Adalbert Stifter
Abdias
Adalbert Stifter

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»Uram,« sagte er, »wo sind denn die andern?«

»Ich weiß es nicht,« antwortete der Sklave, indem er im Näherkriechen inne hielt.

»Seid ihr denn nicht mit einander fortgelaufen?«

»Ja, aber es haben sich alle zerstreut. Und wie ich gehört habe, daß du zurück gekehrt bist, bin ich wieder gekommen, und habe gemeint, die andern werden auch schon da sein, weil du uns schützen wirst.«

»Nein, sie sind nicht da,« sagte Abdias, »kein einziger ist da. – – Knabe Uram,« fuhr er dann sehr sanft fort, »komme näher und höre, was ich dir sagen werde.«

Der Jüngling sprang empor, und starrte Abdias an. Dieser aber sprach: »Ich werde dir einen sehr schönen rothen Bund geben mit einem weißen Reigerbusche darauf, ich werde dich zum Aufseher über alle anderen machen, wenn du genau ausführest, was ich dir sage. Du mußt, so lange ich fort bin – denn ich werde ein wenig weg gehen – deine kranke Herrin und dieses Kind bewachen. Setze dich hierher auf diesen Erdhaufen – so – hier hast du ein Gewehr, es ist eine Pistole – so mußt du sie halten – –«

»Das weiß ich schon,« sagte der Knabe.

»Gut,« fuhr Abdias fort, »wenn nun einer herein kömmt, und die schlummernde Frau und das Kind anrühren will, so sag ihm, er solle gehen, sonst wirst du ihn tödten. Geht er nicht, so halte die Oeffnung gegen ihn, drücke an der eisernen Zunge und schieße ihn todt. Verstehst du alles?«

Uram nickte und setzte sich in der verlangten Stellung auf den Boden.

Abdias sah ihn noch ein Weilchen an, und ging dann den Griff der andern Pistole mit seiner Hand im Kaftane haltend durch den Gang in die äußere Stube hinaus. Es lag alles so herum gestreut, wie er es verlassen hatte, und kein Mensch war in der weitläufigen Höhle. Da er sich überall umgesehen hatte, beschloß er vollends hinaus zu gehen. Er mußte sich wegen der vielen Schmerzen in den Lenden noch einmal dehnen, und stieg dann über die Schwelle der Thür zu den Palmen hinaus. Es war hier wirklich ganz öde, wie er es voraus gedacht hatte; denn die Nachbarn mochten in ihre entfernten Behausungen, oder wohin es ihnen sonst gefallen hat, gegangen sein. Als er zu dem Sandhaufen kam, wo er mit den Lanzen geschlagen worden war, war das Kamehl nicht mehr da – sie hatten es sammt den Lumpen als Ersatz mitgenommen. Er bog um den Triumphbogen und abgelegene Trümmer herum, und als er auf den hohen Schutthaufen, der über seinem Hause lag, gekommen war, stieg er auf den noch höheren hinan, der sich hinter demselben befand, wo Sand und weitgedehnte Blöcke lagen, und eine große Umsicht auf alle Dinge und auf das Dämmerrund der Wüste sich eröffnete. Dort hob er einen Stein auf, und zog einen goldenen Ring unter demselben hervor. Dann stand er, und sah ein wenig herum. Die Sonne, welche früher ein trüber rother Gluthpunkt gewesen war, war nun gar nicht mehr sichtbar, sondern ein verschleierter grauer heißer Himmel stand über der Gegend. Wir würden in unsern Ländern eine solche Luft sehr heiß nennen, aber dort war sie im Vergleiche mit Tagen, wo die Sonne unausgesetzt nieder scheint, bedeutend kühler geworden. Abdias athmete sie wie eine Labung, und strich sich mit der flachen Hand ein parmal über die Seiten seines Körpers herab. Er schaute durch das schweigende Getrümmer, das unter ihm lag, und stieg dann hinab. Als er bei der zerrissenen Aloe war, begannen kleine Tropfen zu fallen, und was in diesem Erdstriche eine Seltenheit ist, ein grauer sanfter Landregen hing nach und nach über der ganzen ruhigen Ebene; denn auch das ist selten, daß die Regenzeit so stille, und ohne den heftigen Stürmen herannaht.

Abdias stieg auf der entgegengesetzten Seite, als er heraufgegangen war, hinab, wanderte durch allerlei wohlbekannte Irrgänge und Windungen der Trümmer und hatte ziemlich weit zu gehen, bis er das Ziel, wohin er wollte, erreichte, nehmlich die Wohnung des vorzüglichsten seiner Nachbarn, wo er glaubte, daß er auch einige andere antreffen würde. Wirklich waren mehrere da, und als sich das Gerücht verbreitete, er sei über die Schwelle des Gaal hineingegangen, kamen noch immer mehrere herbei.

Er sagte zu ihnen: »Wenn ich durch die schöneren Kleider, die ich trug, und durch den größeren Handel, den ich trieb, unsern Aufenthalt verrathen, die Plünderer hergelockt, und euch Schaden verursacht habe, so will ich auch denselben ersetzen, so gut ich kann. Ihr werdet nicht alles verloren haben; denn ihr seid weise, und habt Kleinodien geborgen. Bringet ein Papier oder Pergament und Dinte herbei. Ich habe manche Schuldforderungen draußen ausstehen, die mir meine Freunde bezahlen müssen, sobald die Zeit um ist. Ich werde sie euch hier aufschreiben, und werde die Erlaubniß dazu schreiben, daß ihr das Geld als euer Eigenthum einnehmen dürfet.«

»Wer weiß, ob es wahr ist, daß er etwas zu fordern hat,« sagte einer der Anwesenden.

»Wenn es nicht wahr ist,« antwortete Abdias, »so habt ihr mich immer hier, und könnt mich steinigen, oder sonst mit mir thun, was euch gefällt.«

»Das ist richtig, laßt ihn nur schreiben,« riefen andere, während das herbeigebrachte Pergament und die Dinte hingeschoben wurden.


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