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Meta

1916

 

Meta war dienender Geist, geboren im gleichen Städtchen, in dem sie Stellung bei bürgerlicher Herrschaft hatte. Siebzehn Jahr, schien sie klein, fest, hatte zu mittleren Formen den vollen Busen der Frau, auf den sie stolz war, den sie herausstrich, mit Brosche und Blume garnierte. Haar, das blonder Welle aufgelöst ins Knie hing, wusch sie mit Branntwein und Kamille. Der dünne Sopran sang Volks- und Kirchenlied; warm wie ein Öfchen war die Person.

Sprang sie morgens aus Kissen in die Kammer, verschlug ihres Körpers Hitze des Nordzimmers Kühle angenehm. Bei jeder Bewegung, warf sie die Arme ins Waschbecken, fuhr mit dem Bein in Hose und Strumpf, hob es zum Schuhknöpfen auf den Stuhl, ging ein molliger Hauch in die Atmosphäre, alle Umgebung war für sie behaglich angewärmt.

So fand sie, von Frost und Schauern nie zur Eile getrieben, Zeit, sich beim Anziehen im Spiegel zu sehen, unter das Haar, in den Rachen zu spähen, Zähne tüchtig zu bürsten. Mit billigen Pasten salbte sie die Haut.

Da sie ihrer Arbeit hingegeben war, blieben die Hände, die in Soda und Lauge schwollen, Risse und Borken bekamen, ihre ständige Sorge. Unter dem Zeug war sie blank wie Porzellan, aus Ärmeln schauten breit und blau die Flossen.

Kleider vom glatten Tuch standen ihr zum Entzücken, beim Schaffen schien die Schürze angegossen. Stand sie hoch auf Leitern, sah man der Wäsche Säume weiß, aus Wolle schwarze Strümpfe. In der Bewegung spielten Glieder rund, im Rhythmus.

Der Herr, erwischte er sie in einer Ecke, patschte sie leutselig aufs Hinterteil. Sie lächelte und nahm's als Herzensbeifall. Schon hundertmal hatte er sie getätschelt, und es sprang kein Flämmchen aus ihr. Noch war sie nur für sich niedlich, Blicke der Männer machten sie in der Selbstschätzung sicher. Im Sommer schwitzte sie, im Winter wünschte sie's zu tun. Frühlinge sagten ihr Besonderes. Da wurde ihr Tun gemessen, sie verhielt sich, Kräften, die sie spannten, begegnend, flog ein wenig von innen heraus; ihre zum Gebet gefalteten Hände drückten die bewegte Brust, das drängende Leibchen nieder.

Im Spiegel sah sie sich ins Auge und fand alles weit und blau. Reiz stellte das Gefieder der Haut auf; sie schnurrte. Oft fiel sie in den Sitz und staunte. Befühlte Gegenstände, sich selbst und mußte, Tränen im Blick, den Kopf schütteln. Abends im Bett, offenem Fenster entgegen, lächelte sie ins Himmelslicht und dachte ihr Teil.

Plättete sie der hübschen Hausfrau Wäsche, hatte sie gerührte Vorstellungen. Zärtlich strichen Hände Spitzen und Rüsche. Armes, dachte sie, glückseliges Weib dann wieder, und aus ihr hüpfte Mitgefühl. Hemd, Kragen, Beinkleid des Mannes weckten ihr gutmütigen Spott. Die Männer, das war eine Sache für sich; doch immer zum Kichern.

Sie lächelte jeden, dem sie Rede stand, an, spürte, es ist nicht ernst mit ihm. Nur ein wenig Blitz brauchst du in den Blick zu stellen, das Mäulchen zu schürzen, mit seiner Gewalt, dem festen Auftritt ist's vorbei. Beamten, die behördliche Mahnung brachten, entgegnete sie auf ihr »endlich!«, »unwiderruflich!« mit Heiterkeit, daß die das Auge schlugen, gleich fröhlich von der Sache wegzureden begannen. Einem Polizisten hatte sie den Arm gestreichelt. Waren die Männer in die Treppe zurückgetreten, schmetterte sie helle Triller nach, daß die draußen lachten und dachten: welch niedlicher Vogel, welch frecher! Und ihnen noch einmal wohl wurde. An Straßenecken grüßte sie Obrigkeit, Wagenführer waren ihr gewogen. Milchmann und Schornsteinfeger grinsten bei ihrer Begegnung, und zum Dank hatte sie für alle einen Blick, Duft ihrer Frische. Regnete es, hob sie Röcke an die Wade, fing sich trippelnd aus Blinzeln und Geschmunzel bärtiger Gesichter eigenen Sonnenschein. Hochgestimmt war sie an Sonntagen, an Festen überirdisch bewegt.

Zu Weihnachten bekam sie von der Herrschaft ein leeres Heft, auf dem in goldenen Lettern »Tagebuch« stand. Dazu ein gedrucktes Buch, einen Roman des Titels »Zug des Herzens«. Mit des Tagebuches Spende war von den Gebern nicht, ihre Magd zur Selbsteinkehr zu führen, beabsichtigt. Die Frau hatte es geschenkt bekommen, gab es, andere Gabe zu sparen, weiter. Der Roman war eigens in einer Buchhandlung für Meta gekauft.

Erste Liebesgeschichte war es, die das Kind erfuhr und vermittelte ihm stürmischen Eindruck. Held und Heldin des Buches liebten sich auf vorbildliche Art; das Mädchen war leiblich und seelisch aus dem Ei gepellt; machte, stand sie bei dem Geliebten, mit Rede und Geste heldische Anstrengung. Ihre Flechten waren gelöst, Augen blitzten, Brust hob sich regelmäßig stürmisch. Auf ihrem Antlitz lag Güte, sie lispelte hold, ließ abwechselnd das Haupt dem Mann an die Schulter und in den eigenen Nacken sinken. Der Liebende war Standbild aus Bronze, sprach Gold, schwieg Erhabenheit. Es ließen Situationen sich himmlisch an trotz einiger böser Menschen, die zum Schluß ihr Unrecht bekannten. Küsse knallten auf jeder Seite, und einmal war von etwas die Rede, was Metas Blut zum Wallen brachte.

Hinterher war sie mit Dichtung gefüllt, schickte mit jedem Gedanken Übersinnliches in die Welt, verband aller Handlung dunklen Zweck. Zittern befiel sie beim Bügeln der Wäsche, es schwindelte sie, räumte sie des Ehepaares Schlafzimmer auf; Geheimnis wuchs in der Brust, sie neigte ein wenig zur Angst. Auch legte sie den geschwungenen Arm an einen Türpfosten und seufzte verzaubert. Schwäche saß in den Schenkeln, von der Küche sah sie zum Hof auf Tiere, die sich berochen.

Erst wälzte sie Gedanken, dann saß sie abends bei Papier und Feder, stach entschlossen ins Faß. Doch flossen vor der Tinte Tränen auf die Seiten, und ihr entfuhr ein »Jesus!« nach dem andern.

Fedor, der Held des Romans, wuchs in ihr Leben. Aus Leonores Armen, der sie auf manche Schliche kam, riß sie ihn, zog ihn zu sich hinüber. Eine Vollkommenheit ihrer Seele nach der andern entschleierte sie dem Entzückten, der mit »geliebtes, himmlisches Weib« respondierte, segnende Gebärden auf sie schwenkte. Dazu murmelte Meta ein erlöstes: »Ach!« Einmal, als sie ihm eine Tugend, die ihr eignete, zuraunte, wollte der Hingerissene ihre Lippen. Da aber richteten Trotz und Person des Mädchens sich hoch, bis sie durch Glut der Blicke versengt, in den Wirbel seiner Küsse einging.

Nun hockte sie, von Arbeit fort, in den Winkel. Die Lippen schmiegte sie zwischen die eigenen Finger, die sie geschlossenen Auges besog. Fedors Atem blies sie an aus ihnen, sein Wunsch und Wille lag ihr wie Faust auf dem Haupt. Er wuchs sich aus, lauerte dem Schluß ihrer Arbeit auf, trieb sie, Hände wie Hämmer auf sie gehoben, in die Kammer. Dort preßte er den Rücken an die Tür, breitete Arme und Beine und sperrte gänzlich den Weg. Dann stellte er die Forderung: ihr Kleid sollte sie abwerfen, Wäsche zeigen. Sie aber schlug das purpurne Antlitz in die Hände, und während Fieber sie quirlten, stieß sie das gerade noch hörbare Nein als Hilfeschrei, der ihn verjagte, heraus.

Das ging Abend für Abend. Beim Einbruch der Dunkelheit sprang seine Tatze aus der Wand und trieb sie. Wo sie stand, blieb der Zugriff hinter ihr. Sie lief mit vorgestoßenem Schoß, legte schützend Hände unter das Gesäß. Das war ihres jungen Lebens Zustand, als Franz erschien.

Er brachte eines Morgens ein Telegramm und sah, als er's gab, in die Luft. Da er auf Antwort wartete, blieb er in der Küche. Meta suchte, seinen Blick aus dem Nichts zu fangen; doch wich er aus. Endlich gelang es ihr, sich ihm in den Sehwinkel zu haken, und nun zog sie des Jungen Haupt gegen ihr Antlitz, ließ es Kreise beschreiben, und als er es geradeaus hielt, Augen aufriß, blies ihm das Mädchen bis zur Herzgrube ihren Glanz. Sofort war er innen mit Licht tapeziert. In Magen und Eingeweide, an des Leibes Wänden verzehrten ihn ihre Feuer. Er stand gelähmt, und erst, als sie ihn rief, schlenkerte er weg. Doch wurden Depeschen im Städtchen nicht mehr schnell bestellt, denn er verweilte auf Brücken, in öffentlichen Gärten. Bog der Büsche Zweige nieder, ließ sie schnellen, und ihm war's süßer Schreck. Er mied Ritzen der Trottoirplatten, ließ Finger an Gittern spielen. Sonntags sackte er in eine Bank im Park, trank des unvergeßlichen Morgens Erinnerung.

Meta aber putzte, nach ihm zu spähen, Scheiben zur Straße. Kam er, hing sie den Rumpf, die halbe Brust ins Freie, flatterte, Tuch in Händen, eine Fahne am Fenster. Den Kopf in die fortstehende Sohle, ihres Rockes offenes Loch gereckt, marschiert Franz unten vorbei. Einmal, als sie ihn anrief, wurde er flach hingenagelt, sperrte Mund und Augen wie ein Karpfen auf, war, ohne daß er sie verstanden hätte, verhimmelt. Nun begann, was Regeldetri ist: dumme Liebe in dem Jungen, der träumte, was das Zeug hielt, mit keuschen Symbolen. Engel war für die Angeschwärmte das mindeste Gleichnis. Er gab ihr Krone, Kelch und Dorn, alle Vollkommenheit voraus. Sie empfand's, als sie mit ihm das erstemal in die Felder ging. Anders als in ihrem Verhältnis zu Fedor mußte sie sich nicht brüsten. Wort aus ihrem Mund war Allegorie, Silbe Botschaft. An ihrer Seite ging er, Andacht und Glaube. Sie schwatzte Blasen ins Blaue und spürte, Basalt fiel ihre Rede auf sein lauschendes Herz. Ihre blasseste Geste blieb ihm denkmalhaft in der Vorstellung; schloß er die Lider, rauschte sie großflügelig mit Schwung und Faltenwurf des Gewandes. Auch Natur, die sie bezeichnet hatte, verharrte für ihn endgültig. Als sie bei einem Spaziergang den sinkenden Sonnenball zeigte, stand er Tag und Nacht seinem Auge an der gleichen Stelle. Silhouette der Berge, an regnichtem Morgen von ihr mit dem Finger an den Himmel gerändert, blieb dort, in Wolken gemeißelt. Überglücklich fand sich Meta, diese Anbetung ein Wunder, das ihres Lebens Sinn erhellte. Was galt Arbeit und Abhängigkeit, stand abends am Haustor der Trabant mit dem Thronhimmel seiner Liebe, unter dem sie als Kaiserin ging? Maskerade war ihr Dienst; Wirklichkeit begann an des Verliebten Seite.

Das Mädchen sah der Gottesmutter Bildnis oft und dringend an, nahm viel aus Haltung und Gebärde für sich wahr. Meinte, des Jünglings Sinn mit Wirklichkeit stützen zu müssen, doch erfuhr nicht, daß der Eindruck ausblieb, weil die männliche Seele sie strahlender, als sie es darstellen konnte, sah. Ihm war sie nicht Maria, doch Meta dazu. Und die war ihm ursprünglich herrlicher.

Flitzte auf gelbem Rad er vorüber – stand sie im Fenster –, riß er die Mütze in die Waagrechte, schickte mit gedoppeltem Blick ewige Treue. Lob für forsches Fahren spendete sie ihm, bat, sie es auch zu lehren. Doch als er bei Dunkelheit kam, sie in den Sattel hob, bewegte sie sich schlecht. Fürchtend aber, seine Erwartung sei, schnell müsse sie die Lenkstange packen und, die Maschine beherrschend, sie mit Schwung aus sich selbst in Gang setzen, stieg sie wieder zur Erde, behauptete, dies zieme ihr nicht.

Überall, weil sie infolge seiner Anbetung eine Formel der Vollkommenheit erfüllen wollte, bemühte sie sich, die Schöpfung von ihr abhängig zu zeigen. Hatten sie des Berges Gipfel bei Hitze erstiegen, starrten, Atem ausbrausend, Rausch der Freiheit an, wollte sie Wasser, sonst nichts, bewußt, anderes möchte nicht zu finden sein, Göttern aber versage sich nichts. Oder sie sprach, wenn schon Tropfen fielen: daß es doch regnete! Und stellte der Elemente Sturm mit Hinweis auf die Pracht des Regenbogens ab, doch so, als hätte der auf ihren Ruf sich erst entzündet.

Sie war sich, unvergleichliches Leben mit Franz zumachen, bewußt. Keine Nebenbuhlerin könnte gefährlich werden; an goldenen Fäden lenkte sie die Welt, zog mit sphärischer Landschaft, englischen Freuden immer Paradies auf die Szene.

Ihr Lohn war sein staunender Beifall. Ausgleich für Gefühle, die sie schon heimsuchten. Einen Frühling hindurch liefen sie umbuschte Wege Höhen in Freistunden hinan. Saßen im Moos, das Bild der Heimat, in das Meta die gestellte Sonne blieb, vor sich ausgebreitet.

Sie lebte Dogma. In seinen Glauben geschient, war ihr Wille seiner Demut unterworfen. Seine herrische Andachtsforderung ließ ihr im einzelnen Spielraum, zwang aber ihres Lebens Richtung unbedingt. Herzlich liebte sie ihn, bewunderte die entfesselte Hingabe und begann ihm die zu neiden.

Baute er sie steil auf, machte Kniefall, sie aber mußte mit seelischer Verzierung stehen, hätte sie hinsinken, auch anschmachten, anbeten wollen. Ihre erzwungene Stärke trieb ihr Tränen ins Auge. Der Gesten Erz begann zu reißen, ihrer Stimme Metall zerbrach. Brüchig ward das eherne Standbild, Fleisch begann in die Furchen zu wuchern. Stand er jung, stark als Mann gewachsen, senkte das Haupt an ihre Brust, auf das sie die gekreuzten Hände legen mußte, konnte sie die Aufwallung nicht unterdrücken. Oft schüttelte Reiz sie so mächtig an seiner Seite, daß Zähne schlugen und Gebein klappte. Er aber sang knabenhaft frei das Marschlied in die Luft.

Sie betete zu allen Heiligen, den Sinn ihm zu ändern, seiner Kraft und Gewalt möchte er sich bewußt werden, wünschte die ins Fenster geschmetterte Faust, daß Scherben vom Kitt klirrten. Vorm Schlafengehen brach sie ins Knie, senkte der Seele Sehnsucht nach Hingabe in selbstvergessenes Gebet. Wollte sie dann sanft mit gütiger Schonung den Anfall ihrer weiblichen Schwäche ankünden, schob er doppelte Riegel vor. Er werde seine Andacht bis zu den Sternen spreizen, doch müsse sie das unzerreißbare, sich immer weitende Gefäß für sie bleiben. Dazu flatterten seine Worte, Arme ruderten mystische Mühlen. So blieb sie Heilige weiter, doch fraß der Wurm in ihrem Blut. Sie duldete seinen Kult, spürte in allen Sinnen, durch welche Mittel sie ihn zerschlagen, Franz vergotten, in der Rolle der demütigsten Magd sich selbst bis zum Rand mit natürlichem Glück füllen könnte.

Als sie eines Abends zum Bad in flache Schale Wasser tritt, das Gesicht über die Schulter in den Spiegel legte, sah sie sich rückwärts so: von mittlerer Größe, schien in der Hüfte die Gestalt edel geteilt. War auch das Postament der Beine höher, saß der Rumpf mit gutem Verhältnis darauf. Leuchtendes Weiß des Fleisches war durch der Flechten Blond getönt, die, von der Hand im Nacken gepackt, von dort in zwei Flüssen mit spitzer Mündung zu jenem Taillenschwung liefen, der Meta ihres Leibes geheimnisvolles Mittel schien. Sie bleibt von Reiz gefangen, als sie der Hüfte Betonung in Linien, die das Kissen des Gesäßes vom Schenkel, das Knie von der Wade trennen, sich wiederholen sieht. Ihr hell gewordenes Auge stellt den vierten Ton fest: die Schulterlinie, die durch den hochgenommenen Arm deutlicher wird. Mit dieser Vierteilung Hilfe geht ihres Leibes Sinn ihr völlig auf: zum Denken der Kopf, Beine zum Schreiten. Zwischen Hals und Hüfte ist der Rumpf Sitz der Organe, die das Himmlische vermitteln: durch Lungen und Herz den Odem Gottes, aus dem wir leben.

Dahin aber, wo, ein geschwellter Kessel, der Leib zwischen Schenkel und Hüfte eingelassen ist, hat ihr kindischer Sinn, hat Franz nie gedacht. Dort, während Blutsturm sie purpert, Arme zur Höhe fliegen, fühlt sie entscheidende Gewalten sitzen.

Ihre Erkenntnis war beim nächsten Beisammensein deutlich. Kopf und Oberteil hatten die Schwere verloren; doch setzte sie Schritte gewichtig, als liefen die Beine in Scharnieren, sie müßte, Reibung und Kreischen der Teile in den Gelenken zu vermeiden, die Hüftknochen emsig drehen, das Rückgrat pendeln lassen. So kam es, daß beim Gehen ihr Rock des Mannes Schenkel schlug, während Metas Blick auf seltsame Art verglaste. Schnell aber merkte sie von seinen Gliedern Widerstand, der ihr die Knochen bog, sie in das lustige Trippeln, mit dem sie neben ihm gegangen war, zurückzwang. Auch im Gespräch duldete er die Einführung solcher Worte nicht, die ein Fallenlassen strenger zwischen ihnen geltender Regeln andeuten wollten.

So griff sie, ihr Gleiten aus Franzens Himmel zur Erde zu ermöglichen, zur List. Den Hut ließ sie fort, Haar vor ihm in Verwirrung spielen; ging leicht gekleidet, daß Wind die Musseline blähte, Sonne sie durchsichtig machte, zeigte an Hals und Armen Streifen rosiger, gepelzter Haut. Auch hob sie, gelöstes Schuhband zu knüpfen, sitzend das Bein übers Knie, war seinen Blicken nirgends geizig. Die aber schienen in solchen Augenblicken mit milchigem Horn gepanzert, schössen Drohungen, die das Mädchen rührten, endlich, als sie den gesunkenen Strumpf in seiner Gegenwart aufzunehmen gewagt hatte, durch lodernde Gewalt erschütterten.

So riß sie sich zusammen, gelobte ein für allemal auf ein anderes Glück zu verzichten, ihm weiterhin die himmlische Liebe zu sein. Für ihren Verzicht aber wollte sie ihn an der Hingabe Grenzen sehen, damit, könnte sie selbst sie nicht betätigen, sie in seiner Seele demütiger Liebe süßestes Bild entzündet finde. Er müßte gesamte Leiblichkeit in ihrem Dienst ändern, Lebenswärme beleben, Geschmeidigkeit, Beweglichkeit ausbilden. Zerrissenes möge er in sich binden, Gebundenes in sie lösen. Höher sollte er jubilieren, und der Träne Gabe müsse ihm immer eignen. Sie fordere Gesamtsinn verfeinert, Einbildungskraft gesteigert; Poesie wollte sie in ihn gegossen, überall stürmische Bewegung der Willenskräfte. Sie sei nicht Heilige, ohne daß er ein im stärkeren Maß ergriffener Gläubiger zu sein sich bemühe.

Durch solche Worte über seiner Jugend statischen Zustand in eine seiner Natur genehme Entwicklung geführt, brach Franz in Ekstasen der Liebe auf. In seinen tiefen, mittleren, obersten Gebieten wandelte er Leiblichkeit in reinen Geist, war zu jeder von ihr gewollten Vision bereit. Während Meta tagsüber Arbeit als simples Stubenmädchen verrichtete, sah Franz sie, wo sie erschien, in höhere Erscheinung transformiert. Er sah ihr Antlitz, Hände, Haare, Atem leuchtend werden. Erlebte sie aus leerer Luft strahlend, figürlich.

Ihr blieb von ihm auf diesem Gebiet nichts mehr zu hoffen übrig.

 

Da wurde das Land in einen Krieg gestürzt. Männer verließen die Familie, das Vaterland zu verteidigen, wie sie, in Schritt und Tritt marschierend, durch die Gassen sangen. Franz, der das zwanzigste Jahr nicht erreicht hatte, blieb daheim. Doch lag auch auf den Bleibenden Druck, es schien, ihr Schicksal von denen, die im Feld standen, zu trennen, unmöglich. Jeder war von sich zu fremdem Los gerissen. Als in des Feldzuges Fortschreiten immer neue Scharen hinauszogen, war es beiden, auch ihre Trennung stünde bevor, offenbar. Wehmut legte sich auf alles Erleben, Welt schien gewohnte Weite verloren, Brücken zum Himmel zerstört zu haben. Jede Frage wurde praktisch, Antwort lautete aus irdischen Begriffen. Maßnahmen des Feindes zwangen, an Notdurft, Beschaffung von Essen und Trinken zu denken. Die ersten zusammengeschossenen Krüppel traten auf, es galt, ihre künftige Versorgung vorzubereiten. Überall stand Allgemeinmenschliches für menschlich Besonderes. Auch Franz und Meta sprachen von geschlagener Schlacht, Gefahr, Verwundung der Freunde und Verwandten, lernten Artillerie und Infanterie, spickten Sätze mit kriegerischem Begriff, unterlagen dem Eindruck von Sieg und Niederlage. Zeitungen bestätigten der Gegner märchenhafte Niedertracht, bravouröse Tapferkeit der eigenen Truppen stets von neuem. Bei jeder Begegnung rief einer dem anderen zu: »Hast du gehört« und »weißt du schon?« Vom eigenen Schicksal war täglich weniger die Rede.

Als neue Welt sich in Franzens Vorstellung schob, aus Kampfberichten eine herrliche Erscheinung um die andere trat, war Meta aus seines Denkens Zenit gedrängt, führte ein verehrtes, doch peripherisches Dasein in ihm. Das Übermenschliche hatte den Sinn geändert. Des Weibes passive Entrücktheit war nicht mehr anzubeten, doch des Mannes heldischer Griff.

Da hob der Jüngling sich aus dem Gewinde geübter Riten, gruppierte innere Natur nach veränderten Trieben um. Religion war das Vaterland, Vorbild der tapfere Soldat. Ein anderer Gott stand, kriegerisch geschient, in einem Himmel geschwungener Fahnen und Lanzen.

Meta war, mit vergilbten Emblemen friedlicher Güte, in gründlich geänderten Verhältnissen als Ideal unbrauchbar. Handgreifliches Verlangen konnte sich nicht klirrend an sie klammern. Zwar gab sie ihrem Umriß herbere Kontur, der Erscheinung Strenge, Worten Kommandoton, doch vor dem Prall und Knall der Armee-Erlasse, Alarm der Katastrophen und Verlustlisten konnte sie nicht bestehen. In Haltung und Ausdruck ließ Franz Respekt nicht missen. Innerlich aber schaltete er nach neuen Begriffen und Gutdünken mit ihr, fand sie im Waffenglanz nicht denkbar, vor dem schwächsten Manne schwach. Sah ihren zarteren Aufbau, ihrer Stimme dünne Resonanz ein, und daß sie oft zu schonen war. Er stellte sie der mit Standarten stürmenden Angriffslust des männlichen Prinzips, das aus allen Kulissen der Welt blies, richtig als ein anderes, das ruhend ergriffen sein wollte, gegenüber.

Als ihm die Einsicht das erstemal sprang, bäumte herrischer Wille nach ihr, er reckte sich in alle Winde. Den Gestellungsbefehl trug er in der Tasche – da war Knabenalter hin, keck lenkte sein Blick zu des Mädchens Brust, die unter Kattun doppelt gerundet stand.

Als Meta Franz' geänderte Absicht sah, stürzte sie in harten Kampf, spürte aus Ahnungen die augenblicklichen Verhältnisse nicht beständig, daß alles, was in ihnen sich ereignete, dem Wechsel, späterer Verdammung unterlag. Aus allen Lüften sah sie Gebraus, Geschmetter der Kraft in des Geliebten eindrucksvolle Seele geblasen und glaubte dennoch nicht, es fände dort ursprünglicher Gefühle Begegnung. Zitterte, vom süßen Moment hingerissen, möchte sie, fallend, ihm seine Neigung trüben, sich ihm gründlich zerstören.

Da sich, was sie einst geträumt, wirklich erfüllte: Jung, stark als Mann gewachsen, hat sie ihn vor sich, er senkt das Haupt an ihre Brust, stößt ihr das Gesicht in die Taille, schlürft ihre Wärme, bis sich Blut entzündet, im Kessel des geschwollenen Leibes Überschwang an den Ventilen siedet zwingen sie Rufe der Not, Furcht, ersehnter, vorzeitiger Hingabe mit schleunigem Aufbruch, schmerzlichem Aufschwung der Seele zu entfliehen.

Es weiß der Mann aus seines Leibes Verlangen immer unsinnigere Schmeichelei; Natur, alle Kreatur zaubert er in taumelndem Aufruhr vor ihre Augen, und kaum weicht, von eigenem Verlangen gepackt, das Weib noch aus. Schon wird auf blankem Boden des Mädchens Hals und Brust in einer Mondnacht nackt, da ruft am anderen Morgen Franz Befehl zu seinem Truppenteil, in der notwendigen Besorgungen Hast gibt es kaum Abschied.

Erst aus der Garnison, dann vom Lager her, versichert er sie einer Leidenschaft, die hinter schneller Heirat völlige Vereinigung will. Zart fängt er zu bitten an, doch blitzt zum Schluß des Geschriebenen Mannesmut, trumpft geballte Faust auf. Ihr aber, nach häufiger Wendung des Geschickes, beginnt Ahndung eines natürlichen Glücks, von Gott und Menschen gesegnet, zu dämmern, und mit gefaßtem Wandel bereitet sie schlicht in sich das Wesen seines Weibes vor.

Nun herrscht der Allmächtige und »Urlaub« in ihr. Mit Kirchengehen, Gebet bekräftigt sie die innere Sammlung. Aufs Wiedersehen ist sie ganz gestellt, und nur manch Weibliches leuchtet ihr daneben ein. Es kam um diese Zeit die hübsche Hausfrau mit einem Knaben nieder, und Meta ist für alle Vorgänge bei der Geburt Feuer und Flamme. Als aus zitterndem Schoß das Kind entbunden war, der Wöchnerin erlösten Leib in frischen Kissen Jubel des Mutterglücks schüttelten, lag Meta an der Bettkante in den Knien, küßte der glückselig Erschöpften Hände. Reicht ihr durch des Zimmers Sonne das Bündel Windeln, aus dem es quiekt und winselt, an die Brust, staunt auf das Saugende und Gesaugte, Spitzen Rot an den getürmten Brüsten, das in Milch verwandelte Blut, fühlt sich im Hinblick auf die eigene mütterliche Zukunft königlich erhöht, hegt für das aus ihr noch nicht Geborene zärtlichste Gefühle. An Franz schreibt sie: »Mach schnell, komm bald! Alles ist bereit für dich.« In ihrer Seele steht das Häuschen, das sie mit dem kaiserlichen Briefträger bis ans Ende ihrer Tage bewohnen will: zwei Räume, die Küche in einem Garten mit tüchtig Gemüse. In Stuben lärmen Kinder; im Stall lärmt ein Schwein. Am ersehnten Tag kommt statt seiner die Nachricht, Urlaub sei verweigert; er selbst, näher den Ereignissen, ins Quartier eines hohen Stabes geholt. Ist Metas Enttäuschung groß, verbirgt sie sich nicht, ihr sei das Leben des Geliebten auf neuem Posten sichergestellt, Ordensschmuck unter den Augen oberer Gewalten für ihn wahrscheinlicher als in der trüben Masse an der Front. Was bedeute die Trennung, könne sie seiner endlichen, ruhmvollen Heimkehr sicher sein? Schilt er, man habe ihm den Auszug ins Feld verwehrt, ihn vor Kameraden benachteiligt, lacht sie und sitzt den Winter über geschnittener Leinwand, aus der sie Notwendiges zu baldigem Gebrauch schafft. Brennt in der Kammer die Lampe, schnurrt der Ofen mit dem Kätzchen um die Wette, setzt sie Stich zu Stich mit lustigen Gedanken, ist mit der Gewißheit, in ihrer Liebe hat sie gelitten, geschwankt, doch schließlich sich bezwungen, und nun steht ihr in einem braven Mann richtiges Frauenschicksal bevor, das beglückteste Mädchen.

 

Franz, der in des Stabsquartiers Haushalt gleiche Obliegenheiten wie Meta für ihre Herrschaft erfüllt – er ist dort Mädchen für alles, putzt, wäscht und wichst zu täglichem Gebrauch, was vor seine Griffe kommt –, fällt nach Monaten treuer Pflichterfüllung in ein hastiges Leiden, das ihm die Därme immer von neuem entleert, bis seine gemarterte Seele aus kaum angebrochenem Leben entweicht. Mit rühmlichen Gefallenen verschwindet sein Kadaver ohne Sang und Klang in fremde Erde.

Frei durch den Himmel ihrer Zukunft schweifend, erhält Meta abends die Nachricht; fällt in Ohnmacht des Begreifens und bleibt, vor selbstmörderischer Torheit bewahrt zu sein, lange genug ohne Bewußtsein. Doch scheint des eingebrochenen Winters Starre sie mit erfaßt zu haben; lange wandelt sie, vor Besinnung gefeit, in Stummheit und Taubheit eingeschneit, huscht, ein wundes Tier, vom Bett durch Stuben zu Bett; keinen Seufzer hört man von ihr. Manchmal steht ein Schweißtropfen, aus Knochen gefroren, auf ihrer Stirn.

Eines Tages sprach der Hausherr sie freundlich mit väterlichem Tätscheln an. Sie sollte zu sich erwachen. Jung sei sie, mannigfach liege Leben vor ihr, Männer gäbe es viele. Auch litte mit ihrer Zerrissenheit der Arbeit Wert. Gott sei gnädig, des Vaterlandes Sache stünde dank siegreicher Schlachten gut, und im Grund sei mehr gewonnen als verloren.

Oben sah Meta die genähten Hemden und Herrlichkeiten, daß es sie an den Elementen packte, über weiblichen Kram in einen Jammer warf, der Tage hindurch sie selbst und Zeug und Wäsche näßte. Auf Bett und Stuhl, wohin sie blickte, saß Franz; an Tor und Tür erschien er wieder, lachend, vertraut zu ihr aufschauend. Dann hurtig enteilend, Mütze schwingend, aufs Rad flatternd. Oder seine Augen sahen vorwurfsvoll aus dem Dunkel; doch bei ihrem zartesten Laut strahlte sein Glaube. Und er läge gestorben? Wo wäre da Sinn? War in ihrem gemeinsamen Leben ein Fehler, Unreines in der Seelen Zusammenhang, und stimmt Gott der Harmonie nicht bis in der Schöpfung verborgenen Winkel zu? Halb entkleidet steht sie zur Nacht in feuchtem Aufruhr im Loch des Fensters, sucht dem Himmel, des Busens Hügel lüpfend, den Weg zum Herzen frei zu machen, daß er es einfältig mit Franz erfüllt schaue. Wäre das Unfaßbare wahr, wo sei in der Umstände Verkettung der Irrtum des Geschehens als Schuld anzurechnen, auf ihrer demütig irdischen oder der allmächtig himmlischen Seite? Doch die Sterne erblassen nicht vor der geheulten Anklage. Kraß und klar leuchten sie tägliche Bilder.

Noch wartet Meta, schiebt den Tag der Abrechnung mit Gott auf, und während das Ohr auf Nachricht aus dem Feld gespannt bleibt – sie ist gewiß, auf einmal kommt seines Lebens Alarm, bebändert, besternt steht er vor ihr, wirft verhaltenen Lebenssturm als Gewitter und Blitz in sie –, prüft sie von neuem ihre bisherige Führung nach Vorschriften der Religion, um sich nicht über des Gläubigen berechtigte Enttäuschung hinaus anklagend zu empören. Sie bekommt auch günstige Zeichen. Ein Sergeant beim gleichen Stab, den ihrer Briefe Jammer rühren mochte, antwortet in geschraubten Reden so Unterschiedliches, daß Hoffnung viel in ihnen finden kann. Aus hundert Zeitungen erhält sie Bestätigung, daß Totgeglaubte, Totgewußte in der Liebenden Arme zurückkehrten. Franz sei sicher, von Fiebern jugendlichen Willens hingerissen, aus eintönigem Tagdienst in die Hitze der Gefechte geeilt, werde sich in Berichten als ein Held und lebend wiederfinden.

Bis sie ein Bündel mit der Post erhält, das der gleiche Kamerad, ihrer Beschwörungen überdrüssig, sandte: Lumpen von seinem entseelten Körper geschält, in beschämendem, kläglichem Zustand.

Ihr entgeht des Schicksals hämische Geste nicht, die des Verblichenen Andenken schänden will. Doch ist ihr der endliche Fall je tiefer, um so lieber, da sie schon merkt, wieviel herrlicher sie sich von ihm erheben wird. Inmitten verwüsteter Hoffnungen, jämmerlicher Trophäen seines Erdenwandels bleibt sie trauernd liegen, aus tausend Erinnerungen saugt ihr Haß rasenden Zorn gegen sinnlos Geschick und seinen oberen Lenker. Als sie jeden Ort des Leibes mit gleicher Überzeugung gefüllt fühlt, erhebt ein sich neuer Mensch zu gewandeltem Leben. Mit Gott macht sie nicht viel Worte. Frei sieht sie ihm ins Gesicht, zeigt ihre Meinung: Seine Entscheidung in ihren Sachen hat sie verurteilt, hängt nicht länger von ihm ab. Zum zweitenmal nimmt sie vom Dasein Besitz, belebt von sich selbst aus die Welt. Aus deren Mitte sie das bisher Verehrte hebt, durch einen Götzen es zu ersetzen: Franz, den sie mit allem Tand der Phantasie schmückt. Je weiter sein irdisches Leben zurücksinkt, um so frischer macht sie ihn lebendig. Alle Kräfte müssen für den einzigen Zweck, den toten Freund ihr fortwährend seiend zu schaffen, sich regen. Unaufhörlich hat sie Gesichte, Begegnungen, vertraute Zwiesprache mit ihm, riecht, schmeckt den angebeteten Mann, und ist sie mit ihm im innigen Verein der Gemüter, fliegt höhnisch ihr Blick durch Scheiben zum Firmament, Trotz lacht hell auf.

Sie wird eine Nonne, schlicht und eindeutig, geht, dem gewählten Bräutigam treu, mit Zäunen umstellt. In ihre Bestimmung mit sich selbst ist von außen kein Pfeil, anderes Verlangen zu senken. Sie weiß, wie der Geliebte sie wollte: nicht kleinmütig verzagt, doch über der Sterblichen Los. Die selbstherrlichen, keuschen Gebärden muß sie bewahren, daß seine Erwartung von ihr sich beim endlichen Wiederfinden bestätigt. So wandelt sie in Stahl gepanzert. Schicken Frühlinge Begierden, blühende Natur Versuchung, zwingt sie das Fleisch in kühle Richtlinien, lacht zum Schluß über der Geister Blendwerk. Männer, die ihr wollüstig aufgeschwänzt nahen, erledigt sie mit dem Blick eines für sie zu gewaltigen Maßes, in das sie wie Erbsen in riesigen Topf fallen. Je mehr sie das Leben versucht, um so freudiger wirft sich ihm Meta furchtlos hin, gewiß, mit ihrem Liebesbegriff aller Wirklichkeit überlegen zu sein, und daß der verschmitzten Himmel lockere Absichten an ihrem Willen zerbrechen müssen.

Der Friede, den das Land erlangt, schwemmt der Männer Menge in die Arme der Jungfrauen, Bräute, jungen Frauen zurück. Eine allgemeine, gewaltige Hochzeit hebt an, und des Weibes Demut ist an sich vor dem heimgekehrten Helden groß. Als aber sein Arm richtend und regelnd in der verwahrlosten Heimat fühlbar wird, Jugend den zu Haus gebliebenen Greisen und Verschnittenen der Ämter und Geschäfte willkürliche Leitung entreißt, bricht befreiter Dank so stürmisch aus allen Herzen hervor, daß die Verehrung männlicher Kraft und Vernunft oberstes Gesetz ist. Auch Meta, der es einfällt, wie Franz sich in ihres Beisammenseins letzter Spanne zu eigenem Willen gereckt, Herrschaft, Gewalt über sie gefordert hatte, formt den Geliebten dem allgemeinen Ideal nicht nur, doch eigenem, ursprünglichem Wunsch nach. Macht ihn zu ihres Gewissens, ihrer Glieder unbeschränktem Gebieter; endlich stürzen die inneren Gewalten ins Bett einer einzigen Leidenschaft: schrankenloser Hingabe Leibes und der Seele an den Vergötterten. Alle Organe, von Besessenheit ergriffen, werden Eingangspforten für den Atem seines Wesens. Männlicher Geist fährt Schwert in das Weib, reitet es mit Windsbraut in alle Abgründe des Empfindens, peitscht es durch Hohlwege und Schluchten sinnlicher Wünsche. Man hört sie unter seiner würgenden Faust aufschreien, sieht sie bäumen, stürzen, wieder stehend, halb sich heben und zum andernmal mit Wucht in die Bettstatt schlagen. Sie fühlt sich von ihm in Wälder, an alle Plätze entführt, an denen sie einst gemeinsam scheues Gespräch geflüstert. Dort packte er sie, und während keusches Andenken sie rührt, bricht und knickt er sie nach seinem Willen in ein Bündel keuchender Wollust.

Tagsüber erfüllt sie mit geschundenen Gliedern Pflichten dienender Stellung. Aus der Stärke der sie schüttelnden Empfindungen fühlt sie sich von eigenen Gnaden Überwinderin des von Gott mit ihr gewollten Schicksals, Urschöpferin ihrer Lust, nimmt düstere Kraft aus diesem Bewußtsein. Doch ist es ihr Beweis der eigenen Person nicht genug. Rings horcht sie Frauen nach dem Maß des natürlichen Glückes mit ihren Männern aus, jubelt, hört sie laue Anerkennung, oft Enttäuschung. Mit ihrem süßen Mann haben Sturm und Schwelgerei kein Ende, sie unterliegt seinen Launen, Bedenken, Schwächen nicht. Jahre hindurch steigert sich das Maß des Entzückens, das von ihm kommt. In alle Blut- und Nervenbahnen ist sie von ihm besessen; doch immer noch findet Begierde Genuß und blendende Überraschung.

Bald sieht sie Folgen ihres unbändigen Glückes mit dem Mann. Der Leib, aus einem Teil einst, regelmäßig praller Formen, brach Bünde gehügelter Üppigkeit, hat strengen Rhythmus schon gesprengt. Entzückt sieht sie ihre Schönheit wie bei Weibern mit lebendigen Gatten zerfließen. Nicht weniger scheint sie gestülpt, brüchig, gerupft. Mit Triumph hängt sie in den gleichen Spiegel, der einst ihrer Jugend Knappheit faßte, zerfallene Kuchen der Brüste, des Bauches schleppende Fettgirlande. Meckert sich Beifall, schlägt die entstellten Lenden, sie mit Inbrunst neuen Visionen auszuliefern. Doch zu den Freuden ekstatischer Liebe leidet sie Schmerzen und täglich andere. Erst ist es Freßgier, die sie befällt und unzähmbar quält. Mit tierischem Hunger schlingt sie Erreichbares wahllos in den offenen Schlund, bis Ekel vor sich selbst sie packt, der aufgetriebene Magen sich brüsk erleichtert. Dann quillt Speichel in Wellen aus Häuten des Mundes und der Nase, schäumt auf Lippen, wechselt dort in vielen Farben. Oder eine Hand preßt, daß sie zu ersticken glaubt, den Hals zusammen; gespenstische Kugel steigt aus der Gurgel in die Eingeweide, wobei ein kalter Wind den Leib durchweht. Traumloser Schlaf wechselt mit anhaltender Schlaflosigkeit, die sie erschöpft, und wüster Halluzination. Doch immer gelingt es ihrer trotzigen Kraft, Franz, zur Umarmung bereit, vor sich aufzuzaubern. Als aber Materie vom Knochen geschabt ist, Fett verlebt, Säfte, nicht ergänzt, träg geworden sind, kann sie die erlangten Ohnmachten und Zerschmetterungen nicht mehr mit neuem Aufschwung ausgleichen. Nur hier und da faßt sie noch des Mannes Gestalt. Meist muß sie sich mit einem Schatten begnügen. Und ob sie Augen aus Höhlen dreht, die mageren Hände sehnend reckt, fühlt sie nur etwas unwirklich Zerschlissenes bei sich. Dann stöhnt sie große Seufzer, fällt durstend in die Kissengrube; doch stürmt der ausgemergelte Körper in Schlaf, Sehnsucht der Halbentseelten flieht vom Gift des Sichzerfleischens zu Bildern guter Ruh.

Das angetrümmerte Gebein, dicht vor Vernichtung, schreit nach Befreiung. Mit dem Mut der Verzweiflung wehrt es sich, bereit, alle Möglichkeiten des Seins gutzuheißen, ihnen zu dienen, nimmt man von ihm die Zentnerlast der durch Jahre getragenen Qualen.

Alsbald tritt der Umwelt Bild in das erfrischte Gehirn zögernd wieder ein. Sie nimmt des Stübchens Einrichtung wahr: den Teppich vor dem Bett, dessen Mitte vertreten ist; bunte Gardinen am Licht. Erstaunt sieht sie ihren Fenstern das Dach eines Hauses gegenüber, das die frühere Aussicht ins Grüne und Gärten sperrt. In der Küche glänzt Kupfer mit Zinn, bemerkenswert scheint ihr der Ausdruck in Menschenaugen. Da kommt morgens ein Mann ins Haus, der Zeitungen trägt. Blond, greller Rede, drängt er sich in Metas Wirklichkeit, stellt sich quer vor ihres Schattenmännchens blasses Bild. Gaukelt sie das manchmal her, bringt seine Züge nicht bündig zusammen, ist quick der Stellvertreter da, zu allem möglichen bereit. Sie dreht sich, vager Absicht, in seine Bahn und hat ihn plötzlich Aug in Auge vor sich. Gespannt sieht sie sein vorbereitendes Gebaren, schluckt seine bis zu den Haaren steigende Röte, Wasserperlen auf der Stirn, zitternde Hände. Auch leises Knirschen der Kaumuskeln belustigt sie sehr. Als er aber, männlich perfekt, in die Horizontale schwenkt, macht sie der Schwitzende lachen, sie springt von ihm fort. Zu albern wirkt sein strikter Angriff, es mangelt phantastischer Hinschwung; sie hat die Fanfare nicht gehört, unwiderstehliches Muß ganz vermißt.

Aus halber Anschauung, vollendeter Ahnung sah sie der hingegangenen Liebe unvergleichliche Höhe ein. Und wie Natur, sind Trotz und Eitelkeit in ihr befriedigt. Reste Zärtlichkeit und Schwärmerei schwinden aus dem Herzen, und dreißigjährig stellt sich Meta, immer noch Dienstmagd in des Färbereibesitzers Familie, mit veränderten Begriffen zu weiterem Dasein kräftig gewillt fest.

Bedient sie jetzt Gäste, die regelmäßig einmal in der Woche kommen, bei Tisch, reicht ihnen Teller und Schüsseln, sieht sie die Speisenden eindringlich an. Merkt ihre Gespräche, kennt bald der Geladenen Verhältnisse. Doch, was sie erzählen, mit Zwinkern und Blinzeln an Gefühlen ausdrücken – ihr menschlicher Inhalt scheint Meta armselig, flach. Sie, die gemeiner Herkunft wegen Schauer des Respekts vor diesen Bürgern gefühlt hat, merkt aus der Überlegenheit selbstgewollten, überwundenen großen Schicksals, Hochmut in sich wachsen. Die da sitzen, scheinen geschlagene Leute, denen das Menschliche zu karg gemessen ist. Ihre Begierden bleiben hinter Metas Sehnsucht zurück. Um kleine Vorteile treibt ihr Ehrgeiz, aus des Vermögens Größe sind sie sich wichtig. Dem Unbemittelten dienen Fabeln seiner geschäftlichen Verschlagenheit, sich zur Geltung zu bringen. Da ist ein Herr mittlerer Jahre, in kaffeebraunem Rock, der von seinen Geschäften Wesen macht. Zum Schluß seiner Vorträge, die er mit Witzworten krönt, pflanzt er, beifallheischend, der Hausfrau jüngerer Schwester, die seit kurzem zu Besuch da ist, einen Blick ins Gesicht. Meta kennt die Stelle, wo auf des Mädchens Backe antwortend der Fleck aufbrennt, sieht aber geschwind zum Erzähler zurück, um wahrzunehmen, wie der herausfordernd mit dem Mundtuch die Schnurrbartspitzen wichst. Sie findet diese Spießbürger Würmer, die man bodenlos gering zu achten, nach dem Maß der Verachtung zu behandeln das Recht hat. Mit dieser Feststellung begnügt sie sich nicht, beginnt, sich in der Lendenlahmen Schicksale zu mischen, sie zu treiben. Erst springt sie das Mädchen an, das nach trägen Gesetzen Tage verschleißt, indem sie Gedrucktes aus des Hausherrn Bücherei ihm in den Weg legt, das es durch gewagten Inhalt erregen soll. Durchs Schlüsselloch sieht sie der sich Entkleidenden zu und wartet auf den Effekt. Doch hält die klassisch Nackte, deren ebenmäßige Schönheit Meta gehässig belauert, lesend das Buch mit der gemarkten Stelle, kein Hauch rührt ihr Gesicht. Sie gähnt, nestelt, kämmt, dreht die Lampe aus und schläft.

Und steckt doch seit Wochen, glaubt sie sich unbemerkt, dem kaffeebraunen Herrn die Finger in die seinen. Sieht ihn geschwungener Braue an, senkt den Kopf und entschwebt. Als die Herrschaft eines Abends ins Städtchen fort ist, die Jungfrau sich vorm Spiegel mit gelöstem Haar und blanken Beinen zur Nacht schickt, schiebt Meta den scheuen Verehrer, der nach der Freunde Anwesenheit gefragt hatte, der Überraschten in die Kammer, wartet verhaltenen Atems vor der Tür. Da es innen still bleibt, bringt sie den Blick an das Schlüsselloch, sieht Mann und Mädchen beieinander, Hand in Hand, Aug in Auge. Dazu atmen beide kräftig aus geblähten Nüstern. Ein Weilchen, während das Herz vor Erwartung steht, sieht Meta ihnen zu; als aber der Aufrechten Haltung sich nicht verändert, öffnet sie erbost die Tür, zwingt das monumentale Paar zum Aufbruch.

Doch gibt sich nicht zufrieden. Nach ihren höheren Absichten sollen sich die Geschicke der Armseligen erfüllen. In stärkerem Feuer will sie die Seelen glühen sehen, gewiß, noch immer wird sich ihr eigener Wert über dem der anderen erhärten, sie kann sich von neuem an ihrer salamanderhaften Unverbrennbarkeit berauschen. Engeren Anschluß sucht sie an die Ahnungslose, ist ihr beim Anzug behilflich, streift Strümpfe schmeichelnd an die Beine, das Hemd auf zarte Haut. In Kürze vollendet sie mit sympathischen Strichen jeder Nerve zärtliches Verständnis, und als sie ihr Opfer zu eigener Regung flügge glaubt, weiß sie es, daß der lau Temperierte das junge Weib allein im Aufruhr der Gefühle findet, einzurichten.

Von der völlig Entzündeten fängt der schwer zu Entflammende Feuer. Nun girren Stimmen hinter der Tür, es fordert Verlangen, seufzt die Schwäche. Des Sieges Mal leuchtet auf Metas Stirn.

Allem, was folgt, widmet sie sich inständig; vermittelt den Liebenden Bequemlichkeit. Je dringlicher er Halt will, um so stürmischer wird der Mann geliebt, und das schleunige Ergebnis ist des Mädchens pralle Schwangerschaft. Da aber ist die Mittlerin selig. Für des Hauses Ruhe, die nur durch banalen Anlaß gestört wurde, hofft sie Sturm und Raserei, reibt die Hände, schneidet dem Himmel Grimassen, und als sich das Unglück nicht länger verheimlichen läßt, im grünen Salon Aufschrei und Verwünschung schallt, zweier Frauen Ohnmächten zu enden sind, Nasenbluten des erschütterten Färbereibesitzers ihre Pflege und Essig fordert, schwebt Meta, überlegene Zuschauerin der Blamage und Verlegenheit, in sieben Himmeln.

Jede Stunde ist ihr höchster Erwartung voll. Sie hofft zerschelltes Geschirr, eingetretene Türfüllungen, den aus dem Fenster in den Hof geschmetterten Leib. Auf den Pistolenschuß wartet sie, der die Nachbarschaft alarmieren soll, hört Feuerwehr und Polizei die Treppe stürmen. Doch steigt das allgemeine Elend nicht über ein finsteres Schweigen und Tränen in Strömen. Eines Morgens aber erscheint der Verführer im schwarzen Rock mit hohem Hut; Verbeugungen, Komplimente, Umarmungen werden getauscht, und bald kleidet Meta die Braut in Batist, Schleier und Atlas. Während das erlöste Mädchen Kapriolen in den Spiegel stellt, fühlt sich die Bedienende, von himmlischen Gewalten aufs neue geneckt, um jeden Erfolg gebracht.

Aber sie will, da ihr der Weg zu eigener, bedeutender Fühlung gesperrt ist, aus von ihr aufgeregtem, fremdem Schicksal die fortdauernde Bestätigung nicht gewöhnlicher Natur. In Gestalt eines alternden Mädchens, durchschnittlicher Dienstmagd zum Kehricht geworfen zu sein, diesen Ausgang ihres Lebens ertrüge sie nicht. Sie weiß nicht, wie der Dämon in sie kam, doch daß sie vor jedem Atemzug gelten, vor sich selbst bestehen muß, daß, diese Voraussetzung ihres Lebens zu schaffen, ihr jedes Mittel gilt.

Als die jung Verheiratete mit dem in gesetzlicher Ehe geborenen Sprößling aus ihrer Macht, ihrem Gesichtskreis entschwunden ist, spürt sie der Hausfrau Launen auf und wo bei ihr der Eingriff ins Leben zu wagen sei. Sie sieht die noch begehrenswerte in simplem Haushaltkram befangen, weiß lange Zeit nicht, wie ihr beizukommen ist. Da springt ihr Zufall zu Hilfe, als sie den Erzieher des zwölfjährigen Knaben im Unterricht über ein samtenes Band der Prinzipalin träumend findet. Der Brennpunkt ist entdeckt, mit unwiderstehlichem Drang facht sie Feuer unter den Primitiven, kocht sie Monate gar, bis des Topfes Boden, in dem sie schmoren, wie Papier mürbe ist, die Minute, wo die Siedenden und Gesottenen ins Feuer fliegen, sich ankündigt.

Dicht vor der Katastrophe kommt ihr ein Einfall, macht sie vor Freude toll. Nicht halbe Arbeit will sie mehr leisten; diesmal soll das ganze Haus, der Familie rundes Ganze in sie untertauchen; Herrschaft auf alle soll für fünfzehnjährige Sklaverei der Lohn sein. Als sie der Herr in einer Ecke tätschelt, sprengt sie durch den ihm zugeschleuderten Blick seine gedämpfte Existenz, überläßt sich am gleichen Tag, da auch der junge Lehrer das ersehnte Glück findet, dem täppischen Alten.

Der hat durch seine Lebensstellung gefällige Umgangsformen mit der Frau. Meta nahm befriedigt, ohne Eifer, was er bieten konnte. Aus lebendiger Phantasie macht sie ihn abhängig; unterjocht ihn, probt und spannt ihn wie einen Handschuh, der sich streckt; ersah an seinem Beispiel, wie weit der Mann dem Weib wirklich folgt, stellte nach ihm das Bild von Franzens Männlichkeit richtig. Der Rest Bedauern, den sie über dessen Tod noch fühlte, minderte sich füglich. Als sie den Alten am Schnürchen hatte, er, ein Pudel, in ihrem Dunstkreis hüpfte, zwang sie die Hausfrau aus der Mitwisserschaft um ihr Verbrechen in dramatisch geführten Szenen zur Unterwerfung, zu striktem Gehorsam. Jetzt gab sie im Haus die Kommandos, nicht so mit Worten als mit Blick, einer verlorenen Geste; spielte Richter und Gesetz. Nie wollte sie, was jene wünschten, verbot, was ihnen erfreulich war, schlief nicht, gab ihr des hingegangenen Tages Überblick nicht die Gewißheit bewiesener Macht. Drohten die Geprügelten anfangs sich zu empören, ungewohntes Joch abzuwerfen, dämpfte sie durch anonyme Briefe, die das Infame mit gemeinen Worten an die Wand malten, Lust zum Aufstand; durch Strafen den Wunsch, Widerstand zu wiederholen.

In ein geräumiges Zimmer zog sie am Hausflur, das sie mit hübschen Dingen, die ihr anderswo entbehrlich schienen, schmückte. Setzte den Papagei im Bauer, einen Lederstuhl ans Fenster, in dem sie als erste die Zeitung las, rückte das Grammophon im Mahagonischränkchen aus dem Eßzimmer zu sich herüber. Ein buschiger Kater hockte auf ihrem Schoß.

Für die Arbeit hat sie eine Magd genommen. Samt den übrigen Hausinsassen dient ihr die zur Befriedigung dunkler Instinkte. Durch neue Nadelstiche, gesiebte Bosheiten, gegen die sie wehrlos ist, im Mark des Lebens gelähmt, sinkt die Sippe in so bodenlose Abhängigkeit, daß jede Reibung schwindet. Für den Besucher bildet die Gemeinschaft das Bild himmlischen Friedens; wie zärtliche Verwandtschaft das Leben der verehrten Tante zu erhalten, liebenden Eifers vor Schreck und Trubel zu bewahren bemüht ist. Man buhlt mit niedrigsten Mitteln um ihre Gunst; der Gatte verleumdet die Gattin, das Kind die Eltern, alle die Magd, die sich auf gleiche Weise rächt. Wo Meta auftrumpfen will, liegen die Stiche auf dem Tisch. Ihr zum Schlag gehobener Arm fällt auf Samt, zutretender Fuß taucht in Watte. Um sie ist Luft von Thymian und Lavendel, und wie sie streng im Einzelfall entscheidet, sieht sie verklärte Gesichter. Man ist unter allen Umständen mit ihr, unbedingt für ihren Willen. Ihrer nicht erloschenen, leidenschaftlichen Lust am Aufruhr stellt sich in ihrer Umgebung kein Gegner.

Sie muß ihren Groll päppeln, sich aufsagen, wie sie von Gott und Menschen tödlich beleidigt ist um etwas, das ihr lange deutlich war. Während sie im Genuß ertrinkt, betet sie sich vor, sie sei gemartert, grausam gehöhnt; doch stehe des Himmels Sühne noch aus. Sie fühlt, verliert sie Aufstand und Empörung aus dem Blut, muß in ihr eine Leere entstehen, die sie in Abgründe schleudert. Aber die vier Menschen um sie, die den Schlüssel ihrer Natur gefunden haben, singen Hymnen, überstürzen die geringste Forderung an sie von sich aus, entkräften Metas einst lodernden Haß immer mehr.

Schon wenn am Jahresersten die Familie mit dem frühesten an ihr Bett tritt – sie aber liegt in schleifenverzierter Haube, kostbarem Hemd, mit gefalteten Händen, ein rarer Gegenstand, auf dem Rücken – und das erdenklich Gute wünscht, das Haus an ihrem Namenstag mit brennenden Lichtern und Kränzen ein Tempel der Freude ist, Likör, edler Wein in Römern, der die Geister verzaubert, schwebt, schwindet ihr alles Gewesenen Erinnerung. Und als Musik, Enthusiasmus mit frohen Toasten, an ihrem vierzigsten Geburtstag Segenswunsch prasselt, die Träne der Rührung in allen Blicken hängt, fühlt sie das Heftigste aus sich gerissen; sitzt betäubt und gestäupt als Attrappe im Kreis der Feiernden.

Alle Arbeit ist ihr aus dem Weg geräumt, keinen Finger darf sie rühren, der geringsten Handreichung wird mit stürmischer Abwehr gewehrt. Aber Überraschung bringt man von draußen, der Bekannten freundliche Grüße, nur gute Nachricht. Jeder Eintretende stellt strahlenden Auges mit lachendem Mund lebendes Bild vor ihr. Alle haben zierliche Bewegungen, holde Sprache, Händedruck, Herzbeteuerung. So ist jeder Anlaß zu Scheltworten genommen. Wie sie Argwohn und zänkische Erwartung spannt, stets endet der Vorgang über Erwarten glücklich in Sonnenschein. Man schmeichelt dem Vogel im Bauer, bringt ihm Biskuits, fragt mit schmelzender Besorgnis: »Wen liebst du am meisten auf der Welt?«, und kreischt der bunte Bursche: »Meta!«, scheint man gerührt, entzückt, erschüttert. Vom Sitzen und Gefüttertwerden wird die Verwöhnte von neuem unförmig fett. Ihre gefräßige Natur widersteht Leckerbissen nicht, die man ihr reicht, und aller Welt macht es, die Anschwellende nach Kräften zu mästen, gehässigen Spaß.

Ißt sie reichlich zu Tisch, schlürft viele Tassen Kaffee und mummelt Kuchen, dösen träge die Augen ins Leere. Nicht Feuer mit Blitz steht in ihnen, kaum noch des Lebens Strahl. Bei Zeitungstratsch, Phonographengeplärr läppert sie Tage. Ihrer Umgebung achtet sie nicht, läßt die beherrschte Welt immer mehr aus den Zügeln, kümmert sich nur ängstlich um ihre Verdauung.

Doch die vom Leitseil Entspannten schweifen in freies, früheres, durch sie nur unterbrochenes Sein. Mit vorgeschrittenem Alter hat man eine gewisse Höhe des Lebens erreicht. Vom Hügel sieht man Jugend, Torheit, Tollheit, und sicher vor ihnen, betrachtet man sie kritisch, belächelt sie. Ohne treibende Flamme sind die Gatten aus der Häuslichkeit nicht mehr fortgerissen, doch, schwacher eigener Kräfte, der Kämpfe im Dasein bewußt, zu schmalem, letztem Lebensgenuß aufeinander angewiesen. Und was man nie vermochte: da man Gleiches will, traut man einander, nähert sich und lernt sich wirklich kennen. Der silbernen Hochzeit steuert man zu, geht Vergangenes im Geist durch, macht entschuldigend begreifende Anmerkungen und ist mit Hin- und Widerrede eines Tages soweit, daß man spürt, wäre es nötig, könnte man dem andern auch einen Fehltritt, der weit zurückliegt, ohne Gefahr bekennen.

Als diese Wahrheit erkannt und eingesehen war, begann man, die Gehätschelte im Lehnstuhl mit neuen Augen zu sehen. Noch ließ man es an der Speisen Anrichtung nicht merken, wie sich die Lage schlimm für sie geändert hatte, doch sparte man mit Besuch, machte keine Anstrengung mehr für sie. Meta nahm die mangelnde Teilnahme nicht wahr oder empfand sie als erhöhte Rücksicht, die ihrer Bequemlichkeit erwiesen wurde. Immer mehr dämmerte sie in den Zustand zufriedener Gleichgültigkeit hinüber.

Doch wollte sie eines Morgens Dienstleistung, hatte dreimal den Klingelknopf gedrückt. Als niemand kam, sie ohne Erregung weiterschellte, öffnet die Hausfrau die Tür und fragte schnippisch, was ihr denn einfiele. Verdutzt, blieb Meta glotzenden Blickes die Antwort schuldig. Da erhob die Scheltende die Stimme, sie verbitte sich Art und Weise. Was im Werk sei, ob sie sich, was sie brauchte, nicht selbst holen wollte und überhaupt ... da höre alles auf! Je weniger die Gescholtene zu entgegnen wußte, um so mehr tobte der Frau entfesselte Wut. Zischend spie sie Wortschlangen auf die Verdatterte, berauschte sich so unmäßig an deren demütiger Stille, daß sie Stühle, Gegenstände durchs Zimmer schleuderte. Mehr von der Stürmenden Dynamik als vom eigenen Trieb bewegt, richtete Meta, nach bewährtem Rezept zum Angriff überzugehen, sich auf. Sah aber beim ersten Blick dem Gegner ins Gesicht, der hatte alle Angst vor ihr verloren, ihr Spiel sei unwiederbringlich, gründlich verspielt. Trotzdem machte sie eine fürchterliche Bewegung, zeigte das alte, von tödlichem Haß entstellte Gesicht so drohend, daß die von neuem Geängstigte den Gatten gellend zu Hilfe rief. Der sieht, im Schlafrock herbeieilend, mit einem Blick nach rückwärts und vorwärts die Lage, nie wiederkehrende Gelegenheit, fuchtelt die Arme wuchtig aufwärts, dröhnt mit riesiger Stimme, daß alles zusammenläuft, Löwentöne, Nachbarn an die offenen Fenster eilen. Da er fühlt, ihn verlassen die Kräfte, zum Schluß aber müsse die entscheidende Granate einschlagen, kreischt er mit schneidendem Schrei, sie solle nicht vergessen, daß sie Dienstbote und gelitten sei. Der Satz tat dämonische Wirkung. In die Brust flog die Familie. Vom Blitz zermalmt, knickte Meta in Wirbeln, fiel, Plunder, ins Dunkle. Dann flog Bann und Fluch auf sie, und ehe ihr ein Gedanke keimt, ist ihr für vierzehn Tage später gekündigt, befohlen, das Haus am gleichen Tage zu verlassen. Lohn und Kostgeld würden nach dem Gesetz bezahlt.

So endgültig, spürte Meta, war ihre Niederlage, daß sie, die Ereignisse aufzuhalten, keinen Versuch machte. Aus Winkeln räumte sie Habseligkeiten und Siebensachen. Beim Umkehren der Schübe fiel ein Bündel beschmutzter Lumpen vor ihre Füße. Erst begriff sie deren Sinn und Herkunft nicht. Dann, da Ekel sie schnürt, erkennt sie Franzens irdische Hinterlassenschaft. Sie kneift die Mundwinkel, stößt den Packen zum Kehricht.

Wenige Stunden später sitzt sie im Gasthof allein, aus dem sie nach ein paar Tagen, halb im Traum, zu einer Verwandten aufs Land übersiedelt.

 

Von dort wollte sie, das letzte Wort im Streit zu behalten, der ehemaligen Herrschaft einen Brief schicken, in dem Verachtung und Überlegenheit maßlosen Ausdruck hätten. Da sie das Schreiben trotz Mahnung des Verstandes von Tag zu Tag aufschob, merkte sie, wie gleichgültig im Grund die Katastrophe sei, sie eher mit diesen Leuten als die mit ihr fertig gewesen sei. Sie fand jetzt, die letzten Monate seien als einzige ihrem Leben durch innere Teilnahmslosigkeit verloren gewesen. Aus eigenem Antrieb hätte sie eher aus einem Haus, das längst von ihr mit Stumpf und Stiel gefressen sei, aufbrechen müssen. Aus welchen Quellen hätte sie dort Lebensgefühle speisen sollen? Welche Gewißheit der Gegenwart und Aussicht konnte sie da für die Zukunft beschwingen? Ein grämlich bequemes Alter sei ihr gewiß gewesen. Halber Tod im Leben. Hier aber war ihr Landschaft, zu der sie aus der Vergangenheit keine Beziehung hatte, Phänomen, und sie hoffte, die werde befeuernd auf sie wirken. Mit der menschlichen Umgebung, die sie ihrer Erfahrung gemäß fand, trat sie am neuen Ort nicht mehr in Wettkampf. Wo des Fühlens, der Instinkte Wucht entschied, wußte sie sich ein für allemal auserwählt, der Menge gründlich überlegen. Auf dem Gebiet geistiger Kräfte aber suchte sie keinen Anschluß, der ihr aus Begabung und Erziehung verwehrt war. Hochmut, Neid, Zorn fielen fort, als sie merkte, simples Bauernvolk stand hinter den besiegten Städtern an Geltungswillen zurück. Unter Unbewaffneten im Harnisch zu gehen, schien sinnlos. Hübsche Ersparnisse gaben ihr in diesen bescheidenen Verhältnissen zudem die Sicherheit, die ihre kurzen Gesten, knappen Anmerkungen von innen her bezeugten.

Da sie aber spürte, sie wende noch zuviel Kraft an täglichen Umgang mit belanglosen Menschen, nutzte sie ihr Geld dazu, einen Mann zu fesseln, der Mittler zwischen ihr und den andern sein, Unkosten des von der Welt geforderten Entgegenkommens tragen sollte. Jakob war Kriegsinvalide, rüstiger Fünfziger mit Stelzfuß. Medaillen, Schnallen auf der Brust bezeugten seinen Sinn für Gemeinschaftsideale, Willen, sich in bürgerlichem Verein bemerkbar zu machen und die Fähigkeit dazu. Sie heiratete ihn, setzte ihn als Damm gegen der Nachbarn kleinliche Zudringlichkeit vor ihre Person. Es wirkte nicht störend, ein Hans in allen Gassen hatte eine schweigsame, zugeknöpfte Frau; ließ sich im Gegenteil versöhnend an. Jede Satzrakete ihres Gatten, seine Schwärmer und Leuchtkugeln, die verständnisvolle Bewunderer fanden, sicherten ihr auch dann Stille und innere Abgeschiedenheit, saß sie im aufgeräumten Kreis, der bei der Erzählung von Jakobs Kriegsanekdoten lärmend vaterländisch begeistert war. Sie stützte seine einfache seelische Mechanik, ölte die Maschine, drehte Kurbeln, stellte sie auf Jahrestage beliebter Schlachten, auf Kaisers Geburtstag oder sonst ein Jubiläum, ihn, rasender Brisanz mit Lampions und Feuerwerk auf Zeitgenossen loszulassen.

Sie selbst ging heimliche Wege in die Landschaft. Am überraschenden Wirken sprühender Natur wollte sie ihr eigenes, kräftiges Leben messen. Morgenröte, Sonne im Zenit, Sternbilder am Firmament, Wind, Regen, Hagel, Schnee stellte sie als wechselnde Erscheinungsformen fest, von denen sie den jedesmal gewollten Effekt zu erkennen suchte. Sie mochte nicht einsehen, Regelmäßigkeit sei das Prinzip, aus dem Natur sich regte, sträubte sich zu glauben, Sonne ginge ohne besonderen, heutigen Zweck auf, zu sterben und morgen wieder am Platz zu sein. Am Wiederkehrenden wollte sie das einmalig Notwendige, das es bekräftigte, erkennen.

Doch je tiefer sie in den Plan der Schöpfung eindrang, sah sie Gleichförmigkeit und Gegebenheit als Gesetz ein. In höherem Maß als der Mensch waren Pflanze und Tier artmäßig übereinstimmend; im weiten Umkreis der Natur ging es gattungsgemäß nach Formeln von der Geburt zum Tod ohne den Aufschwung, den einmal im Dasein selbst der niedrigste Mensch hat, vor sich. Was aber mit Gewißheit vorauszubestimmen war, langweilte sie nicht nur am Menschen; so langweilte sie erst recht Natur. Was man Reihen des aus gleichem Stoff Gewesenen in gleicher Absicht nachtat, könnte als eigentliches Sein nicht rechnen, dachte Meta. Denn es entkleide des Selbstgefühls und Erhabeneren, das sie nicht nennen konnte, doch mit allen Fasern ihrer Seele anstrebte. Sie mochte nicht aus fremden Zungen reden, aus fremder Gewißheit nicht handeln. Von sich mußte sie fortwährend zeugen, im Haus und draußen wollte sie nur mit Organismen, die, Form sprengend, andre eigentümliche Form bildend, sich bewiesen, umgehen.

In des Hauses entlegene Stube zog sie, saß im Halbdunkel. Da die Gegenwart ihrem Erlebnisdrang nicht günstig ist, lebt sie von Erinnerungen, während sie, eine Spinne im Netz, auf Anlaß, sich zur Höhe ihres Gefühles von neuem aufzurichten, lauert. Sie zaubert den Abglanz aller Stationen ihres weiblichen Blühens und Welkens her. Franz tritt mit vollkommener Frische zu ihr, jetzt erst kennt sie ihn in seinem ganzen Verein: Er war, absonderlich jung, so wenig eigene Person, daß sie ihren Traum vom Mann mit ihm hat träumen können. Je eindringlicher sie ihn gliedert, eine Zukunft bildet, die er, wäre er vom Krieg heimgekehrt, gelebt hätte, um so deutlicher wird er Jakobs Ebenbild. Derselben Begabung, gleichen seelischen Gewichtes, hätten Sprüche in seinem eitlen Maul den Mangel an Tatkraft ersetzen müssen. Wie Jakob hätten Schnallen und Medaillen ihn in seiner Welt beglaubigt; hinreichende Bestätigung seiner selbst hätte auch er in Prost und Toast gefunden.

Zehn Jahre früher hätte sie ihn aus dem Herzen verloren, und ihres höchsten Aufschwungs Zeit mit ihm wäre nie gewesen.

Mild stimmte sie die Erkenntnis mit Gott, sie sah ins treibende Gewölk, als läge noch Überraschung, neuer Aufruf zu tätigem Leben hinter ihm. Ihre inneren Bestände mustert sie und stellt fest: nie habe sie sich gegen den Höchsten vergangen, hätte sie, ein menschliches Weib und nach den Worten der Schrift sein Abbild, das Recht auf die eigene Person, volle Verantwortung für sich vom ersten Lebenstag gefordert. Denn nie, wohin Sucht persönlichen Erlebnisses sie geführt hätte, sei sie noch so schrecklichen Folgen ausgewichen. Sie hielt es sogar des Menschen als des göttlichen Gleichnisses für unwürdig, lebte er im Hinblick auf Gottes Allgegenwart und Allkraft träge im Bett der Gewohnheiten, ohne die überkommenen Begriffe mit seinem Blut zu füllen, für sich lebendig zu machen. Ihr ganzes Leben hindurch hatte sie gegen Sattheit, Ruhe, Stillstand in sich und anderen gemeutert, sich gegen den Tod in jederlei Gestalt empört als gegen des allebendigen Gottes grimmigsten Gegner. In Menschen, die nach Schema und Klischee ein nutzloses Sein hinbrachten, war sie als Flamme gefahren, hatte sie zu eigener Äußerung gebracht.

Wo sie weilte, hatte Gefühl in Marsch und Aufruhr gestanden, niemand mit ihrer Bewilligung einfach geschlafen, gegessen oder von beiden ausgeruht.

Als mit dieser Einsicht Bedenken über die Vergangenheit in ihr ausgeglichen waren, regte sie sich, nach des Gatten Jakob Tod, rüstiger, richtete unmittelbarer den Sinn von sich fort auf die Mitwelt. Es reizte sie nicht mehr aus dunklem Drang, doch ganzer Erkenntnis, manchen schwächeren Weltkindes Bürde auf ihre Schultern zu nehmen, seine Bedenklichkeit, sich zu sich selbst zu bekennen, in alle Winde zu zerstreuen. Eine alte Eva war sie, gebraucht und in den Kesseln des Geschlechtes gesotten. Doch unter weißem Haar stand ihr das Menschliche frisch und unversehrt. Nicht weniger als die Jungfrau einst, im Fenster auf Ausschau hängend, war sie für sich und andere keck und zukunftssicher.

Ihre Kraft in abgestecktem Raum aufs beste zu nützen, trat sie in das Altfrauenhaus ihrer ländlichen Gemeinde ein. Zwanzig in durchschnittlichem Leben verblaßte Seelen traf sie dort, erloschene Flämmchen, die sich, noch zu schwelen, schämten. In verschlissenen Kleidern, das weibliche Aussehen vernachlässigt, schlichen die menschlichen Trümmer unsicher im Dämmerlicht.

Meta fuhr Jugend, Sturm, himmlische Überredung in sie. Rollte ihnen des Lebens Film zurück, zeigte die häufigen Höhen, jeder an der entsprechenden Stelle ihre unvergleichliche, irdische Wirksamkeit. In welken Brüsten entzündete sie späte, doch vollkommene Überzeugung von der einzigen Bedeutung dessen, wofür sie geblüht hatten.

Und jede dieser Kreaturen setzte schüchterne Triebe an. Kahles Holz begann in der Gewißheit zu treiben, solange es lebte, am neuen Morgen immer noch den ersten Tag zu haben. Es wurde Licht der Augen hell; Hauben gebügelt und gewaschen, bekamen Rüschen; Spitzen, gefaltetes Weiß sahen aus Ärmeln. Finger, Ohren und gepflegtes Tuch der Kleider waren plötzlich goldgeschmückt.

Nach vollbrachtem Tagewerk findet man allabendlich die Runde der Weiber um die gewaltige Tafel: aus Hälsen Häupter steif gehoben, Hände wie bewiesene und bedeutende Einheiten breit auf des Tisches Platte gelegt, lauschen sie andächtig Metas Rede. In allen Antlitzen brennen zinnoberrot hektische Flecken, manchmal klopft ein Fuß zu dem Gesprochenen mit hohem Bewußtsein den Boden.

Als vom benachbarten Kloster die Nonne Äbtissin, die von Metas Hochgemutsein in strenger Abgeschiedenheit gehört hatte, sie aufsuchte, mit ihr plaudernd, meinte, vielleicht sei auch für den Rest ihrer Tage das Kloster der rechte Ort, gab die alte Magd bescheiden, doch sicher dies zurück: »Ihr seid nicht stolz genug auf euch, ihr klösterlichen Weiber. Mir gefällt nicht Demut, Bedauern der eigenen Unzulänglichkeit, nicht Unterwerfung unter hohe, unumstößliche Vorschrift. Schönste irdische Wirklichkeit bin ich mir selbst, und auch vor meinen Herrn muß ich einst so treten, daß er mich als das Höchstpersönliche erkennt, welches er, von aller Menschheit unterschieden, schuf, und das er Meta nannte.«


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