in meine Obhut genommen und zu unser aller Nutz und Frommen sorgfältig bewacht. Unglücklicherweise sind gegen mein Hüteramt Einwendungen erhoben und mir sogar telegraphisch nachgesandt worden; allein ich habe ihnen keine Beachtung geschenkt. Wenn ihr nicht erleuchtet genug seid, einzusehen, daß ich die einzige dazu berechtigte und geeignete Persönlichkeit bin, dann wäre es wohl vergebliche Mühe, euch jetzt darüber aufzuklären. Ich gebe mich indessen der Hoffnung hin, daß das nicht nötig ist, denn da ihr Zeit genug gehabt, reiflich über die Sache nachzudenken, besteht für mich kein Zweifel mehr, daß ihr mir zustimmt. Ich will nur noch hinzufügen – denn ich sehe, ihr werdet ungeduldig – daß der Betrag, der einem jeden von uns zufallen wird, vergleichsweise unerheblich und an und für sich nicht des Streites wert ist, aber was ich gethan habe, das ist um des Prinzips willen geschehen. Aus Grundsatz habe ich darauf bestanden, daß dieses Geld seinen rechtmäßigen Eigentümern wieder erstattet würde, aus Grundsatz habe ich es in meine Verwahrung genommen, und aus Grundsatz schütte ich jetzt den Inhalt dieses Topfes – der von mir weder untersucht, noch berührt worden ist – auf den Boden dieser Veranda und werde dann den genannten Inhalt in fünf, den Ansprüchen der einzelnen entsprechende Teile teilen, da, wie mir bekannt, die Matrosen kein Kostgeld bezahlt haben. Den Anteil meiner Tochter, die ich, ohne Zweifel auf dem Weg nach dem Wirtshaus, in einem Wagen hier vorbeifahren sah, werde ich einstweilen an mich nehmen.«

»Sie Mensch!« schrie Mrs. Lecks, ihre Faust über den Zaun schüttelnd, »wenn Sie sich erfrechen, auch nur das Papier mit den Angelhaken aus dem Topf zu nehmen, dann will ich -«

Hier wurde sie durch Mr. Dusantes laute, klare Stimme unterbrochen. »Mein Herr,« rief dieser, »ich verlange, daß Sie den Topf, der mein Eigentum ist, augenblicklich niedersetzen.«

»Ich will Ihnen zeigen.« fuhr Mrs. Lecks fort, »daß andre Leute auch Grundsätze haben.«

Was weiter noch gesagt wurde, ging in Mrs. Aleshines Geschrei nach Elisabeth Grootenheimer unter. Sie war jetzt selbst so aufgeregt, daß sie thatsächlich versuchte, ihre eigene Gartenthür aufzubrechen.

Ich rief Mr. Enderton zu, er möge sich hüten, sich durch Berührung des Inhalts des Topfes ernste Unannehmlichkeiten zuzuziehen, und selbst Miß Lucille, die der ganze Vorgang ungemein belustigte, mischte ihre Stimme in den allgemeinen Aufruhr.

Allein alle Drohungen und Bitten hatten keine Wirkung auf Mr. Enderton. Mit heiterem und wohlwollendem Gesichtsausdruck stand er hochaufgerichtet da und war sich des Vorteils, den ihm der in seiner Tasche befindliche Gartenthürschlüssel und der Topf in seiner Hand verschafften, augenscheinlich sehr wohl bewußt.

»Ich werde nun zur Teilung schreiten,« sagte er. Allein in diesem Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit durch die drei Matrosen in Anspruch genommen, die über den Lattenzaun geklettert waren und nun auf der Veranda erschienen: Bill rechts, Jim links von Mr. Enderton und der rotbärtige Bootsmann hinter ihm. Sie schienen alle zugleich zu sprechen, aber was gesagt wurde, konnten wir nicht verstehen, nur ein heiseres Murmeln drang bis zu uns.

Aber infolgedessen, was Bill sagte, lieferte jener den Gartenschlüssel aus, und infolgedessen, was Jim sprach, rückte er den Ingwertopf heraus, und des Bootsmanns Worte veranlaßten Mr. Enderton, mit diesem die Veranda zu verlassen, und die beiden wanderten nach einer entlegenen Ecke des Gartens, so daß sie aus dem Wege waren, als die Thür geöffnet wurde. Bill hantierte eine Weile an dem Schloß herum, aber bald gab es nach, und wir alle eilten durch die Thür nach der Veranda, wo Jim noch stand, den Topf ehrfurchtsvoll in der Hand haltend.

Nun verließ der Bootsmann Mr. Enderton, und dieser schritt durch die offene Thür auf die Straße, wo er sich umwandte und Mrs. Aleshine in lautem, strengem Ton zurief: »Ich verlasse Ihre ungastliche Schwelle und begebe mich zu meiner Tochter ins Wirtshaus. Ich ersuche Sie, mir meinen Handkoffer und meinen Regenschirm unverzüglich dorthin zu senden.«

Mrs. Aleshines Entrüstung über das unbefugte Eindringen in ihr Haus und die Mißachtung ihres Rechtes, ihre eigene Gartenthüre zu öffnen, hatten ihre gewohnte Gutherzigkeit völlig in den Hintergrund gedrängt, und sie rief in zornigem Ton: »Gehn Sie im Vorbeigehn nur in den Farbenladen un bezahlen Sie die Farbe, die Sie auf meine Rechnung da haben holen lassen, un wenn Sie das gethan haben, dann können Sie Ihren Kram abholen lassen.«

»Komm, sei ruhig, Barb'ry,« sagte Mrs. Lecks, »laß deinen Aerger nicht mit dir durchgehn. Du solltest dankbar sein, daß du so glimpflich wegkommst un daß er fort is.«

»Das bin ich auch,« entgegnete Mrs. Aleshine, »un wenn ich mir die Sache recht überlege, dann halte ich's fürs beste, ihm seinen ganzen Plunder, Schiff un Geschirr, nachzuwerfen, sobald ich kann.«

Nun standen wir alle auf der Veranda. Mrs. Aleshine war jetzt ruhiger, wenn schon ihr Gesicht noch immer von der überstandenen Aufregung gerötet war. »Na, das muß ich sagen,« sprach sie, »das is ja ein nettes Nachhausekommen! Meine Gartenthüre mir vor der Nase zugeschlossen, meine Hausthüre rot un weiß bemalt, inwendig im Hause wahrscheinlich von dem Menschen ebenso das oberste zu unterst gekehrt wie hier außen, un wo in aller Welt, möchte ich nur wissen, steckt denn diese Elisabeth Grootenheimer?«

»Nun, geh nur nicht zu schlimm mit der um,« beruhigte sie Mrs. Lecks, »nachdem du so lange von ihr weggewesen bist. Sie füttert wahrscheinlich die Schweine, un du weißt sehr gut, solange die sie nötig haben, geht sie nicht von ihnen fort. Wenn dein Haus en bißchen aufn Kopf gestellt is, braucht dir das keinen Kummer zu machen, denn wir wollen ja nicht mit rin. Wir wollten dich ja nur bis an die Hausthüre begleiten, un ich muß sagen, die is förmlich blendend.«

»Und nun, Mrs. Lecks,« nahm jetzt Mr. Dusante das Wort, indem er Jim den Ingwertopf abnahm, »ich glaube, dies ist eine gute Gelegenheit für mich, den Zweck meiner gegenwärtigen Reise zu erfüllen, indem ich Ihnen den Inhalt dieses Topfes übergebe.«

»Den ich jetzt,« erwiderte Mrs. Lecks in sehr entschiedenem Tone, »ebenso wenig annehme als früher.«

Mr. Dusante sah betroffen und bekümmert aus. Nach all den Gefahren und Abenteuern, die dieser Ingwertopf durchgemacht hatte, erwartete er, glaube ich, Mrs. Lecks würde endlich nachgeben und ihn annehmen.

»Nun hört mich mal an,« hob Mrs. Aleshine jetzt an, »wir wollen doch über den Ingwertopf oder sonst was kein großes Aufhebens mehr machen. Die Sache mag jetzt auf sich beruhen, bis wir alle wieder eingerichtet un in Ordnung sin. Sie können den Topf natürlich nit mit ins Wirtshaus nehmen, Mr. Dusante, sonst hat 'n der Enderton gleich wieder am Wickel, un daß 'n Mrs. Lecks nit in ihr Haus nimmt, weiß ich. Wenn's euch also recht is, dann bleibt er für jetzt hier, un ihr könnt euch drauf verlassen, es soll en niemand anrühren, solange ich am Leben bin, un ich habe die Absicht, noch lange am Leben zu bleiben.«

Dieser Vorschlag wurde freudig angenommen, und nachdem Mrs. Aleshine der Topf feierlich übergeben worden war, empfahlen wir uns.

Mrs. Lecks fand keine Schwierigkeiten, in ihr Haus zu gelangen, wo sie von dem Mann und seiner Frau, die sie zur Beaufsichtigung ihres Eigentums zurückgelassen hatte, warm willkommen geheißen wurde, während Dusantes und ich nach dem Wirtshaus, oder wie es auf dem Schild genannt war, »Hotel« gingen, um das sich der größte Teil des Städtchens lagerte. Die drei Matrosen warteten auf Mrs. Aleshines weitere Anweisungen.

Am Nachmittag des folgenden Tages waren die Behausungen dieser beiden höchst energischen und tüchtigen Hausfrauen, Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine, vollständig zur Aufnahme ihrer Gäste vorbereitet, und die Familie Dusante wurde unter dem Dache der einen, meine Frau und ich an der so bunt bemalten Thür der andern herzlich willkommen geheißen.

Mr. Enderton blieb im Wirtshaus, wo er ein ganz behagliches Unterkommen gefunden hatte, eine Einrichtung, die für alle Teile sehr zufriedenstellend war.

In Mrs. Aleshines Wohnung, wo Lucille von Anfang an eine fast ständige von Ruth und der Herrin des Hauses gleich freudig begrüßte Besucherin war, herrschte Zufriedenheit und die beste Laune. Die rastlose Thätigkeit und Munterkeit unsrer Wirtin schien uns alle zu beleben. In Mrs. Lecks' Hause dagegen lagen die Dinge etwas anders. Dort herrschte, wie ich deutlich wahrnahm, zwischen Mrs Lecks und Mr. Dusante eine gewisse, fast an Kälte grenzende Spannung. Dieser hatte den Zweck, um deswillen er die lange Reise unternommen hatte, nicht erreicht, und obschon er, wenn die Dinge sich seinen Wünschen entsprechend entwickelt hatten, gewiß gern Mrs. Lecks' Gast gewesen wäre, war ihm die Sache, so wie sie lag, peinlich. Auch Mrs. Lecks war im Gemüt beunruhigt. Sie wußte nicht, wann Mr. Dusante seinen Versuch, ihr das Kostgeld im Ingwertopf aufzudrängen, wiederholen würde, und unter solchen Umständen zeigte sie sich nicht von ihrer besten Seite.

»Er is nicht zufrieden,« sprach sie zu mir am Morgen nach Dusantes Einzug bei ihr, »er möchte gern etwas thun oder abreisen. Ich wollte, der alte Ingwertopf wäre auf den Grund des Meeres gefallen, als er ihn daherschleppte, oder er wäre in tausend Stücke gegangen, wie wir den Berg runter glitschten un das Geld wäre im Schnee geschmolzen. Nun nehmen Sie mal an, er käme am Ende der ersten Woche her un böte mir Kostgeld für sich un seine Familie an, un sagte, das sei nicht mehr, als ich ihm angethan hätte? Natürlich, haben die beiden Fälle gar nichts miteinander zu thun, denn mir kamen ohne Erlaubnis un Einladung als Fremde in sein Haus, während er zu mir als Freund kommt un eingeladen un genötigt is. Aber ich glaube, ich könnte ihn nicht dazu bringen, die Sache so anzusehn, un das beunruhigt mich.«

Ich sah ein, es müsse etwas geschehen, um diesem unbehaglichen Zustand ein Ende zu machen, und zog meine Frau und Miß Lucille zu Rate. Nachdem wir eine Zeitlang hin und her überlegt hatten, kam Ruth ein Gedanke.

»Nach meiner Ansicht,« sagte sie, »wäre das beste, was wir mit dem Gelde anfangen können, daß wir es den drei Matrosen gäben. Sie sind arm und werden sich darüber freuen; Mrs. Lecks und Mr. Dusante müssen damit einverstanden sein, denn der eine will's nicht behalten, und die andre will's nicht zurücknehmen, und den übrigen wird dieser Vorschlag gewiß gefallen.«

Die Ratsversammlung nahm diesen Antrag an, und ich wurde beauftragt, ihn beiden Teilen sofort zu unterbreiten.

Mr. Dusante erklärte sogleich seine Zustimmung.

»Es ist allerdings nicht das, was ich beabsichtigte,« meinte er, »aber es kommt beinahe auf dasselbe hinaus. Das Geld wird thatsächlich seinen Eigentümern wieder zugestellt, und diese kommen überein, darüber in gewisser Weise zu verfügen. Das kann mir recht sein.«

Mrs. Lecks zögerte etwas. »Gut,« sagte sie endlich. »Er nimmt das Geld an un gibt's, wem er Lust hat. Dagegen kann ich nichts einwenden.«

Nun war natürlich ein weiterer Widerspruch höchstens von Mr. Enderton zu erwarten. Als ich ihm die Sache vortrug, fand ich ihn indes zu meiner Ueberraschung zur Einwilligung bereit. »Was ich gethan habe,« sagte er, das Buch, worin er las, halb schließend, »habe ich aus Prinzip gethan. Ich war und bin noch der Ansicht, daß auf einer vollkommen verlassenen Insel kein Kostgeld entrichtet werden dürfte. Ich habe es unter Vorbehalt bezahlt und ziehe diesen Vorbehalt auch nicht zurück. Nach allen Gesetzen der Billigkeit und Gastfreundschaft kann der Mann, dem jene Insel gehört, das Geld nicht behalten, und Mrs. Lecks hat noch weniger Recht, es anzunehmen. Allein wenn nun der Vorschlag gemacht wird, den gesamten Betrag den drei Matrosen zu überlassen, die kein Kostgeld bezahlt haben, und für die es ein reines Geschenk ist, bin ich damit einverstanden. Freilich haben sie mich gerade in dem Augenblick gestört, wo ich im Begriff war, die Sache richtig zu ordnen, aber ich zweifle nicht daran, daß sie auf Anweisung handelten, und ich muß einräumen, daß, während sie die ihnen erteilten Befehle mit einer gewissen Entschlossenheit ausführten, wie sie an unbedingten Gehorsam gewöhnten Leuten eigen ist, sie mich vollkommen achtungsvoll behandelten. Wenn mir bei Beginn dieser Zwistigkeiten von andrer Seite dieselbe Achtung gezeigt worden wäre, dann wäre es für alle Beteiligten weit besser gewesen.«

Und sein Buch wieder aufschlagend, fuhr er fort, zu lesen.

Am Nachmittag versammelten wir uns alle, mit Ausnahme Mr. Endertons, auf Mrs. Aleshines Veranda, um bei der Uebergabe des Kostgeldes zugegen zu sein. Die drei Matrosen, die von dem, was geschehen sollte, in Kenntnis gesetzt worden waren, standen in Reih und Glied auf der zweiten Stufe der zur Veranda emporführenden Treppe, mit ihren neuen Wachstuchhüten in der Hand. Mrs. Aleshine ging ins Haus und erschien gleich darauf mit dem Ingwertopf wieder, den sie Mr. Dusante überreichte. Dieser nahm ihn in Empfang und stand dann einen Augenblick still, als ob er im Begriff sei, eine Rede zu halten. Wenn das aber seine Absicht war, ward ihm die Gelegenheit zur Ausführung genommen, denn nun trat Mrs. Lecks vor und sprach zu ihm gewandt: »Mr. Dusante, nach dem, was ich selbst von Ihnen gesehn und von andern über Sie gehört habe, glaube ich, Sie sin 'en Mann, der versucht, seine Pflicht zu thun, so wie er sie erkennt, einfältigen Herzens un nicht rechts un nicht links sehend. Sie entschlossen sich, wenn es sein müßte, mit dem Ingwertopf un dem Geld drin durch die ganze Welt zu reisen, bis Sie die Leute ermittelt hätten, die in Ihrem Haus gewohnt hatten, und dann wollten Sie den Topf gerade so, wie Sie ihn gefunden, der Person zurückgeben, die es übernommen hatte, die regelmäßige Bezahlung des Gelds un die Niederlegung im Topf zu überwachen. Mit dieser Absicht im Sinn brachten Sie den Topf über den Ocean, schleppten ihn durch Californien rauf und runter, un ihn fest im Arm haltend, rutschten Sie den glitscherigsten Berg runter, den's je gegeben hat. Un wenn's Ihr eignes kleines Kind gewesen wäre, Sie hätten's, glaube ich, nicht fester halten und sorgfältiger bewahren können. Ueber Stock un Stein, durch Dick und Dünn haben Sie den Topf getragen oder sin ihm nachgereist, un um zu thun, was Sie sich in Kopf gesetzt hatten, sin Sie den ganzen Weg bis hierher gekommen, wohin, wenn's nicht um dieser fixen Idee willen gewesen wäre, es Ihnen nie im Traum eingefallen wäre, zu gehn. Jetzt, Mr. Dusante, haben wir uns alle darüber verständigt, was damit geschehen soll, un Sie sin damit einverstanden; aber ich sehe Ihnen am Gesicht an, daß Sie doch etwas enttäuscht sin. Die Absicht, die Sie bei Ihrer Reise hatten, haben Sie nicht erreicht: aber ich will mir nicht sagen lassen, daß Sie der einzige von uns allen gewesen sin, der nicht zufrieden, un daß ich der Stein in Ihrem Wege war, über den Sie gestolpert sin. Un wenn ich gesagt habe, ich wollte den Topf im Leben nicht wieder anrühren, dann nehme ich das hiermit zurück, un Sie können den Topf in meine Hände geben, wie das ursprünglich Ihre Absicht war.«

Mr. Dusante antwortete nichts, aber er trat vor, ergriff Mrs. Lecks' braune, arbeitsharte Hand und führte sie voll Ehrerbietung an die Lippen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Mrs. Lecks schon je zuvor einen Handkuß empfangen hatte, ja, es ist kaum anzunehmen, daß sie jemals im Leben gesehen hatte, wie ein Mensch die Hand eines andern küßte. Aber der offene Verstand und die rasche Auffassungsgabe dieser selbständigen Frau vom Lande ließ sie augenblicklich erkennen, was mit dieser altmodischen Huldigung gemeint war. Ihre große Gestalt richtete sich noch mehr empor, sie beugte leicht das Haupt und nahm die Begrüßung mit einer ruhigen Würde hin, die einer Fürstin wohl angestanden hätte.

Der kleine Auftritt ergriff uns alle, und Mrs. Aleshine teilte mir spater mit, sie habe kein trockenes Auge im Kopf gehabt.

Mr. Dusante überreichte hierauf Mrs. Lecks den Topf, die sofort damit zu Ruth und Lucille trat.

»Ihr beiden jungen,« sprach sie, »könnt diesen Topf nehmen, un eure Hände sollen die ersten sein, die das Papier mit den Angelhaken ab und das Geld herausnehmen, das' ihr dann unter unsre guten Freunde, diese Matrosen, verteilen könnt.«

Ruth und Lucille kauerten auf dem Boden der Veranda nieder, eine schüttelte das Geld der andern in den Schoß, und es wurde rasch in drei gleiche Teile geteilt, von denen jeder der Matrosen einen erhielt.

Die drei Männer standen regungslos, jeder seinen Anteil in der offenen rechten Hand haltend, und dann hob der Bootsmann an: »Es is nit meine Sach un auch nit Bills un auch nit Jims, ein Wort wider das zu sprechen, was Sie vor Recht un in der Ordnung halten. Mer haben zu Ihnen gestanden un Ihre Befehle befolgt, seit mer zuerst auf der Insel Schiffsmaate geworden sin, un das wollen mer weiter so machen, nit wahr, Jim un Bill?«

»Ja, ja, Herr,« antwortete Jim und Bill von Herzen, aber etwas heiser.

»Unner Ihnen, da sin 'en paar, besonners Mrs. Aleshine, die ich nenne, ohne de annern beleidigen zu wollen, denen folgten wir bis zur Oberoberbramstangenraa des größten Schiffes, wenn's im wütendsten Typhon, der jemals geblasen, tanzte. Nit wahr, Jim un Bill?«

»Ja, ja, Herr!« bestätigten Jim und Bill.

»Awer, wenn mer auch bereit sin, alle Befehle zu befolgen,« fuhr der Bootsmann fort, »hatten mer uns, als mer hörten, was los war, verabredet, scharf ufzepassen uf eins, un mer haben da gestanden un scharf ufgepaßt, aber das eine haben mir nit gehört, so scharf mer auch ufgepaßt haben, nemlich, was mer mit dem Geld machen sollen. Un da mer das nit gehört haben un also keinen Befehl gekriegt haben, wie mer's ausgeben sollen, so nehmen mer das Geld un bedanken uns auch schene bei allen. Nit wahr, Jim un Bill?«

»Ja, ja, Herr!« sagten Jim und Bill.

Und in den Taschen der Matrosen verschwand das Geld.

Hierauf nahm Mr. Dusante den Ingwertopf auf und trat auf Mrs. Lecks zu. »Ich hoffe, Madame,« sprach er, »da nunmehr der Grund unsrer kleinen Meinungsverschiedenheit aus diesem Topf entfernt worden ist, werden Sie einwilligen, ihn von mir als ein kleines Erinnerungszeichen an die einigermaßen merkwürdigen Erlebnisse, durch die er uns begleitet hat, anzunehmen.«

»Annehmen, Mr. Dusante?« antwortete sie. »Das will ich meinen, un ich freue mich sehr darüber. Solange ich lebe, soll er auf dem Kaminsims in meinem Wohnzimmer stehen, un wenn ich sterbe, sollen ihn meine Erben haben un sorgfältig aufbewahren, solange er zusammenhält.«

Nunmehr war jeder Grund des Mißbehagens aus unsrer kleinen Gesellschaft verbannt, und wir richteten uns auf eine vergnügte Zeit ein. Selbst Mr. Enderton, der in einem Wandschrank seines Zimmers eine Anzahl in Schweinsleder gebundener Bücher gefunden hatte, schien vollkommen zufrieden zu sein. Für Dusantes war der Aufenthalt in dieser ländlichen Gegend während der herbstlichen Jahreszeit eine ganz neue Erfahrung. Die scharfe, kräftigende Luft, die Nebel und die Farbenpracht des »Indianersommers«, der weiche Sonnenschein und sogar die Massen von Aesten und Zweigen, die, schon ihrer Blätter beraubt, ein feines Netzwerk vor dem klaren blauen Himmel webten, hatten einen frischen Reiz für diese Leute, die ihr ganzes Leben in tropischen Ländern und unter ewigem Grün verbracht hatten und die Freuden des amerikanischen Landlebens nicht kannten. Nachdem sie Mrs. Lecks' Gastfreundschaft hinreichend lange genossen hatten, schlugen sie der verständigen Frau vor, sie bis zum Eintritt des Winters als Mieter und Kostgänger zu behalten, und sie nahm diesen vernünftigen Vorschlag ohne Ziererei an und sprach die Hoffnung aus, das kalte Wetter möchte noch recht lange auf sich warten lassen,

Ruth und ich trafen ein ähnliches Abkommen mit Mrs. Aleshine. Eine längere Erholung von den Arbeiten meines Geschäfts war der Zweck meiner beabsichtigten Reife nach Japan gewesen, und ich vermochte mir keinen Ort vorzustellen, der meiner jungen Frau und mir hatte besser gefallen können, als dieser, wo wir inmitten unsrer lieben Freunde der Ruhe pflegen konnten.

Das Thun und Treiben Mrs. Aleshines und ihrer drei Matrosen war für uns eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung. Diese braven Männer widmeten sich mit Leib und Seele dem Dienst dieser tüchtigen Wirtschafterin, und da es unmöglich war, in Beziehung auf die beabsichtigte Zwiebelzucht etwas zu thun, ehe die betreffenden Felder angekauft worden waren und der Frühling eintrat, waren die Arbeiten, mit denen sich der Bootsmann und die zwei kräftigen Matrosen, Bill und Jim, beschäftigten, oder die ihnen von Mrs. Aleshine aufgetragen wurden, sehr mannigfacher Art.

Die herrlich gemalte Hausthür, die anfänglich der guten Frau Zorn erregt hatte, nötigte ihr nach und nach Bewunderung ab, und als die drei Matrosen alles, was sie konnten, in Garten und Feld, Scheunen und Ställen, gethan hatten, gab sie ihnen die Erlaubnis, verschiedene Teile ihres Besitztums zu bemalen, wobei sie Zeichnung und Farben ihrem eigenen Geschmack überließ. Sie mochten die Kühe melken, oder Holz spalten oder die Wände eines Hauses anstreichen, sie arbeiteten stets wie brave Bursche und im Seemannsanzug. Sie rieben das Norderdeck, wie sie den Boden der Veranda nannten, mit Bimsstein ab, bis es beinahe eine Entweihung war, einen Fuß darauf zu setzen, und als Haus und Gartenzaun zweckentsprechend bemalt waren, nahm ihre Phantasie den kühnsten Flug bei der Ausschmückung der kleineren Wirtschaftsgebäude und andrer Gegenstände auf dem Gehöft. Einer der Leute besaß eine Karte, worauf die von den Dampfschiffahrtsgesellschaften der ganzen Welt angenommenen Farben abgebildet waren, und nun wurden Räucherhaus, Getreidescheune, Hühnerstall und so weiter bis zum Pumpenstock und den zum Anbinden des Viehs dienenden Pfählen herab mit breiten Streifen abwechselnd blau und rot oder schwarz und weiß bepinselt, bis der Beschauer glauben konnte, eine ganze Handelsdampferflotte sei unter Mrs. Aleshines Grundstück untergegangen, so daß weiter nichts als die Schlote sichtbar geblieben waren.

Das größte Kunstwerk hatte jedoch der rotbärtige Bootsmann sich selbst vorbehalten. Er hatte es in seinem eigenen Hirn ersonnen und mit seinen eigenen Händen ausgeführt. Das war nichts Geringeres als die Tättowierung des Kuhstalls. Auf sämtliche Wände dieses Gebäudes, die schon eine Farbe hatten, die einigermaßen der sonnengebräunten Haut eines Menschen glich, malte der Bootsmann in blauen Punkten, die eine Tättowierung vorstellen sollten, ein ungeheures Ankertau, das einigemal um das ganze Haus herumging, eine Seeschlange, beinahe ebensolang als das Ankertau, acht Anker, zwei Schiffe und eine Musterkarte von Kanonen und Flaggen, die alle noch freigebliebenen Räume ausfüllten. Die Ausführung dieses Kunstwerks nahm sehr viel Zeit in Anspruch, und noch ehe es halb fertig war, hatte sich sein Ruhm schon in der ganzen Umgegend verbreitet.

Diese Ausschmückung ihres Besitztums machte Mrs. Aleshine großen Spaß. »Es gibt 'n was zu thun,« meinte sie, »bis die Zwiebelzeit kommt, un es macht sie glücklich, un jetzt, wo die Blätter un Blumen alle sin, sehe ich's ganz gern, daß der Platz wieder aufblüht, als ob er ein Kaltwettergarten wäre.«

Abends tanzten die Matrosen in der großen Küche ihre Seemannstänze und spannen lange Garne am Feuer über gute und schlimme Abenteuer in fernen Meeren. Mrs. Aleshine saß stets, wir andern häufig beim Feuer und erfreuten uns an diesen seemännischen Unterhaltungen.

»Da ich selbst mal in der heißen Zone Haus gehalten habe,« sagte sie einmal, »kommt mir eine Masse von dem, was sie erzählen, ganz natürlich vor. Un ich möchte alles in der Welt thun, um sie zufrieden zu stellen, daß sie wie gewöhnliche Christenmenschen auf dem trockenen Land leben, statt sich auf dem wackeligen Ocean rumzustoßen un sich mit andern Schiffen anzurempeln un leck zu werden, mit gar keiner Aussicht, an jedem Punkt, wo ein Schiff untergehn kann, 'ne möblierte Insel zu finden.«

Nur eine Sache beunruhigte Mrs. Aleshines Gemüt, und einmal sprach sie mit mir darüber.

»Ich habe von allem Anfang an gefürchtet,« sagte sie, »un nach einer Weile sogar mehr als halb geglaubt, daß die Elisabeth Grootenheimer nach dem Bootsmann angeln würde,« un da bin ich zu ihm gegangen un habe offen mit ihm gesprochen. ,Aus der Geschichte wird nichts,' sagte ich, ,und obgleich ich gar nit daran zweifle, daß Sie das selber einsehen, glaubte ich doch, 's wäre meine Pflicht, Ihnen meine Meinung zu sagen. Es gibt hier in der Stadt 'ne Menge junger Frauenzimmer, die für euch Matrosen Frauen erster Sorte abgeben würden, un ich würde mich sehr freuen, wenn ich euch alle verheiratet un eingerichtet un hier mitten unter uns als Farmer beschäftigt sähe. Aber mit der Elisabeth Grootenheimer is es nix. Alles andre beiseite, wenn kleine Kinder kamen, dann wären sie wohl kleine Bootsmanner, aber sie waren auch Grootenheimers, stockdumme Grootenheimers, un ich sage Ihnen ganz offen, wir haben hierzulande genug Grootenheimers, nur zu viel!‹ Und darauf sagte er: ›Madame,‹ sprach er, ›Sie können versichert sin, daß wenn ich oder Jim oder Bill uns entschließen, nach irgend 'nem Heiratshafen unner Segel zu gehn, dann wern mer nit eher Anker lichten, als bis mer den Klarierschein von Ihnen haben.‹ Damit meinte er, sie wollten mich um Rat fragen, wenn's ans Courmachen ginge. Und nun bin ich ruhig un kann ohne Besorgnis auf die Zwiebelzeit warten.«

Einmal war ich genötigt, auf einige Tage nach Philadelphia zu fahren, um dort etwas Geschäftliches zu besorgen. Am Abend vor meiner Abreise kam der Bootsmann zu mir und bat mich, ihm und seinen Maaten einen Gefallen zu erweisen.

»Vielleicht wissen Sie noch,« sagte er, »daß, wie ich un Bill un Jim das Geld annahmen, daD Sie alle uns gaben, un was nit gerade Prisengeld war, weil der Rest von der Mannschaft, wenn ich so sprechen darf gar nix kriegte, daß mer da scharf ufgepaßt haben, ob was gesagt wurde, was mer mit dem Geld machen sollten; und da nix davon gesagt wurde, da haben mer's genommen, aber es hat nit lange gedauert, da wußten wir, was mer damit machen sollten. Was mer nu gerne thun möchten, sehn Se, das wäre, daß mer so 'ne Art von Signal ufstellen möchten, so eins, was nit so leicht umgeweht wird, oder mehr 'ne richtige Art von Moniment, das die, die's zu sehn kriegen, dran denken läßt, was vor rauhe Böen un lustige Spaße mer zusammen durchgemacht haben. Und wie mer so davon sprachen, daß Mrs. Lecks nu den Ingwertopp hat, um 'en ufs Kamin zu stellen, un 'en da immer sehn kann, da sprachen ich un Jim un Bill, wir sprachen, daß Mrs. Aleshine auch 'n Ingwertopp haben müßte, da sie doch gerade so viel Recht dazu hat, wie ihr Maat, un daß das das Signal oder des Moniment sein könnte, das mer ufstellen wollen. Un nu, da Sie nu in de Stadt gehn, Mr. Craig, da wollten mer Se bitten, dies Geld, un das is der ganze Haufen, den se uns gegeben haben, mitzunehmen, und davon 'en Ingwertopp bauen zu lassen, gerade so groß un von dem nämlichen Schnitt un derselbigen Takelage wie der annere Topp, aber keinen irdenen, denn die kann mer ja kaufen, un das is nit das, was mer wollen. Unser Topp soll von gutem Eichenholz gebaut weren, kräftig un stark, mit eichenen Spanten innewendig, damit er nit ingedrückt wird, wenn 'n einer anrempelt. Un der Boden, der soll bis über de Wasserlinie mit richtigem Silber gekupfert weren, un dann wollen mer en Verdeck wie 'n Schildkrötenbuckel haben, mit 'ner runden Lücke, die 'en wasserdichten Deckel hat, gerade wie gewöhnlich Töppe. Die Seiten, die müssen orendlich kalfatert werden mit Werg un fein geschabt un gemalt, so daß er nicht leckt, wenn Wasser innewendig oder auswendig dran kommt. Un uf dem Boden, so daß mer's sehn kann, wenn er den Kiel nach oben dreht, da sollen die Namen von mir un Jim und Bill stehn, wie ich se hier uf dies Stück Papier geschrieben habe, un an der Seite unner der Wasserlinie uf den silbernen Kupperbeschlag da kommen die Namen von den annern hin, un de Länge un Breite von der Insel un alles aus dem Logbuch, was vielleicht jemand von Ihnen geführt hat, un dazu helfen kann, das mer uns an die Sachen, die mer erlebt haben, erinnern. Un dann, wenn noch Platz uf 'm Kupperbeschlag un noch Geld übrig is, um se zu bezahlen, dann können Se noch so viele Anker un Herzen un Stücke Kabel un so was, was passend is, drauf machen lassen, wie drauf geht. Un den Topp, den wollen mer Mrs. Aleshine geben, um 'n ufs Kamin zu stellen, un dort soll er bleiben, so lange wie se lebt oder jemand, der Zu ihr gehört, Un bei Gott! Mr, Craig,« fügte er hinzu, sich die Hand vor den Mund haltend, obgleich niemand in der Nähe war, der uns hören konnte, »wenn die beiden Töppe jemals aneinander rennen, dann is es nit der Mrs. Aleshine ihrer, der unnergeht.«

Ich übernahm den Auftrag, und nach einiger Zeit traf der erstaunlichste Ingwertopf im Dorfe ein, der je gebaut morden war, der aber die drei Matrosen in all seinen Einzelheiten vollauf befriedigte. Als er Mrs. Aleshine feierlich übergeben wurde, war ihre Bewunderung für das Kunstwerk, ihre Freude über dessen Besitz und ihre Dankbarkeit gegen die Geber gleich grenzenlos.

»Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen,« sagte sie nachher heimlich zu mir, »daß einer dieser braven Matrosen sich soweit erniedrigen könne, Elisabeth Grootenheimer zu heiraten!« Bald nach diesem frohen Ereignis wurde Mrs. Aleshine eine andre Freude beschert. Ihr Sohn kehrte von Japan zurück. Er hatte von dem Untergang des Dampfers, worauf sich seine Mutter und Mrs. Lecks eingeschifft hatten, gehört und war in der größten Sorge gewesen, bis er seiner Mutter Brief erhielt, der ihn zu schleuniger Rückkehr veranlaßte. Seine Absicht war indes nicht, sich in Meadowville niederzulassen, sondern er wollte seiner Mutter, die er seit langer Zeit nicht gesehen, einen langen Besuch machen.

Er war ein prächtiger junger Mann, hübsch und wohl erzogen und gebildet. Wir alle waren entzückt von ihm, und nach kurzer Zeit wurde er, der einzige Junggeselle, und Lucille Dusante, das einzige Mädchen unsrer Gesellschaft, so vertraut und überfreundlich miteinander, daß man gerade kein Prophet zu sein brauchte, um Mrs. Aleshine das Glück, daß sie dereinst Lucilles Schwiegermutter werden würde, wahrsagen zu können.

Wir blieben viel länger in Meadowville, als wir anfänglich beabsichtigt hatten. Selbst als Hügel und Thäler mit Schnee bedeckt waren, wurden Ausflüge im Schlitten und mit dem Rutscher unternommen, wobei der muntere neue Ankömmling den Führer machte, und die auf uns alle, besonders auf Lucille, eine Anziehungskraft ausübten, die uns an Mrs. Lecks' und Mrs. Aleshines Heimstätten fesselte. Nach einiger Zeit jedoch hielten Dusantes es für klug, für den Rest des Winters nach Florida zu gehen; Mr. Enderton hatte schon lange sämtliche in seinem Wandschrank gefundenen Bücher ausgelesen und reiste nach New Jork, und auch Ruth und ich entschlossen uns, ostwärts zu wandern.

Ehe unsre kleine Gesellschaft sich jedoch trennte, waren Mrs. Aleshines Sohn und Lucille Dusante einig geworden, daß sie, wenn der Frühling käme, nach dem Hochzeitshafen segeln wollten. Diese Verbindung war für alle Beteiligten sehr zufriedenstellend. Mr. Dusante konnte keinen Schwager finden, der seine Schwester so glücklich gemacht hätte, und der außerdem seiner Anlage und früheren Beschäftigung nach ihm einen Teil der wachsenden Geschäftssorgen abnehmen konnte.

Im Frühjahr kamen Dusantes wieder nach dem Norden, Lucille wurde mit ihrem Geliebten verbunden, und dann versammelten wir alle, mit Ausnahme Mr. Endertons, der eine ihm ganz ungemein zusagende Stellung als Hilfsbibliothekar an einer selten besuchten Bibliothek gefunden hatte, uns wieder in Meadowville, um dort eine oder zwei Wochen zusammen zu sein, ehe Ruth und ich nach der Stadt in New- England zurückkehrten, die unsre Heimat war. Die Familie Dusante einschließlich des jungen Ehemanns trat, teils zu Geschäftszwecken, teils zum Vergnügen, eine Reise durch Kanada und dem fernen Nordwesten an.

Der Besuch in Meadowville fiel in die Zwiebelzeit, und eines Morgens saßen Ruth und ich auf einem Stein am Rande des Feldes und sahen den fleißig arbeitenden Matrosen zu. Der Boden sah so sein und eben aus, daß man beinahe glauben konnte, er sei mit Bimsstein abgerieben worden, und die drei seemännischen Farmer in ihren knapp die Hüften umschließenden, unten weiten Beinkleidern, ihren Wachstuchhüten, ihren Hemden mit den breiten viereckigen Kragen saßen an verschiedenen Stellen auf dem Erdboden, mit der fesselnden Arbeit beschäftigt, junge Zwiebeln auszupflanzen, wie noch niemals Zwiebeln ausgepflanzt morden sind. Die geduldige Aufmerksamkeit für geringfügige Kleinigkeiten, die seemännische Arbeiten ihnen gelehrt hatte, kam jetzt ihrem neuen Beruf zu gute. In dem Teil des Feldes, der zuerst bepflanzt worden war, waren die Zwiebeln schon aufgegangen, und man konnte erstaunliche Zeichnungen sehen. Da gab es Anker von Zwiebeln, Herzen von Zwiebeln, Briggs, Barken und Schoner, alles von Zwiebeln, und mehr zu Schiffen gehörige oder auf die Neigungen des Herzens und auf die tobende See bezügliche Dinge, als Ruth und ich bei Namen zu nennen wußten, waren in Zwiebeln gezeichnet.

»Es scheint mir,« sagte ich, »daß eine Art Zauber auf der kleinen Insel im Stillen Ocean geruht hat, denn auf die eine oder andre Weise hat sie uns alle sehr glücklich gemacht.«

»Das ist wahr,« antwortete Ruth, »und weißt du, ich glaube, die Ursache eines großen Teils dieses Glücks war das Kostgeld im Ingwertopf!«


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