Adalbert Stifter
Die Narrenburg
Adalbert Stifter

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»Weil ihn doch der Julianus irgendwo erschlagen hat,« versetzte der Schmied.

»Dann müßte er ihn tiefer begraben haben, als Regen und Thau dringen können,« versetzte der Wirth, »daß ihn nicht die Pernitz oder unsre Bergwässer zu Tage gewaschen hätten – geht, geht, Ohm, das steht nur so in den Ritterbüchern eurer Thrine. «

»Mein Schwiegersohn, der Stadtschreiber,« sagte der Schmied, »meint selber – seit der letzte Abkömmling des Julian todt ist, und nun bereits das Schloß mit Lieg- und Fahrnissen in die Jahre lang allwärts ausgeschrieben ist, sei es seltsam, daß sich keine Klaue, und kein Hufnagel gefunden, der Anspruch machen könne – also ist der Julius damals erschlagen worden.«

»Das ist nur so, Kinder,« sagte der Boten-Simon, indem er die Pfeife ausklopfte, und wieder anstopfte, und alles umständlich that, und seine Rede beim Wiederanzünden durch kräftige »Paff, Paff,« häufig unterbrach – »das ist nur so: im Lande draußen erzählte mir vor langen Jahren ein Krämer, daß der Julius in Kriegsdienste des französischen Königs gegangen sei – aber da widerredete es ein alter Stelzfuß, und sagte: der Julius habe nicht gar so weit von der Fichtau gelebt, eine Bauerndirne geheirathet, und seine Tochter wieder an einen niedrigen Mann gegeben, und so sei nach und nach das Geschlecht im Volke verronnen, wie es ja auch einst daraus entstanden war.«

»So mag es sein,« sagte der Wirth, »oder es mag auch anders sein, aber daß er ihn erschlagen, glaube ich nicht; so schlecht waren sie nicht, sondern bloß alle närrisch.«

Der Wandersmann hatte bisher mit steigendem Interesse zugehört; nun stellte er seinen Krug zurück, und sagte: »Ja, wie weiß man denn, daß sie närrisch waren?«

»Nun Gott sei Dank,« antwortete der Wirth, »närrisch genug, junger Oheim; habt ihr denn das nicht schon an dem Schlosse erkennen mögen, da es weder Thor noch Eingang hat, und in keinem Style gebaut ist, wie ihr selber sagt. Oder ist es etwa vernünftig, wie der letzte Zweig aus dem Stamme des Julian that, oder wie sein Vater der Vorletzte that? Mit unsrem letzten Herrn war es so: Da haben die Franzosen, um die Unbill gut zu machen, die sie vordem an unsern Ländern verübt, Kriegsvölker in das Mohrenland geschickt, um Alles in Bausch und Bogen christlich zu machen, und da ließ Graf Christoph eines schönen Tages das Schloß zumauern, und ritt dann den Berg hinab gerade in das Mohrenland, um die Heiden gegen Christum zu unterstützen, und da haben sie ihn denn auch glücklich niedergeschossen; man weiß nicht, die Christen oder die Heiden. Sein Vater, Graf Jodok, war noch ärger. Ich habe ihn noch recht gut gekannt; er hat sich im Alter den Bart wachsen lassen, wie einer der heiligen drei Könige – und da sah ich ihn oft, nachdem er das Schloß angezündet hatte, vor seinem kleinen Häuschen unten am Berge sitzen.«

»Das Schloß hat er angezündet?«

»Ja, er selber hatte es an einem Pfingstsonntage angezündet, und wehrte allen Denjenigen, die da zu löschen kamen, weil er sagte, daß hundert Zentner Pulver in den Gewölben seien, und losgehen würden, aber es ging nichts los, und das Gebäude brannte friedlich und fast lieblich nieder. Er hatte die vielen Jahre vorher ganz ruhig und ordentlich darinnen gewirthschaftet, nur daß über dem Thore die Aufschrift stand: @Hier wird keinem Bettler etwas gegeben.«

»Ist denn nicht die Herrschaft ein Fideicommiß? wie durfte er denn das Schloß zerstören?«

»Freilich ist sie eines, aber da hat er innerhalb der Schloßfriedigung abseits den andern Gebäuden einen seltsamen Tempel aufgeführt, mit vielen Säulen, wie man sie oft als Lusthaus in hochherrschaftlichen Gärten sieht, und in diesem Tempel hat er gewohnt, wie man sagt, in ungewöhnlicher Pracht und Ueppigkeit, mit seiner Frau, einer wunderschönen Zigeunerin, die er einmal brachte – und dieses Bauwerk hat er dann angezündet. Es war freilich sein Eigenthum, aber man erzählt, er habe für diese That viel Geld in dem Lehenhofe niederlegen müssen. Unten am Berge hatte er sich schon vorher ein kleines, steinernes Haus mit zwei Zimmern gebaut, und daselbst verlebte er die ferneren Tage seines Alters, bis er starb. Sein Sohn Christoph war bei Lebzeiten des Vaters nie anwesend; nach seinem Tode ist er gekommen, und hat sich wieder an einer andern Stelle innerhalb der Schloßmauer ein anderes Gebäude aufgeführt, den Christophbau, aber ein Theil davon ist bereits vor drei Jahren wieder eingestürzt. Und so hatten alle einen Sporn im Haupte. Mein Großvater hat uns erzählt, daß der Vater des Julius und Julianus, Graf Prokopus, oft ganze Nächte auf einem hohen Thurme saß – der Thurm steht noch – dort habe er lange Röhre auf die Sterne gerichtet, oder auf einem Instrumente musicirt, das lange, furchtbare Töne gab, die man Nachts weit im Gebirge hörte, als stöhnten alle Wälder.«

»Und Grafen waren die Besitzer des Rothensteines?« fragte der Wandersmann.

»Grafen Scharnast seit dem Hussitenkriege, früher waren sie bloß Barone und Ritter; aber es war ein reiches Geschlecht, und wäre es noch, wenn der Julian nicht so viel verschleudert hätte.«

»Da muß ich gleich einen Brief in dieser Geschichte schreiben,« sagte der Wandersmann, »und ihr müßt ihn heute noch durch einen eigenen Boten nach Priglitz hinausschicken.«

Alle, selbst der Boten-Simon, der neben ihm auf der Bank saß, schauten bei diesen Worten dem Wanderer ins Gesicht, und hoben an zu lachen – der Wirth aber sagte: »wenn ihr das Schloß und die Grafen beschreiben wollt, so ist es freilich mehr der Mühe werth, als wenn ihr unsre Feldsteine und die Pernitz oder gar das Heu beschreibt, wie bisher; aber da kann euch nur der uralte Ruprecht die beste Auskunft geben. – – – «

»Ich werde gar nichts davon beschreiben; aber indessen geht doch, und besorgt mir noch heute einen Boten nach Priglitz.«

»Nichts leichter, als das,« sagte der Wirth; »es ist heute Samstag, und da müssen Abends die Holzknechte aus den Bergen kommen; ich erwarte sie jeden Augenblick, und um Geld und gute Worte geht wohl einer hinaus.«


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