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Wem ein tüchtig Weib beschert ist,
das ist besser denn kostbare Perlen.
Sprüche Salomos.
Der Charakter des Mannes wie der Frau wird durch ihr gegenseitiges Verhältnis auf allen Stufen des Lebens mächtig beeinflußt. Wir sprachen schon von dem Einfluß der Mutter auf den Charakter ihrer Kinder. Sie schafft die moralische Atmosphäre, in der sie leben und durch die ihr Geist und ihre Seele genährt wird, wie ihr Körper durch die physische Atmosphäre, die sie einatmen. Und während die Frau die natürliche Pflegerin und Lehrerin in der Kindheit ist, so ist sie auch die Führerin und Beraterin des Jünglings, die Vertraute und Genossin des Mannes in ihren verschiedenen Beziehungen als Mutter, Schwester, Braut und Gattin. Kurz, der Einfluß der Frau erstreckt sich in gutem und bösem Sinne mehr oder weniger auf das ganze Dasein des Mannes.
Die sozialen Funktionen und Pflichten der Männer und Frauen sind ihnen durch die Natur klar vorgezeichnet. Gott erschuf Männer und Frauen, jedes zu einer besonderen Arbeit und zur Erfüllung einer besonderen Sphäre. Keins kann die Stellung des andern einnehmen oder seine Funktionen erfüllen. Jedes hat ein Leben für sich, obwohl beide so nahe Beziehungen zueinander haben. Die Menschheit braucht beide für ihre Zwecke, und an jedem gesellschaftlichen Fortschritt müssen notwendig beide beteiligt sein.
Obwohl sie gleichwertige Gefährten sind, so unterscheiden sie sich doch hinsichtlich ihrer Fähigkeiten. Der Mann ist stärker, körperlich kräftiger und zäher, die Frau ist zarter, empfindlicher und nervöser. Jener zeichnet sich durch die Kräfte des Hirns, diese durch die Gaben des Herzens aus, und obwohl das Haupt herrscht, macht doch das Herz seinen Einfluß geltend. Beide sind für die besonderen Funktionen, die sie im Leben haben, in gleicher Weise ausgerüstet, und es würde ebenso absurd sein, der Frau die Aufgaben des Mannes zu übertragen, wie dem Manne die der Frau. Freilich gibt es auch weibische Männer und Mannweiber, aber das sind nur Ausnahmen, welche die Regel bestätigen.
Obwohl die Eigenschaften des Mannes sich mehr auf das Haupt und die der Frau sich mehr auf das Herz beziehen, so darf doch beim Mann weder die Bildung des Herzens noch bei der Frau die des Verstandes vernachlässigt werden. Ein herzloser Mann paßt ebensowenig in eine zivilisierte Gesellschaft wie eine stupide und unwissende Frau. Um einen gesunden, ausgeglichenen Charakter zu schaffen, ist die Ausbildung aller Teile der moralischen und intellektuellen Natur erforderlich. Ohne Mitgefühl oder Rücksicht auf andere wäre der Mann ein armseliges, verkrüppeltes, schmutziges, selbstsüchtiges Geschöpf, und ohne einen ausgebildeten Verstand wäre auch die schönste Frau nur eine aufgeputzte Puppe. Man pflegte einmal zu sagen, daß in der Schwachheit und Hilfsbedürftigkeit der Frau ihr Anrecht auf Bewunderung liege. »Wenn wir einen würdigen Mann darstellen wollen,« sagt Richard Steele, »so legen wir ihm Weisheit und Tapferkeit, als die Merkmale eines männlichen Charakters, bei. Ebenso, wenn man eine richtige Frau im löblichen Sinne beschreiben wollte, müßte sie zarte Sanftmut und Furcht und alle jene Eigenschaften besitzen, die sie von dem starken Geschlecht unterscheiden, dazu eine gewisse Unterwürfigkeit und eine Inferiorität, die sie erst liebenswürdig macht. So würde eher ihre Schwäche als ihre Stärke, eher ihre Torheit als ihr Verstand zu bilden sein. Sie sollte ein schwaches, furchtsames, tränenreiches, charakterloses, minderwertiges Geschöpf sein mit nur gerade so viel Verstand, um die süßen nichtssagenden Redensarten zu verstehen, die das ›stärkere‹ Geschlecht an sie richtet. Sie würde weniger zum Weibe, zur Mutter, Gefährtin oder Freundin des Mannes erzogen als zu einem geschmackvollen Spielzeug.«
Man hat noch heute die Gewohnheit, die Schwäche der Frauen anstatt ihrer Stärke zu fördern, und sie eher anziehend als selbständig zu machen. Man leistet ihrer Empfindsamkeit auf Kosten ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit Vorschub. Sie leben, bewegen sich und existieren nur durch die Sympathie der andern. Sie kleiden sich hübsch, um anziehend zu sein, und werden mit einer Menge von Fertigkeiten versehen, »um nur ja nicht sitzen zu bleiben.« Ein schwaches, zaghaftes und unselbständiges Wesen, läuft diese Frau Gefahr, eine Illustration jenes italienischen Sprichworts zu werden: »Sie ist so gut, daß sie zu nichts gut ist.«
Andererseits begeht die Erziehung junger Leute oft in bezug auf ihre Selbstsucht Fehler. Während man den Knaben bei seiner Laufbahn hauptsächlich auf sich selbst verweist, wird das Mädchen ermutigt, sich ganz auf andere zu verlassen. Er wird zu sehr auf sich, sie zu sehr auf ihn verwiesen. Ihm wird gelehrt, selbstvertrauend und selbständig zu sein, während man ihr Mißtrauen in ihre Kräfte, Unselbständigkeit und beständige Selbstaufopferung anerzieht. So wird beim männlichen Geschlecht der Verstand auf Kosten des Gefühls und beim weiblichen das Gefühl auf Kosten des Verstandes entwickelt.
Es steht ohne Zweifel fest, doch die höchsten Eigenschaften der Frau sich in ihren Beziehungen zu anderen durch das Medium teilnehmender Liebe entwickeln. Sie ist die Pflegerin, welche die Natur der gesamten Menschheit bestellte. Sie sorgt für die Hilflosen und hegt die, welche wir lieben. Sie ist der Schutzgeist des häuslichen Herdes, wo sie eine Atmosphäre heiterer Behaglichkeit und Zufriedenheit schafft, die der Bildung des Charakters in seiner besten Form sehr zuträglich ist. Sie ist von Natur aus mitfühlend, sanft, geduldig und selbstverleugnend. Liebend, hoffend und glaubend verbreitet sie überall, wo ihr Blick hinfällt, Helligkeit. Er erwärmt die Kälte, lindert die Leiden und macht den Kummer weniger schwer.
Die Frau ist der »Engel der Unglücklichen« genannt worden. Sie ist stets bereit, den Schwachen zu helfen, die Gefallenen zu erheben und die Leidenden zu trösten. Es ist charakteristisch, daß eine Frau es war, die das erste Hospital erbaute und ausstattete. Man hat gesagt, daß die Seufzer eines leidenden Menschen immer irgend ein weibliches Wesen an seine Seite rufen. Als Mungo Park, allein, ohne Genossen und halb verhungert, aus einem afrikanischen Dorfe von den Männern fortgejagt wurde und sich anschickte, trotz des Regens und der zahlreichen wilden Tiere, die Nacht unter einem Baume zu verbringen, nahm ihn eine alte Negerin, die von der Feldarbeit heimkehrte, voller Mitgefühl mit sich in ihre Hütte und gab ihm dort Nahrung, Pflege und Obdach. Mungo Park sagt, daß er durch diesen Vorfall mehr als durch ein anderes Erlebnis auf seinen Reisen ergriffen war. Als er sich auf der Matte, die man für ihn auf dem Boden der Hütte ausgebreitet hatte, zum Schlafen niederlegte, forderte seine Wohltäterin die weiblichen Familienglieder auf, die Arbeit des Baumwollspinnens wieder aufzunehmen, was bis tief in die Nacht fortgesetzt wurde. »Sie erleichterten sich die Arbeit durch Gesänge,« sagt der Reisende, »und einer war improvisiert, denn ich selbst bildete das Thema. Es wurde von einer der jungen Frauen gesungen, während die andern den Chor bildeten. Die Weise war sanft und klagend, und der Text lautet in wortgetreuer Übersetzung: ›Der Wind heulte und der Regen fiel. Der arme weiße Mann kam schwach und müde und setzte sich unter unseren Baum, Er hat keine Mutter, die ihm Milch bringt, kein Weib, das ihm Korn mahlt.‹ Chor: ›Laßt uns den armen Weißen beklagen, der keine Mutter hat!‹ So unbedeutend dieser Gesang war, für einen Menschen in meiner Lage waren die Umstände höchst ergreifend. Durch die unerwartete Güte war ich so betroffen, daß der Schlaf meine Augen floh.«
Aber während sich die charakteristischsten Eigenschaften der Frau durch ihre Teilnahme und Liebe entfalten, so ist es auch zu ihrem Glück als selbständiges Wesen notwendig, daß sie ihren Charakter durch Selbstbeherrschung und Selbstvertrauen stärkt und entwickelt. Es ist aber keineswegs wünschenswert oder gar notwendig, daß dabei der leichte Zugang zum Herzen versperrt wird. Selbstvertrauen der besten Art bedingt keine Beschränkung der menschlichen Sympathie. Das Glück des Weibes wie des Mannes beruht im allgemeinen auf der völligen Entwicklung des harmonischen Charakters. Und jene Selbständigkeit, die sich aus der Bildung der Geisteskraft ergibt, in Verbindung mit richtiger Schulung des Herzens und Gewissens, wird ihr Leben nützlicher und glücklicher machen und sie in den Stand setzen, in verständiger Weise Freuden auszuteilen und zu genießen, besonders aber diejenigen, welche aus wechselseitigen Beziehungen und sozialer Teilnahme entstehen.
Um einen hohen Stand sittlicher Reinheit in der menschlichen Gesellschaft zu erzielen, muß die Erziehung der Geschlechter in harmonischer und gleichmäßiger Weise geschehen. Reinen Frauen müssen reine Männer gegenüberstehen. Für beide gilt die gleiche Moral. Es hieße den Grundstein der Tugend lockern, wollte man dem Manne gestatten, wegen des Unterschieds der Geschlechter der Moral Hohn zu sprechen und ungestraft Dinge zu tun, die eine Frau, welche sich ihrer erdreistete, für ihr ganzes Leben brandmarken würden. Damit also in der Gesellschaft Reinheit und Tugend herrschen, müssen sowohl Männer wie Frauen rein und tugendhaft sein, beide müssen alle Handlungen vermeiden, welche Herz, Gewissen, und Charakter beflecken – wie das Gift scheuen, das einmal genossen, nie wieder ganz ausgeschieden werden kann, sondern das Glück des ganzen späteren Lebens mehr oder weniger verbittert.
Und nun wollen mir uns an ein etwas heikles Thema heranwagen. Obwohl es von allgemeinem und größtem Interesse für die Menschheit ist, vermeiden es die Moralisten, scheuen es die Erzieher und ächten es die Eltern. Es wird beinahe für unzart angesehen, von der Liebe zwischen den Geschlechtern zu reden, und junge Leute sammeln ihre Kenntnisse darüber nur aus den unmöglichen Liebesgeschichten, welche die Fächer der Leihbibliotheken füllen. Dies starke, das ganze Wesen beherrschende Gefühl, das besoin d'aimer – das die Natur zu weisem Zwecke in der Frau so stark gemacht hat, daß es ihrem ganzen Leben und Schicksal eine besondere Färbung gibt, während es im Leben des Mannes vielleicht nur episodisch bleibt – darf gewöhnlich seinen eigenen Neigungen folgen und ungezügelt, fast ohne Leitung und Richtung heranwachsen.
Wenn auch die Natur in Liebesangelegenheiten aller formellen Regeln und Anweisungen spottet, so ist es doch auf alle Fälle möglich, jungen Gemütern solche Ansichten über den Charakter einzupflanzen, die sie befähigen, zwischen dem Wahren und Falschen zu unterscheiden, und sie daran zu gewöhnen, jene moralische Reinheit und Unbescholtenheit zu achten, ohne welche das Leben nur voller Torheit und Elend wäre. Es ist nicht möglich, jungen Leuten eine verständige Liebeswahl zu lehren; aber die elterlichen Ratschläge können sie doch vor jenen frivolen und verächtlichen Passionen behüten, die so fälschlich für Liebe ausgegeben werden. »Liebe«, sagte jemand, »in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes ist Torheit; aber reine, edle, selbstlose Liebe ist nicht nur eine Folge, sondern ein Beweis moralischer Vortrefflichkeit. Sie macht den Menschen für moralische Schönheit empfänglich, läßt ihn sein Ich in deren Bewunderung vergessen und beweist so den Anspruch, als ein Einfluß von hoher Sittlichkeit zu gelten. Es ist der Triumph des selbstlosen Teils über den selbstsüchtigen in unserer Natur«.
Durch diese göttliche Leidenschaft wird die Welt immer frisch und jung erhalten. Sie ist das ewige Lied der Menschheit. Sie gießt über die Jugend himmlischen Glanz und verklärt das Alter. Sie erleuchtet Gegenwart und Zukunft durch die Strahlen, die sie aussendet. Die Liebe, die aus Achtung und Bewunderung entsteht, hat eine erhebende reinigende Wirkung auf den Charakter. Sie befreit von der Sklaverei des Ich, sie ist selbstlos und ihr eigener Lohn. Sie flößt Sanftmut, Teilnahme, Treue und Vertrauen ein. Die wahre Liebe erhöht auch in gewissen Grenzen den Geist. »Alle Liebe macht in bestimmtem Grade weise«, sagt der Dichter Browning, und die begabtesten Geister sind die aufrichtigsten Liebhaber gewesen. Große Seelen sind auch in ihrer Liebe groß; sie erheben und adeln alles wahre Vergnügen. Das Gefühl bringt sogar Eigenschaften hervor, die vorher ungeahnt schlummerten. Es erhebt die Bestrebungen, erweitert die Seele und entflammt die Geisteskräfte. Eines der schönsten Komplimente, die je einer Frau gezollt wurden, war der Ausspruch Steeles von Lady Elisabeth Hastings: »sie geliebt zu haben, ist gleichbedeutend einer vortrefflichen Erziehung«. In diesem Licht betrachtet, erscheint die Frau als Erzieherin im besten Sinne, da sie vor allen andern Lehrern Menschlichkeit und Liebe lehrt.
Kein Mann und seine Frau sollen als fertig in ihrer Lebenserfahrung betrachtet werden können, ehe sie sich mit der Welt durch die Bande der Zuneigung verbunden haben. Wie das Weib kein Weib ist, ehe es nicht die Liebe kennen gelernt hat, so ist es mit dem Manne. Beide bedürfen einander zu ihrer Vollkommenheit. Plato behauptete, daß die Liebenden ineinander verwandte Wesen suchten und daß der oder die Geliebte nur die losgetrennte Hälfte eines menschlichen Wesens sei, die sich in der Liebe wieder mit dem andern Teile vereinige. Aber diese Philosophie scheint sich hier zu irren, denn Liebe entsteht ebensowohl zwischen ähnlichen wie zwischen unähnlichen Menschen.
Die wahre Vereinigung muß natürlich eine Verbindung des Geistes wie auch des Herzens sein und auf gegenseitiger Achtung und Liebe beruhen. »Ohne Achtung,« sagt Fichte, »gibt es keine echte und dauernde Liebe, Liebe ohne Achtung zieht stets Reue nach sich und ist einer edlen Menschenseele unwürdig.« Wir können das Schlechte nicht wirklich lieben, sondern immer nur etwas, das wir sowohl achten und schätzen als auch bewundern. Kurz, eine wahre Verbindung muß auf Charaktervorzügen beruhen, die sowohl im häuslichen wie öffentlichen Leben ausschlaggebend sind.
Aber in der Verbindung zwischen Mann und Frau ist weit mehr als bloße Achtung und Wertschätzung, sie beruht auf einem tieferen und zarteren Gefühl, das zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau nicht vorkommt. »In Gefühlsangelegenheiten,« sagt Nathaniel Hawthorne, »ist zwischen Mann und Mann immer eine unüberbrückbare Kluft, sie können einander nie recht die Hand reichen, und deshalb findet ein Mann nie vertrauliche Hilfe und Herzenstrost bei seinem Mitbruder, sondern nur bei einer Frau – seiner Mutter, Schwester oder Gattin.«
Durch die Pforte der Liebe geht der Mann in eine neue Welt der Freude, Teilnahme und des menschlichen Interesses ein; in seiner Häuslichkeit geht ihm eine neue Welt auf, die er sich selbst geschaffen hat und die sich auch von dem Heim seiner Kindheit sehr unterscheidet, wo jeder Tag neue Freuden und Erfahrungen bringt. Er gelangt vielleicht auch in eine Welt neuer Prüfungen und Sorgen, wodurch er oft die beste Bildung und Schulung empfängt. »Das Familienleben,« sagt Sainte-Beuve, »kann wohl voller Sorgen und Dornen sein, aber diese sind nicht wie andere dürr, sondern tragen Frucht.« Dann weiter: »Wenn das Haus eines Mannes zu einer bestimmten Zeit keine Kinder enthält, werden sich wahrscheinlich Torheiten und Laster darin finden.«
Ein Leben, das ausschließlich den Geschäften gewidmet ist, wird schließlich den Charakter beschränkt und hart machen. Der Mensch ist dabei hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt – er lauert auf Vorteile und sucht sich gegen Übervorteilung von seiten anderer zu schützen. So wird der Charakter unbenutzt immer argwöhnischer und weniger großmütig. Das beste Mittel gegen solche Einflüsse ist immer das häusliche Leben, welches den Geist von gewinnsüchtigen Gedanken, von seinem täglichen Rennen um den Verdienst ablenkt und ihn in dem Heiligtum des Hauses Ruhe und Erfrischung finden läßt:
»Das reinste, schönste Licht gesell'ger Freude,
Das für den Mann nach vieler Sorge strahlt.«
»Das Geschäft,« sagt Henry Taylor, »verbarrikadiert nur die Wege zum Herzen, aber die Heirat legt eine Garnison in die Festung.« Und wie der Kopf auch von ehrgeizigen oder geschäftlichen Arbeiten eingenommen sein mag – wenn das Herz nicht von Zuneigung und Teilnahme für andere erfüllt ist – so wird das Leben, so erfolgreich es auch nach außen hin scheinen mag, doch nur ein Fehlschlug sein.
Der wahre Charakter eines Mannes wird sich am klarsten in seinem Haushalt offenbaren, und in der Beherrschung dieses kleinen Kreises kann er mehr Weisheit zeigen als in den umfangreicheren Ungelegenheiten des Geschäfts oder des öffentlichen Lebens. Sein ganzer Geist kann bei seinem Geschäfte sein, aber wenn er glücklich sein will, muß sein Herz zu Hause weilen. Dort entfalten sich seine echten Eigenschaften am sichersten – dort zeigt er seine Wahrhaftigkeit, Liebe, Teilnahme, Rücksicht auf andere, Rechtschaffenheit und Mannhaftigkeit, – mit einem Wort seinen Charakter.
Aber der Mann, dessen Gefühle durch das häusliche Leben gestärkt sind, beschränkt seine Sympathie nicht auf diese verhältnismäßig enge Sphäre. Seine Liebe vergrößert sich in der Familie und verbreitet sich durch sie in die Welt. »Die Liebe«, sagt Emerson, »ist ein Feuer, das, hervorgerufen durch den Funken aus einem Menschenherzen, in dem engen Raum des Herzens glüht und wächst, bis es viele Menschen, ja die Herzen aller bestrahlt und erwärmt und so mit ihren großmütigen Flammen die ganze Welt erleuchtet.«
Durch die häusliche Liebe kann das Herz des Mannes am besten gefestigt und geregelt werden. Das Haus ist das Reich der Frau, ihr Staat, ihre Welt – wo sie durch Liebe, Güte und die Macht der Sanftmut herrscht. Nichts besänftigt das Ungestüm der männlichen Natur mehr als die Verbindung mit einer hochgesinnten Frau. Dort findet er Ruhe, Behaglichkeit und Glück – Ruhe des Gehirns und Frieden des Geistes. Er wird in ihr auch seinen besten Berater finden, denn ihr feiner Takt leitet ihn gewöhnlich da zum Rechten, wo sein eigener Geist allein irren könnte. Eine treue Gattin ist ein Stab, auf den er sich in Zeiten der Prüfung und Bedrängnis stützen kann, ihr fehlt es nie an Teilnahme und Trost, wenn die Not kommt und das Glück den Rücken kehrt. In der Jugend ist sie dem Manne ein Schmuck und eine Wonne und in reiferen Jahren, wenn die Hoffnung aufgehört hat und wir in der Wirklichkeit leben, bleibt sie ein treuer Genosse.
Wie glücklich muß Edmund Burke gewesen sein, wenn er von seinem Haus sagen konnte: »Jede Sorge verschwindet mit dem Augenblick, wo ich unter mein Dach trete!« Und Luther, ein Mann voller menschlicher Empfindung, sagt von seiner Frau: »Ich würde meine Armut mit ihr nicht um alle Reichtümer des Krösus ohne sie eintauschen.« Von der Ehe sagt er: »Der höchste Segen, den Gott einem Mann bescheren kann, ist der Besitz eines guten und frommen Weibes, mit dem er in Friede und Ruhe leben kann, – der er alles vertrauen kann, auch sein Leben und Wohlergehen.« Dann weiter: »Früh aufstehen und jung gefreit hat noch niemand bereut.« Um sich in der Ehe wahren Glücks und echter Ruhe zu erfreuen, muß die Frau dem Mann eine Herzens- und Lebensgefährtin sein. Aber es ist nicht erforderlich, daß sie nur sein bloßes Abbild darstellt. Der Mann wünscht in seiner Gattin ebensowenig eine männliche Frau, wie die Frau in ihm einen weibischen Mann. Die besten Eigenschaften einer Frau bestehen nicht in ihrem Verstand, sondern in ihren Gefühlen. Sie gibt mehr durch ihre Teilnahme als durch ihr Wissen Erholung. Oliver Wendell Holmes sagt: »Bei den Frauen interessiert uns mehr das Herz als der Verstand.«
Der Mann ist seiner oft so überdrüssig, daß er eher dazu neigt, an andern Vorzüge und Gaben zu bewundern, die von den seinigen abweichen. »Wenn ich plötzlich aufgefordert würde,« sagt Mr. Helps, »einen Beweis für die Güte Gottes anzugeben, so würde ich sagen, daß sie sich am meisten in dem Unterschied offenbaren, den er zwischen die Seelen der Frau und des Mannes gelegt hat und auf diese Weise die Möglichkeit zu der schönsten und reizvollsten Gemeinschaft geschaffen hat, die sich ein Mann vorstellen kann.«
Aber obwohl kein Mann die Frau wegen ihres Verstandes liebt, darf sie ihn darum nicht minder pflegen.
Im Charakter kann eine Verschiedenheit bestehen, aber es muß Harmonie des Gefühls und Geistes vorhanden sein – zwei intelligente Seelen wie zwei liebende Herzen.
»Zwei Häupter in dem Rat und zwei am Herd,
Zwei in der Welt verworrenen Geschäften
Und in des Lebens vielgestalt´gem Dienst.«
Es gibt wenige Menschen, die über die Ehe so verständige Worte geschrieben haben wie Sir Henry Taylor. Was er über den Einfluß eines glücklichen Familienlebens auf eine erfolgreiche staatsmännische Laufbahn sagt, läßt sich auf alle Verhältnisse des menschlichen Lebens anwenden. Eine tüchtige Ehefrau, sagt er, sollte diejenigen Eigenschaften besitzen, welche das Haus zu einem Ruheplatz machen. Zu diesem Zwecke muß sie Verstand und Wert genug haben, um ihrem Gatten häusliche Sorgen so viel wie möglich fern zu halten und ihn insbesondere vor dem Schuldenmachen zu bewahren. »Sie muß seinem Auge und Geschmacke wohlgefallen, denn der Geschmack dringt tief in die Natur der Menschen ein und ist kaum von der Liebe zu trennen. In einem sorgenvollen und aufgeregten Leben kann das Heim, das nicht der Sitz der Liebe ist, nicht zu einem Ruheplatz werden, denn geistige Ruhe und Herzensfriede können nur durch den besänftigenden Einfluß der Zuneigung gewonnen werden. Der Mann sollte eher nach einem klaren Verstand, nach Heiterkeit und geistiger Behendigkeit sich umtun, als nach Ausgelassenheit und gesellschaftlichen Talenten, sollte mehr auf ein sanftes, zärtliches Temperament als auf eine feurige Natur sehen. Allzu lebhafte Talente passen wenig für das Haus eines müden Mannes, und Leidenschaft wirkt nur störend, ohne zu erfrischen.
Manche werden durch die Ehe enttäuscht, weil sie zu viel von ihr erwarten, aber noch mehr, weil sie zu dieser Lebensgemeinschaft nicht ihren vollen Anteil an Heiterkeit, Güte, Nachsicht und Verstand beitragen. Ihre Phantasie hat ihnen vielleicht ein Leben vorgespiegelt, das es hier gar nicht gibt, und wenn dann das wirkliche Leben mit seinen Sorgen und Mühen kommt, erwachen sie plötzlich aus ihrem schönen Traum. Oder sie sehen in dem Gegenstand ihrer Wahl etwas nahezu Vollkommenes und entdecken dann durch die Erfahrung, daß auch der beste Charakter seine Schwächen hat. Doch ist es oft gerade die Unvollkommenheit der menschlichen Natur, die den stärksten Anspruch auf die Nachsicht und Sympathie anderer verleiht und so bei fein fühlenden Naturen der Anlaß zu der engsten Verbindung wird.
Die goldene Regel der Ehe lautet: »Ertrage und entsage!« Die Ehe besteht wie eine Regierung aus einer Reihe von Kompromissen. Man muß geben und nehmen, verzichten und beschränken, ertragen und geduldig sein. Man braucht gegen die Fehler des andern nicht blind zu sein, aber man kann sie schließlich mit Nachsicht ertragen. Von allen Eigenschaften ist ein gutes Temperament diejenige, welche in der Ehe am nützlichsten wirkt. In Verbindung mit Selbstbeherrschung verleiht es Geduld – die Geduld zum Ertragen und Entsagen, ohne Widerrede etwas anzuhören und sich beherrschen, bis der aufsteigende Zorn vergangen ist. Wie wahr ist gerade in der Ehe, daß »eine sanfte Antwort den Zorn wegräumt«.
Burns teilte die Eigenschaften einer guten Ehefrau in zehn Teile. Vier davon gab er einem guten Temperament, zwei dem Verstand, einen der munteren Laune, einen der Schönheit – schönes Gesicht, ansprechende Augen, schöne Figur, anmutige Haltung, und die beiden übrigen Teile verteilte er unter die übrigen Eigenschaften, die einer Ehefrau zukommen – Vermögen, Verbindungen, eine mehr als durchschnittliche Bildung, gute Familie usw.; aber er sagte: Man verteile diese zwei Teile, wie man wolle, aber immer muß man beachten, daß diese kleineren Verhältniszahlen Brüche sind, da keinem die Würde eines Ganzen zukommt.
Jemand hat gesagt, es wäre für junge Mädchen ganz praktisch, Netze zu verfertigen, aber es wäre noch besser, wenn sie Käfige machen lernten. Die Männer sind oft so leicht wie Vögel zu fangen, aber schwierig festzuhalten. Wenn die Frau die Häuslichkeit nicht freundlich und glücklich machen kann, so daß sie das schönste, traulichste und heiterste Ruheplätzchen ist, das der Mann finden kann – ein Zufluchtsort vor den Sorgen und Mühen der Außenwelt – so erbarme sich Gott des armen Mannes, denn er ist in Wahrheit heimatlos.
Kein weiser Mann wird nur auf Schönheit Wert legen. Sie kann wohl zuerst eine große Anziehungskraft ausüben, aber sie wird sich in der Folge als von geringer Bedeutung erweisen. Man soll persönliche Schönheit aber auch nicht unterschätzen, denn unter normalen Bedingungen ist eine hübsche Gestalt und ein schönes Gesicht das äußere Anzeichen von Gesundheit. Aber wer eine schöne, aber charakterlose Person mit schönen Zügen, doch ohne eine gute Natur heiratet, begeht einen der beklagenswertesten Mißgriffe. Wie auch die schönste Landschaft eintönig wirkt, wenn man sie täglich sieht, so wird man auch das schönste Gesicht, wenn nicht eine schöne Natur hindurchschimmert, überdrüssig. Die Schönheit von heute findet man morgen langweilig, während wahre Herzensgüte auch bei den gewöhnlichsten Zügen immer liebenswürdig bleibt. Diese Art Schönheit wird überdies mit der Zeit noch vollkommener und reifer, anstatt zu vergehen.
Der moralische Charakter des Mannes wird natürlich von seiner Gattin stark beeinflußt. Eine niedrigere Natur wird ihn herabziehen, eine höhere wird ihn zu sich heben. Jene wird seine Sympathie ertöten, seine Energie verschwenden und sein Leben zerstören, diese aber wird durch die Erwiderung seiner Neigungen seine sittliche Natur stärken und durch ihren beruhigenden Einfluß seine geistige Kraft erhöhen. Nicht nur das: eine Frau von edlen Grundsätzen adelt das Ziel und die Zwecke ihres Gatten, wie eine Frau von niedrigen Grundsätzen dieselben herabdrückt. De Tocqueville war von dieser Wahrheit vollständig durchdrungen. Er behauptete, daß der Mann keine größere Stütze im Leben haben könne als die Verbindung mit einer Frau von gutem Temperament und hohen Prinzipien. Er sagt, daß er in seinem Leben sogar manchen schwachen Mann große Tugenden entfalten sah, weil er an seiner Seite eine Frau von edlem Charakter hatte, die ihn in seiner Laufbahn unterstützte und ihn in seinen Ansichten über die Pflichterfüllung bestärkte, während er andererseits noch öfter einen Mann von großen, hochherzigen Instinkten durch die Berührung mit einer engherzigen Frau, die einer unbezähmbaren Vergnügungssucht ergeben war und deren Geist das große Gebot der Pflicht gänzlich fehlte, in gemeine Selbstsucht herabsinken sah.
De Tocqueville selbst hatte das Glück, eine vortreffliche Gattin zu besitzen, und in seinen Briefen an seine vertrautesten Freunde sprach er mit vieler Dankbarkeit von dem Trost und der Unterstützung, welche er durch ihren Mut, ihre Ruhe und ihren edlen Charakter empfing. Je mehr de Tocqueville von der Welt sah, um so mehr wurde er davon überzeugt, daß zu der Erhaltung der Tugend und Güte des Mannes gesunde, häusliche Zustände erforderlich sind.
In einem seiner Briefe sagt er: »Ich kann dir gar nicht beschreiben, was ich für ein Glück empfinde, immer in der Gesellschaft einer Frau zu leben, in deren Seele sich alles Gute der eignen besser und schöner widerspiegelt. Wenn ich etwas sage oder tue, das mir vollkommen recht erscheint, lese ich immer in Mariens Antlitz einen Ausdruck stolzer Genugtuung, der mich erhebt. Wenn mein Gewissen mich tadelt, so legt sich eine Wolke auf ihr Antlitz. Obgleich ich große Gewalt über ihren Geist habe, sehe ich doch mit Freude, daß sie mir Ehrfurcht einflößt, und so lange ich sie so innig wie jetzt liebe, werde ich mich nie in etwas Schlechtes hineinziehen lassen.«
Auch Guizot wurde in den vielen Wechselfällen und Enttäuschungen seines Lebens durch seine edle Frau gestärkt und ermutigt. Wenn er von seinen politischen Feinden angegriffen wurde, fand er Trost in der zärtlichen Liebe, die sein Haus mit ihrem Sonnenschein erfüllte. Obgleich sein öffentliches Leben seine Kräfte stählte, fühlte er doch, daß es nur kalt und berechnend war und weder der Seele noch dem Charakter etwas bieten konnte. »Den Mann verlangt es nach einem Glück,« sagt er in seinen » Mémoires«, »das ihm so vollständig und zart alle Arbeit und Triumphe in öffentlicher Tätigkeit nicht bieten kann. Was ich jetzt am Ende meiner Laufbahn weiß, habe ich von Anfang an gefühlt. Auch bei großen Unternehmungen bildet das häusliche Glück die Basis des Lebens, und die glänzendste Karriere gewährt nur unvollkommene und oberflächliche Freuden, wenn man den glücklichen Banden der Familie und Freundschaft fern bleibt.« Die Umstände, welche Guizots Werbung und Heirat begleiteten, waren seltsam und interessant. Während er als junger Mann in Paris von dem Ertrag seiner Feder lebte, indem er Bücher, Rezensionen und Übersetzungen schrieb, wurde er zufällig mit Fräulein Pauline de Meulan bekannt, einer Dame von großem Talent, die damals den » Publiciste« herausgab. Nachdem sie von einem schweren Familienunglück betroffen worden war, wurde sie krank und konnte eine Zeitlang die literarische Arbeit an ihrem Journal nicht mehr leisten. In dieser Verlegenheit erhielt sie einen anonymen Brief, der ihr eine Reihe von Artikeln anbot, von denen der Schreiber hoffte, daß sie dem Rufe des » Publiciste« keine Unehre machen würden. Die Artikel kamen rechtzeitig an, wurden angenommen und veröffentlicht. Sie handelten über sehr verschiedene Gegenstände – Kunst, Literatur, Theater und allgemeine Kritik. Als die Herausgeberin endlich von ihrer Krankheit genas, stellte sich der Verfasser der Artikel vor – es war Herr Guizot. Bald wurden sie näher bekannt, liebten sich und nicht lange danach wurden sie ein Paar.
Von dieser Zeit an teilte sie alle Freuden und Leiden, wie auch viele Arbeiten ihres Gatten. Vor der Hochzeit fragte er sie, ob sie wohl alle Wechselfälle seines Geschicks auf sich nehmen wolle. Sie erwiderte, er könne sicher sein, daß sie sich immer leidenschaftlich über seine Triumphe freuen, aber nie über sein Mißgeschick seufzen würde.
Burke war in seiner Ehe mit Miß Nugent, einer schönen, liebevollen und hochsinnigen Frau, außerordentlich glücklich. Die Aufregung und Sorge seines öffentlichen Lebens wurde durch sein häusliches Glück, das vollkommen gewesen sein muß, mehr als aufgewogen. Burke tat den für ihn sehr charakteristischen Ausspruch: der Keim aller Menschenliebe liegt in der Liebe zu dem kleinen Gemeinwesen, dem wir in der Gesellschaft angehören. Die Schilderung, die er von seiner jugendlichen Gattin macht, ist eins der schönsten Wortgemälde: »Sie ist schön, aber ihre Schönheit liegt nicht in den Gesichtszügen, der Farbe oder Gestalt. Sie besitzt das alles in reichem Maße, aber nicht damit spricht sie zum Herzen. Vielmehr jene Liebenswürdigkeit, Unschuld, Menschenfreundlichkeit und Gefühlswärme, die ein Antlitz nur ausdrücken kann, macht ihre Schönheit aus. Sie hat ein Gesicht, auf das man beim ersten Anblick nur eben aufmerksam wird, das aber immer mehr fesselt, bis man sich wundert, daß es zuerst nicht mehr Aufmerksamkeit erregte.
Ihre Augen haben ein mildes Licht, aber sie flößen Ehrfurcht ein, wenn sie nur wollen; sie gebieten, wie ein edler Mann, der aus dem Amte geschieden ist, nicht durch Autorität, sondern durch Tugend. Ihre Gestalt ist nicht groß; sie ist nicht dazu geschaffen, von jedem bewundert zu werden, sondern das Glück eines Einzigen zu sein.
Sie besitzt Festigkeit, doch ohne die Sanftmut auszuschließen, sie besitzt Weichheit, doch ohne Schwäche.
Ihr Stimme ist wie sanfte leise Musik – nicht geeignet, große Versammlungen zu beherrschen, aber die zu fesseln, die eine Gesellschaft von einer Menge unterscheiden können; es hat dies den Vorteil – man muß ihr nahe kommen, um sie zu verstehen. Wer ihre Gestalt beschreibt, der schildert ihre Seele, die eine ist das Abbild der andern. Ihr Verstand zeigt sich nicht in der Mannigfaltigkeit der Dinge, mit denen sie sich beschäftigt, sondern in der guten Auswahl, die sie trifft.
Ihre Höflichkeit entspringt mehr ihrer natürlichen Liebenswürdigkeit als erlernten Anstandsregeln. Daher gefällt sie allen, die etwas von guter Erziehung verstehen und auch solchen, die nichts davon verstehen. Sie hat einen starken und entschlossenen Geist, der ihrem echt weiblichen Charakter ebensowenig Abbruch tut wie Glätte und Glanz dem Marmor schaden. Sie besitzt diejenigen Tugenden, welche uns die wahrhaft großen Eigenschaften unseres Geschlechtes schätzenswert machen. Sie hat eine so bestrickende Anmut, daß wir an ihr sogar das lieben, was wir bei andern als Fehler ansehen«.
Als Gegenstück folge die nicht weniger schöne Zeichnung, die Frau Hutchinson als Witwe von ihrem Mann, dem Republikaner Oberst Hutchinson entworfen hat.
»Diejenigen, welche ausgezeichnete Sterbliche lieben,« sagt sie in der Einleitung zu seiner Lebensbeschreibung, »lassen vielleicht, wenn ihnen durch das unerbittliche Schicksal ihr Idol entrissen wird, alle Stürme der Leidenschaft los, die in Kummerfluten das teure Andenken des Verlorenen wegschwemmen. Wenn man solche Leidtragenden trösten will, pflegt man alle Gegenstände aus ihrem Gesichtskreis zu entfernen, die durch ihren Anblick die Erinnerung an den Verlust von neuem erwecken. Mit der Zeit hat dies Mittel Erfolg, und der Schleier der Vergessenheit senkt sich über das Antlitz des Toten. Weniger Liebenswertes wird dann geliebt, weil ihm dann nicht mehr das Vortrefflichste gegenübersteht. Aber ich, die ich nicht nach der gewöhnlichen Weise verwitweter Frauen jammern darf, suche nach einem Mittel, um meinen Schmerz zu mildern, und doch, wenn es möglich wäre, meine Liebe zu vermehren. Ich kann augenblicklich keines finden, das eurem teuren Vater gerechter würde und mich mehr tröstete, als sein Gedächtnis zu bewahren, welches ich nicht mit solchen Schmeicheleien zu vergolden brauche, wie es erkaufte Priester am Grabe von wirklichen und vorgeblichen Ehrenmännern tun. Eine einfache, ungeschminkte Erzählung, die nur die reine Wahrheit berichtet, wird ihn mit höherem Ruhme bedecken, als alle Lobpreisungen der besten Federn je den Tugenden eines Mannes weihen konnten.«
Folgendes Bild entwirft sie nun von ihrem Gatten:
»Seine eheliche Liebe war so groß, daß er als Vorbild für Ehre, Freundlichkeit und Religion in diesem Verhältnis hätte dienen können. Nie hatte ein Mann eine größere Leidenschaft zu einer Frau oder eine größere Hochachtung. Dabei war er ihr nicht untertan und entäußerte sich nie jener obersten Herrschaft, der zu gehorchen ihr eine Ehre war, sondern führte die Zügel der Herrschaft mit solcher Klugheit und Liebe, daß es der Frau an Verstand hätte gebrechen müssen, die an solcher Unterwerfung nicht Vergnügen gefunden hätte.
Er herrschte nur durch Überredung, und er verlangte nur solche Dinge von ihr, die ihr zu Ehr' und Nutzen gereichten; denn er liebte ihre Seele und Ehre mehr als ihr Äußeres; er hatte für sie eine beständige Nachsicht, welche mehr wert war als die nur vorübergehende Leidenschaft verliebter Narren. Wenn er sie mehr liebte, als sie es an sich verdiente, so war er der Schöpfer der Tugend, die er an ihr entdeckte, während sie nur seine eigene Vortrefflichkeit widerstrahlte. Sie lebte bei seinen Lebzeiten nur für ihn und was sie jetzt ist, kann im besten Falle nur sein bleicher Schatten sein.
So freigebig und großmütig war er gegen sie, daß er nichts von Gütertrennung wissen wollte, und sein Vermögen stand so vollständig zu ihrer Verfügung, daß er nie Rechenschaft über ihre Ausgaben forderte. Er war so beständig in der Liebe, daß er, als sie nicht mehr jung und lieblich war, seine Zärtlichkeit noch vermehrte. Er liebte sie unaussprechlich innig und hochherzig. Doch war auch diese große Liebe einer höheren untergeordnet: Er liebte sie als sein Mitgeschöpf, nicht als sein Idol, aber in einer Weise, die zeigte, daß die Ehe, die auf die Regeln der Pflicht und Ehre gegründet ist, alle unerlaubten Leidenschaften der Welt weit übertrifft. Er liebte seinen Gott noch mehr als sie und alles, was seinem Herzen teuer war, und hätte zu seiner Ehre alles freudig hingegeben«.
Wir haben von dem Einfluß der Frau auf den Charakter des Mannes gesprochen. Es gibt wenige Männer, die sich dem Einfluß einer niedriger gesinnten Gattin entziehen können. Wenn sie das Gute und Edle in seiner Natur nicht kräftigen kann, wird sie ihn schnell zu sich herabziehen. So kann das Weib die guten Eigenschaften eines Mannes fördern oder ersticken.
Frauen sind nicht nur die besten Gefährten, Freunde und Tröster, sondern sie haben sich bisweilen auch als wirksame Gehilfen bei den besonderen Arbeiten ihrer Gatten erwiesen. Galvani war hier besonders glücklich daran. Seine Frau war die Tochter des Professors Galeazzi, und sie soll zuerst darauf aufmerksam geworden sein, daß ein Froschschenkel in der Nähe einer Elektrisiermaschine in Zuckungen geriet, wenn man ihn mit einem Messer berührte. Dadurch soll ihr Mann veranlaßt worden sein, sich mit jenem Wissenszweig zu beschäftigen, der seitdem seinen Namen trägt. Auch die Frau Lavoisiers besaß wirkliche wissenschaftliche Begabung und sie teilte nicht nur seine Arbeiten, sondern gravierte auch die Platten zu den Abbildungen seiner Elemente.
Der Geologe Buckland fand ebenfalls eine treue Gehilfin in seiner Frau, welche ihn mit ihrer Feder unterstützte, seine Fossilien präparierte und ergänzte und viele der Zeichnungen und Illustrationen in seinen Werken anfertigte. »Bei allem Interesse, das sie an den Bestrebungen ihres Gatten nahm,« sagt ihr Sohn Frank Buckland in der Vorrede zu einem Buche seines Vaters, »vernachlässigte sie die Erziehung ihrer Kinder nicht, sondern überwachte jeden Morgen ihre Unterweisung in gesunden und nützlichen Kenntnissen. Ihre Kinder wissen jetzt, in reiferen Jahren, den wahren Wert ihrer Arbeit richtig zu schätzen und fühlen dankbar, welchen Segen sie an ihrer Mutter hatten.«
Über die Mitarbeit, die sie ihrem Gatten leistete, sagt Frank Buckland: »Während der langen Zeit, die Dr. Buckland zu der Abfassung des Buches brauchte, das ich jetzt die Ehre habe, herauszugeben, saß meine Mutter wochen- und monatelang Nacht für Nacht auf, um nach dem Diktate meines Vaters zu schreiben. Das dauerte oft so lange, bis die Morgensonne sich durch die Fensterläden hereinstahl und den Gatten ermahnte, vom Denken, die Gattin, vom Schreiben auszuruhen. Nicht nur mit der Feder leistete sie ihm Beistand, sondern ihr angeborenes Zeichentalent setzte sie in den Stand, genaue Illustrationen und vorzügliche Zeichnungen zu liefern, von denen sich viele in Dr. Bucklands Werken finden. Sie besaß auch in der Ausbesserung zerbrochener Fossilien besondere Geschicklichkeit, und viele Schaustücke, die sich jetzt im Oxforder Museum in natürlicher Form und Schönheit darbieten, waren früher ein Haufen zerbrochener und zerbröckelter Fragmente, die durch ihren beharrlichen Fleiß zu einer Gestalt verbunden wurden«.
Ein noch bemerkenswerteres Beispiel für weibliche Hilfsbereitschaft bietet sich in der Frau des Genfer Naturforschers Huber dar. Huber war seit seinem siebzehnten Jahre blind und doch gelang es ihm, einen Zweig der Naturwissenschaft zu studieren und zu beherrschen, der die größte Beobachtung und die schärfste Sehkraft erforderte. Durch die Augen seiner Frau arbeitete sein Geist, als ob es die eigenen gewesen wären. Sie ermutigte ihren Gatten in seinem Studium als ein Mittel, sein Unglück zu vergessen, was allmählich auch geschah; und sein Leben war ebenso lang und glücklich wie das der meisten Naturforscher. Er erklärte sogar, er würde sich elend fühlen, wenn er das Augenlicht wieder erlangte. »Ich würde dann nie erfahren,« sagt er, »wie sehr eine Person in meiner Lage geliebt wird; außerdem ist für mich meine Frau immer jung, frisch und schön, was nicht wenig heißen will.« Hubers Hauptwerk über die »Bienen« wird noch immer als ein Meisterwerk angesehen. Es enthält eine Menge persönlicher Beobachtungen über ihre Gewohnheiten und Naturgeschichte, und wenn man seine Beschreibungen liest, wird man annehmen, daß der Verfasser sehr gut sah und nicht seit fünfundzwanzig Jahren blind war, als er dies Buch schrieb.
Nicht weniger rührend war die Hingabe, mit der Lady Hamilton sich dem Dienste ihres Gatten, dem verstorbenen Sir William Hamilton, Professor der Logik und Metaphysik an der Universität Oxford, widmete. Nachdem ihn im Alter von sechsundfünfzig Jahren infolge von Überarbeitung der Schlag gerührt hatte, wurde sie Hand, Auge und Geist, kurz alles für ihn. Sie nahm teil an seiner Arbeit, schrieb und korrigierte seine Vorlesungen und nahm ihm alle Arbeit ab, deren sie sich unterziehen konnte. Ihre Führung als Gattin war geradezu heldenhaft, und wahrscheinlich würde ohne ihre Hilfe, die über das gewöhnliche Maß hinausging, das größte Werk ihres Gatten nicht entstanden sein. Er war von Natur unmethodisch und unordentlich, und sie erfüllte ihn mit Methode und Ordnung. Er liebte das Studium, war aber träge, während sie tätig und energisch war. Sie besaß in reichem Maß die Eigenschaften, die ihm mangelten. Er hatte das Genie, wozu ihr starker Charakter Kraft und Nachdruck gab.
Als Sir William Hamilton nach langem und heftigem Streite eine Professur erhielt, prophezeiten seine Gegner, die ihn für einen Phantasten hielten, daß er nie eine ordentliche Vorlesung halten könne und daß sich seine Wahl als ein vollständiger Mißgriff erweisen würde. Er beschloß mit Hilfe seiner Frau, seine Wahl zu rechtfertigen und seine Feinde Lügen zu strafen. Da er keinen Vorrat von Vorlesungen bei der Hand hatte, so arbeitete er jede Vorlesung des ersten Kursus so aus, wie sie am nächsten Morgen gehalten wurde. Seine Frau saß allnächtlich auf, um die Vorlesungen von den Blättern, die er im Nebenzimmer vollkritzelte, schön abzuschreiben. »Bisweilen,« sagt sein Biograph, »wenn der Gegenstand ungewöhnlich schwierig war, saß Sir William bis neun Uhr morgens am Schreibtisch, während seine treue, aber nun ermüdete Gehilfin auf dem Sofa eingeschlummert war.«
Bisweilen wurde erst kurz vor dem Beginn der Vorlesung die letzte Hand an die Arbeit gelegt. So beendigte Sir William mit Hilfe seiner Gattin seinen Kursus; sein Ruf als Dozent war begründet und er war bald in ganz Europa als einer der führenden Geister seiner Zeit bekannt.
Eine Frau, welche durch ihre Gegenwart die Sorgen erleichtert und die Reizbarkeit durch ihre Sanftmut beruhigt und mildert, ist eine Trösterin wie auch eine wahre Gehilfin. Niebuhr bezeichnete seine Frau immer als seine Mitarbeiterin in diesem Sinne. Ohne den Frieden und Trost, den er in ihrer Gesellschaft fand, würde sein Streben verhältnismäßig nutzlos gewesen sein. »Ihre Sanftmut und Liebe,« sagte er, »erheben mich über die Erde und lösen mich gewissermaßen von diesem Leben los.« Aber sie half ihm auch auf andere, direktere Weise. Niebuhr pflegte jede historische Entdeckung, jedes politische Ereignis, jede Neuheit in der Literatur mit seiner Frau zu erörtern, und er arbeitete zunächst um ihren Beifall, ihre Billigung und dann erst zur Belehrung der Welt.
Auch John Stuart Mills Gattin war eine würdige Gehilfin ihres Mannes, wenn auch auf einem schwierigeren Gebiet, wie mir es aus der rührenden Widmung der Abhandlung »Aber die Freiheit« erfahren: – »dem geliebten und beweinten Andenken derjenigen, die mich zu den besten meiner Schriften begeisterte oder sie zum Teil verfaßte – der Freundin und Gattin, deren Sinn für Wahrheit und Recht mein stärkster Antrieb, deren Beifall mein schönster Lohn war – widme ich dies Buch.« Nicht weniger rührend ist das Zeugnis, das ein anderer großer Schriftsteller von dem Charakter seiner Frau ablegt. Auf dem Grabstein der Frau Carlyle auf dem Friedhofe zu Haddington stehen folgende Worte: »In ihrem Leben hatte sie mehr als gewöhnlich Sorgen, aber auch eine sanfte Festigkeit, ein klares Urteil und eine edle Treuherzigkeit, die selten vorkommen. Vierzig Jahre lang war sie die treue und geliebte Gehilfin ihres Gatten, die nicht müde wurde, ihn mit Wort und Tat zu jedem würdigen Unternehmen anzuspornen, das er vollbrachte oder versuchte.«
Nicht nur eine Gehilfin, auch eine Trösterin ihres Gatten kann die Frau sein. Ihre Teilnahme wird nie versagt, und sie besänftigt, erheitert und tröstet ihn. Ganz besonders deutlich zeigt sich dies bei der Frau Tom Hoods, die sich ihm in seinem Leben, das nur eine fortgesetzte Krankheit war, aufopferte, eins der ergreifendsten Schauspiele in einer Lebensgeschichte. Eine hervorragend kluge Frau, erkannte sie das Genie ihres Gatten und tröstete und stärkte ihn durch ihren Zuspruch und ihre Teilnahme zu immer erneuter Anstrengung in dem schweren Kampfe des Lebens. Sie schuf um ihn eine Atmosphäre von heiterer Hoffnungsfreudigkeit, und nie glänzte der Sonnenschein ihrer Liebe so hell, als an dem Krankenlager ihres Gatten.
Er war sich ihres Wertes aber auch bewußt. In einem Briefe an sie, als sie abwesend war, schrieb Hood: »Ich war nichts, Teuerste, bis ich Dich kennen lernte, und ich bin seitdem besser, glücklicher und erfolgreicher gewesen. Diese Wahrheit mußt Du sorgfältig aufheben, Geliebte, und mich daran erinnern, wenn ich sie vergesse. Wenn ich warm und zärtlich schreibe, tue ich das nicht ohne guten Grund. Erstens, wegen Deines letzten, lieben Briefes, dann die Erinnerung an unsere süßen Kleinen, die Pfänder – und was für Lieblinge – unserer alten, innigen Liebe, seiner das lebhafte Verlangen, mein überströmendes Herz vor dem Deinigen auszuschütten und zuletzt, aber nicht am wenigsten die Gewißheit, daß Deine lieben Augen das lesen werden, was meine Hand jetzt schreibt. Vielleicht habe ich auch den Hintergedanken, daß, wenn mir etwas begegnen sollte, meine liebe Frau ein Zeugnis meiner Feder von ihrer Zärtlichkeit, Vortrefflichkeit und Würdigkeit, kurz ihrer Weiblichkeit hat.« In einem anderen Briefe, den er auch während einer kurzen Trennung an seine Gattin richtete, kommt ein Zug vor, der seine tiefe Liebe zu ihr zeigt: »Ich ging in den Park und wandelte unsern Spaziergang wieder, setzte mich auf denselben Sitz und fühlte mich glücklicher und besser.«
Frau Hood war ihrem Manne nicht nur eine Trösterin, sie half ihm auch bei seiner Arbeit. Er setzte solches Vertrauen in ihr Urteil, daß er mit ihrem Beistand alles, was er schrieb, von neuem durchging und korrigierte. Viele seiner Werke waren zuerst ihr gewidmet, und ihr gutes Gedächtnis lieferte ihm die notwendigen Quellenangaben und Zitate. So wird Frau Hood in der Liste der edlen Frauen großer Männer immer einen hervorragenden Platz einnehmen.
Auch Lady Rapier, die Gattin von William Rapier, dem Geschichtsschreiber des Krieges in Spanien, war ihrem Manne eine ebenso tätige Gehilfin. Sie ermutigte ihn, das Werk zu beginnen, und ohne ihre Hilfe würde er großen Schwierigkeiten bei der Abfassung begegnet sein. Sie übersetzte die ungeheure Menge von Dokumenten, von denen viele in Chiffreschrift geschrieben waren und machte Auszüge aus ihnen. Als man dem Herzog von Wellington von der Kunst und dem Fleiß erzählte, mit dem sie die Geheimkorrespondenz des Königs Joseph und die Menge von Briefschaften entzifferte, die man bei Viktoria genommen hatte, sagte er: »Ich hätte damals 20 000 Pfund dafür gegeben, wenn mir das irgend jemand hätte besorgen können.« Da Sir Williams Handschrift fast unleserlich war, so schrieb Lady Rapier seine vielfach korrigierten Manuskripte, die er selbst kaum lesen konnte, schön für den Druck ab. Diese ganze Arbeit unternahm sie, ohne nach dem Zeugnis ihres Gatten die Sorge um den Haushalt und die Erziehung der Kinder zu vernachlässigen. Als Sir William auf dem Totenbett lag, war Lady Rapier selbst schwer krank. Aber man rollte sie auf einem Sofa in sein Zimmer und so nahmen beide schweigend Abschied voneinander. Der Gatte starb zuerst, wenige Wochen später folgte sie ihm und beide ruhen in einem Grab Seite an Seite.
Prüfungen und Leiden stellen eine Ehe erst auf die Probe. Sie entfalten den wahren Charakter und bringen oft die engste Verbindung hervor, ja sie können sogar die Quelle reinsten Glücks werden. Eine ununterbrochene Freude ist wie der fortgesetzte Erfolg weder für den Mann noch die Frau gut. Als Heines Gattin starb, begann er über den erlittenen Verlust nachzudenken. Sie hatten beide die Armut kennen gelernt und miteinander bekämpft. Es war sein größter Schmerz, daß sie ihm entrissen wurde, als das Glück ihm lächelte, aber zu spät, als daß sie daran hätte teilnehmen können. »Ach,« sagte er, unter meine Sorgen muß ich sogar ihre Liebe rechnen – die stärkste und treuste, die je in einem Frauenherzen wohnte – die mich zum Glücklichsten der Sterblichen machte und doch für mich eine Quelle von tausend Kümmernissen, Beunruhigungen und Sorgen war. Zu vollkommener Heiterkeit gelangte sie vielleicht nie; aber was für eine unaussprechliche Süßigkeit, was für hohe, bezaubernde Freuden verdankt die Liebe nicht dem Kummer! Unter wachsenden Sorgen und bitterer Herzensqual bin ich doch durch diesen Verlust, der mir diese Sorgen und Qualen verursacht, unaussprechlich glücklich! Wenn die Tränen unsere Wangen netzten, strömte da nicht ein namenloses, selten gefühltes Entzücken durch meine Brust, die von Sorgen und Freuden gleich bedrückt war!«
Der deutschen Liebe wohnt eine Sentimentalität inne, die den englischen Leser seltsam berührt. Wir finden Proben in den Lebensbeschreibungen von Novalis, Jung-Stilling, Fichte, Jean Paul und anderen. Die deutsche Verlobung ist eine fast ebenso wichtige Zeremonie wie die Heirat selbst, und Brautleute können dort ihre Zuneigung frei kundgeben, während sie in England zurückhaltend und scheu sind, als ob sie sich ihrer Gefühle schämten. Man denke z. B. an Herder, den seine zukünftige Frau zuerst auf der Kanzel sah. »Ich hörte,« sagt sie, »die Stimme eines Engels und herzbewegende Worte, wie ich sie noch nie vernommen. Am Nachmittage traf ich ihn und stammelte meinen Dank; seit dieser Zeit gehörten unsere Seelen einander.« Sie verlobten sich lange zuvor, ehe ihnen ihre Mittel eine Heirat ermöglichten, aber schließlich wurden sie doch vereint. »Wir wurden bei dem rosigen Licht eines schönen Abends vermählt,« sagt Frau Caroline. »Wir waren ein Herz, eine Seele.« Herder war in ebensolcher Begeisterung. »Ich habe eine Frau,« schrieb er an Jakobi, »die der Baum des Lebens, der Trost und das Glück meines Lebens ist. Auch in flüchtigen, vorübergehenden Gedanken, die uns zuweilen überraschen, sind wir eins.«
Bei Fichte ist die Geschichte seiner Brautwerbung und Heirat eine schöne Episode. Er war ein armer deutscher Student und lebte als Hauslehrer in einer Familie in Zürich, als er zuerst die Bekanntschaft von Johanna Maria Rahn, einer Nichte Klopstocks, machte. Obwohl ihre Lebensstellung höher war als die seinige, betrachtete sie ihn doch mit aufrichtiger Bewunderung. Als Fichte Zürich verlassen wollte, nachdem er sich mit ihr verlobt hatte, bot sie ihm Geld an, da sie seine Armut kannte. Dieses Anerbieten verletzte ihn unsäglich und er zweifelte zuerst sogar an ihrer Liebe; aber dann drückte er ihr schriftlich seinen Dank aus und legte ihr die Unmöglichkeit dar, ihr Anerbieten anzunehmen. Er erreichte sein Ziel, obwohl aller Mittel entblößt. Nach langem und hartem Kampfe, der mehrere Jahre andauerte, gewann Fichte doch eine Stellung, in der er heiraten konnte. In einem seiner reizenden Briefe an seine Braut sagt er ... »Und, Geliebteste, so widme ich mich Dir feierlich und danke Dir, daß Du mich nicht für unwert gehalten hast, dein Lebensgefährte zu sein ... Das Leben ist kein Land der Glückseligkeit – das weiß ich jetzt – sondern eine Stätte der Arbeit, wo jede Freude uns zu größerer Arbeit anspornt. Hand in Hand wollen wir hindurchgehen und einander ermutigen und stärken, bis unser Geist, o möge es vereint geschehen, sich zu der Stätte ewigen Friedens schwingt.«
Welcher Gegensatz besteht zwischen der Werbung und dem Eheleben des barschen und praktischen William Cobbett und der ästhetischen und sentimentalen Liebe dieser hochgebildeten Deutschen! Er war nicht weniger ehrlich, nicht weniger wahr, aber manche hätten ihn für verhältnismäßig gewöhnlich und rauh gehalten. Als Cobbett das Mädchen zum ersten Male erblickte, das später seine Frau werden sollte, war sie erst dreizehn und er einundzwanzig Jahre alt – er war Feldwebel in einem Infanterieregiment zu St. John in Neubraunschweig. Er ging eines Tages im Winter an ihrem väterlichen Hause vorbei und sah das Mädchen im Schnee stehen und einen Waschzuber scheuern. Er sagte sofort zu sich: »Das ist ein Mädchen für mich.« Er lernte sie kennen und war fest entschlossen, sie zu heiraten, wenn er loskommen würde.
Am Vorabend ihrer Abreise nach Woolwich, wohin sie mit ihrem Vater, einem Wachtmeister der Artillerie, zurückkehrte, sandte ihr Cobbett hundertfünfzig Guineen, die er sich erspart hatte, damit sie unterwegs nicht für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten brauchte. Das Mädchen reiste ab und nahm das Geld mit. Fünf Jahre später kam Cobbett vom Militär los. Sobald er London erreicht hatte, eilte er sofort zu der Wachtmeisterstochter. »Ich fand,« sagt er, »mein Mädchen als Dienstmädchen (bei schwerer Arbeit) um fünf Pfund jährlich im Hause des Kapitäns Brisac. Fast ohne ein Wort zu sagen, legte sie die ganze Summe von hundertundfünfzig Guineen in meine Hand.« Jetzt kam zu seiner Liebe noch Bewunderung für ihr Betragen dazu, und er heiratete sie kurz danach. Sie erwies sich als eine ausgezeichnete Frau und er wurde nie müde, ihr Lob zu singen, und ihr schrieb er mit Stolz die Behaglichkeit und viele seiner späteren Erfolge zu.
Obgleich Cobbett bei Lebzeiten für einen rauhen, harten, praktischen, vorurteilsvollen Mann angesehen wurde, so ging doch ein starker Unterstrom Poesie durch seine Natur und während er gegen Sentimentalität eiferte, waren wenige Menschen so gefühlvoll im besten Sinne wie er. Er hatte für den Charakter der Frauen die zarteste Rücksicht. Er achtete ihre Reinheit und Tugend, und in seinem »Ratgeber für junge Leute« hat er die echt weibliche Frau gezeichnet – das hilfreiche, heitere, liebevolle Weib – mit einer Lebendigkeit und Klarheit und dabei doch einer Fülle von Verstand, die von keinem englischen Schriftsteller übertroffen wurden. Cobbett war alles andere als feingebildet in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes; aber er war rein, mäßig, selbstverleugnend, fleißig, kräftig und energisch, alles in hervorragendem Maße. Viele seiner Ansichten waren ohne Zweifel falsch, aber sie waren seine eigenen, denn er bestand darauf, über alles selbst nachzudenken. Obwohl wenige Menschen das Leben mit noch festerem Griffe packten, sind doch noch weniger Menschen mehr als er vom Idealismus beherrscht worden. In der Schilderung seiner Empfindungen ist er unübertroffen. In der Tat kann Cobbett als einer der größten Prosadichter, die das englische wirkliche Leben schildern, angesehen werden.