Julius Stinde
Die Familie Buchholz. Aus dem Leben der Hauptstadt
Julius Stinde

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Musikalischer Bräutigamsfang

Sie waren damals so nett und druckten die fatale Geschichte ab, welche auf meiner Emmi Geburtstag passirt war, als die Kinder das alte gräßliche Komödienstück auf dem Puppentheater spielten und ich mich mit der Heimreich erzürnte. Sie ist noch nicht wieder bei uns gewesen und die Krausen von nebenan, die eine sehr verständige Frau ist, meint auch, ich würde mir etwas vergeben, wenn ich den ersten Schritt thäte.

Nun muß ich Ihnen aber erzählen, wie ich neulich überrascht wurde. Ich sitze also und denke an rein gar nichts, als es klingelt und der Postbote kommt und das dazu mit einer Geldanweisung für mich. Erst wollte ich es gar nicht glauben, aber ich mußte ja quittiren und er legte die Goldstücke auf den Tisch. Es war das Honorar für das, was ich für Sie geschrieben hatte; nein, ich hatte es wirklich nicht erwartet und dann so viel, ich war ganz außer mir und fing an zu weinen und die Kinder auch. Das Geld lag auf dem Tisch, ich dachte, es würde vor meinen sichtlichen Augen verschwinden, wenn ich es anrührte, und hätte geglaubt, der Postbote wäre ein Gespenst aus einem Zaubermärchen gewesen, wenn er die Stube nicht so voll getreten hätte.

Mein Mann sagte: »Ich kann ordentlich stolz auf Dich sein, Wilhelmine, das hast Du nun so mit dem Schriftstellern verdient.« – »Karl,« sagte ich zu ihm, »ich bin mitunter wohl etwas heftig gegen Dich gewesen, es soll nicht wieder vorkommen, nein, ganz gewiß nicht.« Er umarmte mich und gab mir einen Kuß und ich mußte wieder anfangen zu weinen. Emmi und Betti klammerten sich an mich, als sie sahen, daß ich mich immer noch nicht beruhigen konnte, und wischten sich auch die Augen. »Laßt gut sein, Kinder,« beschwichtigte ich sie, »es ist ja nur die Freude. Wenn blos die Heimreich das sehen könnte, wie würde die sich ärgern!«

»Was willst Du nun mit dem Gelde anfangen?« fragte mein Mann. – »Das bewahre ich zum ewigen Andenken auf,« antwortete ich, »oder wenn es nicht anders ist, so kaufe ich mir einen neuen Hut dafür, der alte ist durchaus nicht mehr modern. Die Krausen hat sich kürzlich auch erst einen neuen angeschafft.« – Die Kinder meinten auch, es wäre das Beste, wenn ich den Hut kaufte. So gab ich denn ihrem Drängen nach und wir gingen alle drei ins Modemagazin. Weil aber noch ein kleiner netter Rest von dem Gelde übrig blieb, das der Postbote gebracht hatte, sagte ich: »Dafür wollen wir uns einen vergnügten Tag machen. Wir gehen heute Abend ins Konzerthaus bei Bilse; ich setze den neuen Hut auf und Papa holt uns nachher ab.«

Der Jubel von den Kindern war unermeßlich, und weil wir doch einmal unterwegs waren, gingen wir in eine Konditorei und ließen uns Chokolade geben mit Schlagsahne darauf und etwas Angenehmes zum Knabbern dazu. Es war allerliebst. –

Am Abend machten wir uns rechtzeitig auf den Weg, um einen guten Platz bei Bilse zu bekommen. Als wir nun in den Saal treten, sehe ich da bereits eine Freundin von mir an einem Tisch sitzen. Wir gingen heran und begrüßten uns. »Guten Abend, Frau Bergfeldt,« sagte ich, »sieht man Sie auch mal wieder? Nein, und wie ihre Auguste herangewachsen ist, seit ich sie nicht gesehen habe!« – die Bergfeldten meinte auch, daß ihre Tochter sich sehr herausgemacht hätte. – Na, ich sah gleich, daß es nur das Kleid war, welches das Mädchen so groß machte, ganz modern mit Schleppe und Cuiraßtaille und die Haare vorne ins Gesicht herunter gekämmt wie eine Ponnymähne. Bei meinen würde ich so etwas nicht leiden, obgleich der Betti bereits ebensogut solches Kleid passen würde, wie Bergfeldtens Auguste, die freilich schon vor zwei Jahren konfirmirt wurde, aber noch sperrig und ungelenk ist, daß es eine Sünde und Schande ist, sie wie eine Erwachsene zu kleiden. Nun, wer so spitze Ellbogen hat, thut freilich am besten, lange Ärmel zu tragen.

Wir nahmen Platz, aber als Emmi sich neben Auguste setzen wollte, sagte die Bergfeldten, der Stuhl wäre vergeben, ihr Emil käme noch nach. Ich sagte, »es sind ja zwei Stühle frei, an einem wird Ihr Emil wohl genug haben;« – Da gab sie mir zur Antwort, ihr Emil würde noch einen Freund mitbringen, und wurde ganz verlegen. – »Aha,« dachte ich, »hier spinnt sich etwas an. Aufgepaßt!«

Es dauerte denn auch nicht lange und Emil kam richtig mit seinem Freunde an, der, wie sich nachher herausstellte, ebenso wie Emil auf den Assessor studirt, wozu er jedoch noch ein paar Jährchen Zeit hat. Wie ich nicht anders erwartete, setzte sich der Freund neben die Auguste, die roth bis hinter die Ohren wurde und sich von nun an noch linkischer benahm, als zuvor. Emil kam bei meiner Betti zu sitzen und so war unser Tisch denn komplet.

Das Konzert begann, und kaum fingen die Musiker an zu spielen, als die Bergfeldt einen Strickstrumpf aus der Tasche holte und darauf losstrickte, als wollte sie das Entree wieder verdienen. So lange die Musik langsam und feierlich war, strickte sie ganz ruhig, aber als nachher ein Walzer gespielt wurde, fuhr ihr der Takt in die Finger und sie ließ so viele Maschen fallen, daß ihre Auguste alles wieder auftrennen mußte, was sie fertig gebracht hatte. Nun konnte ich mir auch erklären, warum der Strumpf so grau aussah.

Ich bin ja sehr für den häuslichen Fleiß und hasse das Müßiggehen, aber wenn man seinen Geist im Konzert bilden will, kann man doch die Aufmerksamkeit nicht zwischen einer Symphonie und dem Strumpf theilen. Auch glaube ich nicht, daß Beethoven seine himmlischen Eingebungen komponirte, damit dazu gestrickt werden sollte. Und wie großartig ist solche Symphonie, wenn sie Alle vier Kellertreppen tief in Gedanken dasitzen, und man meinen muß, sie könnten höchstens durch einen Eimer kaltes Wasser wieder zu sich gebracht werden. Das ist die Macht der Musik!

In den Zwischenpausen unterhielten wir uns recht gut. Emil ließ sich mit meiner Betti in ein umfassendes Gespräch über die deutsche Literatur ein und da Betti erst kürzlich etwas von der Marlitt gelesen hatte, so wußte sie recht gut Bescheid; sie fand auch, daß die Marlitt ihre Charaktere außerordentlich schildert und hielt es für durchaus richtig, daß der Baron erschossen wurde und der brave charaktervolle Ingenieur die Gräfin kriegte. Wenn die Kinder etwas lernen, können sie nachher auch ein Wort mitsprechen.

Bergfeldtens Auguste und der Student redeten fast keine Silbe miteinander, aber von Zeit zu Zeit warfen sie sich schief von der Seite verliebte Blicke zu, die gerade genug sagten. Die Bergfeldten that aber, als wenn sie gar nichts bemerkte, im Gegentheil nannte sie den Studenten immer »lieber Herr Weigelt« und fragte, wie es ihm ginge, was seine Eltern machten und warum er die Pulswärmer nicht trüge, die Auguste ihm gehäkelt habe? »Sie wollen den jungen Mann wohl warm halten, weil Sie ihm Pulswärmer schenken?« flüsterte ich ihr leise zu, ohne etwas Übles bei dem Scherz zu denken. Sie aber warf einen höhnischen Blick auf meinen neuen Hut und sagte: »Wir sind für das Nützliche und nicht für Flitterstaat und Tand!« – Ich war sprachlos. Meinen neuen Hut Tand zu nennen!. Ja, wenn ich ihn geborgt, oder meinem Karl das Geld dafür abgezwackt hätte, das wäre etwas Anderes gewesen. Als ich mich gefaßt hatte, erwiderte ich: »Natürlich, wenn der Mann Alles allein verdienen muß, ist es unrecht von der Frau, die Mode mitzumachen.« Das hatte sie weg.

Während der zweiten Abtheilung aßen wir den Kuchen, den ich mitgebracht hatte; die beiden jungen Herren steckten sich eine Cigarre an, und je schöner die Musik wurde, um so näher rückten sich der Student und Bergfeldtens Auguste. Ich sagte gar nichts weiter und bemerkte nur, als die Kapelle in einem sehr zu Gemüthe sprechenden Potpurri die Melodie: »Ach, wenn du wärst mein eigen« spielte, daß die Zwei Hand in Hand da saßen und sich anschmachteten.

Endlich war das Konzert aus; mein Karl und Herr Bergfeldt erwarteten uns auf dem Flur und wir gingen in eine Restauration, wo wir ein Separatzimmer nahmen, um gemüthlich beisammen zu sein. Mein Karl hatte Herrn Bergfeldt erzählt, woher ich meinen neuen Hut hätte, und er gratulirte mir und sagte, nun gehörte ich auch zu den deutschen Schriftstellerinnen, worauf seine Frau sagte – es war ja nur der Neid über den Hut, der sie reden hieß – Damen, welche am Schreibtische säßen, kümmerten sich nicht viel um den Hausstand und die Familie. – »So?« erwiderte ich. »Jedenfalls kümmere ich mich mehr um meine Töchter, als Sie sich um die Ihrige, ich würde nie leiden, daß meine Älteste eine Liebschaft mit einem Studenten anfinge, wie Ihre Auguste.« – Na, das Wort fuhr denn dazwischen, wie eine Bombe. – »Was ist das?« rief Herr Bergfeldt, »Herr Weigelt, ich will nicht hoffen – – – .« »O Gott, Papa!« rief Auguste. – »Franz meint es aufrichtig,« sagte die Bergfeldt. – »Welcher Franz?« fragte Herr Bergfeldt heftig. – »Nun, Herr Weigelt,« erwiderte sie, »er liebt Auguste treu und innig .....«

»Ich bitte Sie um ein Wort,« wandte sich Herr Bergfeldt an den jungen Studenten, der aufstand und dessen Aussehen wurde wie konfiszirte Milch. Du mein Gott, wie er zitterte. Wie so eine neumodische elektrische Klingel. Er konnte Einen wirklich dauern.

»Was sind Sie?« fragte Herr Bergfeldt.

»Student der Rechte.« – »Wo haben Sie meine Tochter kennen gelernt.« – »Bei Bilse.« – »Und sie lieben sich so sehr!« rief die Mutter. – »Ach ja, Papa!« weinte Auguste. – »Aber Sie sind noch zu jung zum Heirathen und auf weite Aussichten hin giebt ein Vater seine Tochter nicht.« – »O Papa, Du brichst mir das Herz,« schluchzte Auguste, »Franz ist so gut.'« – »Willst Du unser Kind unglücklich machen?« fragte die Mutter. – Der Student stand vor Herrn Bergfeldt, wie ein armer Sünder im Verhör und konnte kein Wort hervorbringen. – »Werden Sie für das Glück meines Kindes sorgen?« wandte sich Herr Bergfeldt an ihn. »Wollen Sie mir versprechen, fleißig zu sein, Ihre Examina zu machen, solide zu leben und mein Kind – meine Älteste – meine Erstgeborene – –.« Hier konnte er nicht weiter. Auguste war ganz aufgelöst in Thränen. Und als die Mutter nun rasch die Hände der beiden jungen Leute ineinanderlegte und sagte: »Ich segne Euch, meine Kinder,« da fingen meine Beiden ebenfalls an. Es war auch zu rührend, denn ich selbst hatte Thränen in den Augen aber im Stillen mußte ich mir doch sagen, daß die Partie mindestens übereilt war. Er hat sein Brod nicht . . . . . und sie mit den spitzen Ellbogen! Er wird sich wundern, wenn er sie zu sehen bekommt.

Obgleich die Bergfeldten nicht artig gegen mich gewesen war, so gratulirte ich ihr doch und sagte, ich hoffte, daß sie nie bereuen möge, ihr Kind so früh mit einem so sehr jungen Manne verlobt zu haben. Daß er jung war, sah man ja auf den ersten Blick an den Finnen im Gesicht und den paar Bartstoppeln; ich hätte ihn nicht zum Schwiegersohne haben mögen, denn etwas geb' ich stets auf das Äußere. Wozu hätte ich mir sonst den neuen Hut angeschafft?

So feierten wir denn die Verlobung in aller Stille und versprachen auch, keinen Ton darüber zu reden, bis der Bräutigam sein Assessorexamen gemacht haben würde. Als wenn eine Verlobung verschwiegen bleiben könnte? Am nächsten Tage weiß es die Waschfrau und in einer Woche wissen es alle Bekannte, das kenne ich aus Erfahrung, weil es mir selbst so ging, als ich mit meinem Karl verlobt war und Vater die Sache noch geheim halten wollte. Mutter konnte nicht reinen Mund halten. Herr Bergfeldt war schweigsamer als gewöhnlich und drehte in einem fort Brodkügelchen zwischen den Fingern, während sie, die Bergfeldten, sich ein möglichst wonnestrahlendes Aussehen zu geben versuchte. Nun, ich will ja auch nicht leugnen, daß eine frisch verlobte Tochter das Mutterherz mit Stolz und Genugthuung erfüllen darf, aber doch nur dann, wenn man mit dem Bräutigam einigen Staat machen kann und er statt an den Haaren, mit den sanften Banden der Liebe herbeigezogen worden ist.

Herrn Bergfeldts Einsilbigkeit war Schuld daran, daß wir die Sitzung nicht zu lange ausdehnten. Er berappte Alles, auch was wir gehabt hatte, er war also gewissermaßen nobel, und das machte einen guten Eindruck. Auf dem Heimwege fragte ich meinen Karl, ob er nicht auch bemerkt hätte, daß der Bräutigam, so wie man bei uns in der Landsbergerstraße zu sagen pflegt, ein dämliches Gesicht gemacht hätte, als wenn ihm die ganze Verlobung ein bischen überrascht gekommen wäre? Karl meinte, der junge Mann wäre eine Padde (er drückt sich mitunter etwas familiär aus, mein guter Karl), sonst hätte er sich nicht so überrumpeln lassen, denn genau besehen, wäre die Mutter doch nur die Anstifterin von der Verlobung gewesen, die ginge nicht wegen der Musik zu Bilse, sondern nur, um ihre Tochter sehen zu lassen. Er fügte noch hinzu, daß es ihm unangenehm sein würde, wenn ich ohne ihn mit den Kindern ausginge.

Hierauf erwiderte ich, daß er sich auf mich verlassen könne, und ich schon dafür sorgen würde, daß unsere Kinder solche Partien nicht machten, und ich schon verstände, junge Leute ohne Aussichten zu verscheuchen. So gab denn ein Wort das andere, und wurde auch nicht eher Friede, als bis Karl schwieg. Das thut er immer, wenn wir nicht egaler Meinung sind, und ich ärgere mich um so mehr, weil ich dann nie weiß, was er im Stillen denkt. Es ist eben schwer, mit den Männern umzugehen.

Als wir zu Hause waren, fragte Betti, wann wir wieder nach dem Konzerthause gehen wollten, worauf Papa sagte, das hätte noch lange Zeit. Betti machte einen schiefen Mund und stotterte, sie hätte Bergfeldtens Emil aber versprochen, am nächsten Donnerstag wieder bei Bilse zu sein.

Der Schreck, den ich bekam, ich danke! Nun aber ging ich ins Geschirr und sowohl mein Mann, als die Kinder kriegten ihr Theil. Mein Karl, weil er nicht gleich mitgekommen war, Betti, weil sie mit dem Emil sich verabredet hatte, und Emmi, weil sie doch hätte sehen müssen, daß Emil und Betti miteinander redeten. Es war ungemüthlich, und der Tag, der so schön anfing, endete mit Kummer und Verdruß.

Als ich mit meinem Karl allein war, sagte ich: »Wir wollen auf die Mädchen Acht geben, solche Verlobungen, wie die heute bei Bergfeldtens, können doch uns nicht passen!« – Karl meinte, wenn die Mütter nur vernünftig wären, könnten keine Dummheiten passiren, selbst wenn die jungen Leute noch so liebenswürdig und die Musik noch so sentimental sei. Ich möchte nur wissen, was die Männer von solchen Sachen verstehen?

In zwei Jahren kann Bergfeldtens Emil vielleicht bereits Assessor sein und Betti ist denn doch zehnmal hübscher, als die spitzknochige Auguste, die nun schon Braut ist. Und was die Musik anbelangt, so spielen sie bei Bilse wirklich ausgezeichnet, nur der Paukenschläger haut auf sein Instrument, als sollte es entzwei werden und es wollte nicht. Warum soll man nicht öfter ins Konzerthaus gehen? Auch läßt sich nicht leugnen, daß Emil ein schmucker Mensch ist und namentlich einen blendenden Vicefeldwebel abgeben würde. Vielleicht auch Lieutenant.

*

Es trat eine lange Pause ein. Mittlerweile war der Sommer des Jahres 1879 herbeigekommen, an den der Berliner mit Freude zurückdenken wird, denn die Berliner Industrie hatte ein Festtagsgewand angezogen und hielt täglich großen Empfang auf der Gewerbeausstellung ab, für die in der Nähe des Lehrter Bahnhofes ein großes Gebäude errichtet worden war, das ein hübscher Park mit Anlagen, Wasserkünsten und freundlichen Pavillons aller Art umgab.

Vor der Ausstellung war dieser Platz eine kleine Privatsandwüste, ein unangenehmes Terrain, auf dem sich selbst das Gras zu wachsen weigerte. Und nun hatte man einen Garten daraus gemacht, aber ohne Zauberei, nur durch Arbeit und das erforderliche Kleingeld. Schade, daß wir nicht auch in fremden Welttheilen den nöthigen Grund und Boden haben, um deutscher Kultur und Industrie Heimstätten zu bereiten ..... es sollten schon prächtige Plätze werden.

In dem Ausstellungspark standen damals bereits die Bogen der Stadtbahn, über welche die Züge noch nicht hinwegsausten in die weite Welt hinein, aber die großen Gewölbe wurden als Ausstellungsräume benutzt und eins derselben war sogar in eine altdeutsche Weinstube verwandelt worden, denn das Antike fing gerade an Mode zu werden. Mit einigen Fenstern von grünem Glase und einem Topf voll brauner Farbe kann man jedes Lokal ins Altdeutsche übersetzen.

Damals war es namentlich das Berliner Kunstgewerbe, welches Triumphe feierte, und das rapide Aufblühen dieser Industrie ist theilweise der Ausstellung zuzuschreiben; das belebende Sonnenlicht der Anerkennung brachte auch die nur erst halbgeöffneten Knospen zu voller Entfaltung.

Industrie und Gewerbe gaben ein Fest, das ganz Berlin mitfeierte, und gar bald konnte der Millionste Besucher der Ausstellung begrüßt und vor den Apparat des Photographen gesetzt werden, damit sein Bild der dankbaren Nachwelt erhalten bleibe. Die Berühmtheit ist eben ein sonderbares Ding. Einige machen ihr ganzes Leben lang vergebens Jagd darauf, Andern wird sie zu theil, ohne daß sie eine Ahnung davon haben. Unvermuthetes Glück soll, wie man sagt, das reinste sein.

Unter den neunhundertneunundneunzig Tausend Besuchern der Ausstellung, die vor dem Millionsten den Drehzähler passirten, befand sich auch die Familie Buchholz, wie wir aus einem Schreiben der Frau Wilhelmine erfahren, das gleichzeitig über den Grund ihres langen Schweigens Aufschluß giebt. Sie ist vielleicht die Einzige, deren Erinnerung an die Ausstellung keine ungetrübte genannt werden kann. Es giebt Leute, die dem Verdruß auf halbem Wege entgegengehen, anstatt ihm auszuweichen; dafür, daß unsere Freundin ihn auch auf der Ausstellung finden sollte, ist bei genauer Prüfung der Verhältnisse das Ausstellungskomité jedoch nicht verantwortlich.


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