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Im Frieden des Alters

Der siebzigste Geburtstag.

Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens,
Saß der redliche Tamm, seit vierzig Jahren des Dorfes
Organist, im geerbten und künstlich gebildeten Lehnstuhl,
Mit braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare bepolstert.
Oft die Hände gefaltet, und oft mit lauterem Murmeln
Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke:
Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag;
Und ihm hatte sein Sohn, der gelehrte Pastor in Marliz,
Jüngst vier Flaschen gesandt voll alten balsamischen Rheinweins,
Und gelobt, wenn der Schnee in den hohlen Wegen es irgend
Zuließ', ihn zu besuchen mit seiner jungen Gemahlin.
Eine der Flaschen hatte der alte Mann bei der Mahlzeit
Fröhlich des Siegels beraubt, und mit Mütterchen auf die Gesundheit
Ihres Sohnes geklingt und seiner jungen Gemahlin,
Die er so gerne noch sähe vor seinem seligen Ende!
Auf her Postille lag sein silberfarbenes Haupthaar,
Seine Brill', und die Mütze von violettem Sammet,
Mit Fuchspelze verbrämt, und geschmückt mit goldner Troddel.
Mütterchen hatte das Bett und die Fenster mit reinen Gardinen
Ausgezieret, die Stube gefegt und mit Sande gestreuet,
Ueber den Tisch die Decke mit roten Blumen gebreitet,
Und die bestäubten Blätter des Feigenbaums an dem Fenster,
Auch der Winterlevcoj' und des Rosenbusches gereinigt,
Samt dem grünen Korb Maililien hinter dem Ofen.
Ringsum blinkten gescheuert die zinnernen Teller und Schüsseln
Auf dem Gesims, und es hingen ein Paar stettinische Krüge
Blaugeblümt an den Pflöcken, die Feuerkieke von Messing,
Desem und Mangelholz, und die zierliche Elle von Nußbaum.
Aber das grüne Klavier, vom Greise gestimmt und besaitet,
Stand mit bebildertem Deckel, und schimmerte; unten befestigt
Hing ein Pedal; es lag auf dem Pult ein offnes Choralbuch.
Auch den eichenen Schrank mit geflügelten Köpfen und Schnörken,
Schraubenförmigen Füßen, und Schlüsselschilden von Messing,
– Ihre selige Mutter, die Küsterin, kauft' ihn zum Brautschatz, –
Hatte sie abgestäubt, und mit glänzendem Wachse gebohnet.
Oben stand auf Stufen ein Hund und ein züngelnder Löwe,
Beide von Gips, Trinkgläser mit eingeschliffenen Bildern,
Zween Theetöpfe von Zinn, und irdene Tassen, und Aepfel.
Jetzo erhob sie sich vom binsenbeflochtenen Sitzstuhl
Langsam, trippelte leis' auf knirrendem Sande zur Wanduhr
Hin, und knüpfte die Schnur des Schlaggewichts an den Nagel,
Daß den Greis nicht weckte das klingende Glas und der Kuckuck;
Sah dann hinaus, wie des Schnees dichtstöbernde Flocken am Fenster
Rieselten, und wie der zuckende Sturm in den Eschen des Hofes
Rauscht, und verwehte die Spuren der hüpfenden Kräh'n an der Scheune.
Und sie schüttelt' ihr Haupt, und flüsterte halb, was sie dachte:
Lieber Gott, wie es stürmt, und der Schnee in den Gründen sich aufhäuft.
Arme reisende Leute! Kein Mensch wohl jagte bei solchem
Wetter den Hund aus der Türe, wer seines Viehs sich erbarmet!
Aber mein Sohn kommt doch zum Geburtstag! Gar zu besonders
Wühlt mir das Herz. Und seht, wie die Katz' auf dem Tritte des Tisches
Schnurrt und ihr Pfötchen leckt, und Bart und Nacken sich putzet!
Das bedeutet ja Freude, nach aller Vernünftigen Urteil.
Sprach's, und setzte die Tassen mit zitternden Händen in Ordnung.
Füllte die Zuckerdos', und scheuchte die sumsenden Fliegen,
Die ihr Mann mit der Klappe verschont zur Wintergesellschaft;
Nahm zwo irdene Pfeifen, mit grünen Posen gezieret,
Von dem Gesims', und legte Tabak auf den zinnernen Teller.
Jetzo ging sie, und rief mit leiser, heiserer Stimme
Aus der Gesindestube Marie vom rummelnden Spulrad,
Wo sie gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte zum Weben:
Scharre mir Kohlen, Marie, aus dem tiefen Ofen, und lege
Kien und Torf hinein, und dürres, büchenes Stammholz;
Aber sacht, daß der Vater vom Mittagsschlummer nicht aufwacht!
Sinkt das Feuer zur Glut, dann schieb' den knorrigen Klotz nach;
Denn der alte Vater, das wissen wir, klaget beständig
Ueber Frost, und sucht die Sonne sogar in der Ernte.
Auch die Kinderchen hätten ein warmes Stübchen wohl nötig.
Also sprach sie; da scharrte Marie aus dem Ofen die Kohlen,
Legte Feurung hinein, und weckte die Glut mit dem Blasbalg,
Hustend, und schimpfte den Rauch, und wischte die tränenden Augen.
Aber Mütterchen brannt' am Feuerherd in der Pfanne
Ueber der Glut den Kaffee, und rührt' ihn mit hölzernem Löffel:
Knatternd schwitzten die Bohnen, und bräunten sich, während ein dicker
Duftender Qualm aufstieg, die Küch' und die Diele durchräuchernd.
Und sie langte die Mühle herab vom Gesimse des Schornsteins,
Schüttete Bohnen darauf, und nahm sie zwischen die Kniee,
Hielt mit der Linken den Rumpf, und drehte den Knopf mit der Rechten;
Sammelt auch oft haushältrisch die hüpfenden Bohnen vom Schoße;
Goß dann auf graues Papier den grobgemahlenen Kaffee.
Aber nun hielt sie mitten im Lauf die rasselnde Mühl' an,
Wandte sich gegen Marie, die den Ofen schloß, und gebot ihr:
Eile, Marie, und sperre den wachsamen Hund in den Holzstall,
Daß wenn der Schlitten kommt, sein Gebell den Vater nicht wecke.
Aber versäumt auch Toms, vor dunkler Nacht von dem Fischer
Unsere Karpfen zu holen? Aus Vorsicht bring ihm den Beutel.
Wenn er auch etwas Holz, die Gans am Spieße zu braten,
Splitterte! Bring ihm das Beil und bedeut' ihn. Dann im Vorbeigehn
Steig auf den Taubenschlag, und sieh, ob der Schlitten nicht ankommt.
Also sprach sie; da eilte die fleißige Magd aus der Küche,
Nahm von der rußigen Wand das Beil und den maschigen Beutel,
Lockte mit schimmligem Brod den treuen Monarch in den Holzstall,
Krampfte die Türe zu, und ließ ihn kratzen und winseln;
Lief durch den Schnee in die Scheune, wo Toms mit gewaltiger Arbeit
Häckerling schnitt, denn ihn fror! und bedeutet' ihn; eilte dann weiter,
Stieg auf den Taubenschlag, und pustete, rieb sich die Hände,
Steckte sie unter die Schürz', und schlug sich über die Schultern.
Jetzo sah sie im Nebel des fliegenden Schnees, wie der Schlitten
Dicht vor dem Dorfe vom Berg her klingelte, stieg von der Leiter
Eilend herab, und brachte der alten Mutter die Botschaft.
Hastig enteilte die Mutter mit bebenden Knieen; ihr Herz schlug
Aengstlich, ihr Atem war kurz, und im Laufen entflog ihr Pantoffel.
Jene ging zu der Pfort' und öffnete. Näher und näher
Kam das Gekling, und das Klatsch der Peitsch', und der Pferde Getrampel;
Und nun schwebte der Schlitten herein durch die Pforte des Hofes,
Hielt an der Tür; und es schnoben, beschneit und dampfend, die Pferde.
Mütterchen eilte hinzu: Willkommen! rief sie, willkommen!
Küßt' und umarmte den liebenden Sohn, der zuerst aus dem Schlitten
Sprang, und half der Tochter aus ihrem zottigen Fußsack,
Löst' ihr die sammtne Kaputz', und küßte sie; Tränen der Freude
Rannen von ihrem Gesicht auf die schönen Wangen der Tochter.
Aber wo bleibt mein Vater? Er ist doch gesund am Geburtstag?
Fragte der Sohn; da tuschte mit winkenden Händen die Mutter:
Still, er schläft! Nun laßt die beschneiten Mäntel euch abziehn;
Und dann weck' ihn mit Küssen, du liebe, trauteste Tochter!
Armes Kind, das Gesicht ist dir ganz rot von dem Ostwind!
Aber die Stub' ist warm, und gleich soll der Kaffee bereit sein!
Also sprach sie, und hängt' an gedrechselte Pflöcke die Mäntel,
Oeffnete leise die Klink', und ließ die Kinder hinein gehn.
Aber die junge Frau mit schönem, lächelnden Antlitz
Hüpfte hinzu, und küßte des Greises Wange; erschrocken
Sah er empor, und hing in seiner Kinder Umarmung.

Voß


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