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»So höre einmal auf!« rief ich aus, und in der That, Titus! es kam etwas Schamröthe über mich, wie er die Dinge so gelassen einfach entwickelte. – Wie thöricht weit sind wir doch in unserer Ausbildung schon in Unverstand und Unnatur hineingefahren!
»Lothar scheint derselbe Narr zu sein,« fuhr er nach einer Weile fort; »er quält sich sichtbar ab – und dennoch, als der Doctor Natalien den Hof machte, konnte sie nichts Eiligeres thun, als ihr Herz an die frommen schönen Künstleraugen Lothars weggeben – ich habe es gleich bemerkt; er nicht, sondern er ringt und malt, und malt in jedes Bild deutlicher seine Liebe hinein. Nun, es wird sich finden. Dadurch, daß Natalie diesen Menschen wählte, hat sie ihrem schönen Wesen die Krone aufgesetzt, und dann, Albrecht, sollen Deine Villen auferstehen, wenn anders Raum zu ihnen zu bekommen ist. Bringe nur bald auch den Titus.«
Die Bemerkung über Lothar war mir nicht neu – ich hatte sie in der Stille auch schon gemacht, und mein Tagebuch muß ihm eher Vorschub als Abbruch gethan haben.
Heute fuhren wir schon um vier Uhr früh über den See, in der Lambath wartete der Wagen, und wir verlebten Alle den herrlichen Tag in Ischl.
Wir bleiben noch drei Wochen in dem Gebirge, und dann geht es wieder vorläufig nach Wien.
Wien, 18. September 1834.
Ich muß Dir noch dieß Blättchen senden, ehe ich Dich an meinem Herzen habe. Es freut mich etwas gar zu sehr. Aston hat es zwar allein geordnet, der Plan aber ging von Allen aus. Mein Paphos, mein Eldorado, meine zwei Zimmer, wie ich sie einst dichtete, sind leibhaftig und in Wahrheit da. Aston, der vor Freude um volle dreißig Jahre jünger ist, und Emil holten mich heute in meiner Stube ab, und führten mich hin. Diese Zeilen schreibe ich schon da. Die Staffelei, die Tropenpflanzen, die Bilder, die Statuen, die grauen Vorhänge, die Geräthe, das Fernrohr (aber es ist ein Plößl), Alles, Alles ist da, und wie ich so recht freudig war, wie ein Kind, und dem guten freudigen Aston die Hände drückte, machte er sich los, riß eine unbe merkte Tapetenthür auf, und dahinter stand lächelnd Angela und Lucie, und Natalie und Emma, und hinter ihnen die drei Zimmer, wie sie gewünscht wurden, mit dem Piano, und der Glasthür und dem Balkone und dem Garten. – Alle Mädchen lachten und freuten sich, und Alle mußten den alten Aston küssen; denn er allein hat Alles gemacht und ordnen lassen, und kein Auge durfte es früher sehen, als heute. Eine Tafel stand in einem der Zimmer gedeckt und bereitet, das Mahl zu empfangen, das heute hier in meiner Wohnung eingenommen werden soll, – und Angela hat das ganze Mahl gerüstet. – Sie kann also doch auch kochen – o Titus! wie schön, wie unsäglich reizend läßt der hochgeistigen Gestalt die liebe Wirthlichkeit, die Schürze, die Schlüssel, das hausmütterliche Auge, und die höhere Wangenröthe von der Bewegung und Arbeit! – Sie war selbst so sehr freudig und neckisch, daß sie ordentlich irdischer wurde und ich den Muth bekam, bei einer gelegenen Secunde ihre Wange zu küssen, was ich nie gewagt hatte; sie litt es ohne Ziererei, sah mich an, und enteilte. Lothar und Natalie sind auch ein Paar. – O komme nur, komme, daß ich Dich nur einmal fassen kann, und fast an mir zerdrücken; sonst werde ich noch vor Freude närrisch.
Wien, 1. Mai 1835.
Die Gundelrebe war das letzte Tagebuchblatt Albrechts, und das Himmelsröschen ist ganz von mir, d. h. von dem Sammler und Erzähler der obigen Blätter – und das Himmelsröschen hätte mit Fug eine Vorrede abgegeben, wenn nicht alles dadurch verrathen worden wäre. Deßhalb folgt es jetzt gleichsam als Nachrede, und enthält wieder eine Geschichte. Am ersten Mai anno domini 1835 war zu Haimbach ein großes Frühstück. Es war da: erstens ein junger, schöner, höchst geistvoller Mann mit ernsten Augen und muthigem Antlitz, Albrecht, der Schreiber obiger Blätter; an seiner Seite war Angela, sein wohlgetrautes Eheweib, eine vollendete Minerva. Item ein zweites junges Ehepaar: Lothar und Natalie; Albrecht zeichnete sie in seinen Blättern ohnedieß sehr gut. Tertio: Emil und Lucie, kein Ehepaar, sondern gute Freunde. Ferner ein sonnverbrannter, feurig blickender Mann, mit mehr Lockenwald, als Jupiter Olimpicus, aber etwas klein und stämmig: der Titus aus den Pyrenäen. Ihm zur Seite saß – nicht sein Weib – sondern Jungfrau Emma, frisch herumblickend voll trotziger Gesundheit, item Onkel und Tante; und zuletzt Aston, zu dem sich kein weiblicher Gesponse vorfand, man müßte nur die Wirthin rechnen, die freudig und verschämt lächelnd herumging, und alle Hände voll zu thun, und ihres Wunderns und Gesegnens kein Ende hatte; denn ganz oben am Ende des Tisches, im schönsten Goldrahmen prangend, steht ihr sehr gelungenes Conterfei auf »schneeweißem Papiere« in netten Farben ausgeführt, wie es Albrecht in der Glockenblume versprochen hatte.
So war also jener Scherz schon in einem Jahre in Erfüllung gegangen, nur verkehrt. Lothar hatte das Griechenbild und Albrecht die Verschleierte gewonnen. Und dem damaligen Scherze zu lieb wurde das heutige Frühstück veranlaßt, um die Voraussagung so wahr als möglich zu machen.
Ich saß jenes gesegneten Tages aus purem blinden Zufalle in Haimbach, und diesem Zufalle verdankt der Leser die ganze obige Geschichte; denn, weiß Gott, wie es kam – die Leutchen alle gefielen mir so sehr, und ich etwa ihnen auch, daß sich eine Bekanntschaft entspann, und dann gar ein Mitihnenfahren, und sofort eine nähere bis heute fortgesetzte Freundlichkeit und ein traulicher Umgang, und lieb wäre es mir, wenn ich eines schönen Tages die liebholdeste Emma zum Altare führen könnte. Noch einen Rath füge ich in Schnelle bei, bevor wir scheiden, nämlich:
»Wer etwa diese Zeit her Lust hat, den Traunsee zu besuchen, der warte noch zwei oder drei Jahre, wenn es angeht; denn dann sind die zwei wunderschönen Landhäuser schon fertig, die ganz nach Albrechts Angabe am Traunkirchner Ufer werden aufgeführt werden, als Wohnung der obigen Frühstückgesellschaft – wenn nicht bis dahin ein anderer Plan gefaßt wird, etwa am Jura zu wohnen, oder in Neuseeland, oder sonst wo, was von so überirdischen Köpfen nicht zu wundern wäre.«