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Großes Gelächter und noch größeres Geschrei

Am andern Tag lief Meister Hirsebrei in aller Herrgottsfrühe in die Gasse, in der Madame Käsewurm wohnte. Er wollte sehen, ob die Kasperles wieder erwacht waren. Heimlich hoffte er, sie schliefen noch, würden überhaupt das Aufwachen wieder, wer weiß wie lange, verschlafen. Doch die beiden waren putzmunter, sie saßen im Bett und lachten wie Kinder vor Kasperlebuden lachen.

»Was haben Sie denn?« brummte Meister Hirsebrei und sah Madame Käsewurm an, der das Weinen näher war als das Lachen. Sie wußte offenbar nicht für was sie sich entscheiden sollte, für das Lachen oder das Weinen.

Als aber das Kasperle schrie: »Nichts wie Loch,« da lachte sie doch.

»Was haben Sie denn?« fragte Meister Hirsebrei zum zweitenmale, und auch Meister Drillhose fragte es, der eben in die Stube trat.

»Löcher in den Hosen,« sagte Madame Käsewurm und hielt Kasperles grünseidene Kasperleshosen hoch, die waren ganz und gar von oben bis unten zerschlissen und Bimlims Höslein und seidenes Röcklein, die Madame Käsewurm auch zeigte, waren nicht besser.

»Was soll ich denn anfangen?« rief das alte Fräulein verzweifelt, »nun haben sie nicht mal Hosen.«

»Mach uns welche,« riet Kasperle.

»Das kann ich nicht, Jungenhosen habe ich noch nie gemacht.«

»Huch, doch keine Jungenhosen, Kasperlehosen,« schrie Peringel und wäre, so wie er war, über den Tisch gepurzelbaumt, wenn Meister Drillhose ihn nicht gehalten hätte. »Hiergeblieben. Und richtige Jungenhosen werden gekauft. Kasperlehosen kriegt ihr später zum Kaspern, aber auf der Straße müßt ihr in Jungenhosen gehen.«

»Nä,« schrie Kasperle.

»Ich mag nicht,« schrie der Prinz.

Aber das Geschrei half ihnen wenig, Meister Drillhose ging selbst, die Jungenhosen, Schuhe und Strümpfe kaufen, nachdem er vorher den beiden Maß genommen hatte. Er ging und blieb nicht allzulange aus, denn das Kleidergeschäft war um die Ecke herum. Er brachte zwei blaue Matrosenanzüge, die den beiden Kasperles gar nicht gefielen. »Man kann darin nicht kaspern,« jammerte Peringel. Und schwuppdiwupp schlug er einen Purzelbaum über Tisch und Stühle und riß sich ein Dreieck in seine neuen Hosen.

Meister Drillhose drohte mit dem Stock, und Madame Käsewurm schalt.

Peringel aber lachte. Er lachte wirklich.

Meister Hirsebrei fand das frech. Peringel, der Schlingel, aber sagte: »Ihr wißt gar nicht, wie Kasperles sind.«

Da schwiegen die drei alten Leute, denn das wußten sie wirklich nicht, sie dachten wieder, das Aufwachen war recht überflüssig, was sollen wir in unserer Armut mit zwei Kasperles, die so viel essen und Hosen zerreißen und wer weiß was noch anstellen.

»Jetzt gehen wir,« rief auf einmal Meister Hirsebrei.

»Wohin?«

»Zu Herrn Stopps.«

»Ach, der wird auch nicht helfen.«

»Er muß helfen.« Kasperle schlug schon wieder einen Purzelbaum, doch ohne ein neues Loch in die Hose zu reißen. Und Madame Käsewurm fragte: »Mußt du denn immer Purzelbäume machen?«

»Ja doch, es ist fein, Probier’s mal.«

Aber Madame Käsewurm zeigte keine Lust, sich in ihren alten Tagen aufs Purzelbaumen zu verlegen, sie sagte: »Das ist dumm, das können jetzt alle Kinder.«

»Können sie nicht,« schrie Kasperle beleidigt und dabei flog er wie ein Gummiball auf den Schrank, Himmel und pardauz, da lag Madame Käsewurms gute Kaffeetasse am Boden.

»Du bist doch arg schlimm,« schalt die alte Dame und machte ein ganz böses Gesicht, und flugs machte ihr Kasperle das Gesicht nach. Dafür bekam er einen derben Katzenkopf, und das alte Fräulein erklärte, Peringel wäre viel ungezogener als Bimlim.

»Dafür heißt er auch Peringel, der Schlingel,« sagte Meister Drillhose. »Aber nun wollen wir zu Herrn Stopps gehen. Kasperles betragt euch manierlich.«

Das war leichter gesagt als getan. Kaum waren die beiden Kasperlespieler auf der Straße, da fuhr ein Auto vorbei. »Nimm dich in acht,« schrie Meister Hirsebrei.

Das Auto sehen und nachrennen war eins für Peringel. Weil das Rennen nicht schnell genug ging, purzelbaumte er, und die alten Kasperlespieler und Bimlim standen da und staunten dem Auto und dem purzelbaumenden Kasperle nach.

Das Auto fuhr flink, Kasperle war auch flink und auf einmal heida, heida, schoß er in das Auto hinein, gerade einem dicken Herrn auf den Bauch.

»Uff,« sagte der.

»Puff,« sagte Kasperle.

»Wo kommst du denn her. Wer bist du denn?«

»Kasperle. Wer bist du denn?«

»So ein frecher Bengel nennt mich du!« Der dicke Herr war ganz erstaunt über dieses Maß von Frechheit, aber Kasperle war nicht minder erstaunt, daß er frech sein sollte. Er hatte bisher doch alle Menschen mit du angeredet. Darum sagte er: »Ich bin doch nicht frech, ich bin doch nur ein Kasperle.«

»Wer bist du?«

»Ein Kasperle.«

»Wer . . . . . ?«

Weil Kasperle dachte, der Herr höre schwer, schrie er laut: »Kasperle Peringel . . . . .«

»Schlingel,« schrie der Herr, »ich bin doch nicht taub, was willst du mir denn da für eine Lügengeschichte aufbinden.«

Stopp! hielt das Auto mitten auf der Straße. Der Fahrer drehte sich um und fragte: »Wo warst du so lange?«

»Ich habe geschlafen.«

»Wie lange?«

»Fünfundsiebzig Jahre.«

»Das ist lange,« schrie der dicke Herr, »ich hab mal sechsunddreißig Stunden geschlafen, da dachten schon alle, ich wäre tot, aber weil ich so geschnarcht habe . . . . .«

Es hörte aber niemand auf ihn, denn Kasperle brüllte mitten hinein in seine schöne Rede: »Du bist Mister Stopps!« Und heidi hoppsasa turnte Peringel über den dicken Herrn weg und fiel dem Fahrer um den Hals.

»Du kennst mich doch gar nicht,« sagte der.

»Doch, ich kenne dich und deine Frau, die Prinzessin Gundolfine.«

»Er meint meinen Großvater,« sagte der Herr.

»Gelt du bist Mister Stopps?« fragte Kasperle eindringlich.

»Herr Stopps bin ich schon, aber nicht der, den du gekannt hast. Nun erzähle mal, wo du zuhause bist, und wie bist du denn hereingekommen ins Auto?«

»Hereingesprungen ist er, mir gerade auf den Bauch,« klagte der dicke Herr.

»Ich hab’s nicht gehört,« sagte Herr Stopps.

»Du bist wohl taub,« schrie Kasperle.

»Er duzt Sie auch,« sagte der dicke Herr, der Möller hieß.

»Na ja, er ist doch ein Kasperle.«

»Er ist ein Wunder, ich werde ihn kaufen und verkaufen.«

»Ich gehe nicht mit dir,« schrie Kasperle erschrocken.

»Mein Großvater hat ihn mal für zwei Millionen gekauft, ihn aber dann wieder hergeben müssen,« erzählte Herr Stopps.

»So viel Geld?« staunte der andere, »das würde ich nicht für so ’n dummes Ding geben,« sagte Herr Möller.

»Davon ist auch Torburg wieder aufgebaut worden und darum heißt eine Straße Stopps-Straße. Aber nun erzähle mal Kasperle, wo du herkommst, oder besser warte, erzähle mir alles zu Hause, im Auto versteht man sich doch nicht so gut. Da ist mein Haus.«

Es war ein großes, schönes Haus, vor dem das Auto hielt, und Kasperle spazierte vergnügt hinein. Er vergaß die alten Kasperlespieler und Bimlim, die durch die Straßen liefen und ihn suchten, denn sie hatten nicht erkannt, wer in dem Auto saß.

»Willst du essen?« fragte Herr Stopps.

»Ja!« schrie Kasperle und riß seinen Mund auf, als sollte ein gebratenes Hühnchen hineinspazieren.

»Wieviel Bissen hast du heute schon gegessen?«

»Gar nicht viel,« sagte Kasperle, obgleich er schon ein halbes Brot vertilgt hatte.

»Ich esse jeden Morgen zehn Bissen und zu Mittag fünfundzwanzig Bissen und zum Abend wieder fünfundzwanzig Bissen, dazwischen nochmal zehn Bissen, das sind siebzig Bissen den Tag. Wieviel ißt du Kasperle?«

»Das weiß ich nicht.«

»Du mußt aber zählen, wenn du mir versprichst zu zählen, gebe ich Geld für dich.«

Das war eine schwere Sache und Kasperle sagte ganz kläglich: »So weit kann ich nicht zählen.«

»Wie weit kannst du denn zählen?«

»Bis drei,« schrie Kasperle und hielt vier Finger hoch.

»Dann werde ich aufpassen, daß du nicht zuviel ißt. Jetzt bekommst du etwas zu essen.«

Kasperle fand das gar nicht nett, daß ihm die Bissen in den Mund gezählt werden sollten, und als er ein Stück Kuchen bekam und Herr Stopps sagte: »Das sind acht Bissen, wir wollen mal zählen, dabei lernst du es gleich,« machte er kein vergnügtes Gesicht.

»Eins,« sagte Herr Stopps, »sage nur nach, was ich sage, also eins, zwei . . . . .«

»Eins, zwei,« sagte Kasperle.

»Wo ist denn der Kuchen!« rief Herr Stopps.

»Runter!« schrie Kasperle.

»Das waren acht Bissen, ich hab’s ausprobiert,« rief Herr Stopps ärgerlich.

»Bei mir waren es zwei und das ist einer,« und mit diesen Worten steckte Kasperle einen ganzen Mohrenkopf in den Mund.

Herr Stopps war starr, so etwas war ihm noch nicht vorgekommen.

»Für dich muß ich das Essen besonders ausrechnen,« sagte er, »du darfst nur zwanzig Bissen täglich essen.«

»Das ist zu wenig,« schrie Kasperle, »hundert Bissen will ich.«

»Das ist viel zuviel, aber erst mußt du zählen lernen.«

»Mit Kuchen,« schrie Kasperle und steckte eine Sahnenschnitte in den Mund, »eins,« dann griff er nach einem Käsekuchen, aber Herr Stopps rief: »Das ist zu teuer.«

Da machte Kasperle ein Gesicht wie einstmals die Prinzessin Gundolfine, und Herr Stopps schrie: »Er sieht wie meine Großmutter aus!«

»Teufels Großmutter war das,« brummte Kasperle, aber Herr Stopps hatte das doch verstanden und nahm es sehr übel. Er fuhr Kasperle an: »Was sagst du da?«

»Teufels Großmutter hieß das Gesicht immer, wenn ich kasperte, ich kann noch mehr Gesichter machen.« Und flugs sah er aus wie der alte Herr Stopps.

O Kasperle, das war dumm.

Herr Stopps nahm den Großvater noch mehr übel als die Großmutter, und als gar Kasperle sagte: »Ich kann auch ein Gesicht wie du machen,« da sagte er zu seinem Freund Möller: »Ich werde Kasperle nauswerfen.«

Kasperle fing ein Mordsgebrüll an und Herr Stopps schrie erschrocken: »Still, still!«

Aber Kasperle war nicht still, er dachte, wenn ich recht schreie, gibt er mir vielleicht den Kuchen, der noch übrig ist und vergißt das Nauswerfen. Aber Herr Stopps vergaß nur das Kuchengeben, nicht das Nauswerfen. Er rief seinen Diener und sagte zornig: »Das ist ein unverschämter Kerl, der muß nausgeworfen werden.«

»Es ist doch ein Kasperle,« rief Herr Möller, »es soll zu mir kommen, ich will es für meine Kinder behalten.«

Aber das wollte Kasperle nicht. Er purzelbaumte über den Diener hinweg und war draußen, ehe sich einer noch recht besonnen hatte. Draußen auf der Straße stieß Kasperle heftig jemand an, und eine Stimme rief: »Kasperle, wo kommst du denn her?«

Es war Meister Drillhose, der so sagte, und Meister Hirsebrei und Bimlim standen auch dabei. Da erzählte Kasperle seine Erlebnisse, und er dachte, er werde nun sehr bedauert werden. Aber es kam anders. Meister Hirsebrei schalt, und Meister Drillhose schalt noch viel mehr und beide sagten, zuhause werde es Kasperle schlimm ergehen. Kasperle heulte laut, so laut, daß sich die Vorübergehenden umsahen. »Was fehlt denn dem Kind?« fragte eine Dame.

»Er ist ungezogen.«

»Was hat er denn gemacht?«

»Das,« schrie Kasperle, dem das Gefrage dumm vorkam, und schnitt der Dame ein Gesicht, wie es weiland die Prinzessin Gundolfine gemacht hatte, wenn sie schlechter Laune gewesen war. Und sie war oft schlechter Laune gewesen.

»Uh je!« Die Dame prallte zurück und schrie: »Das ist ja gar kein Kind, das ist ein Kobold!«

»Nä,« rief Kasperle, »das bin ich nicht, ich bin ein Kasperle.«

»Das gibt es ja gar nicht, Kasperles sind nicht lebendig, die sind von Holz.«

»Ich bin nicht von Holz,« und huppdiwupp purzelte Kasperle über die Dame hinweg, daß sich diese gleich in den Straßenschmutz setzte.

Meister Drillhose schalt, Meister Hirsebrei schalt, wer aber nicht schalt, das war die Dame. »Den Kasper muß ich haben! Was kostet so ein Ding?«

»Ich bin kein Ding, ich koste zwei Millionen,« schrie Kasperle die Dame an, als wäre die stocktaub.

»Zwei Millionen ist zu viel,« rief die Dame, »aber mein Mann muß mir so ein Kasperle kaufen, weil ich so viel Langeweile hab. Ich bin Frau Möller.«

Weg war Kasperle. Er dachte: »Nun kauft sie mich, das ist die Frau von dem dicken Mann.«

»Wo ist Kasperle?«

»Da rennt er!« Bimlim tat zum ersten Mal seinen Mund auf.

»Hole ihn doch, Bube,« rief die Dame.

Da rannte Bimlim Kasperle nach, und beide rannten mehr Menschen um, als bei Glatteis hinfielen. Sie sahen nicht rechts, nicht links, rannten und rannten. Bimlim holte Kasperle nicht ein, und der wäre noch wer weiß wohin gelaufen, wenn nicht plötzlich ein starker Mann »Halt!« gerufen und eine grobe Faust fest zugepackt hätte.

Ein Schutzmann stand da, dick und groß wie ein Baum.

»Warum rennst du so?« fragte er.

»Weil mich Frau Möller kaufen will,« rief Kasperle kläglich.

»Holla, hier werden keine Menschen gekauft, das ist Lüge.«

»Ich bin auch kein Mensch.«

»Wer bist du denn?« fragte der Schutzmann verwundert.

»Ein Kasperle.«

»Das gibt’s nicht.«

»Doch das gibt es. Der da ist auch ein Kasperle.« Peringel zeigte auf Bimlim.

Da nahm der Schutzmann den auch beim Kragen und rief: »Marsch fort zur Wache wegen falscher Namensangabe. Kasperles gibt’s nicht!«

»Doch, die gibt’s, ich will dir zeigen was ich kann.«

»Man duzt keinen Schutzmann.«

»Wie soll ich denn sagen?« rief Kasperle verwundert.

»Sie natürlich.«

»Also Sie, ich will dir zeigen, was ich kann.«

»Du bist frech.«

»Ich bin ein Kasperle.«

Da kam ein anderer Schutzmann, Leute sammelten sich an und der erste Schutzmann dachte, ausreißen können sie nicht, und ließ die beiden los.

Peringel flüsterte Bimlim etwas zu und dann schrie er: »Platz da, ein Kasperle kommt!«

Und eins, zwei, drei purzelbaumte er den Leuten über die Köpfe hinweg, und Bimlim, der es nicht so gut konnte, schlug allen Leuten mit den Beinen ins Gesicht.

Aber das Ausreißen gelang nicht. Der zweite Schutzmann holte Kasperle ein, einer faßte Bimlim, der ihn gerade an die Nase gestoßen hatte, und dann mußten alle beide mit auf die Wache gehen. Sie schrien und jammerten sehr, aber es half ihnen alles nichts, sie wurden abgeführt.


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