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Im Krankenhaus

Der Amtmann war am verflossenen Abend spät heimgekommen und am Morgen darauf auch später als gewöhnlich aus dem Hause getreten, um seine tägliche Wanderung durch die Scheune, den Stall und den Garten zu unternehmen und zu sehen, ob alles in Ordnung sei und seinen guten Fortgang habe. Als er vom Stalle her nach dem Garten ging, sah er schon von weitem den Gärtner Joseph wie eine Bildsäule dastehen, die den nächsten Grad des Schreckens darstellen soll.

»Nun, Joseph, was gibt's?« rief der Amtmann und ging mit strammen Schritten auf den sprachlos Hinstarrenden zu; aber plötzlich hielt er mitten im Lauf inne, blieb wie festgewurzelt auf dem Flecke stehen und sah gerade so aus, als wäre er eben als Gegenstück zu dem Joseph auf den Platz gestellt worden. Was lag aber auch vor des Amtmanns Augen da! An dem schönen, neuen Spalier, da, wo gestern wohl noch zwölf bis fünfzehn der schönsten, größten Aprikosen noch unreif, aber im ersten, volle Süßigkeit verheißenden Goldschimmer geprangt hatten, war nicht eine mehr zu sehen. Ganze Haufen von Blättern waren mit heruntergerissen und lagen umher. Der Boden in der Nähe des Spaliers war völlig zerstampft, eine Menge junger Pflanzen umgeknickt, umgetreten; in den Blumenbeeten durch den halben Garten hin tiefe Tritte, kostbare Blumen und junge Bäumchen umgeknickt, zusammengetreten: ringsum war eine solche Verwüstung, daß sogar der beherzte Amtmann eine Weile wie gelähmt vor Schrecken dastand. Aber es dauerte nicht lange; mit einer Stimme, die auch den erstarrten Joseph sogleich lebendig machte, rief er: »Was ist das, Joseph?«

»Was ist es, Herr Amtmann?« rief dieser zurück. »Dieses Unkraut, dieses Un-Un-Unwesen, dieser Kesselflicker-Nichtsnutz hat's getan! Ich hab es wohl gedacht, es komme noch so; immer fährt es da herum, gestern nacht noch, ich hab's wohl gesehen.«

In diesem Augenblick sprang das Gatti über das Mäuerchen in den Garten herein, wie es öfters zu tun pflegte, und guckte nun mit ganz harmlosen Augen den Herrn Amtmann und den Gärtner an, die dastanden.

»Komm hierher!« donnerte der Amtmann das Gatti an. Es kam ganz unerschrocken und stellte sich vor den Amtmann hin.

Jetzt war auch Herr Delmy hinzugetreten, und schaute auf den zornsprühenden Amtmann und das angeklagte Kind, das vor ihm stand.

»Wann hast du das gemacht?« fragte der Amtmann mit einer Stimme, die einem Stärkeren Furcht eingejagt hätte. Aber das Gatti zuckte nicht einmal mit den Augen, und ziemlich trotzig sagte es: »Ich habe nichts gemacht.«

»Was? Auch noch lügen!« donnerte der Amtmann wieder. »Für dich gibt's nur ein Heilmittel.«

Das Gatti machte furchtbare Augen, so wie eine kleine wilde Katze, die sich zum Sprung rüstet; aber der Amtmann fürchtete sich nicht vor Katzen. Seine aufgehobene Hand schlug zu, aber sie klatschte nicht auf Gattis Wange, wohin sie gerichtet war: mit großer Wucht war sie auf Herrn Delmys Rücken niedergefallen, der in einem Nu zwischen den Amtmann und das Kind getreten war.

Der Amtmann schaute betroffen einen Augenblick auf Herrn Delmy; dann sagte er voller Ärger: »Was soll das heißen, Herr Delmy? Bin ich denn schuld, daß so was Ungeschicktes geschehen muß?« Dann wandte er sich und ging fort. Herr Delmy ging ihm nach.

»Sie dürfen mir nicht übelnehmen, was ich tat, Herr Amtmann«, sagte er in seiner gewinnenden Weise; »Sie sind ein gerechter Mann, und Sie wissen wohl, eine ungerechte Strafe kann einen tiefen Eindruck in ein Kindesleben machen, der in seiner Weise verbitternd wirkt – wie es Ihnen leidtun müßte, hätten Sie die Verantwortung dafür. Davor wollte ich Sie gern schützen, Sie zürnen mir deshalb gewiß nicht.«

»Ach was«, sagte der Amtmann immer noch in großer Aufregung, »von Ungerechtigkeit kann da keine Rede sein, es liegt ja alles klar am Tage; aber Menschen wie Sie wollen nichts Böses glauben, und wenn es noch so klar am Tage ist. Dafür kriegen Sie hier und da Püffe und Stöße, die die anderen verdient haben, wie eben jetzt. Ich war nicht schuld daran, Herr Delmy!« Damit trat der Amtmann ins Haus hinein, sichtlich schon ein wenig besänftigt.

Herr Delmy ging nach dem Garten zurück. Da stand das Gatti noch genau auf demselben Fleck, wo er es verlassen hatte, wie festgebannt von einem überwältigenden Eindruck. Als er zu ihm herantrat, sagte es tief aufatmend: »Hat es stark wehgetan?«

»Nein, nein«, sagte Herr Delmy lächelnd, »das hat nicht wehgetan; aber eines würde mir sehr wehtun: wenn du mich belügen würdest. Komm, Kind, gib mir deine Hand, und sage mir nun noch recht: hast du das auch nicht getan?«

Das Gatti reichte seine Hand Herrn Delmy hin; es hatte zwei große Tränen in den Augen, und nun sagte es mit einer Stimme, so zahm wie nie zuvor: »Nein, ich habe es gewiß nicht getan, und ich will Ihnen auf der Stelle immer alles sagen, was ich Böses getan habe.«

»Gut, Gatti, gut, das ist mir lieb«, sagte Herr Delmy mit einem leisen Lächeln; »aber siehst du, noch lieber ist mir, wenn du nichts Böses tust. Willst du mir nicht diese Freude machen, daß ich denken kann: von heute an will Gatti so wenig Böses als möglich tun?«

»Doch, ich will«, sagte das Gatti, und sein Gesicht leuchtete in einem ganz neuen Ausdruck; denn daß es Herrn Delmy eine Freude machen könnte, das hätte es sich gar nicht denken können, und daß er sich um das Gatti kümmern könnte, das doch alle Leute gering achteten, das ging dem Kinde tief zu Herzen.

Unterdessen war der Amtmann auf dem Hausflur mit dem Tilli zusammengetroffen, das zur Schule wandern wollte und wohl mit Gatti ein Zusammentreffen im Garten verabredet hatte.

»Tilli«, sagte der Vater rasch, »nun hör und denk daran: dieses Gatti bringst du nie mehr weder in unser Haus noch in unseren Garten; es soll sich nicht unterstehen, sich hier wieder blicken zu lassen. Weiter will ich es nicht bestrafen, wie sehr es auch Strafe verdient hätte.«

Das Tilli war sehr erschrocken und betrübt über diesen Befehl; denn es hing an dem sehr lustigen Gatti, trotz seiner mannigfachen Untugenden. Daß es irgend etwas angestellt hatte, konnte sich aber das Tilli wohl denken. So wanderte es in sehr gedrückter Stimmung den Hügel hinab, als es auf einmal mit lauter, fröhlicher Stimme vor sich her singen hörte:

Jetzt geh i in d' Beeren
bergauf und bergab,
und i kann dir nix geben,
weil i selber nix hab.

Und im Sommer da gibt es
rote Rosen am Rain,
dann geb i dir d' Blumen
und b'halt d' Dornen allein.«

»Gatti! Gatti! Warte doch!« rief das Tilli, und einen Augenblick nachher war es an Gattis Seite, und da dieses so außerordentlich froh und guter Dinge war, so vergaß auch das Tilli in der kürzesten Zeit sein Leid und wanderte lustig plaudernd an Gattis Seite der Schule zu.

An demselben Abend, als Arbeit und Unterricht zu Ende waren, ging Max, mit sechs oder acht Büchern beladen, dem Krankenhaus zu. Er hatte mit Elsa abgeredet, er würde ihr alle die Bücher hinbringen, damit sie aus allen die Geschichten auswählen könne, die Irene gefallen könnten; denn Elsa wollte ihr vorlesen. Sie hatte Max gesagt, er könne die Bücher nur in der Stube der Pflegerin abgeben; aber er behauptete steif und fest, er müsse sie ihr selbst ins Krankenzimmer hineinbringen, sonst könnte eines verlorengehen. So hatte Max glücklich den Grund gefunden, der ihn notwendigerweise in das Zimmer des vielbesprochenen Kindes führte. Hier eingetreten, legte er seine Last auf das Tischchen am Bette nieder.

»Oh, wie viele! Wie viele!« sagte Irene in großem Erstaunen, und streckte dem Max dankbar ihre Hand entgegen. Er stellte sich dann an ihr Bett neben Elsa hin und schaute zu, wie diese der Kranken die netten Bilder aus einem der Bücher zeigte. Es waren große Blätter mit feingemalten Bildern darauf. Irenes Augen funkelten bei jedem Blatte mehr. »Oh, wie schön! Oh, wie schön!« rief sie immer wieder aus und begrüßte mit der größten Lebhaftigkeit jede neue Erscheinung von Menschen und Tieren und sprach zu ihnen, als ob sie leibhaftig vor ihr stünden, und ihre schmalen Hände waren die ganze Zeit in Bewegung, um die wechselnden Eindrücke von Wohlgefallen, von Erstaunen, von Beifall oder Abscheu darzustellen. Max schaute ganz verwundert zu und schien völlig vergessen zu haben, daß er nur die Bücher abgeben wollte. Jetzt trat Lex ins Zimmer mit dem großen Atlas unter dem Arm. Er trat gleich festen Schrittes zu Irene heran und legte den Atlas aufgeschlagen vor ihr auf das Bett.

»Komm, sieh, jetzt will ich dir gleich zeigen, was für eine furchtbar weite Reise du gemacht hast«, sagte er ohne alle weitere Einleitung und verfolgte nun auf der Karte mit dem Zeigefinger die ganze Linie von Sorrent herauf bis nach Waldhausen. Da setzte er ab und schaute erwartungsvoll, welchen Eindruck es auf Irene hervorgebracht habe, diese ungeheure Reisestrecke so vor Augen zu sehen.

Es hatte aber gar keinen auf sie gemacht; sie schüttelte den Kopf und sagte: »Oh, das ist ganz anders weit!«

Nun merkte Lex, daß sie das Wesen einer Landkarte nicht begriff; da war nun eine gründliche Erklärung nötig. Er ging also mit dem Zeigefinger noch einmal zurück: »Du siehst doch hier Sorrent«, erklärte er, »und dieses kleine Stückchen bis nach Neapel, siehst du? Und nun bist du so weit gekommen, das sind gewiß hundertmal soviel solche Stückchen, und dann noch die großen Berge, wo du durchgekommen bist; siehst du diese furchtbaren Berge?«

»Nein, ich sehe sie nicht«, sagte Irene erstaunt.

»Aber ich meine ja nicht rechte Berge«, verbesserte Lex, als er sah, daß Irene gar nichts von der Art bemerken konnte; »du siehst doch diese Berge, die eben Berge sein sollten?«

»Nein, die sehe ich auch nicht«, versicherte Irene.

Lex war in großer Verlegenheit. »Du hast doch schon einen Berg gesehen?« fragte er nun, um ganz vorn anzufangen.

»O ja«, versicherte Irene, »den Monte Sant Angelo.«

»Also: nun mußt du dir denken, hier stehen wohl zehn oder zwölf solche Berge und noch viel größer.«

»Oh, oh!« rief Irene aus und schlug die Hände zusammen, »wo sollten denn die Platz haben?«

»Aber ich meine ja gar nicht die wirklichen Berge von Stein und Erde«, eiferte Lex. »Siehst du, so mein ich's« – und Lex nahm eines der Bilderbücher zur Hand –, »da steht ein Kind, das ist auch nicht lebendig, aber du siehst doch, daß es ein Kind ist.«

Irene schüttelte den Kopf und zeigte auf die Bergkette, die Lex ihr vorgewiesen hatte. »So sind Berge nicht«, sagte sie, »der Monte Sant Angelo geht so«: – und nun beschrieb sie mit ihrem Zeigefinger in der Luft die Linien des Berges, wie sie auf- und niedergehen. Jetzt erkannte Lex, daß er Irene zuerst eine Menge von figürlichen Zeichen auf seiner Karte zu erklären hatte, und da sah er nun ein so großes Feld der Arbeit vor sich, daß er gleich mit aller Kraftanstrengung darangehen und heute noch ein gutes Stück abtun wollte, als er durch den Eintritt von Tilli unterbrochen wurde, das gleich noch das Gatti mitbrachte. Das Tilli hatte sich nämlich ausgesonnen, man müsse das kranke Kind nun mit Gesang erfreuen, und es kannte keine unterhaltenderen Gesänge, als die Gattis. So trat das Lilli gleich mit unternehmender Zuversicht an Irenes Bett heran und sagte: »Gelt, du willst gern, daß wir dir Lieder singen?«

Irene nickte bejahend und schaute verwundert auf die immer mehr anwachsende Gesellschaft.

Gatti begann sofort mit frischer Stimme ein Lied zu singen, und voller Eifer sang das Tilli mit; denn von Gattis Liedern war ihm nun eine schöne Anzahl sehr geläufig geworden.

Die Sängerinnen waren eben gegen den Schluß von »Fiderix und Fiderax« angekommen, als die Tür wieder aufging und Herr Delmy eintrat. Er hatte den letzten Teil des Gesanges noch mit angehört. Ein freudiges Lächeln ging über Irenes Gesicht, als sie Herrn Delmy erblickte; sie streckte ihm gleich die Hand entgegen. Er setzte sich an ihr Bett, die anderen standen alle um ihn herum, es war eine ganze Versammlung. Längst hatte sich die Feldmauserin mit Grimm gegen die Wand gekehrt, und der Elsa heute gar keinen Bescheid auf ihre Nachfrage und ihren Besserungswunsch gegeben.

»So hörst du gerne singen, Irene?« fragte jetzt Herr Delmy.

»O ja«, erwiderte sie; »aber ich kann jetzt gar nicht mehr singen, ich habe es versucht«, und ihr gewohnter ernsthafter Ausdruck kam wieder in ihre Augen.

»Laß dich's nicht betrüben«, sagte Herr Delmy in freundlichster Weise, »und damit du doch singen hörst, kommen wir jeden Tag einmal zu dir und singen dir vor, und kannst du dann nicht laut mitsingen, so stimmst du doch leise mit ein.«

»Kommen Sie auch mit?« fragte Irene.

»Gewiß, ich singe auch mit«, versicherte Herr Delmy. »Alle, die wir hier sind, singen zusammen; auch Gatti kommt mit, es hat eine gute Stimme und soll mit uns neue Lieder lernen.«

Gatti wurde ganz rot vor Freude über diese Anerkennung, und daß es alle Tage herkommen und hier mitsingen dürfte. Nun stand Herr Delmy auf und sagte, für heute habe Irene genug Besuch gehabt, und fragte sie, ob sie sehr müde sei. Aber sie erklärte, das sei gar nicht der Fall, und der Nachmittag sei so schnell vergangen; sie habe ganz vergessen, daß sie krank sei. Herr Delmy trat noch an das Bett der alten Frau und sagte ihr einige freundliche Worte; aber die tat, als schliefe sie so fest, daß sie keine Gewalt erwecken könnte. Draußen vor dem Krankenhaus nahm Herr Delmy das Gatti an der Hand, als habe er ihm etwas Besonderes zu sagen. Das merkten auch die anderen Kinder gleich und gingen hinterdrein.

»Gatti«, sagte Herr Delmy, »du hast ja wohl gesehen, wie sauber gewaschen und schön ordentlich gekämmt und angezogen Irene in ihrem Bett liegt? Siehst du, so macht man alle zurecht, die ins Krankenhaus kommen; aber dann müssen diejenigen, die sie besuchen, ebensogut aussehen; das kannst du ja auch schon so machen, nicht wahr? Und dann die Stückchen, die dir da so herunterhängen, die kannst du schon ein wenig zusammenflicken; das hat dir wohl die Frau Amtmann auch schon gesagt?«

»O ja, und dann hab ich's gleich wieder vergessen«, sagte Gatti.

»So, so, das dacht ich mir schon; es wäre mir aber sehr lieb, wenn du's jetzt nicht vergessen wolltest. Du willst doch daran denken, nicht wahr?«

»Ja, sicher, und ich will's nie mehr vergessen«, versprach Gatti.

Auch das Tilli hatte noch eine Besprechung mit der Freundin vor. Als Herr Delmy nun stille stand und Gatti von der Hand ließ, zog Tilli es beiseite und sagte ein wenig zögernd: »Siehst du, Gatti, ich weiß nicht warum, aber du darfst … du darfst … siehst du, du darfst nicht mehr in unsern Garten und nicht mehr in unser Haus kommen.«

Aber Gatti antwortete gleich ermutigend: »Das macht jetzt gar nichts, Tilli; denn siehst du, ich darf alle Tage ins Krankenhaus kommen, und du kommst auch, und dann hab ich jetzt soviel zu tun, daß ich fast nicht fertig werde.«

»Aber, Gatti, du hast ja gar, gar nie etwas zu tun«, sagte das Tilli ganz verwundert.

»Ja, sonst schon, aber von heut an hab ich furchtbar viel zu tun«, versicherte das Gatti, und ohne Säumnis lief es nach Haus, zog sein Röcklein aus, fädelte einen langen, langen Faden ein und fing an, so zu nähen, wie in seinem Leben noch nie.

Am folgenden Morgen wurde vor dem Krankenhaus ein Klavier abgeladen, in das Zimmer, wo Irene lag, hineingetragen und dort an die Wand gestellt. Das hatte alles Herr Delmy noch am vorigen Abend angeordnet; denn die Frau Amtmann hatte ihm auf seine Frage geantwortet, er werde wohl aus dem Wirtshaus für einige Zeit ein Klavier zur Miete bekommen können. So war es auch, und gleich den Tag darauf konnte die Sache nach Herrn Delmys Wunsch in Ordnung gebracht werden. Nach Abrede erschienen auch die Kinder des Amtmanns mit Herrn Delmy gegen Abend im Krankenhaus, wo ein Wesen unter der Haustür auf sie wartete, das eine so merkwürdige Veränderung erlitten hatte, daß es kaum mehr zu erkennen war: es war das Gatti. Es mußte sich sehr gründlich gewaschen haben; denn überall war seine Haut noch dunkelrot vom Abreiben. Seine Haare hatte es vermittelst einer beträchtlichen Menge Wasser so an den Kopf festgeklebt, daß nicht ein einziges Härchen aufstand. Die Fetzen seines Röckleins hatte es alle zusammengezogen und in einer Weise aneinandergeflickt, daß es nun wie in einem engen Sack steckte und ganz kleine Schritte nehmen mußte; denn da war kein Platz mehr zu einer richtigen Bewegung. Dafür war aber alles fest und ganz aneinander und nicht ein einziger hängender Fetzen mehr zu sehen.

Herr Delmy schüttelte dem erneuerten Gatti freundlich die Hand, und Elsa beschloß bei dem Anblick, die Mutter zu Hilfe zu rufen, daß wieder ein Kleid von Tilli an das Gatti übergehe, damit dieses wieder zu dem notwendigen Raum für die Bewegung seiner Glieder gelange. Im Krankenzimmer setzte Herr Delmy sich ans Klavier und spielte die Weisen, die er mit den Kindern singen wollte. Das war nun eine andere Art von Liedern, als das Gatti sie sang; aber sie mußten der Irene wohlgefallen; denn sie beugte sich ganz vor in ihrem Bett, um auch keinen Ton zu verlieren. Nun begann der Gesang, und der tönte so frisch und schön, daß auch die alte Feldmauserin sich heimlich von der Wand umkehrte und lauschte.


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