Franz Stelzhamer
Groß-Piesenham
Franz Stelzhamer

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Aber wie die Patrizier außerhalb des Burgfriedens der Städte an reizenden Punkten der Landschaft ihre Villen, oder eigentlicher und besser, wie die veralteten Feudalherren ihre lieben Söldner und Knechte mit dienstpflichtigen Lehen beschenkten, so bauten die besseren freien Bauern unserer Gegend, vielleicht für nicht untergebrachte Familienglieder, nähere und entferntere Verwandte, außerhalb des Dorfes kleine Häuschen, nur so zum notdürftigen Unterschlupf.

In der Folge der Zeit, wenn diese Glieder abgestorben und glücklicherweise keine neuen solchen mehr nachgewachsen waren, nistete sich in den verlassenen leeren Stätten das sonst vagabundierende Volk der Korbflechter, Häfenführer, Häfenbinder, Schleifer usw. ein, und mancher ausnahmsweise brave und sparsame Zugvogel wurde darin sogar seßhaft.

Nun, solche Stätten, »Zuhäuschen« genannt, besitzt denn auch das Dorf Piesenham.

Nu, und was würde mein geschäftiges Wiesweibchen, die unermüdliche Hausiererin, was die emsige Totenansagerin, das Grübenweiblein, was die redemächtige Strickerin am Bach, was die zwei Inwohner auf der Mühlparz, was würden die alle sagen, wenn ich sie in dieser meiner Schilderung mit gänzlichem, vornehmem Stillschweigen überginge?!

»Stundenlang bei uns dasitzen, mich um Märchen und mich um Tratsch und Neuigkeiten tribulieren«, würden die Strickerin und Hausiererin sagen, »und dann, wie er schon größer und ein gespreiztes Herrlein geworden, mit unsern Töchtern plaudern und liebeln, das hat er mögen« – würden dann beide zusammen ausrufen – »aber unser erwähnen, weil wir nur »schlechte« (arme) Leute sind, das mag er nicht – nu, warte, wenn du wiederkommst!«

So würden sie sagen, nicht ganz mit Unrecht so sagen, aber sie sollen’s nicht. Bei Gott, nein, ich will kein Undankbarer sein, denn ich habe in ihren dumpfen, dämmengen Stuben wahrhaft unvergeßliche Stunden zugebracht. Der Vater zwar mocht’ es nicht, er war ein zu korrekter Mann und hat den Buben sogar einmal ordentlich mit frischen Tannenreisern herausgegeißelt und heimgeleuchtet; aber er wußt’ es ja auch nicht, daß ich meine dortigen Erfahrungen und Erlebnisse dermaleinst brauchen sollte, brauchen könnte.

Häuschen am Bach, du sollst in den nachfolgenden Blättern deine Geschichte finden, jawohl, du Häuschen am Bach! Eine wenn auch nicht sehr schöne, doch lehrreiche Geschichte, für diese Einleitung hier zu groß und umfangreich, zu drastisch und ponderös!

Zurückkehrend, von wo wir zu Anfang dieses Kapitelchens ausgegangen, zum lustigen Spielmann Strauß, so ist weiter nicht viel von ihm zu erzählen.

Er war einer von den drei Brüdern, die von ihrem väterlichen Hause, genannt »in der Wiege«, allgemein die »Wiegengeiger« hießen. Sie waren zu damaliger Zeit die besten, gesuchtesten Spielleute und alles drehte sich geraume Zeit nach ihrer Geige.

Strauß-Hiesel war ein leichtsinniger, arbeitsscheuer, dem Trunke und den damit verbundenen Lastern ergebener Mensch.

Weil er noch jünger und in floribus war, wußt’ er sich vor Übermut nicht zu fassen. Wenn er oft spät nachts oder schon morgens von einer Geigenarbeit nach Hause taumelte, da beunruhigte er nicht etwa bloß die Seinen, ein abgequältes, halbverrücktes Weib und zwei mißhandelte, verwahrloste Kinder – ach, das wäre zu wenig gewesen! –, das ganze Dorf mußte von dem Trunkenbold alarmiert und beunruhigt werden.

»Jonikl, tanz dazu!« schrie er mit heiserer Stimme am Hause des kleinen Schusters und geigte ein Stückchen, das zu anderer Zeit nicht zu verachten gewesen wäre. Zu seinem Geschrei und Geigen akkompagnierten und rebellten die bereits aufgelärmten Kettenhunde des ganzen unteren Dorfes; und so ging’s, bis er nach Hause kam, wo er dann die Seinen malträtierte, bis endlich doch natürliche Ohnmacht und Schlaf dem Skandal ein Ende machten.

So vergingen viele Jahre.

Hiesels Weib nahm endlich der Tod. Sein Haus wurde verkauft, die Kinder zerstäubt. Er selbst verband sich mit seiner alten Rabs. Die spannte ihn, als es mit der Geige schlechter geworden war und weil er ihr Metier, das Korbflechten, nicht erlernen konnte oder mochte, vor ihr Wägelchen und fuhr mit ihm, ihre Ware verhausierend, durch die weite Welt.

Das tyrannische Weib nannte ihn darum nur ihren »alten Esel«.

Die Leute lachten zwar über den kecken Spaß des Weibes, aber wie sie hinsahen auf den Mann, schauderten sie, denn – bei Gott! er war grau, geduldig und genügsam geworden, wie – ein Esel.


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