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Am anderen Morgen ließ der Mattenhofbauer der Elsbeth sagen, sie solle gegen Abend zu ihm heraufkommen, er habe mit ihr zu reden. Zur rechten Zeit legte sie ihre Hacke weg, band die saubere Schürze um und sagte: »Mach du weiter, Toni. Dann kannst du die Geiß melken und ihr ein wenig frisches Stroh geben, daß sie besser liegt. Ich komme bald wieder.« Sie ging zum Mattenhof hinauf. Der Bauer stand unter dem offenen Scheunentor und schaute mit vergnügtem Gesicht nach seinen schönen Kühen, die in langer Reihe zum Brunnen wanderten. Elsbeth trat zu ihm.
»So, es ist recht, daß Ihr kommt«, sagte er und gab ihr die Hand. »Ich habe wegen des Jungen an Sie gedacht. Er ist jetzt in dem Alter, in dem er leichte Arbeiten verrichten kann, um Ihnen ein wenig zu helfen, wenigstens sich selbst durchzubringen.«
»Auch ich habe schon daran gedacht«, antwortete Elsbeth, »und wollte Sie fragen, ob Sie ihn zu kleinen Arbeiten auf dem Felde brauchen können?«
»Das trifft sich gut«, fuhr der Mattenhofbauer fort, »ich habe eine Arbeit für ihn, die wenig Mühe macht. Er kann auf der kleineren Alm die Kühe hüten. Auf der großen ist der Senn mit seinem Buben. Ein Knecht ist auch dort, der kommt jeden Morgen und Abend herüber zum Melken, so ist der Bub nicht ganz allein. Er hat nichts zu tun, als die Kühe zu hüten. Er soll darauf achten, daß sich keine verläuft, daß sie sich nicht mit den Hörnern stoßen oder sonst etwas Ungeschicktes tun. Er ist auf der Alm sein eigener Herr und bekommt Milch, so viel er will. Besser kann es kein König haben.«
Die Elsbeth war ein wenig erschrocken über das Anerbieten. Der Toni war bisher selten mit den Knechten zusammengekommen und kannte sich mit dem Vieh kaum aus. Er war zum Kommandieren nicht geeignet, denn er war still und schüchtern. Zum erstenmal ganz allein für mehrere Monate von daheim fort zu sein, auf einer Alm zu leben, eine Herde Kühe zu hüten, das kam ihr für den Toni fast zu schwer vor. Wie wäre der arme Junge, der gar nicht besonders kräftig war, verlassen, wenn ihm oder der Herde etwas zustieße.
Sie sagte dem Bauer alle ihre Bedenken. Aber er ließ nichts gelten, denn er glaubte, gerade für den Buben sei es gut, daß er einmal hinauskomme. Oben auf der Alm werde er auch kräftiger werden als daheim. Geschehen könne ihm nichts, denn man würde ihm ein Horn mitgeben. Sollte einmal etwas vorfallen, dann könne er in das Horn blasen, und sofort werde der Knecht von der anderen Alm herüberkommen. In einer guten halben Stunde sei er da.
Elsbeth dachte zuletzt, der Bauer verstände es wohl besser als sie. So wurde ausgemacht, wenn die Kühe nächste Woche auf die Alm ziehen, geht der Toni mit. »Er soll ein gutes Stück Geld und einen neuen Anzug haben, wenn er herunterkommt. Das tut auch Ihnen gut für den Winter«, sagte schließlich der Bauer.
Die Elsbeth nahm dankend Abschied und kehrte heim.
Toni wollte zuerst widersprechen, als er hörte, daß er für so lange fort sollte, ohne nur einmal zwischendurch heimkommen zu können. Aber die Mutter erzählte ihm, wie leicht der Dienst sei und daß er auf der Alm recht kräftig werde und dadurch später bessere Arbeit bekomme. Außerdem wolle der Mattenhofbauer ihm einen neuen Anzug und ein Stück Geld als Lohn geben. Da zögerte Toni nicht mehr, sondern sagte, er wolle ja gern auch etwas tun und die Mutter nicht allein arbeiten lassen.
Nun überlegte die Elsbeth. Wenn der Toni den ganzen Sommer fort sei, so könne sie vielleicht nach Interlaken in eines der großen Gasthäuser gehen, wo den Sommer über so viele Fremde sind. Da könne sie ein gutes Stück Geld verdienen und dem kommenden Winter einmal ohne Sorgen entgegensehen. In Interlaken war sie schon bekannt, denn sie hatte vor ihrer Heirat mehrere Sommer in einem Gasthaus als Zimmermädchen gearbeitet.
Als nun der Tag kam, wo die große Schar der Kühe auf die Alm ziehen sollte, da gab die Mutter dem Toni sein Bündel und sagte: »So geh nun in Gottes Namen. Vergiß nicht zu beten, wenn der Tag anfängt und wenn er zu Ende geht. So wird dich der liebe Gott auch nicht vergessen, und sein Schutz ist besser als Menschenschutz.«
So zog der Toni mit seinem Bündel hinter der Herde zur Alm hinauf.
Wenig später schloß Elsbeth ihre Hütte. Die Geiß brachte sie auf den Mattenhof. Als der Bauer vernommen, daß sie nach Interlaken gehe, hatte er ihr versprochen, die Geiß zu nehmen. Er versprach, wenn Elsbeth wieder heimkomme, werde sie ihr doppelt so viel Milch geben. Für die Milch der Geiß wollte er der Elsbeth später Käse geben. Nun ging sie hinunter nach Interlaken.
Die Herde war schon einige Stunden lang in die Höhe gestiegen. Der Senn schwenkte nun mit der großen Schar linksab, und der Knecht stieg mit Toni rechts hinauf. Ihnen folgte eine kleinere Herde, die aus wenigen Kühen, aber vielen jungen Rindern bestand. Denn viele Kühe konnte man auf der kleinen Alm nicht halten, weil die Milch auf die große hinübergetragen werden mußte, wo die Sennhütte stand.
Jetzt waren sie auf dem höchsten Punkt der Alm angekommen. Da stand eine kleine Hütte. Ringsum war nur Weide, kein Baum, kein Strauch. In der Hütte war auf der einen Seite eine kleine Bank an der Wand festgenagelt, davor stand ein Tisch. Auf der anderen Seite war ein Heulager errichtet, und in der Ecke stand noch ein kleines, rundes Stühlchen und auf diesem ein hölzerner Krug.
Toni und der Knecht waren eingetreten. Dieser stellte das große hölzerne Milchgefäß, das er auf dem Rücken hinaufgetragen hatte, auf den Boden. Er nahm daraus ein rundes Brot und ein großes Stück Käse hervor, legte beides auf den Tisch und sagte: »Ein Messer wirst du haben.« Toni bejahte es. Jetzt erfaßte der Knecht den hölzernen Krug, schwang das große Milchgefäß wieder auf den Rücken und ging hinaus. Toni folgte ihm.
Der Knecht hob einen hölzernen Eimer aus dem großen Gefäß hervor, setzte sich auf das kleine runde Stühlchen, das er aus der Hütte genommen hatte, und fing an, eine Kuh nach der anderen zu melken. War eine zu weit weg, so rief er: »Treib sie her!« Und Toni gehorchte. War der Eimer gefüllt, so goß er die Milch in das große Gefäß, und schweigend fuhr er so fort, bis alle Kühe gemolken waren. Zum Schluß füllte der Knecht noch den Krug mit Milch, streckte ihn dem Toni hin, nahm das Gefäß auf den Rücken, den Eimer in die Hand und sagte: »Gute Nacht.« Damit ging er die Alm hinunter.
Jetzt war Toni ganz allein. Er stellte seinen Milchkrug in die Hütte hinein und kam wieder heraus. Er schaute sich nach allen Seiten um. Drüben sah er die große Alm mit der Sennhütte, aber zwischen ihr und seiner Alm war ein weites Tal. Da mußte man erst hinunter, um zur großen hinaufzusteigen. Rings um beide Almen schauten große, dunkle Bergmassen nieder, die einen felsig, grau und zerklüftet, die anderen mit Schnee bedeckt. Alle ragten so hoch und gewaltig zum Himmel auf und mit so verschiedenen Zacken und Hörnern und wieder mit so breiten Rücken, daß es dem Toni fast vorkam, als seien es ungeheure Riesen. Es kam ihm vor, als hätte jeder sein eigenes Gesicht und schaue auf ihn nieder.
Es war ein heller Abend. Die Alm drüben hatte eben noch golden im Abendschein geglänzt. Jetzt kam ein Sternlein über den dunklen Bergen zum Vorschein und schaute so freundlich auf Toni herab, daß es ihm ganz wohltat. Er dachte an die Mutter, wo sie jetzt wohl sei, und wie er sonst um diese Zeit noch mit ihr vor dem Hüttchen gestanden und sie so freundlich zu ihm geredet hatte. Da überkam ihn mit einemmal das Gefühl der Einsamkeit, so daß er in die Hütte lief, sich auf sein Lager warf, sein Gesicht in das Heu drückte und leise schluchzte. Dann übermannte ihn die Müdigkeit des Tages, und er schlief ein.
Der helle Morgen lockte ihn früh hinaus. Schon war der Knecht draußen, melkte die Kühe, sagte kein Wort und ging wieder.
Nun folgte ein langer, langer Tag. Es war völlig still ringsum, und die Kühe grasten und lagen umher auf der sonnenbeschienenen Weide. Toni ging ein paarmal in die Hütte hinein, trank von seiner Milch und aß von dem Brot und Käse. Dann kam er wieder heraus, setzte sich auf den Boden und schnitzte an den Holzstücken herum, die er in seine Tasche gesteckt hatte. Wenn auch keine Hoffnung mehr war, ein Holzschnitzer werden zu dürfen, so konnte er es doch nicht lassen, für sich selbst zu schnitzen, so gut er es vermochte. Endlich wurde es wieder Abend. Der Knecht kam und ging, er sprach nie ein Wort, Toni hatte auch nichts zu sagen.
So verging ein Tag wie der andere. Sie waren alle so lang, so lang! Wenn es abends anfing dunkel zu werden, wurde es dem Toni immer unheimlich. Dann schauten die hohen Berge so. schwarz und drohend aus, als könnten sie ihm auf einmal etwas antun. Dann zog er sich eilig in die Hütte zurück und verkroch sich in seinem Heulager.
Viele Tage waren schon so vergangen, einer ganz wie der andere. Immer hatte die Sonne am wolkenlosen Himmel geschienen, immer war abends das freundliche Sternlein über dem dunklen Berg aufgegangen.
Aber eines Nachmittags fingen dicke, graue Wolken an, über den Himmel hinzujagen, hier und da zuckten blendende Blitze. Und auf einmal ertönten furchtbare Donnerschläge, die krachend von den Bergen widerhallten, als wären es doppelt so viele. Nun brach ein schreckliches Unwetter los. Es wurde völlige Nacht, der Regen peitschte gegen die Hütte, dazwischen rollten die Donner mit fürchterlichem Widerhall über die Berge. Zuckende Blitze erhellten schwarze, schreckliche Riesengestalten, die ganz gespenstisch näher zu kommen schienen und immer drohender herunterschauten. Die Rinder liefen angstvoll und laut brüllend durcheinander, und große Raubvögel flatterten mit durchdringendem Gekrächze umher.
Toni war längst in die Hütte geflohen. Aber die Blitze erhellten ihm auch da die furchtbaren Gestalten, und die rollenden Donner schienen alle Augenblicke die Hütte in den Erdboden hineinschlagen zu wollen. Toni konnte vor Angst kaum noch atmen. Er klammerte sich an den Tisch und erwartete so jeden Augenblick, daß die Hütte zusammenfallen und ihn zerschmettern würde. Stundenlang dauerte das Gewitter, der Knecht kam nicht herüber. Es wurde nun wirklich Nacht, aber immer noch zuckten die blendenden Blitze. Immer wieder rollten neue Donnerschläge, und um die Hütte heulte und toste der Sturm, als müßte sie fortgefegt werden.
Toni stand die halbe Nacht starr vor Schrecken an den Tisch geklammert da. Er hatte keine Gedanken mehr, nur das Gefühl einer furchtbaren Gewalt, die alles zerschmettere. Wie er auf sein Lager gekommen war, wußte er nicht. Am Morgen lag er quer über das Heu hingestreckt, so zerschlagen, daß er sich kaum erheben konnte. Angstvoll schaute er aus dem Fenster. Wie mußte es draußen nach einer solchen Nacht ausschauen? Dann ging er hinaus, um nach den Kühen zu sehen. Der Boden war noch naß, die Tiere grasten aber ruhig. Der Himmel war grau und dicke schwarze Wolken zogen darüber. Finster und schrecklich anzusehen standen die hohen Berge da. Sie waren so nahe herangekommen und schauten den Toni immer drohender an. Er lief in die Hütte zurück.
Es folgten viele Gewittertage nacheinander, und kam zwischendurch einmal wieder die Sonne hervor, so stach sie unbarmherzig vom Himmel herab. Und neue Gewitter folgten so schnell hintereinander, daß der Senn drüben öfters sagte, einen solchen Sommer habe er seit Jahren nicht erlebt. Wenn sich das Wetter nicht bessern würde, so mache er nicht halb soviel Butter wie voriges Jahr. Denn die Kühe wollten keine Milch geben, das Futter schmecke ihnen nicht.
Während dieser Zeit suchte der Knecht die besten Augenblicke aus, um auf die kleine Alm herüberzukommen, melkte seine Kühe so schnell wie möglich und achtete dabei nicht auf den Buben. Nur hier und da, wenn er dachte, der Toni habe keine Milch mehr, holte er schnell den Krug heraus, füllte ihn und stellte ihn wieder hin. Er sah dann oft den Toni auf seinen Heulager sitzen und rief ihm zu: »Du bist ein Fauler!« Dann aber lief er gleich fort, um trocken hinüberzukommen, und kümmerte sich weiter nicht um Toni.
So war der Juni vergangen, auch schon ein guter Teil des Juli. Die Gewitter waren seltener geworden, aber dicke Nebel hüllten oft die Alm so ein, daß man kaum ein paar Schritte weit sah. Nur hoch oben kam hier und da ein schwarzer Berggipfel zum Vorschein, der finster durch die Nebel hervorblickte. Die Rinder verliefen sich oft so weit, daß der Knecht in dem Tal zwischen beiden Almen einige fand und wieder hinaufbrachte. So konnte es nicht weitergehen. Er rief oben sofort nach dem Buben, erhielt jedoch keine Antwort. Er lief zur Hütte und trat ein. Toni saß auf seinem Lager in die Ecke gekauert und starrte vor sich hin.
»Warum siehst du nicht nach den Kühen?« fragte der Knecht.
Er erhielt keine Antwort.
»Kannst du nicht reden? Was ist denn mit dir?«
Keine Antwort.
Nun schaute der Knecht zu dem Brot und dem Käse, ob Toni alles gegessen und etwa Hunger gelitten habe. Aber noch war mehr als das halbe Brot da, vom Käse der größte Teil. Toni hatte fast nur Milch getrunken.
»Wo fehlt's dir denn? Bist du krank?« fragte der Knecht wieder.
Toni gab keine Antwort. Es war, als hörte er gar nichts. Er starrte so regungslos vor sich hin, daß es dem Knecht ganz unheimlich wurde. Er lief aus des Hütte zur anderen Alm hinüber. Drüben erzählte er dem Senn, wie es mit dem Hüterbuben ging. Sie machten aus, wenn einer von den Sennbuben mit der Butter hinuntergehe, so müsse man die Sache dem Mattenhofbauer berichten.
So verging wieder eine Woche. Dann wurde der Bauer benachrichtigt. Er meinte aber, der Bub werde schon wieder lustig werden, die starken Gewitter werden ihn ein wenig erschreckt haben. Doch bat er den Senn, er möge hinübergehen. Er habe ja eigene Buben und verstehe sich besser auf deren Art als der Knecht. Wenn etwas mit dem Toni sei, so müsse man ihn herunterbringen. Einige Tage später ging der Senn wirklich mit einem seiner Buben hinüber.
Er fand den Toni ebenso in die Ecke gekauert, wie der Knecht ihn gesehen hatte. Was der Senn auch sagen mochte, Toni gab keinen Laut von sich, rührte sich nicht und starrte immer vor sich hin.
»Er muß hinunter«, sagte der Senn zu seinem Buben, »geh gleich mit ihm. Aber gib acht, daß ihm nichts zustößt, und sei gut zu ihm, es ist ja zum Erbarmen mit dem Buben.« Dabei sah er mitleidig auf den Toni, denn der Senn hatte ein gutes Herz und Freude an seinen drei großen, frischen Buben. Der, den er bei sich hatte, war ein fester, stämmiger Bursche von sechzehn Jahren. Er trat zu Toni heran und sagte ihm, er sollte aufstehen, aber Toni regte sich nicht. Da faßte der Bursch ihn unter den Armen, hob ihn in die Höhe wie eine Feder, schwang ihn dann hinten auf seinen Rücken und packte ihn mit beiden Armen. So wanderte er mit der leichten Last die Alm hinab.
Als der Mattenhofbauer den Toni in dem traurigen Zustand sah, erschrak er. So hatte er ihn nicht erwartet. Er wußte gar nicht, was er mit dem Buben machen sollte. Die Mutter war weit weg, Verwandte waren keine da, und in diesem Zustand den Toni bei sich behalten, das mochte er nicht. Diese Verantwortung wollte er nicht auf sich laden.
Plötzlich kam ihm ein guter Gedanke. Derselbe, den die Leute dort in jeder Verlegenheit, in jeder Not und jedem Jammer immer zuerst haben. »Trag ihn zum Herrn Pfarrer«, sagte er zu dem Sennbuben, »der weiß schon einen Rat und wird helfen.« Der Bursche machte sich gleich wieder auf den Weg und kam zum Herrn Pfarrer. Dieser ließ sich alles erzählen, was der Bursche von dem Hergang der Sache wußte. Er fragte, wie Toni in diesen Zustand gekommen sei und wie lange er schon dauere. Der Bursche wußte aber von allem sehr wenig. Der Pfarrer versuchte erst alle Mittel, Toni zum Sprechen zu bringen, fragte ihn, ob er zur Mutter wolle. Aber es war alles umsonst, Toni gab nicht das leiseste Zeichen des Verständnisses oder der Teilnahme von sich.
Jetzt setzte sich der Herr Pfarrer hin, schrieb einen Brief und sagte zu dem Sennburschen: »Geh zurück auf den Mattenhof und sag dem Bauer, er soll anspannen lassen und mir sein Wägelchen schicken. Ich will dann dafür sorgen, daß der Toni heute noch nach Bern kommt, er ist schwer krank, sag das dem Bauer.« Dieser spannte auf der Stelle an, froh, daß ihm die Verantwortung abgenommen worden war und er den Toni nur bis zur Bahnlinie hinunterzufahren hatte. Der Herr Pfarrer aber benachrichtigte seinen Küster. Das war ein älterer, freundlicher Mann, der schon seit vielen Jahren dem Herrn Pfarrer in manchem verantwortlichen Geschäft an die Hand gegangen war.
Ihm wurde der Auftrag erteilt, mit aller Sorgfalt den Toni zu der großen Heilanstalt in Bern zu bringen und dort dem Arzt, einem guten Bekannten des Herrn Pfarrers, dessen Brief zu übergeben. Eine halbe Stunde später fuhr das offene Wägelchen mit dem hohen Sitz vor das Pfarrhaus. Der Küster stieg hinauf, setzte den kranken Buben neben sich und hielt ihn sorgsam fest. So fuhr der Toni zum erstenmal in seinem Leben, von einem Pferd gezogen, in die Welt hinaus. Aber er saß teilnahmslos da. Es war, als ob er von der Außenwelt gar nichts mehr vernähme.