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»Weiß ihn.«
»Herr Albrecht Hammermann im Fuchslug.«
»Weiß es.«
»Herr Thorngar am Brunnkreß – Herr Wenhard am Obergehag – Herr Emerich im Auwörth.«
»Wissen es.«
Und so ging es fort, bis sämmtliche Herren und Schüzen herab gelesen waren. Da dies das Lezte war, was verkündet werden mußte, so gingen die meisten Herren und mit ihnen auch andere Leute von dem Holzgebäude fort. Hanna und Guido erhoben sich und verschwanden hinter dem Volke. Hanns drängte sich durch die Leute, die an der äußeren Treppe waren, um die Stelle zu gewinnen, an der Hanna aus dem Gebäude kommen mußte. Als er dahin gelangte, sah er, daß sie bereits in einem leichten schönen Wagen saß, daß Guido bei ihr saß, daß sich ein prächtig gekleideter Diener hinten hinauf schwang, und daß der Wagen fort rollte. Er rollte an den nächsten Häusern, wo man einen Weg über die Wiesen gemacht hatte, herum, und schlug die Straße nach Vorderstift ein.
Hanns wendete sich um und ging nach Pichlern. Er hatte dort bei seiner Schwester einen Schrein, in welchem er seine Arbeitsgeräthe, die er eben nicht auf dem Holzplaze brauchte, aufbewahrt hatte. Er öffnete die Thür des Schreines, und sah auf die Dinge, die da in angebrachten Querhölzern in Einschnitten stekten. Er nahm zuerst einen Bohrer heraus und stekte ihn wieder hin, dann nahm er ein Sägeblatt, besah es und stekte es wieder in die Rinne. Dann nahm er eine Axt, wie er sie gerne anwendete, wenn er keilförmige Einschnitte in die Bäume auszuschrotten hatte. Diese Aexte haben gerne einen langen Stiel, sie selber sind schmal und von scharfer Schneide. Diese Axt nahm er heraus und that die Thür des Schreines wieder zu. Dann ging er in die Schwarzmühle, wo sie hinter dem Gebäude der Brettersäge unter einem Ueberdache einen Schleifstein haben, den man mittelst eines Wässerleins, das man auf sein Rad leitete, in Bewegung sezen konnte. Hanns rükte das Brett, das das Wasser dämmte, sezte den Stein in Bewegung und schliff seine Axt. Als er damit fertig war, lenkte er das Wasser wieder ab, stillte den Stein, nahm die Axt auf seine Schulter, wie er sie gerne hatte, wenn er sich nach dem Thußwalde begab, und ging davon. Er ging hinter dem Dorfe durch die Gärten des Weißkohles gegen den Brunnberg zu.
Das Töchterlein eines armen Weibes, das man die Sittibwitwe nannte, sah ihn dort gehen und sagte: »Mutter, da geht Hanns.«
»Laß ihn gehen,« sagte diese, »das ist eine sehr unglükselige Geschichte.«
Hanns stieg über die sehr niedere Mauer, die um die Kohlgärten aus losen Steinen gelegt war, und ging durch die verkrüppelten Erlenstauden und durch die Wachholdergebüsche empor, durch welche Hanna an ihrem ersten Beichttage in der Dämmerung hernieder gegangen war. Er ging an der Milchbäuerin vorüber und begab sich zu den zwei Brunnenhäuschen. Dort lehnte er die Axt an den Stamm der Linde, kniete vor der Thür des einen Häuschens nieder, nahm den Stiel des Schöpfers, schöpfte sich Wasser heraus und trank einen Theil davon. Mit dem Reste benezte er sich die Stirne, benezte sich die Augenbrauen, die Augenlider und dann die Augen selber. Er ließ eine geraume Zeit das Naß auf diesen Theilen des Körpers liegen, dann zog er ein Taschentuch hervor und troknete sich ab. Als dies geschehen war, schüttete er das Wasser, das noch in dem kleinen Schöpfkübel war, aus, und schöpfte sich neues. Von diesem that er noch einmal einen Trunk und schüttete den Rest in den Brunnen zurük. Hierauf legte er den Schöpfkübel in seine gewöhnliche schwimmende Lage auf das Wasser und erhob sich von den Knieen. Er nahm wieder die Axt und schlug den Weg zwischen den Baumreihen zu dem Kirchlein zum guten Wasser ein.
Als er bei dem Kirchlein angekommen war, dessen Thür offen stand, blieb er auf dem Grabsteine, der vor der Thüre liegt, stehen, und that seinen Hut ab. Dann ging er hinein, den Hut in der einen seiner Hände haltend. Mit der andern nahm er die Axt, die er trug, von der Schulter, und lehnte sie neben dem Beken, das das Weihwasser enthielt, in eine Mauereke. Hierauf ging er bis zu dem Hochaltare hinvor. In dem Kirchlein war Niemand, als zwei sehr alte Mütterlein, die vielleicht die einzigen waren, welche von dem Verhältnisse zwischen Hanns und Hanna nichts wußten. Hanns kniete an den Stufen des Hochaltares, auf welchem sich die schmerzhafte Jungfrau Maria befand, nieder. Er legte den Hut neben sich, faltete die Hände und betete. Er betete sehr lange. Dann lös'te er die gefalteten Hände auf, neigte sich vorwärts, neigte sich immer mehr und legte sich endlich auf den kalten Stein, daß seine Arme auf demselben lagen, und seine Lippen denselben berührten. Er küßte den Stein mehrere und wiederholte Male. Dann richtete er sich nach und nach auf, und blieb wieder knien und betete wieder. Als er genug gebetet hatte, that er die gefalteten Hände wieder auseinander, fuhr mit der rechten gegen die Stirne und machte das Zeichen des heiligen Kreuzes. Dann nahm er den neben sich liegenden Hut, stand auf und ging wieder in der Kirche zurük. Die Mütterlein machten einen demüthigen und kirchlichen Gruß gegen ihn mit Neigen des Hauptes. An der Thür nahm er mit den Fingerspizen Weihwasser aus dem Beken, besprizte sich das Antliz und machte wieder das Kreuzzeichen. Dann nahm er wieder seine Axt aus der Mauereke, that sie auf die Schulter, trat aus der Kirche und sezte den Hut auf.
Von der Kirche ging er zu dem Kreuze empor. An demselben legte er wieder den Hut und die Axt ab, kniete auf den flachen Stein, der vor dem Holze lag, er kniete so nahe, daß seine Brust fast dicht an dem rothen Stamme war, und betete da wieder. Nachdem er gebetet hatte, nahm er abermals Hut und Axt.
Gegen den Gipfel des Kreuzberges sehen dunkle Waldhäupter herein. Man sieht sie, wenn man den fernen blauen Alpen, die im Süden sind, den Rüken zuwendet. Die Waldhäupter sind durch ein Thal von dem Kreuzberge geschieden, führen den Namen des oberen Waldes, und leiten quer über ein Thal in den Langwald. Hanns, nachdem er von dem Beten aufgestanden war, wendete gar nicht den Rüken, der gegen Oberplan und seine Bewohner gerichtet war, sondern sah gegen die Waldhäupter. Er ging in der Richtung gegen sie über den Berg hinab. Im Thale unten beginnen dünnstehende Föhrenstämme, die den Namen der Schieder führen. Hanns ging zwischen den Stämmen und auf dem sumpfigen Boden, der sich unter ihnen befindet, dahin. Er ging durch die Wiesen, die jenseits der Schieder sind, und klomm endlich die Höhen des oberen Waldes hinan, der dichten verworrenen Baumwuchs und in ihm das eigenthümliche Gedämmer schwerer Wälder hat. Er klomm zwischen den Stämmen immer weiter und weiter hinan. Die Kuppe des oberen Waldes ist ein von Bäumen entblös'ter Fels, von dem aus man das böhmische Waldland wie ein graues Gewebe liegen, und seine Teiche darin wie Lichtblike glänzen sieht. Als Hanns diese Kuppe erreicht hatte, blieb er eine Weile stehen und betrachtete das Land, vielleicht die höchste menschliche Gestalt, die man heute in den Lüften hätte erbliken können. Er blieb eine gute Weile stehen und sah hinaus. Die Sonne war nur mehr einen kleinen Bogen von dem Rande der Westwälder entfernt. Dann ging er wieder weiter.