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Im August hatte Vater Lohmann seinen Geburtstag. Es war in Lohe keine Mode, daß man sich dazu beschenkte. Aber die Fremde, die sich um die Moden so wenig kümmerte, schenkte dem Geburtstagskinde an diesem Tage einen strammen Enkelsohn.

Der Beschenkte ging hin, um sich zu bedanken. Als er in den halbdunklen Raum mit den niedergelassenen Vorhängen trat, fragte ihn eine schwache Stimme: »Freust du di ok, Vader?«

»Jawoll freu ick mi,« lautete die Antwort. Hinrich, der auch in der Kammer war, freute sich über den Ton, in dem sie gegeben wurde. Es klang doch anders als das »O ja« vor einigen Monaten.

»He schall nu auch ganz din Junge sein,« sagte die leise Stimme wieder.

»Kind, kannst du up eenmal platt snacken?« rief Vater Lohmann überrascht.

Aus dem Halbdunkel lächelten ihm ein paar große, braune Augen glücklich entgegen.

»Vader,« nahm jetzt Hinrich das Wort, »se hett dat so ünner us van mi leert. Ick heww faken oft School mit ehr holen.«

»Kinners, Kinners!« rief der Alte verwundert.

»Wi beide wollen di dat to dinen Johresdag schenken, dat denn wedder een Sprak bi uns wän schöll,« sagte Hinrich.

»Ganz ut'n ff kann ick de Sak noch nich, Vader,« ließ sich jetzt wieder die junge Frau vernehmen, »wenn ick noch mal vorbigreife, mußt du Geduld hewwen!«

»Och ja, dat schall sick woll helpen. Abers nu rauh di man erst örndtlich ut!«

Vater Lohmann besah sich noch einmal sein kleines Geburtstagsgeschenk, das in einem hübschen Wagen lag – man hatte ihn gar nicht gefragt, er wäre für eine Wiege gewesen –, dann ging er nachdenklich hinaus.

Hinrich, die junge Mutter und Großmutter wechselten glückliche Blicke. Dann folgte letztere ihrem Manne.

Auf dem Flett traf sie ihn, wie er vor dem Fenster stand und nachdenklich auf den Hof hinaussah.

Leise trat sie an seine Seite und sagte: »Vader, se is würklich 'n gode Deern.«

»Och ja,« sagte er, ohne seine Frau anzusehen, »will ick ok nich seggen; se meent bat ja am Enne gor nich slecht.«

Am nächsten Sonntag, vor der Predigt, wurden in Wiechel zwei Kinder vor den Altar getragen, eins in kurzem, verblichenem Kattunröckchen – eines Hauslings achtes Kind – und das andere in einem langen, weißen, mit Spitzen besetzten Musselinkleide. Dieses gab die Hebamme dem verlegen dreinschauenden Bauersmann auf den Arm, der mit steifen Schritten aus dem Kirchenstand des Lohhofes vor den Altar getreten war. Und steif wie ein Stock, den Blick gesenkt, stand Vater Lohmann vor der ganzen Gemeinde da. Wie hatten die Frauensleute ihm das kurze End' von Mensch herausgeputzt! Rein wie eine Jahrmarktspuppe! Wenn der Junge bei seiner Konfirmation so lang war wie jetzt sein Kleid, konnte man froh sein.

Der alte Pastor taufte ihn Jürgen Anton. Dabei gingen dem großen Jürgen allerhand wunderliche Gedanken durch den Kopf. Es geht doch nirgends närrischer zu als in der Welt. Da wohnen zwei Menschen als Nachbarn, die in jedem Stück just das Widerspiel voneinander sind, die sich nicht über die Schwelle gehen und sich am liebsten fressen möchten. Und nun ist da auf einmal ein kleines strampelndes, krähendes Menschenkind, das von dem einen der feindlichen Nachbarn just so viel in sich hat als von dem andern. Und die Namen der beiden dazu! Es ist wirklich zu närrisch, wie's in der Welt zugeht ... Jürgen Anton! Was mag bloß aus dir werden? Ein Anton Riewitz oder ein Jürgen Lohmann? Welches Blut wird sich als das stärkere erweisen? Das alte, gute, treue Niedersachsenblut oder das leichtfertige, windige Preußenblut? Diese bangen Fragen waren es ja eben, die in dem Herzen des Großvaters keine rechte Freude an dem Enkelkinde aufkommen ließen. Jürgen sollte der Bengel ja gerufen weiden. Aber wie oft lügen die Namen! Ob's nicht doch mehr ein Anton wurde? – Anton! Was für'n putziger Name! Er kam gewiß in all den dicken Kirchenbüchern, die der Pastor in seiner Stube hatte, noch nicht vor. Achjajija ...

Sechs Wochen später setzte Hinrich Lohmann wieder seinen Hochzeitszylinder auf und fuhr mit seiner Frau zur Kirche. Seit der letzten Kirchfahrt mit ihr, wie hatte sich die Welt und das Leben da wieder geändert! –

In Lord Stallboms Entreezimmer hatte die junge Mutter sehr diskrete Fragen zu beantworten und mannigfaltige Ratschläge entgegenzunehmen. Aber sie nahm das den Bauernfrauen ebensowenig übel wie nachher der liebenswürdigen alten Pastorin. Sie fühlte, daß aus dem allem mütterliche Sorge für sie und ihren Liebling daheim sprach. –

Als die beiden wieder in den Wagen stiegen, bat sie Diedrich, schnell zu fahren. Sie sehnte sich nach dem kleinen Jürgen, von dem sie so lange noch gar nicht getrennt gewesen war. »Er ist doch auch ein rechtes Gottesgeschenk,« sagte sie zu ihrem Manne. Der sah sie groß an. Über die Predigt des ersten Kirchganges hatten sie nie ein Wort miteinander gesprochen. Nun verrieten ihre Blicke, daß sie noch in ihnen beiden lebendig war. Zwei Gottesgeschenke, dachte Hinrich, und er wußte nicht, welches von beiden ihm lieber war. –


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