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Aus dem Briefe des Verlegers an den Herausgeber
– – – – bin ich schon deshalb der Meinung, daß Sie als Herausgeber genannt werden müssen, weil zwei Namen auf dem Titel mehr ins Gewicht fallen und doppelt besser hält. Wegen eventueller Änderungen werden Sie sich leicht mit Frau Wilhelmine Buchholz verständigen, deren Werk ich um so eher zu verlegen geneigt bin, weil schriftstellernde Damen sehr en vogue sind.
Ihr
Verleger
Berlin, 2. April 1883
Der Herausgeber an den Verleger
– – – Hätte ich geahnt, daß Frau Buchholz ihre Drohung, ein Buch über Italien zu schreiben, wirklich wahr machen würde, wäre ich mit meinen Zusagen am Fuße des Vesuvs vorsichtiger gewesen. Jedenfalls löse ich mein Versprechen, ihrem Werke als Mentor zu dienen, ein, wenn es nicht noch in der zwölften Stunde gelingen sollte, sie von der Veröffentlichung abzuschrecken.
Zu diesem Zwecke schrieb ich der Dame in möglichst diplomatischen Wendungen, daß ihr Manuskript mir geradezu Bedenken einflöße. Zunächst erlaubte ich mir zu bemerken, daß sie Italien durchaus nicht erschöpft habe. Dann wies ich auf Längen hin, die Kürzungen erforderten, wenn sie das Vergnügen des Lesers nicht ganz außer acht zu lassen beabsichtigte. Das Hauptgewicht legte ich jedoch auf eine Reihe durchaus vom Herkömmlichen abweichender Ansichten, deren Ausmerzung geboten sei, falls sie nicht den ausgesprochenen Wunsch hege, gesteinigt zu werden.
Was den Stil anbelangt, so fürchte ich – unter uns gesagt –, daß der Gebrauch nicht salonmäßiger Ausdrücke, welche als sog. » slang« bei englischen und amerikanischen Humoristen allerdings höchlichst gepriesen werden, dennoch bei dem feinen Gefühl des Deutschen für seine Sprache, auf heftigen Widerspruch stoßen dürfte. Sobald ich eine Antwort erhalte, teile ich sie Ihnen unverzüglich mit.
Ihr usw.
Dr. Julius Stinde
Frau Wilhelmine Buchholz an den Herausgeber
– – Ich merke schon: Sie wollen zurückzupfen. Damit haben Sie aber bei mir kein Glück. Sie sagen, ich hätte Italien nicht erschöpft. – Ja, habe ich denn das gewollt? Habe ich es kontraktlich, Italien zu erschöpfen? – Gehen Sie doch!
Auf Kürzungen lasse ich mich nicht ein. Was sollten Leute, welche nur zum Einschlafen Bücher lesen, ohne Längen anfangen? Nein die müssen auch bedacht werden. Dagegen möchte ich wohl, daß Sie recht viele Anmerkungen dazu schrieben, denn wenn man jetzt einen Klassiker in die Hand nimmt, findet man mehr Anmerkungen als Text und es würde mir sehr konvenieren, ebenso behandelt zu werden, über meine Ansichten machen Sie sich nur keine Sorge, wenn man mich steinigt, steinige ich wider. Also, Sie geben mein Buch heraus und dabei bleibt es.
P. S. An gefühlvollen Stellen erlaube ich Ihnen gerne, ein bißchen Schwung in die Sätze zu bringen, und auch für Überschriften sorgen Sie wohl, denn darin habe ich nicht so die Übung.
D. O.
An den Verleger
– – – Wie Sie sehen, haben meine Einwendungen keinen Erfolg gehabt. Es würde mir jedoch lieb sein, wenn der Brief der Frau Buchholz publiziert wird, damit man mir die Sünden nicht zuschiebt, die sie begangen hat.
Ihr
Dr. J. St.
An den Herausgeber
– – – Drucken wir doch die ganze Korrespondenz vor. Freilich ist Ähnliches bereits in Immermanns »Münchhausen« geschehen, aber den kennt das Publikum nicht, weil es stets nur den »Oberhof« liest. Wo aber bleiben wir mit den wertvollen Originalbriefen?
Ihr Verleger
An den Verleger
– – Die stiften wir dem märkischen Museum.
St.
Frau Wilhelmine Buchholz an den Herausgeber
– – Wer hat nun recht – Sie oder ich? Sie, der Sie hinter meinem Rücken mein Buch bei unserem gemeinschaftlichen Verleger schlecht zu machen suchten, indem Sie kein gutes Haar daran ließen, oder ich, die ich mich um all Ihr Gequatsch gar nicht kümmerte? Nun ist kaum ein halbes Jahr verflossen, und die zweite Auflage muß gedruckt werden. Wer hat also recht? – Natürlich ich, denn wenn Sie wahrgesagt hätten, lägen die ganzen Bücher noch auf dem Boden, was mir bloß schon des Umschlags wegen leid getan hätte, der sich in den Schaufenstern so niedlich ausnimmt.
Was ich Sie jedoch fragen wollte, ist das: Soll ich das Buch wieder ebenso drucken lassen, wie es war, oder kann ich noch mancherlei hinzufügen, was mir nachträglich erst eingefallen ist? Sie wissen, wenn man vom Rathausturm herunterkommt, hat man mehr gesehen, als vorher. Auch möchte ich der Bergfeldten gerne noch einiges auswischen, da sie, wie ich von der Polizeileutnanten erfuhr, sich sehr mißliebig über mich ausgesprochen hat. Sie hat nämlich gesagt, ich hätte das Buch gar nicht selbst geschrieben, sondern ein junger Student, der auf diese Weise mein Schwiegersohn werden wollte. Das wissen Sie nun doch besser, Herr Doktor, denn Sie haben mein eigenhändiges Manuskript gesehen, und wenn es zum Prozeß kommen sollte, so hoffe ich, daß Sie sagen, wie die Sache sich verhält, und nicht flunkern wie so viele, sonst sehr angesehene Schriftsteller.
Ihre usw.
Wilhelmine Buchholz
Der Herausgeber an Frau Wilhelmine Buchholz
– – – würde ich Ihnen sehr raten, die günstige Gelegenheit einer zweiten Auflage zu benutzen, um den Stil durch Entfernung der volkstümlichen Ausdrücke zu verfeinern und den Winken der Kritik Gehör zu geben, welche, soviel ich mich erinnern kann, Ihnen großes Lob, aber auch manchen Tadel erteilte. Wollen Sie Anklang bei den deutschen Professoren finden, so bedarf die Schreibweise einer unnachsichtlichen Änderung; wollen Sie die Zornfalten von dem strengen Antlitz einzelner Kritiker verscheuchen, so müssen Sie Ihre eigenen Ansichten durch allgemein gültige Anschauungen ersetzen, die weder links noch rechts anstoßen. Streichen Sie die Bosheiten, schließen Sie Frieden mit der Bergfeldt, schreiben Sie akademisch rein, und seien Sie neutral in der Gesinnung. Dann kann es nicht fehlen, daß Sie als eine beachtenswerte zeitgenössische Erscheinung gepriesen werden.
Ihr usw.
Dr. Julius Stinde
Frau Wilhelmine Buchholz an den Herausgeber
– – – Warum nicht gar? Wenn die Professoren mein Buch nicht mögen, so beruht das auf Gegenseitigkeit, denn ich mag ihre Bücher auch nicht. – Hat ein Kritiker mir vorgeworfen, ich wäre sentimental patriotisch, so läßt mich das kalt, denn würde ich bis dato mein Vaterland nicht innig geliebt haben, so hätte ich es jenseits der Alpen in der Fremde lieben lernen müssen. Und Liebe ist nun einmal eine Gefühlssache. – Nur ein Tadel hat mich anfangs verdrossen, nämlich der Vorwurf, den Theophil Zolling in der »Gegenwart« machte, daß wir Buchholzens in Italien nämlich die Kognakflasche zu fleißig herumgehen ließen. »Irgendein Tissot« – sagt er – »könnte die Sache leicht ernst nehmen und den starken Schnapskonsum für eine Eigentümlichkeit des bürgerlichen Reichshauptstädters halten, was doch der Wahrheit nicht entspricht.« – Sollte ich wegen irgendeines dammeligen Franzosen uns auch nur einen einzigen Schluck abknappen? I bewahre. Oder wegen Herrn Zollings Zartgefühl? Erst recht nicht. – »Laß ihn nur über den »Schnaps« die Augen verdrehen,« sagte Onkel Fritz. Hinterher habe ich über die Furcht, vor Tissotn sehr gelacht.
Im übrigen werde ich alle kritischen Ratschläge sowie die Ihrigen befolgen, das heißt, das nächste Mal, denn Buchholzens in Italien bleiben nun einmal so wie sie sind. Nur einige Zusätze kommen hinein und noch ein Kognak, den ich vergessen hatte.
Ihre usw.
Wilhelmine Buchholz
Berlin, 1. Dezember 1883
Avis an das p. t. Publikum
Wiederum ist eine neue Auflage nötig geworden. Mein Verleger sagt, es wäre nicht die letzte, dagegen müßten die Vorreden aufhören, weil die Hauptsache sonst erdrückt würde. Das tut mir leid, denn so eine Vorrede ist für den Verfasser gleichsam ein Handausstrecken, in der Erwartung, daß der Leser freundlich einschlage, damit man sich begrüße, wie gute Freunde zu tun pflegen. – Ich habe nun mit großer Sorgfalt alle Druckfehler herausgemacht, die ich finden konnte, aber der Himmel wird schon dafür sorgen, daß wieder neue hineinkommen. Das verehrte Publikum hat wohl die Güte, sie selbst zu suchen. Es ist das eine ganz amüsante Arbeit. – An alle Leser und Leserinnen die herzlichsten Grüße von meinem Karl, Onkel Fritz und
dero ergebensten
Berlin, im Mai 1884 Wilhelmine Buchholz