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Seit unvordenklichen Zeiten ist es Mode gewesen, Schwiegermütter der Lächerlichkeit und Verachtung preiszugeben. Ob der Ausdruck »unvordenkliche Zeiten« ganz zutreffend ist, weiß ich nicht, denn ich bin nicht Schriftstellerin von Beruf, und in meiner Jugendzeit wurden junge Mädchen nicht so fein erzogen, als heutigestags. Einfaches Schreiben, einfaches Nähen und einfaches Kochen, und ich kann vielleicht noch hinzufügen, einfach und offen meine Meinung sagen, das ist's, was ich von meiner lieben Mutter gelernt habe.
Meine Mutter sprach immer offen ihre Meinung aus. Häufig habe ich gehört, wie sie meinem Vater sagte, wenn er ihr Vorwürfe über etwas machte, was sie in Gesellschaft gesprochen hatte: »Ich kann nicht anders, Zacharias, ich sage immer offen meine Meinung und werde das stets thun, und wenn sich die Leute beleidigt fühlen, kann ich's nicht ändern.«
Als Mädchen habe ich gesprochen, wie mir der Schnabel gewachsen ist, als junge Frau habe ich's ebenfalls gethan, und jetzt, wo ich eine Frau mittleren Alters bin, thue ich's immer noch, und werde es auch in diesen Erinnerungen thun. Ich weiß, daß ich manchmal damit angestoßen habe. Eine Frau mit vier verheirateten Töchtern, drei verheirateten Söhnen, einer unverheirateten Tochter, die noch bei mir ist, einem lieben, kleinen, nichtsnutzigen Jungen von elf Jahren als Nesthäkchen, einem Manne, der noch nicht einmal »Buh« zu einer Gans sagen kann, es sei denn, die Gans wäre seine eigene Frau, und der während der ganzen fünfundzwanzig Jahre unsrer Ehe alle unangenehmen Dinge zu thun mir überlassen hat, muß hie und da anstoßen, wenn sie ehrlich ist und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Natürlich, wenn mein Mann – nicht, daß ich ein Wort gegen ihn als Mann sagen möchte – seine Pflicht als Gatte und Vater gethan hätte, dann würde ich in gewissen Kreisen nicht im Rufe stehen, ein Drache zu sein. Diesen schönen Ausdruck habe ich einmal von einem jungen Manne aus einer Eisenhandlung in meinem eigenen Hause, meinem eigenen Dienstmädchen gegenüber auf mich anwenden hören.
Drache oder nicht, ich habe seinem Prinzipal nicht gestattet, meinen Mann übers Ohr zu hauen; denn der versteht wirklich nicht besser, was die Sachen wert sind, als ein Kind, und man darf ihn nie allein in einen Laden gehen lassen. Er glaubt alles, was die Kaufleute ihm vorschwatzen, und kann nicht leiden, wenn man »schachert«, wie er's nennt. Ich habe ihn einmal mitgenommen, als ich mir einen Hut kaufen wollte, weil er gesagt hatte, er hätte einen in einem Schaufenster gesehen, der mir sehr gut stehen würde, und ich denke noch daran, was für einen Auftritt er machte. Ich hatte kaum ein halbes Dutzend aufprobiert, als er anfing, mit seinem Spazierstock zu fuchteln und unruhig umherzutrippeln, und er verlangte, ich sollte ein schauderhaftes Ding nehmen, worin ich aussah wie eine Vogelscheuche. Ich wußte gleich, was er wollte. Er meinte, ich mache dem jungen Frauenzimmer im Laden zu viel Mühe. »O, natürlich,« sagte ich, »dir ist's einerlei, ob ich wie eine Vogelscheuche aussehe; du denkst immer nur an andre Leute.«
Ich sprach das laut, und er wurde so rot wie ein Puterhahn, was eine unangenehme Gewohnheit von ihm ist, wenn ich in Gegenwart andrer Leute mit ihm spreche.
»Ich wünsche durchaus nicht, daß du wie eine Vogelscheuche aussiehst, meine Liebe,« stammelte er; »aber du wirst doch nicht sämtliche Hüte im Laden aufprobieren und dann weggehen, ohne einen zu kaufen?«
Mir ist's immer unbegreiflich gewesen, warum Männer eine solche Scheu haben, aus einem Laden wegzugehen, ohne etwas zu kaufen. Die Ladendiener hätten's freilich am liebsten, wenn man alles kaufte, was im Laden ist; aber man geht doch nicht in ein Geschäft, um den Commis einen Spaß zu machen, sondern um seiner selbst willen; und wenn einem die Sachen, die man sieht, nicht gefallen, oder sie sind einem zu teuer, warum soll man dann was kaufen?
Zwei meiner Töchter arten in dieser Hinsicht ihrem Vater nach. Ich habe es erlebt, daß meine Tochter Sabine, wenn wir bei Shoolbred oder Whiteley oder Marshall oder Snelgrove waren und nichts gefunden hatten, was uns gefiel, wieder zurückrannte, wenn wir schon draußen waren, und irgend einen albernen, nichtsnutzigen Firlefanz für fünfzig Pfennige kaufte, und wenn ich ihr wegen dieser Geldverschwendung Vorwürfe machte, dann sagte sie: »O, Mama, wir haben den Leuten so viele Mühe gemacht; ich mußte doch etwas kaufen.«
Der alberne Gedanke, etwas kaufen zu müssen, hat auch meinen Mann dazu gebracht, den Essig- und Oelständer bei dem Eisenhändler in Tottenham Court Road zu nehmen, der nachher den jungen Menschen veranlaßte, mich meinem eigenen Zimmermädchen gegenüber Drache zu nennen. Und das unverschämte Frauenzimmer hatte die Frechheit – es wußte nicht, daß ich auf der Treppe stand – zu sagen, das wäre ich auch, und ich würde dem armen Herrn bis an sein seliges Ende wegen des Essig- und Oelständers die Ohren voll reden. Der arme Herr! Ich muß wirklich sagen! Na, ich habe ihr den armen Herrn angestrichen, und am nächsten Ersten ging sie, und wenn ihre Mutter nicht gekommen wäre und hätte sich auf meine Muttergefühle berufen, dann wäre ihr ein Zeugnis mitgegeben worden, das sie nicht hinter den Spiegel gesteckt haben würde. Aber heutigestags nehmen sich die einfältigen Dienstboten viel zu viel heraus.
Dem Eisenhändler habe ich auch keine Schmeicheleien, aber ordentlich meine Meinung gesagt, und das thäte ich unter allen Umständen wieder, und wenn es zwanzig Eisenhändler wären.
Die Sache kam nämlich so: Eines Tages beim Essen sagte ich, wir hätten keinen anständigen Essig- und Oelständer. Wir hatten ja ein paar, aber es waren lauter so schwache, dumme, wackelige Dinger, und ich mußte immer an den meiner lieben Mutter denken, den ich als Kind so bewundert hatte, und der wirklich jedem Tische zur Zierde gereichen konnte. Meine beiden Jungen wollten sich Pfeffer nehmen, und dabei stießen sie den Ständer um, und das schöne reine Tischtuch (eins von meinem besten Dutzend) war ein See von Essig, Oel und Worcestersauce, von Senf gar nicht zu reden. Ich sprach mich also ganz unverhohlen aus und sagte, das sei nicht die Sorte von Essig- und Oelständer, die ich erwartet, als ich einen wohlhabenden Mann geheiratet hätte.
Was thut mein armer, thörichter Mann, der gutherzigste Mensch, der jemals geatmet hat? Er rennt am nächsten Tage zu dem Eisenhändler in Tottenham Court Road und läßt sich die besten Essig- und Oelständer zeigen, die der hat. Warum er in einen Eisenladen gegangen ist, weiß ich nicht, und ganz besonders in so einen, der so viel Reklame macht und Feuerzangen und Müllschippen vor der Thür hängen hat, um Käufer anzulocken; aber da ist er hingegangen, und der Eisenhändler mag wohl auch gleich gemerkt haben, wes Geistes Kind ihm da in die Hände gelaufen war, und beschwätzt ihn, ein gemeines, großes, garstiges Ding zu kaufen und sechs Guineen dafür zu bezahlen. Sowie es gebracht wurde, sah ich auf den ersten Blick, daß es Plunder war, und als John – so heißt mein Mann – mir sagte, was er dafür bezahlt habe, war ich geradezu entsetzt. »Wenn du dir einbildest, daß ich mich so beschwindeln ließe, dann bist du auf dem Holzwege. Ich werde das Ding sofort zurückschicken und das Geld wieder verlangen.«
Und nun fing er an zu reden und sagte, er hätte es gekauft und bezahlt, und es wäre weiter nichts als Vorurteil von mir, weil er es ausgesucht hätte. Ueber eine Stunde haben wir geredet und geredet, aber er war eigensinnig und sagte, ich könne nicht erwarten, daß er in den Laden ginge und dem Manne sagte, seine Frau sei der Ansicht, er wäre ein Esel. Dieser Satz scheint mir nicht ganz klar zu sein. Mit dem »sein« und »er« kann ich nie ordentlich zurechtkommen; ich bin eben keine Schriftstellerin von Beruf, aber daß des Eisenhändlers Frau behauptet habe, er – das heißt ihr Mann – sei ein Esel, wollte ich nicht sagen, denn davon weiß ich nichts. Es ist so viel leichter, auszusprechen, was man meint, als es zu schreiben, und es gelang mir, meinem Manne meine Meinung begreiflich zu machen. »Wenn du den Essigständer nicht zurückbringen willst, dann werde ich es thun,« und ich wickelte ihn in das lumpige, dünne rosa Seidenpapier, worin er gebracht worden war, nahm ihn am Henkel und machte mich sofort auf den Weg.
Als ich in den Laden kam, stellte ich ihn auf den Tisch und sprach zum Kaufmann, der mich anglotzte, als ob er noch nie eine entrüstete Frau gesehen hätte: »Sie werden so gut sein und mir die sechs Guineen, die mein Mann, Mr. Tressider, gestern für dieses erbärmliche Ding bezahlt hat, zurückgeben.«
»Ich verstehe Sie wohl nicht recht, Madame?« »O, ich werde Ihnen schon klar machen, was ich meine,« antwortete ich. »Mein Mann versteht nichts von Essigständern und hat Ihnen sechs Guineen für diesen bezahlt. Ich weiß, wie ein Essigständer beschaffen sein muß, und ersuche Sie, mir das Geld wiederzugeben.« »Wenn Sie damit nicht zufrieden sind, Madame, bin ich gern bereit, ihn umzutauschen – aber wieder herausbezahlt haben wir noch nie etwas.«
»Dann müssen Sie's jetzt zum erstenmal thun.«
Er räusperte sich und starrte mich an, aber ich ließ mich nicht ins Bockshorn jagen, denn ich wußte, daß ich ihm über war. Er konnte mich nicht hinauswerfen, und die andern Kunden hatten ihre Verhandlungen unterbrochen und hörten auf uns. Wie ich später erfuhr, war eine Dame da, die eine große Bestellung für eine Aussteuer machte; sie stand ganz dicht bei mir und konnte jedes Wort verstehen. Der Kaufmann fürchtete vielleicht, sie möchte mißtrauisch werden und glauben, sie sei, wie mein Sohn John sagt, »vor die falsche Schmiede gekommen«. Jedenfalls sah er, daß er mit einer entschlossenen Frau zu thun hatte. So nahm er denn einen andern Ton an und sagte laut: »Ich wünsche keinem meiner Kunden einen Gegenstand aufzunötigen, der ihm nicht gefällt, und werde Ihnen das Geld zurückgeben, um weitere unangenehme Auseinandersetzungen zu vermeiden.« Und das that er.
Ich ging triumphierend nach Hause und legte das Geld vor meinen Mann auf den Tisch. »Da,« sagte ich, »wenn du dir den Rock vom Leibe schwatzen lassest, meinen kriegen sie nicht so leicht.«
Und dann steckte ich das Geld in meine Tasche und ließ ihn sitzen. Er ist lange Zeit nicht wieder in einen Laden gegangen, um Einkäufe fürs Haus zu machen, und ich habe mich mit dem alten Essigständer beholfen.
Ich habe diesen kleinen Vorfall erzählt, um dem Leser eine schwache Vorstellung von der Verantwortlichkeit zu geben, die als thatsächliches Familienhaupt auf meinen Schultern lag. Einen besseren Mann, als meiner in vieler Hinsicht ist, kann sich keine Frau wünschen, und ich muß ehrlich gestehen, ich wollte, meine Töchter wären ebenso glücklich angekommen. Aber wenn alles Unangenehme der Frau überlassen bleibt, dann kann man sich nicht wundern, daß sie in den Ruf kommt, das zu sein, was der unverschämte Schlingel aus der Eisenhandlung – er brachte nur eine ausgebesserte Kohlenschaufel wieder, und wenn ich's gewußt hätte, wäre die Arbeit nie seinem Prinzipal gegeben worden – einen Drachen genannt hatte. Weiß der Himmel! Ich habe genug erlebt, was auch eine geduldigere Frau zum Drachen gemacht hätte! Man erzieht keine neun Kinder und verheiratet sieben davon, ohne daß man seinen Aerger hat und gelegentlich das Vertrauen in die menschliche Natur verliert, ganz zu schweigen von den Dienstboten und einem Manne, der, wenn auch ein sehr tüchtiger Geschäftsmann, bei der geringsten Unannehmlichkeit ganz hilflos ist und dabei doch so am Hause hängt, daß ich ihn nur mit der größten Schwierigkeit überreden konnte, um der Mädchen willen manchmal in Gesellschaft zu gehen. Nette Partieen hätten sie gemacht, wenn ich nicht gewesen wäre, und auch so mache ich mir wegen zweier meiner Schwiegersöhne ernstliche Sorgen. Meine Mädchen – Gott segne sie! – sind immer die besten Töchter gewesen, und jetzt sind sie Frauen, auf die jeder Mann stolz sein kann, aber ich habe meinen Mann nie dahin bringen können, die einem Schwiegervater gebührende Stellung einzunehmen. Wenn einmal ein ernstes Wort nötig war, dann mußte ich es immer sprechen, während ich doch der Ansicht bin, daß es des Vaters Sache ist, die Schwiegersöhne in Ordnung zu halten.
Man sagt gewöhnlich, ein Sohn sei ein Sohn, bis er sich eine Frau nehme, und eine Tochter bleibe das ganze Leben lang eine Tochter, und ich war von vornherein entschlossen, daß meine Töchter meinem Einfluß nie ganz entzogen werden oder meinen Rat entbehren sollten, wenn sie einen eigenen Haushalt hätten. Was meine Sühne anlangt – nun, ich kann nur sagen, daß ich anders für sie gewählt haben würde. Was aus John Tressider geworden wäre, wenn ich meines zweiten Sohnes William Frau geglichen hätte, weiß ich. Sie ist ein allerliebstes Frauchen und ihr Benehmen ganz reizend, so daß es wirklich schwer ist, sie zu tadeln, aber ihre Ansichten sind nicht die meinen. Ich zweifle manchmal, ob sie überhaupt Ansichten hat. Wenn die Leute sagen: »Wie reizend ist Ihres zweiten Sohnes Frau,« dann muß ich immer den Kopf schütteln, Ihre Schönheit, ihr einnehmendes Wesen – denn das besitzt sie unleugbar – haben William ganz blind dagegen gemacht, daß sie nichts vom Hauswesen versteht. Ich war geradezu entsetzt, als mir William einmal sagte, wie hoch seine Haushaltsrechnungen seien und wie viel er für ihre Kleider bezahle. Ich habe versucht, ihm Vorstellungen zu machen, und ihm zugeredet, einmal ernstlich mit Marion, so heißt sie nämlich, zu sprechen, und der ganze Dank, den ich davon hatte, war, daß er sagte: »O, Mutter, ich bitte dich um alles in der Welt, laß nur Marion in Frieden; sie ist so empfindlich und würde es sich so furchtbar zu Herzen nehmen. Sie hat die ganze Zeit über dem Metzgerbuch geweint, seit du den Rechenfehler von neun Schillingen gefunden hast. Du hast's ja gewiß herzlich gut gemeint, liebe Mutter, aber das und deine Frage bei unserm letzten Diner, wie viel sie für das Hammelfleisch bezahle, hat sie ganz unglücklich gemacht. Sie meint, du hieltest sie nicht für die rechte Frau für mich.«
Natürlich entgegnete ich, es sei doch eigentlich sehr hart, daß ich auch nicht die kleinste Bemerkung machen könne, ohne beschuldigt zu werden, meines Sohnes häusliches Glück zu untergraben. Ich habe bei der erwähnten Gelegenheit allerdings kein Blatt vor den Mund genommen, und ich hätte meine Pflicht als Mutter versäumt, wenn ich's gethan hatte.
Es kam so natürlich, William gab ein kleines Mittagessen, eine reine Familiengesellschaft; niemand, als seine und der lieben Marion (sie ist wirklich ein liebes Kind) Angehörige, und während wir beim Essen saßen, sprachen wir darüber, wie furchtbar teuer jetzt alles in London sei, und da sagte ich zu meiner Schwiegertochter: »Was bezahlst du denn in diesem Stadtteil für das Hammelfleisch, liebe Marion?«
Kann eine Schwiegermutter wohl eine harmlosere Frage stellen? Und doch, es ist kaum zu glauben, wurde das einfältige Ding puterrot, fing an zu stottern und sagte, sie wisse es nicht.
»Was? Das weißt du nicht?« entgegnete ich, »Rechnest du denn das Metzgerbuch nicht nach? Lässest du ihn anschreiben, was er Lust hat?«
Ich sprach ganz freundlich; aber mein Mann fing an, mir zuzublinzeln, und William, mein Sohn, starrte mich wütend an. Er hat eine sehr unangenehme Gewohnheit, einen anzustarren, die ich ihm schon, als er noch ein Kind war, abzugewöhnen versucht habe. Ich kann mir gar nicht erklären, wo er diese Gewohnheit her hat, denn sein Vater thut es nicht, und auch in meiner Familie war ein solches Anstarren nie Mode.
»Was ist denn los?« fragte ich, und dann bemerkte ich, daß dem albernen Ding die Augen voll Wasser standen. Das ärgerte mich, und ich sprach es auch aus, nicht unfreundlich, aber fest.
»Mein Kind,« sagte ich, »es thut mir leid, wenn ich dir wehe gethan habe, aber es war nur meine Mutterliebe, die mich zum Sprechen veranlaßte. Wenn es William gleichgültig ist, was du für das Hammelfleisch bezahlst, dann geht mich die Sache ja weiter nichts an.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, und dann begann mein Mann eine von seinen einfältigen Geschichten zu erzählen, aus der ersten Zeit, wo wir anfingen, hauszuhalten. Das that er natürlich nur, um dem Gespräch eine andre Wendung zu geben. Er hat die Geschichte schon an die hundert Mal erzählt, und sie wird immer sehr belacht, deshalb kommt er immer damit; ich habe aber nie herausfinden können, wo der Witz steckt.
Die Geschichte, die er immer sehr übertreibt, ist nämlich so: Kurze Zeit nach unsrer Verheiratung fand ich einmal eine Cigarrenrechnung von meinem Manne, und da ich gern wissen wollte, was alles kostet, fragte ich ihn, wie viele Cigarren er für das viele Geld bekäme, und er sagte es mir. Ich habe vergessen, wie viele es waren, aber ich weiß noch, daß nach meiner Rechnung jede etwa sechs Pence kostete.
Ich meinte, das wäre doch ein furchtbares Stück Geld für ein erbärmliches kleines Ding, das ein Mann in einer halben Stunde in die Luft pafft, und als ich eines Tages an einem Laden vorbeiging und einige Cigarrenkisten im Schaufenster sah mit einem Zettel daran: »Vorteilhafter Gelegenheitskauf,« kam mir der Gedanke, ich wollte einmal sehen, ob ich John seine Cigarren nicht billiger beschaffen könnte. Ich trat also ein, fragte nach dem Preise, und der Krämer sagte mir, das Kistchen von hundert Stück koste zehn Schillinge sechs Pence. Ich kaufte ein Kistchen und nahm es mit nach Hause, »Lieber John,« sagte ich, als er aus dem Geschäft kam, »ich glaube, es wäre besser, wenn du es in Zukunft mir überließest, deine Cigarren zu kaufen. Ich kann sie für zehn Schillinge sechs Pence das Hundert bekommen, und du hast fünfzig Schillinge bezahlt.« Mein Mann nahm eine heraus, betrachtete und beroch sie, fing an zu lachen und sagte, er wäre mir sehr verbunden, allein er möchte um meinetwillen noch ein paar Jahre leben. Ich glaube, er hat sie dem Gärtner geschenkt, der damals noch einmal wöchentlich kam, bis ich entdeckte, daß wir für seinen ganzen Jahreslohn nur vier Geranien und den Schmutz, den er an seinen Stiefeln mitbrachte, kriegten, und da habe ich der Geschichte ein Ende gemacht und den Garten mit Hilfe der Dienstboten selbst besorgt.
Ich weiß bis heutigestags nicht, weshalb John die Cigarren nicht rauchen wollte, weil ich weniger als den gewöhnlichen Preis dafür bezahlt hatte, Cigarre ist Cigarre, und die rauchten ganz prachtvoll, denn ich bin dem Gärtner einmal an einem Sonntag begegnet, wie er eine im Munde hatte, und sie roch viel stärker als die, die mein Mann gewöhnlich raucht. Aber alle Leute lachten über die Geschichte; ich ließ sie ruhig lachen und sagte weiter nichts.
Nach dem Essen kam William zu mir.
»Mutter,« sprach er, »ich weiß, du meinst es gut, aber Marion ist so ängstlich, und keine junge Frau hat es gern, wenn sie in Gegenwart ihrer Gäste als dumm hingestellt wird. Bitte, laß das in Zukunft.«
»O ja, William,« versetzte ich, »wenn es deine Frau nicht leiden kann, daß ich am Tische meines eigenen Sohnes einmal eine Bemerkung mache –«
Er sah, daß ich verletzt war, nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und küßte mich. »Sei doch nicht ärgerlich, liebes Mütterchen. Wir wollen nicht mehr darüber reden. Du weißt, daß Marion dich für die vollendetste Hausfrau hält, die je gelebt hat, und das thue ich auch.«
William war immer ein guter Sohn, und sein Herz ist noch jetzt so weich und sanft, wie es als Kind war. Ich kann ihm nicht böse sein und habe das nie gekonnt, aber trotz alledem bin ich der Ansicht, daß eine junge Frau, die nicht weiß, was sie dem Metzger für Hammelfleisch bezahlt, nicht die rechte Frau ist für einen Mann, der sich sein tägliches Brot verdienen muß.
Schwiegermütter sind immer mißverstanden worden und werden es wohl auch stets werden. Niemand hat die Sache bis jetzt von ihrem Standpunkt aus beleuchtet. Das ist der Zweck meines Buches, und deshalb habe ich mich jetzt, wo alle meine Kinder bis auf zwei verheiratet sind und mir viel Zeit zur Verfügung steht, entschlossen, die Sache der am schwersten verleumdeten Menschenrasse auf der ganzen Welt zu vertreten. Ich bin fest überzeugt, daß sie in einem ganz andern Lichte erscheinen wird, wenn ich meine Erfahrungen erzählt habe. Daß ich dabei einige meiner Schwiegersöhne kränken und daß auch ein paar von meinen Schwiegertöchtern brummen werden, ist wohl vorauszusehen und thut mir auch leid, aber ändern kann ich's nicht; ich habe nie ein Blatt vor den Mund genommen und werde gewiß in meinen alten Tagen nicht damit anfangen.
Es ist die höchste Zeit, daß jemand ein Wort für die Schwiegermütter einlegt. In den meisten Büchern, die ich gelesen habe, sind sie ganz falsch dargestellt, und auf der Bühne werden sie immer lächerlich gemacht, wenn nicht noch was Schlimmeres. Ich habe niemals begriffen, weshalb ein so abgeschmacktes Vorurteil gegen sie besteht. Daß ein Mann, der ein junges, vertrauendes Mädchen, das noch nichts vom Leben weiß, heiratet, nicht gerade gern sieht, daß seine Schwiegermutter, eine erfahrene Frau von Welt, zu viel sehe oder wisse, kann ich wohl verstehen, aber es ist doch die Pflicht einer jeden Mutter, ihrer Tochter den richtigen Weg zu zeigen, wie sie ihren Mann behandeln muß, und ihr die Wohlthat der Erfahrungen zu teil werden zu lassen, die das arme Ding (die Schwiegermutter) mit Schmerzen erkauft hat.
Ich habe von jeher die Absicht gehabt, meine persönlichen Erlebnisse aufzuschreiben, und habe mir zu dem Zwecke Aufzeichnungen gemacht und ein Tagebuch geführt. Das habe ich immer unter Schloß und Riegel gehalten, denn mein Mann hat die sehr unangenehme Gewohnheit, jedes Stückchen beschriebenes Papier, das zufällig auf meinem Tische liegen bleibt, aufzunehmen und zu lesen; und ins Tagebuch schreibt man doch mancherlei, was nicht gerade für jedermanns Auge ist. Kommt mir nur nicht damit, daß Neugier ein vorherrschend weiblicher Fehler sei. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die halb so neugierig war, als einige Herren, die ich kenne. Hm, hm! Aber mein Tagebuch hat mein Mann nie zu sehen bekommen, und von meiner Absicht, meine Erfahrungen als Schwiegermutter zu veröffentlichen, weiß er auch nichts. Wenn ich ihm auch nur den leisesten Wink gegeben hätte, dann hätte er, wie ich keinen Augenblick bezweifle, in seiner thörichten, weichherzigen Art alle möglichen Einwendungen gemacht und gesagt, meine Schwiegersöhne und -töchter würden wenig erbaut von meiner Absicht sein.
Da ich aber nichts sagen werde als die Wahrheit, sehe ich wirklich nicht ein, was sie dagegen haben können. Jedenfalls werde ich sie nicht um Erlaubnis fragen. Was ich thue, das thue ich im Interesse einer sehr zahlreichen und sehr verkannten Menschenrasse, und wenn auch die Schwiegersöhne und -töchter hie und da Gesichter schneiden werden – es gibt eben wenig Menschen, die die Wahrheit vertragen können – bin ich ganz sicher, daß ich, ehe ich fertig bin, jede Schwiegermutter auf Gottes Erdboden zu Dank verpflichtet haben werde.
Soviel will ich als Einleitung über mich selbst vorausschicken. Etwas mußte ich sagen, obgleich ich nie zu den Leuten gehört habe, die viel von sich selbst reden. Aber ich möchte nicht gern mißverstanden werden, wenn ich auch eigentlich daran gewöhnt sein müßte, denn mein Mann hat mich nie verstanden, und meine Kinder haben auch meine mütterliche Sorge und Vorsicht für ihr Wohlergehen nicht so zu würdigen gewußt, wie ich das wohl hätte wünschen mögen. Ich bin aber nie davor zurückgeschreckt, meine Pflicht zu thun, und ich werde unerschütterlich fortfahren, sie zu thun, so lange mein Name Jane Tressider ist.
Ich werde nun zu meiner ersten Erfahrung als Schwiegermutter übergehen, oder vielmehr als zukünftige Schwiegermutter, dem peinlichen Augenblick, wo ich erfuhr, daß meine älteste Tochter Sabine Neigung zu einer nicht zum häuslichen Kreise gehörigen Persönlichkeit gefaßt hatte, und daß ein junger Mann wünschte, sie aus dem Schoße der Familie zu entführen und ihrer hingebenden Mutter zu entreißen! Für eine liebevolle Mutter ist es natürlich ein schwerer Schlag, wenn sie Anzeichen wahrnimmt, daß das erste ihrer Kinder den Schutz ihrer mütterlichen Fittiche zu verlassen wünscht. Ich schäme mich nicht, zu gestehen, meine erste Empfindung, als ich hörte, daß sich ein junger Mann in meine Tochter verliebt habe, war Entrüstung. Allerdings hatte ich auch Grund zur Entrüstung. Ich halte sein Benehmen – allein der junge Mann soll der Gegenstand meiner zweiten Erinnerung werden.