Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3. Kapitel.
Die Arbeitsteilung hängt von der Ausdehnung des Marktes ab

Da die Möglichkeit zu tauschen zur Arbeitsteilung führt, so muß die Ausdehnung dieser Teilung immer durch die Ausdehnung jener Möglichkeit, oder mit anderen Worten durch die Ausdehnung des Marktes begrenzt sein. Wenn der Markt sehr beschränkt ist, kann niemand den Mut finden, sich einer einzigen Beschäftigung ganz hinzugeben, weil es an der Möglichkeit fehlt, den ganzen Produktenüberschuß seiner Arbeit, der weit über seine eigene Konsumtion hinausgeht, für solche Produkte der Arbeit anderer, die er gerade braucht, auszutauschen.

Es gibt einige Erwerbsarten, selbst des niedrigsten Schlages, die nirgends anders, als in einer großen Stadt betrieben werden können. Ein Lastträger z. B. kann an keinem anderen Orte Beschäftigung und Unterhalt finden; ein Dorf ist eine viel zu enge Sphäre für ihn, und selbst ein gewöhnlicher Marktflecken ist kaum groß genug, ihm fortwährend Beschäftigung zu geben. In den einzeln stehenden Häusern und sehr kleinen Dörfern, die in einem so öden Lande, wie es das schottische Hochland ist, zerstreut liegen, muß jeder Landwirt gleichzeitig Fleischer, Bäcker und Brauer für seinen eigenen Hausstand sein. In solchen Gegenden kann man kaum erwarten, einen Schmied, Zimmermann oder Maurer näher als in einer Entfernung von 20 Meilen von einem Gewerbsgenossen zu finden. Die zerstreuten Familien, die acht bis zehn Meilen vom nächsten entfernt leben, müssen gar viele kleine Verrichtungen, welche sie in volkreicheren Gegenden von Handwerkern machen lassen würden, selbst ausführen lernen. Dorfhandwerker sind fast überall gezwungen, sich mit all den verschiedenen Gewerbszweigen zu befassen, die nur durch das gleiche Material miteinander in Beziehung stehen. Ein Dorfzimmermann gibt sich mit jeder Art Holzarbeit ab, ein Dorfschmied mit jeder Art Eisenarbeit. Der erstere ist nicht bloß Zimmermann, sondern auch Schreiner, Kunsttischler und sogar Holzschnitzer, so wie Rade-, Pflug-, Wagen- und Stellmacher. Die Beschäftigungen des letzteren sind noch mannigfacher. Es ist unmöglich, daß auch nur das Gewerbe eines Nagelschmieds in den entlegenen, inneren Teilen des schottischen Hochlands selbständig bestehe. Solch ein Arbeiter würde, bei einem Satz von 1000 Nägeln im Tag und bei 300 Arbeitstagen im Jahr, jährlich 300 000 Nägel machen; es wäre aber unmöglich, an einem solchen Orte jährlich 1000, d. h. die Arbeit eines einzigen Tages, abzusetzen.

Da durch die Wasserfracht für jede Art von Gewerbe ein ausgedehnterer Markt eröffnet wird, als ihn die Landfracht allein gewähren kann, so sind es die Meeresküste und die Ufer schiffbarer Flüsse, wo das Gewerbe jeder Art sich zu teilen und zu vervollkommnen anfängt, und oft erstrecken sich die Vervollkommnungen erst lange Zeit nachher in die inneren Teile des Landes. Ein Lastwagen mit breiten Rädern, von zwei Menschen begleitet und mit acht Pferden bespannt, bringt in etwa sechs Wochen Güter von ungefähr vier Tonnen Gewicht zwischen London und Edinburg hin und zurück. In etwa derselben Zeit führt ein Schiff mit sechs oder acht Mann, welches zwischen den Häfen von London und Leith fährt, oft Güter von 200 Tonnen Gewicht hin und her. Somit können sechs bis acht Mann mittels Wasserfracht eine so große Masse von Gütern zwischen London und Edinburg hin- und herbefördern, wie 50 von 100 Menschen begleitete und von 400 Pferden gezogene Lastwagen mit breiten Rädern. Mithin muß auf Güter von 200 Tonnen, die mit der wohlfeilsten Landfracht von London nach Edinburg gebracht werden, der dreiwöchentliche Unterhalt von 100 Menschen und ferner der Unterhalt, so wie, was dem Unterhalt ziemlich gleichkommt, die Abnutzung von 400 Pferden und 50 Lastwagen gerechnet werden, während bei derselben Gütermasse, wenn sie zu Wasser verführt wird, nur der Unterhalt von sechs oder acht Menschen und die Abnutzung eines Schiffes von 200 Tonnen Gehalt, samt dem Betrage des größeren Risikos oder der Differenz zwischen der Land- und Wasserassekuranz gerechnet zu werden braucht. Gäbe es also keine andere Kommunikation zwischen jenen beiden Plätzen, als die durch Landfuhre, so würden sie, da keine anderen Güter von einem zum anderen gebracht werden könnten, als solche, deren Preis im Verhältnis zu ihrem Gewichte sehr hoch wäre, nur einen geringen Teil jenes Verkehrs unterhalten können, der jetzt zwischen ihnen stattfindet, und die Industrie, die sie jetzt wechselseitig fördern, nur wenig aneifern. Da könnte dann nur wenig oder gar kein Handel zwischen den verschiedenen Teilen der Erde stattfinden. Welche Güter könnten die Kosten einer Landfracht zwischen London und Kalkutta aushalten? Oder, wenn einige so wertvoll wären, daß sie die Kosten zu ertragen vermöchten, was wäre das für eine Sicherheit, mit der sie durch die Länder so vieler barbarischer Völkerschaften gebracht werden könnten? Jetzt hingegen treiben diese beiden Städte einen sehr beträchtlichen Handel miteinander und ermuntern, indem sie einander einen Markt bieten, wechselseitig ihre Gewerbe aufs beste.

Da demnach die Vorteile der Wasserfracht so groß sind, so mußten natürlich die ersten Vervollkommnungen von Kunst und Gewerbe da hervortreten, wo diese günstige Gelegenheit die ganze Welt zu einem Markte für jede Art Arbeit erschließt, und konnten sich erst viel später bis in die inneren Teile des Landes erstrecken. Die inneren Teile des Landes können lange Zeit hindurch keinen anderen Markt für den größten Teil ihrer Güter haben, als das Land, das sie von der Seeküste und den großen schiffbaren Flüssen trennt. Die Ausdehnung ihres Marktes muß sich daher lange nach dem Reichtum und der Bevölkerungsdichte jenes Landes richten, und ihr Fortschritt deshalb immer hinter dem jenes Landes zurückbleiben. In unseren nordamerikanischen Kolonien sind die Pflanzungen beständig der Seeküste oder den Ufern schiffbarer Flüsse gefolgt und haben sich kaum irgendwo bis auf eine beträchtliche Entfernung von beiden erstreckt.

Die Völker, welche den glaubwürdigsten Geschichtsquellen zufolge zuerst als zivilisiert erscheinen, waren diejenigen, die entlang der Küste des Mittelländischen Meeres wohnten. Da dieses Meer, die weitaus größte Bucht, die man kennt, keine Ebbe und Flut, und darum auch keine anderen Wellen hat, als solche, die der Wind verursacht, so war es durch die Glätte seines Spiegels, die Menge seiner Inseln und die Nähe seiner Ufer für die Schiffahrt in der Zeit ihrer Kindheit außerordentlich günstig, als die Menschen noch wegen ihrer Unkenntnis des Kompasses sich fürchteten die Küste aus dem Gesicht zu verlieren, und sich wegen der Unvollkommenheit der Schiffsbaukunst den stürmischen Wogen des Ozeans nicht überlassen mochten. Über die Säulen des Herkules hinauszugehen, d. h. durch die Meerenge von Gibraltar hinauszusegeln, wurde in der alten Welt lange für das wunderbarste und gefährlichste Seeabenteuer gehalten. Selbst die Phönicier und Karthager, die geschicktesten Seefahrer und Schiffbauer jener alten Zeiten, versuchten es erst spät und waren lange die einzigen Völker, die es wagten.

Unter allen Ländern an der Küste des Mittelländischen Meeres scheint Ägypten das erste gewesen zu sein, in dem die Landwirtschaft oder die Gewerbe auf eine ansehnliche Stufe gebracht wurden. Oberägypten erstreckt sich nirgends weiter als auf einige Meilen vom Nil, und in Unterägypten teilt sich dieser große Strom in viele Kanäle, die durch etwas künstliche Nachhilfe nicht nur zwischen allen großen Städten, sondern auch zwischen allen ansehnlichen Dörfern und sogar bis zu vielen Landhäusern hin etwa in derselben Art Wasserstraßen gebildet zu haben scheinen, wie dies heute der Rhein und die Maas in Holland tun. Die Ausdehnung und Einfachheit dieser Binnenschiffahrt war wahrscheinlich eine der Hauptursachen der frühen Blüte Ägyptens.

Die Fortschritte in der Landwirtschaft und den Gewerben scheinen gleicherweise in den Provinzen Bengalens, in Ostindien und in einigen östlichen Provinzen Chinas in ferne Vorzeit zurückzugehen, obgleich das weite Zurückreichen dieser Entwicklung durch keine Geschichtsquellen, auf deren Autorität man in diesen Teilen der Erde etwas geben könnte, verbürgt wird. In Bengalen bilden der Ganges und einige andere große Ströme eine bedeutende Menge schiffbarer Kanäle, ganz so wie der Nil in Ägypten. In den östlichen Provinzen Chinas bilden gleichfalls einige große Flüsse durch ihre verschiedenen Arme eine Menge von Kanälen und machen durch Verbindung unter einander eine weit ausgedehntere Schiffahrt möglich als der Nil oder Ganges oder vielleicht beide zusammen. Es ist bemerkenswert, daß weder die alten Ägypter, noch die Inder, noch auch die Chinesen den auswärtigen Handel förderten, vielmehr insgesamt ihren großen Reichtum von dieser Binnenschiffahrt hergeleitet zu haben scheinen.

Alle inneren Teile Afrikas und jener ganze Teil Asiens, der weit nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meere liegt, das alte Scythien, die heutige Tartarei und Sibirien, scheinen zu allen Zeiten in demselben barbarischen und unzivilisierten Zustande gewesen zu sein, in dem wir sie gegenwärtig finden. Das Meer der Tartarei ist das Eismeer, das keine Schiffahrt zuläßt, und obgleich einige der größten Ströme der Welt durch dieses Land fließen, so sind sie doch zu weit voneinander entfernt, um Handel und Verkehr in dem größten Teil von ihm herzustellen. Es gibt in Afrika keinen so großen Meerbusen, wie das Baltische und Adriatische Meer in Europa, das Mittelländische und Schwarze Meer in Europa und Asien, den Arabischen, Persischen Indischen, Bengalischen und Siamesischen Golf in Asien, um den Seehandel in die inneren Teile des großen Kontinents zu führen, und die großen Flüsse Afrikas sind zu weit voneinander entfernt, um zu einer ansehnlichen Binnenschiffahrt Gelegenheit zu geben. Zudem kann der Handel, welchen ein Volk auf einem Flusse treibt, der sich nicht in eine große Menge von Armen oder Kanälen teilt, und der, ehe er die See erreicht, durch ein anderes Gebiet fließt, niemals beträchtlich sein; weil es stets in der Gewalt derjenigen Völker, die das andere Gebiet besitzen, steht, den Verkehr zwischen dem Oberlande und der See zu hemmen. Die Donauschiffahrt ist für Bayern, Österreich und Ungarn von sehr geringem Nutzen, im Vergleich zu dem, was sie sein würde, wenn einer dieser Staaten den ganzen Lauf des Flusses bis zu seiner Mündung in das Schwarze Meer beherrschte.


 << zurück weiter >>