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Des Herzogs Palast in Meiland.
Der Herzog, Thurio und Protheus treten auf.
Der Herzog. Signor Thurio, ich bitte euch, entschuldiget uns für eine Weile; wir haben von einigen besondern Angelegenheiten miteinander zusprechen. (Thurio geht ab.) Nun saget mir Protheus, was habt ihr anzubringen?
Protheus. Mein Gnädigster Herr, was ich entdecken soll, befiehlt mir das Gesez der Freundschaft zu verhehlen; allein wenn ich mir die Gnaden-Bezeugungen zu Gemüth führe, womit ihr mich, so unwürdig als ich bin, überhäuft habt, so treibt mich meine Pflicht Euch etwas zu eröffnen, das sonst alle Vortheile der ganzen Welt nicht aus mir herausziehen würden. Wisset dann, erlauchter Fürst, daß Signor Valentin, mein Freund, entschlossen ist, in dieser Nacht eure Tochter wegzustehlen, und ich selbst zum Vertrauten in diesem geheimen Anschlag gemacht worden bin. Ich weiß, daß ihr eure schöne Tochter dem Thurio zugedacht habt, ob sie ihn gleich hasset; und daß euerm Alter nichts empfindlicher fallen könnte, als sie auf eine so unanständige Art zu verlieren. Ich habe also, aus pflichtgemässem Eifer mich entschlossen, eher meinem Freund in seinem Vorhaben hinderlich zu seyn, als durch dessen Verheelung über euer Haupt eine Last von Kummer häuffen wollen, die euch in ein unzeitiges Grab hätte niederdrüken können.
Herzog. Protheus, ich danke dir für deine Redlichkeit und Sorgfalt; alles was ich vermag, um sie zu erwiedern, soll, so lang ich lebe, zu deinen Diensten seyn. Ich habe selbst schon oft bemerkt, daß sie einander liebten, ob sie sich gleich einbildeten, daß ich fest eingeschlaffen sey; und schon mehrmal bin ich im Begriff gewesen, dem Signor Valentin ihre Gesellschaft und meinen Hof zu verbieten: Allein, aus Furcht, mein Mißtrauen möchte zu weit gehen, und um den Mann nicht unverdienter Weise zu beschimpfen, (eine Hastigkeit, wovor ich mich jederzeit gehütet habe,) gab ich ihm freundliche Blike, bis ich dasjenige selbst ausfündig gemacht habe, was du mir izt entdekt hast. Und damit du sehen mögest, daß der Gedanke, wie leicht die unschuldige Jugend mißleitet werden kan, mich nicht sorglos seyn ließ, so verschliesse ich sie des Nachts allemal in einen hohen Thurm, wozu ich allein den Schlüssel habe; und dort kan sie unmöglich herausgestohlen werden.
Protheus. Wisset, Gnädigster Herr, daß sie ein Mittel gefunden haben, wie er ihr Kammerfenster ersteigen, und sie auf einer Strikleiter herablassen könne; er ist nun gegangen sie zu holen, und kommt uns eben izt mit ihr in den Weg. Ihr könnt ihn auffangen, wenn es euch beliebt; aber, ich bitte Eu. Gnaden, es auf eine so behutsame Art zu thun, daß er nicht merken könne, daß ich ihn verrathen habe; denn es ist meine Liebe zu euch, nicht Haß gegen meinen Freund, was mich zu dieser Entdekung bewogen hat.
Herzog. Auf meine Ehre, er soll niemals erfahren von wem ich sie habe.
Protheus. Ich entferne mich, Gnädigster Herr; Signor Valentin nähert sich.
(Protheus geht ab.)
Valentin tritt auf.
Herzog. Wohin so schnell, Signor Valentin?
Valentin. Gnädigster Herr, zu einem Fremden, der im Begriff ist abzugehen, und der Briefe an meine Freunde mitnehmen will.
Herzog. Ist so viel an diesen Briefen gelegen?
Valentin. Mein Wohlaufseyn, und mein glüklicher Aufenthalt an Euer Gnaden Hof macht den ganzen Inhalt davon aus.
Herzog. So haben sie nicht viel zu bedeuten; bleibet ein wenig bey mir, ich muß mit euch von einer gewissen Sache reden, die mich sehr nah' angeht, und die ich dir in geheim anvertrauen will. Es ist dir nicht unbekannt, daß ich gewünscht habe, meinen Freund, Signor Thurio, mit meiner Tochter zu vermählen.
Valentin. Ich weiß es, Gnädigster Herr, und in der That die Partey wäre reich und anständig; Thurio ist ein tugendhafter und verdienstvoller Edelmann, und besizt alle Eigenschaften, die ihn einer Gemahlin, wie eure schöne Tochter, würdig machen. Kan Euer Gnaden sie dann nicht gewinnen, vorteilhaft für ihn zu denken?
Herzog. Nein, glaubt mir's; sie ist eigensinnig, ungefällig, stolz, ungehorsam, unbiegsam; sie liebt mich nicht als mein Kind, und fürchtet mich nicht als ihren Vater. Ich gestehe dir, diese undankbare Aufführung hat ihr alle meine Liebe entzogen, und da ich die Hoffnung aufgeben muß, in ihrer kindlichen Zärtlichkeit das Vergnügen und den Trost meines übrigen Lebens zu finden: So bin ich nun vollkommen entschlossen, mich wieder zu vermählen, und sie ihrem Schiksal zu überlassen. Ihre Schönheit mag ihr Heurath-Gut seyn, da sie auf mich und meine Güter so wenig Achtung macht.
Valentin. Und was will Eu. Gnaden, daß ich in dieser Sache thun soll?
Herzog. Es ist hier in Meiland eine junge Dame, die ich liebe: allein sie ist überaus zurükhaltend und spröde, und meine bejahrte Beredsamkeit findt keinen Eingang in ihr Herz: ich will dich also zu meinem Rathgeber machen, (denn es ist schon lange, daß ich die Kunst verlernt habe, den Damen den Hof zu machen, und zudem, so haben sich auch die Sitten und Manieren indeß geändert,) wie und auf was Art ich es anstellen soll, um vor ihren schönen Augen Gnade zu finden.
Valentin. Wenn sie auf Worte nichts giebt, so suchet sie mit Geschenken zu gewinnen; der Glanz der Juweelen hat eine Art von stummer Beredsamkeit, die oft mehr über weibliche Herzen vermag, als die beweglichste Reden.
Herzog. Aber sie verschmähte ein Geschenk, das ich ihr schikte.
Valentin. Ein Frauenzimmer stellt sich oft, als ob sie verachte was ihr am angenehmsten ist; schikt ihr ein andres, gebt die Hoffnung niemals auf. Wenn sie sauer sieht, so geschieht es nicht weil sie euch haßt, sondern um eure Liebe noch stärker anzufachen; wenn sie euch wegzankt, so ist ihre Meynung nicht daß ihr gehen sollt. Schmeichelt ihr, lobet sie, erhebt, vergrössert ihre Reizungen; streichet sogar ihre Fehler als Tugenden heraus; sie mögen noch so schwarz seyn, sagt, sie haben Engels-Gesichter. Wahrhaftig, der Mann, der eine Zunge hat, ist kein Mann, wenn er mit dieser Zunge nicht ein Weib gewinnen kan.
Herzog. Allein die Dame, die ich meyne, ist von ihren Freunden an einen jungen Cavalier von Verdiensten versprochen, und wird so sorgfältig vor allen andern Mannsleuten verborgen, daß es unmöglich ist, bey Tag Zutritt zu ihr zu erhalten.
Valentin. So wollt' ich sehen, ob ich nicht bey Nacht zu ihr kommen könnte.
Herzog. Aber die Thüren sind alle wol verschlossen, und die Schlüssel werden in Verwahrung genommen.
Valentin. Was hinderts, daß man durch ihr Fenster hinein kommen könnte?
Herzog. Ihr Zimmer ligt sehr hoch, und die Mauer ist so beschaffen, daß man ohne augenscheinliche Lebensgefahr nicht versuchen könnte, hinauf zu klettern.
Valentin. So ist eine gute Strikleiter mit einem paar eisernen Ringen hinlänglich, den Thurm einer andern Hero zu ersteigen, wenn ein Leander da ist, der Muth genug hat, ein Abentheuer zu wagen.
Herzog. Das Mittel gefällt mir, Signor Valentin; ich bitte dich, sage mir, wie ich zu einer solchen Leiter kommen kan.
Valentin. Bis wann habt ihr sie nöthig, Gnädigster Herr?
Herzog. Gleich diese Nacht; du weissest wol, daß die Liebe ein Kind ist, das nicht erwarten kan bis es das hat, wornach es gelüstet.
Valentin. Bis sieben Uhr will ich euch eine solche Leiter verschaffen.
Herzog. Aber, hör' einmal; ich möchte allein zu ihr gehen; wie muß ich es machen, daß ich die Leiter an Ort und Stelle bringe?
Valentin. Sie wird so leicht seyn, Gnädiger Herr, daß ihr sie ganz bequem unter einem Ueberrok tragen könnt, der nur ein wenig Länge hat.
Herzog. Ist ein Rok wie der deinige, lang genug?
Valentin. Ja, Gnädigster Herr.
Herzog. So laß mich deinen Ueberrok recht besehen; ich will davor sorgen, daß ich einen von der nemlichen Länge kriege.
Valentin. Das ist unnöthig, Gnädigster Herr, ein jeder Ueberrok ist lang genug dazu.
Herzog. Wie muß ich mich dazu gebehrden, wenn ich einen Ueberrok trage? Ich bitte dich, laß mich den deinigen probieren – – Wie? was für ein Brief ist das? – – An Silvia – – und hier ein Instrument, wie ich's zu meinem Vorhaben brauche? Ich will so frey seyn, und fürs erste dieses Sigel erbrechen – – (Er ließt den Brief.) – – Wie? was bedeutet das? – – Silvia, diese Nacht will ich dich in Freyheit sezen: So ist's, und hier ist die Leiter zu der Unternehmung. Wie, du Phaeton, du willst dich anmassen, den himmlischen Wagen zu regieren, um durch deine Tollkühnheit die Welt in Flammen zu sezen? Willt du die Sterne erreichen, weil sie dich anscheinen? Geh, niederträchtiger Verführer! schmeichlerischer Sclave! Geh, bringe deine liebkosende Künste bey deines gleichen an; und schreib es meiner Geduld, nicht deinem Verdienst zu, daß du unbestraft von hinnen kommst: Diese lezte Gnade überwiegt alle andern, die ich an dich verschwendet habe. Aber wenn du dich länger in unsern Gebieten verweilest, als nöthig ist, um mit schleunigster Eil unsern fürstlichen Hof zu verlassen; beym Himmel, so soll mein Grimm weit über die Liebe gehen, die ich jemals zu meiner Tochter oder dir selbst getragen habe. Geh, ich will keine kahle Entschuldigung anhören; mache, so lieb dir dein Leben ist, daß du bald von hinnen kommst.
(Der Herzog geht ab.)
Valentin. Und warum nicht lieber sterben, als immer auf der Folter leben? Sterben ist von mir selbst verbannt seyn: Und Silvia ist ich selbst; von ihr verbannt ist Selbst von Selbst geschieden: Ein wahrer Tod! Welches Licht ist Licht, wenn es mir Silvia nicht sichtbar macht? Welche Freude ist Freude, wenn Silvia nicht Antheil nimmt? OSilvia! wenn ich nicht bey dir bin, so ist keine Musik in dem nächtlichen Gesang der Nachtigall! Und wenn ich bey Tage dich nicht sehe, so seh' ich keinen Tag! Du bist mein Wesen, und ich höre auf zu seyn, wenn der Einfluß deiner schönen Blike mich nicht bestralt, erwärmt, erleuchtet und im Leben unterhält! Nein, ich fliehe den Tod nicht, den dieses tödtliche Urtheil mir andräuet; bleibe ich hier, so erwart' ich nur den Tod; flieh ich von hier, so flieh ich vom Leben weg.
Protheus und Lanz treten auf.
Protheus. Lauff, Junge, lauff, lauff, und such' ihn auf.
Lanz. Holla he! Holla he!
Protheus. Was siehst du?
Lanz. Ihn, den wir suchen; es ist kein Haar auf seinem Kopf, das nicht ein Velten ist.
Protheus. Valentin
Valentin. Nein.
Protheus. Was denn? Sein Geist?
Valentin. Auch nicht.
Protheus. Was denn?
Valentin. Niemand.
Lanz. Kan niemand reden? Herr, soll ich schlagen?
Protheus. Wen willt du schlagen?
Valentin. Niemand.
Protheus. Halt, Schurke!
Lanz. Wie, Herr, ich schlage niemand: ich bitte euch
Protheus. Halt ein, sag ich: Valentin, ein Wort mit euch
Valentin. Meine Ohren sind mit schlimmen Zeitungen so voll gestopft, daß sie keine gute hören können.
Protheus. So will ich die meinigen in Stillschweigen begraben, denn sie sind hart und übellautend.
Valentin. Ist Silvia todt?
Protheus. Nein, Valentin.
Valentin. Ist sie mir untreu worden?
Protheus. Nein.
Valentin. Was ist denn eure Neuigkeit?
Protheus. Daß du verbannt bist; o! das ist die traurige Neuigkeit! von hier, von Silvia, und von deinem Freunde.
Valentin. Weiß es Silvia, daß ich verbannt bin?
Protheus. Ja, und sie hat über dein Urtheil, welches unwiderruflich in seiner vollen Kraft besteht, eine See von schmelzenden Perlen zu den Füssen ihres unerbittlichen Vaters ausgegossen; mit ihnen sich selbst zu seinen Füssen hingeworfen, und ihre schönen Hände ringend um deine Begnadigung gefleht. Aber weder ihr Aechzen noch ihre Thränen konnten den unbarmherzigen Alten rühren; Valentin muß sterben, wenn er ergriffen wird. Alles was sie mit ihrer Fürbitte gewonnen hat, war, daß sie unter den härtesten Bedrohungen, in engere Verwahrung gebracht worden ist.
Valentin. Genug, mein Freund, es wäre dann, daß das nächste Wort, das du reden wolltest, eine tödtende Kraft hätte: Wenn das ist, so bitt' ich dich, rede, und ende auf einmal meinen endlosen Schmerz.
Protheus. Halt' ein mit Klagen, die dein Unglük nicht ändern können, und denke darauf, wie du dem Uebel begegnen wollest, das du beklagst. Die Zeit ist die Säugamme und Pflegerin alles Guten; wenn du hier verweilst, so geschieht es ohne Nuzen für deine Liebe, und auf Gefahr deines Lebens. Hoffnung ist der Stab eines Liebhabers; mit diesem wandre von hinnen, und vertreibe damit die verzweifelnden Gedanken. Deine Briefe können hier seyn, wenn du gleich selbst abwesend bist; übermache sie an mich, und ich verspreche dir, sie unmittelbar in den milchweissen Busen deiner Geliebten zu überliefern. Es ist izt keine Zeit zu Klagliedern; komm, ich will dich bis durch die Stadt-Thore begleitete, und, eh ich dich verlasse, mich ausführlich über alles was deine Liebe betrift mit dir besprechen. Wenn du es auch nicht um dein Selbst willen thun willt, so thu es aus Liebe zu Silvia, und folge mir.
Valentin. Ich bitte dich, Lanz, wenn du meinen Kerl siehst, so heiß ihn eilen, und an dem nördlichen Thor auf mich warten.
Protheus. Geh, such ihn auf: Kommt, Valentin.
Valentin. O meine theure Silvia! Unglüklicher Valentin!
(Sie gehen ab.)
Lanz (allein.) Ich bin nur ein Narr, seht ihr, und doch hab' ich den Verstand zu merken, daß mein Herr eine Art von Spizbuben ist: Aber das ist all eins, wenn er's nur von Einer Art ist. Der soll noch gebohren werden, der es weiß daß ich verliebt bin, und doch bin ich verliebt; aber das soll man mit Pferden nicht aus mir heraus ziehen, und auch nicht in wen ich verliebt bin, und doch ist es ein Weibsbild; aber was es vor ein Weibsbild ist, das wollt' ich nicht einmal mir selbst gestehen, und doch ist es ein Milchmädchen; aber es ist doch kein Mädchen, denn sie hat Gevatterinnen; und doch ist es ein Mädchen, denn sie ist ihres Herrn Mädchen und dient um Lohn: Sie hat mehr Qualitäten als ein Pudel der ins Wasser geht, und das ist viel an einem Christen-Menschen. Hier ist ein Register von ihren Paupertäten, (er zieht ein Papier heraus,) imprimis, sie kan ziehen und tragen; nun, das ist doch alles was ein Pferd thun kan; nein, ein Pferd kan nur ziehen, und also ist sie noch besser als eine Mähre. Item, sie kan melken; seht ihr, das ist eine schöne Tugend an einem Mädchen, das saubere Hände hat.
Speed zu ihm.
Speed. Nun, wie gehts, Signor Lanz? Was giebt's neues bey Eurer Herrlichkeit? Was habt ihr da vor ein Papier?
(Hier fangt sich ein Dialogus unter diesen beyden Pikelhäringen an, dessen eine Hälfte zu abgeschmakt ist, um der Uebersezung werth zu seyn, wenn es auch möglich wäre, Wortspiele und frostige Spässe deutsch zu machen. Speed ließt den Catalogus der Eigenschaften von Lanzens Liebste ab; zuerst von ihren Tugenden, worüber Lanz sehr kühle Anmerkungen macht; nun folgen ihre Mängel.)
Speed. Item, sie ist nicht gut nüchtern küssen.
Lanz. Gut, das ist ein Fehler, der durch ein Frühstük verbessert werden kan.
Speed. Item, sie hat sanfte Lippen.
Lanz. Das ist ein Ersaz für ihren sauren Athem.
Speed. Item, sie redt langsam.
Lanz. O der Schurke! das unter ihre Fehler zu sezen! Langsam im Reden seyn, ist eines Weibsbilds gröste Tugend; ich bitte dich, streich es aus, und sez' es zu oberst über ihre Tugenden.
Speed. Item, sie bildet sich viel ein.
Lanz. Das auch aus; das ist ein Vermächtniß das Eva allen ihren Töchtern hinterlassen hat.
Speed. Item, sie ist zu freygebig.
Lanz. Mit ihrer Zunge kan sie nicht zu freygebig seyn, denn wir haben's schwarz auf weiß, daß sie eine schwere Zunge hat; mit ihrem Beutel soll sie's auch nicht seyn, denn den will ich für mich behalten; nun ist noch etwas womit sie freygebig seyn kan, und davor weiß ich keinen Rath.
(In diesem Ton geht es noch eine Zeitlang fort, bis Lanz endlich gut findt, dem Speed zu sagen, daß ihn sein Herr vor dem Stadt-Thor erwarte. Speed wünscht ihm und seinen Liebes-Briefen die Pest, weil er ihn so lang unnüzer Weise damit aufgehalten, und Lanz freut sich, daß Speed wegen dieser Verzögerung Schläge kriegen werde; und damit exeunt.)
Der Herzog und Thurio treten auf.
Herzog. Signor Thurio, zweifelt nicht, daß ihr nun ihr Herz gewinnen werdet, da Valentin aus ihrem Gesicht verbannt ist.
Thurio. Sie begegnet mir seit seiner Verweisung noch weit schlimmer als zuvor; sie hat meine Gesellschaft verschworen, und mir ihre Verachtung so nachdrüklich erklärt, daß ich alle Hoffnung aufgebe, sie zu gewinnen.
Herzog. Glaubt mir, diese Eindrüke von Liebe sind wie eine Figur in Eis geschnitten, die von der Wärme einer einzigen Stunde in Wasser aufgelöst wird. Ein wenig Zeit wird ihre gefrornen Gedanken schmelzen, und der unwürdige Valentin wird vergessen werden.
Protheus zu den Vorigen.
Woher, Signor Protheus? Hat sich euer Landsmann, unserm Ausspruch gemäß, davon gemacht?
Protheus. Ja, Gnädigster Herr.
Herzog. Meine Tochter nimmt seine Entfernung schwer auf sich.
Protheus. Ein wenig Zeit wird diesen Schmerz vertreiben.
Herzog. Das glaub ich auch; aber Thurio denkt nicht so. Protheus, die gute Meynung, die ich von dir gefaßt habe, macht, daß ich kein Bedenken trage, vertraulich mit dir zu reden.
Protheus. Möge der Augenblik, da ich gegen Euer Gnaden untreu befunden werde, der lezte meines Lebens seyn!
Herzog. Du weissest, wie gern ich die Heurath zwischen meiner Tochter, und Signor Thurio zu Stande brächte.
Protheus. Ich weiß es, Gnädigster Herr.
Herzog. Es ist dir vermuthlich auch nicht unbekannt, daß sie sich meinem Willen entgegensezt.
Protheus. Sie that es, Gnädigster Herr, als Valentin hier war.
Herzog. Ja, und beharrt noch immer auf ihrem verkehrten Sinn. Was können wir thun, um dem Mädchen die Liebe zu Valentin aus dem Kopf zu bringen, und zu machen, daß sie Signor Thurio liebe?
Protheus. Der kürzeste Weg wäre, den Valentin bey ihr zu verlästern, und ihn der Untreue, der Feigheit und einer niedrigen Herkunft zu beschuldigen; drey Dinge, die den Damen äusserst verhaßt sind.
Herzog. Aber sie wird glauben, man sag' ihm das nur aus Haß nach.
Protheus. Ja, wenn ein Feind es sagte; es muß ihr also, mit allen Umständen, von jemand beygebracht werden, den sie für seinen Freund hält.
Herzog. So müßtet ihr diese Rolle auf euch nehmen.
Protheus. Und das, Gnädigster Herr, würd' ich sehr ungern thun; es ist eine Rolle, die einem Edelmann nicht allzuwol ansteht, zumal gegen seinen Freund.
Herzog. Wo euer Vorwort ihm nichts nüzen kan, da kan ihm auch nicht schaden wenn ihr übel von ihm redet; diese Gefälligkeit ist also in Absicht auf ihn gleichgültig, und derjenige, der euch darum ersucht, ist euer Freund.
Protheus. Ich ergebe mich, Gnädigster Herr: Sie soll ihn nicht lange mehr lieben, wenn alles was ich zu seinem Nachtheil sprechen werde, diese Würkung thun kan. Aber gesezt, dieses entwende ihr Herz dem Valentin, so folgt darum nicht, daß sie den Signor Thurio lieben muß.
Thurio. Ihr müßt also zu gleicher Zeit, da ihr seiner Liebe entgegen arbeitet, das Beste der meinigen besorgen; und das wird geschehen, wenn ihr allen den Werth mir beyleget, den ihr dem Signor Valentin benehmt.
Herzog. Und, Protheus, wir sezen in dieser Sache ein desto vollkommners Vertrauen in euch, da wir aus Valentins Erzehlung wissen, daß ihr euer Herz bereits unwiderruflich verschenkt habt. Auf diese Sicherheit hin sollt ihr freyen Zutritt bey meiner Tochter haben, um euch ohne Zeugen und ungestört mit ihr besprechen zu können; sie ist verdrieslich, düster und schwermüthig; aber ihr werdet ihr um euers Freundes willen angenehm seyn; und dieses wird euch alle Gelegenheit verschaffen, sie durch eure Vorstellungen wider den jungen Valentin, und zu Gunsten meines Freundes einzunehmen.
Protheus. Ich will thun was ich kan; aber ihr, Signor Thurio, müßt an euerm Theil auch lebhafter agiren als bisher; ihr müßt ihrer Neigung Neze legen; zärtliche Sonnete, mit ihrem Lob und euern Gelübden angefüllt, würden gute Dienste thun.
Herzog. In der That, die Poesie hat eine grosse Gewalt über das Herz.
Protheus. Sagt, ihr opfert auf dem Altar ihrer Schönheit eure Thränen, eure Seufzer, euer Herz; schreibt, bis eure Dinte dik wird, und giesset sie mit euren Thränen wieder auf; ihr habt eben nicht nöthig es würklich so zu machen, genug, wenn etliche weinerliche Zeilen sie bereden, daß ihr's so gemacht habt. Die Laute des Orpheus war mit poetischen Seyten bezogen; diese Laute, deren goldne Griffe Stahl und Steine erweichte, Tyger zähmte, und ungeheure Leviathans aus grundlosen Tiefen hervorzog, und auf Sandbänken tanzen machte. Wenn ihr dann durch eure klägliche Elegien ihr Herz zu rühren angefangen habt, so kommt des Nachts mit Musicanten vor ihr Kammer-Fenster: Singt in ihre Instrumente ein melancholisches Lied; das todte Schweigen der Nacht befördert die Würkung so angenehm-klagender Schmerzen; und wenn das sie nicht gewinnt, so kan sie durch nichts gewonnen werden.
Herzog. Dein Rath beweist, daß du selbst verliebt gewesen bist.
Thurio. Und ich will ihn heute Nachts ins Werk sezen. Komm also, mein liebster Protheus, wir wollen gehen und etliche gute Musicanten zusammen bringen; ich habe ein Sonnet, das sich sehr gut zu unsrer Absicht schikt.
Herzog. So macht also eure Sachen, ihr Herren.
Protheus. Wir wollen Euer Gnaden bis nach dem Nacht-Essen aufwarten; es wird alsdann noch Zeit genug seyn, unsre Anstalten zu machen.
Herzog. Nein, nein, macht sie izt gleich; ich überhebe euch alles andern Dienstes.
(Sie gehen ab.)