William Shakespeare
Wie es euch gefällt
William Shakespeare

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Zweite Szene

Eine Esplanade vor des Herzogs Palast

Rosalinde und Celia treten auf

Celia. Ich bitte dich, Rosalinde, liebes Mühmchen, sei lustig.

Rosalinde. Liebe Celia, ich zeige mehr Fröhlichkeit, als ich in meiner Gewalt habe, und du wolltest dennoch, daß ich noch lustiger wäre? Kannst du mich nicht lehren, einen verbannten Vater zu vergessen, so mußt du nicht verlangen, daß mir eine ungewöhnliche Lust in den Sinn kommen soll.

Celia. Daran sehe ich, daß du mich nicht in so vollem Maße liebst, wie ich dich liebe. Wenn mein Oheim, dein verbannter Vater, deinen Oheim, den Herzog, meinen Vater verbannt hätte, und du wärst immer bei mir geblieben, so hätte ich meine Liebe gewöhnen können, deinen Vater als den meinigen anzusehn. Das würdest du auch tun, wenn deine Liebe zu mir von so echter Beschaffenheit wäre als die meinige zu dir.

Rosalinde. Gut; ich will meinen Glücksstand vergessen, um mich an deinem zu erfreun.

Celia. Du weißt, mein Vater hat kein Kind außer mir und auch keine Aussicht, eins zu bekommen; und wahrlich, wenn er stirbt, sollst du seine Erbin sein; denn was er deinem Vater mit Gewalt genommen, will ich dir in Liebe wiedergeben. Bei meiner Ehre, das will ich, und wenn ich meinen Eid breche, mag ich zum Ungeheuer werden! Darum, meine süße Rose, meine liebe Rose, sei lustig!

Rosalinde. Das will ich von nun an, Mühmchen, und auf Späße denken. Laß sehen, was hältst du vom Verlieben?

Celia. Ei ja, tu's, um Spaß damit zu treiben. Aber liebe keinen Mann im wahren Ernst, auch zum Spaß nicht weiter, als daß du mit einem unschuldigen Erröten in Ehren wieder davonkommen kannst.

Rosalinde. Was wollen wir denn für Spaß haben?

Celia. Laß uns sitzen und die ehrliche Hausmutter Fortuna von ihrem Rade weglästern, damit ihre Gaben künftig gleicher ausgeteilt werden mögen.

Rosalinde. Ich wollte, wir könnten das; denn ihre Wohltaten sind oft gewaltig übel angebracht, und am meisten versieht sich die freigebige blinde Frau mit ihren Geschenken an Frauen.

Celia. Das ist wahr; denn die, welche sie schön macht, macht sie selten ehrbar, und die, welche sie ehrbar macht, macht sie sehr häßlich.

Rosalinde. Nein, da gehst du über von Fortunens Amt zu dem der Natur; Fortuna herrscht in den weltlichen Gaben, nicht in den Zügen der Natur.

Probstein kommt.

Celia. Nicht? wenn die Natur ein schönes Geschöpf gemacht hat, kann es Fortuna nicht ins Feuer fallen lassen? – Wiewohl uns die Natur Witz genug verliehen hat, um des Glücks zu spotten, schickt es nicht diesen Narren herein, dem Gespräch ein Ende zu machen?

Rosalinde. In der Tat, da ist das Glück der Natur zu mächtig, wenn es durch einen natürlichen Einfaltspinsel dem natürlichen Witz ein Ende macht.

Celia. Wer weiß, auch dies ist nicht das Werk des Glückes, sondern der Natur, die unsern natürlichen Witz zu albern findet, um über solche Göttinnen zu klügeln, und uns diesen Einfältigen zum Schleifstein geschickt hat; denn immer ist die Albernheit des Narren der Schleifstein der Witzigen. – Nun Witz, wohin wanderst du?

Probstein. Fräulein, Ihr müßt zu Eurem Vater kommen.

Celia. Seid Ihr als Bote abgeschickt?

Probstein. Nein, auf meine Ehre, man hieß mich nur nach Euch gehn.

Rosalinde. Wo hast du den Schwur gelernt, Narr?

Probstein. Von einem gewissen Ritter, der bei seiner Ehre schwur, die Pfannkuchen wären gut, und bei seiner Ehre schwur, der Senf wäre nichts nutz. Nun behaupte ich: die Pfannkuchen waren nichts nutz und der Senf gut, und doch hatte der Ritter nicht falsch geschworen.

Celia. Wie beweiset Ihr das in der Hülle und Fülle Eurer Gelahrtheit ?

Rosalinde. Ei ja, nun nehmt Eurer Weisheit den Maulkorb ab.

Probstein. Tretet beide vor, streicht euer Kinn und schwört bei euren Bärten, daß ich ein Schelm bin.

Celia. Bei unsern Bärten, wenn wir welche hätten, du bist einer.

Probstein. Bei meiner Schelmerei, wenn ich sie hätte, dann wär ich einer. Aber wenn ihr bei dem schwört, was nicht ist, so habt ihr nicht falsch geschworen; ebensowenig der Ritter, der auf seine Ehre schwur, denn er hatte niemals welche, oder wenn auch, so hatte er sie längst weggeschworen, ehe ihm diese Pfannkuchen und der Senf zu Gesicht kamen.

Celia. Ich bitte dich, wen meinst du?

Probstein. Einen, den der alte Friedrich, Euer Vater, liebt.

Celia. Meines Vaters Liebe reicht hin, ihm zur Ehre zu verhelfen. Genug, sprecht nicht mehr von ihm; Ihr werdet gewiß nächstens einmal für Euren bösen Leumund gestäupt.

Probstein. Desto schlimmer, daß Narren nicht mehr weislich sagen dürfen, was weise Leute närrisch tun.

Celia. Meiner Treu, du sagst die Wahrheit; denn seit das bißchen Witz, das die Narren haben, zum Schweigen gebracht worden ist, so macht das bißchen Narrheit, das weise Leute besitzen, große Parade. Da kommt Monsieur Le Beau.

Le Beau tritt auf.

Rosalinde. Den Mund voll von Neuigkeiten.

Celia. Die er uns zukommen lassen wird, wie Tauben ihre Jungen füttern.

Rosalinde. Da werden wir also mit Neuigkeiten gemästet.

Celia. Desto besser, so stehn wir ansehnlicher zu Markt. Guten Morgen, Monsieur Le Beau! was gibt es Neues?

Le Beau. Schöne Prinzessin, Euch ist ein guter Spaß entgangen.

Celia. Ein Spaß? wohin?

Le Beau. Wohin, Madame? wie soll ich das beantworten?

Rosalinde. Wie es Witz und Glück verleihen.

Probstein. Oder wie das Verhängnis beschließt.

Celia. Gut gesagt! Das war wie mit der Kelle angeworfen.

Probstein. Ja, wenn ich meinen Geschmack nicht behaupte –

Rosalinde. So verlierst du deinen alten Beigeschmack.

Le Beau. Ihr bringt mich aus der Fassung, meine Damen. Ich wollte euch von einem wackern Ringen erzählen, das ihr versäumt habt, mit anzusehn.

Rosalinde. Sagt uns doch, wie es dabei herging.

Le Beau. Ich will euch den Anfang erzählen und wenn es euer Gnaden gefällt, könnt ihr das Ende ansehn; denn das Beste muß noch geschehen, und sie kommen hieher, wo ihr seid, um es auszuführen.

Celia. Gut, den Anfang, der tot und begraben ist.

Le Beau. Es kam ein alter Mann mit seinen drei Söhnen –

Celia. Ich weiß ein altes Märchen, das so anfängt.

Le Beau. Drei stattliche junge Leute, vortrefflich gewachsen und männlich –

Rosalinde. Mit Zetteln am Halse: «Kund und zu wissen sei männiglich» –

Le Beau. Der älteste unter den dreien rang mit Charles, des Herzogs Ringer. Charles warf ihn in einem Augenblick nieder und brach ihm drei Rippen entzwei, so daß fast keine Hoffnung für sein Leben ist; ebenso richtete er den zweiten und den dritten zu. Dort liegen sie, und der arme alte Mann, ihr Vater, erhebt eine so jämmerliche Wehklage über sie, daß alle Zuschauer ihm mit Weinen beistehn.

Rosalinde. Ach!

Probstein. Aber welches ist der Spaß, Herr, der den Damen entgangen ist?

Le Beau. Nun, der, wovon ich spreche.

Probstein. So wird man alle Tage klüger! Das ist das erste, was ich höre, daß Rippenentzweibrechen ein Spaß für Damen ist.

Celia. Ich auch, das versichere ich dir.

Rosalinde. Aber ist denn noch jemand da, den nach dieser Seitenmusik gelüstet? Ist noch sonst wer auf zerbrochene Rippen erpicht? – Sollen wir das Ringen mit ansehen, Muhme?

Le Beau. Ihr müßt, wenn ihr hier bleibt; denn sie haben diesen Platz zum Kampfe gewählt; er wird gleich vor sich gehn.

Celia. Wirklich, dort kommen sie. Laß uns nun bleiben und zusehn.

Trompetenstoß. Herzog Friedrich, Herren vom Hofe, Orlando, Charles und Gefolge.

Herzog Friedrich. Wohlan! Da der junge Mensch nicht hören will, so mag er auf seine eigne Gefahr vorwitzig sein.

Rosalinde. Ist der dort der Mann?

Le Beau. Das ist er, mein Fräulein.

Celia. Ach, er ist zu jung, doch hat er ein siegreiches Ansehn.

Herzog Friedrich. Ei, Tochter und Nichte! Seid ihr hierher geschlichen, um das Ringen zu sehn?

Rosalinde. Ja, mein Fürst, wenn Ihr uns gütigst erlaubt.

Herzog Friedrich. Ihr werdet wenig Vergnügen daran finden: das kann ich euch sagen; das Paar ist zu ungleich. Aus Mitleid mit des Ausforderers Jugend möchte ich ihn gern davon abbringen, allein er läßt sich nicht raten. Sprecht mit ihm, Fräulein; seht, ob Ihr ihn bewegen könnt.

Celia. Ruft ihn hieher, guter Monsieur Le Beau.

Herzog Friedrich. Tut das, ich will nicht dabei sein.

(Der Herzog entfernt sich.)

Le Beau. Herr Ausforderer, die Prinzessinnen verlangen Euch zu sprechen.

Orlando. Ich bin ehrerbietigst zu ihrem Befehl.

Rosalinde. Junger Mann, habt Ihr Charles, den Ringer, herausgefordert?

Orlando. Nein, schöne Prinzessin; er ist der allgemeine Ausforderer; ich komme bloß, wie andre auch, die Kräfte meiner Jugend gegen ihn zu versuchen.

Celia. Junger Mann, Euer Mut ist zu kühn für Eure Jahre. Ihr habt einen grausamen Beweis von der Stärke dieses Menschen gesehn: wenn Ihr Euch selbst mit Euren Augen sähet oder mit Eurem Urteil erkanntet, so würde Euch die Furcht vor dem Ausgange ein gleicheres Wagstück anraten. Wir bitten Euch um Euer selbst willen, an Eure Sicherheit zu denken und das Unternehmen aufzugeben.

Rosalinde. Tut das, junger Mann; Euer Ruf soll deswegen nicht herabgesetzt werden. Es soll unser Gesuch beim Herzoge sein, daß das Ringen nicht vor sich gehe.

Orlando. Ich beschwöre euch, straft mich nicht mit euren nachteiligen Gedanken; ich erkenne mich selbst für schuldig, daß ich so schönen und vortrefflichen Fräulein irgend etwas verweigre. Laßt nur eure schönen Augen und freundlichen Wünsche mich zu meiner Prüfung geleiten. Wenn ich zu Boden geworfen werde, so kommt nur Schmach über jemand, der noch niemals in Ehren war; wenn umgebracht, so ist nur Jemand tot, der sich nichts andres wünscht. Ich werde meinen Freunden kein Leid zufügen, denn ich habe keine, mich zu beweinen, und der Welt keinen Nachteil, denn ich besitze nichts in ihr; ich fülle in der Welt nur einen Platz aus, der besser besetzt werden kann, wenn ich ihn räume.

Rosalinde. Ich wollte, das bißchen Stärke, das ich habe, wäre mit Euch.

Celia. Meine auch, um ihre zu ergänzen.

Rosalinde. Fahrt wohl! Gebe der Himmel, daß ich mich in Euch betrüge.

Celia. Eures Herzens Wunsch werde Euch zuteil.

Charles. Wohlan, wo ist der junge Held, dem so danach gelüstet, bei seiner Mutter Erde zu liegen?

Orlando. Hier ist er, Herr; aber sein Wille hegt eine anständigere Absicht.

Herzog Friedrich. Ihr sollt nur einen Gang machen.

Charles. Ich stehe Euer Hoheit dafür, Ihr werdet ihn nicht zu einem zweiten bereden, nachdem Ihr ihn so dringend vom ersten abgemahnt habt.

Orlando. Ihr denkt nachher über mich zu spotten: so braucht Ihr's nicht vorher zu tun. Doch kommt zur Sache.

Rosalinde. Nun, Herkules steh dir bei, junger Mann!

Celia. Ich wollte, ich wäre unsichtbar, um dem starken Manne das Bein unterwegs ziehen zu können.

(Charles und Orlando ringen.)

Rosalinde. O herrlicher junger Mann!

Celia. Hätte ich einen Donnerkeil in meinen Augen, so weiß ich, wer zu Boden sollte.

(Charles wird zu Boden geworfen. Jubelgeschrei.)

Herzog Friedrich. Nicht weiter! nicht weiter!

Orlando. Doch, wenn es Euer Hoheit beliebt! ich bin noch nicht recht ins Schnaufen gekommen.

Herzog Friedrich. Wie steht's mit dir, Charles?

Le Beau. Er kann nicht sprechen, mein Fürst.

Herzog Friedrich. Tragt ihn weg. Wie ist dein Name, junger Mensch?

Orlando. Orlando, mein Fürst, der jüngste Sohn des Freiherrn Roland de Boys.

Herzog Friedrich. Ich wollt, du wärst sonst jemands Sohn gewesen.
Die Welt hielt deinen Vater ehrenwert,
Doch ich erfand ihn stets als meinen Feind.
Du würdst mir mehr mit dieser Tat gefallen,
Wenn du aus einem andern Hause stammtest.
Doch fahre wohl! du bist ein wackrer Jüngling!
Hättst du 'nen andern Vater nur genannt!

(Herzog Friedrich mit Gefolge und Le Beau ab.)

Celia. Wär ich mein Vater, Mühmchen, tät ich dies?

Orlando. Ich bin weit stolzer, Rolands Sohn zu sein,
Sein jüngster Sohn – und tauschte nicht den Namen,
Würd ich auch Friedrichs angenommner Erbe.

Rosalinde. Mein Vater liebte Roland wie sein Leben,
Und alle Welt war so wie er gesinnt.
Hätt ich zuvor den jungen Mann gekannt,
Den Bitten hätt ich Tränen zugesellt,
Eh er sich so gewagt.

Celia. Komm, liebe Muhme,
Laß uns ihm danken und ihm Mut einsprechen;
Denn meines Vaters rauhe Art und Groll
Gehn mir ans Herz. – Herr, Ihr habt Lob verdient;
Wenn Ihr im Lieben Eur Versprechen haltet,
Wie Ihr verdunkelt, was man sich versprach,
Ist Eure Liebste glücklich.

Rosalinde (gibt ihm eine Kette von ihrem Halse).
Junger Mann,
Tragt dies von mir, von einer Glückverstoßnen,
Die mehr wohl gäbe, fehlt' es nicht an Mitteln.
Nun, gehn wir, Muhme?

Celia. Ja – lebt wohl denn, edler Junker!

Orlando. Kann ich nicht sagen: Dank? mein beßres Teil
Liegt ganz darnieder; was noch aufrecht steht,
Ist nur ein Wurfziel, bloß ein leblos Holz.

Rosalinde. Er ruft uns nach – mein Stolz sank mit dem Glück –
Ich frag ihn, was er will. – Rieft Ihr uns, Herr? –
Herr, Ihr habt brav gekämpft und mehre noch
Besiegt als Eure Feinde.

Celia. Komm doch, Mühmchen.

Rosalinde. Ich komme schon. Lebt wohl!

(Rosalinde und Celia ab.)

Orlando. Welch ein Gefühl belastet meine Zunge?
Ich kann nicht reden, lud sie gleich mich ein.
                    Le Beau kommt.
Armer Orlando! du bist überwältigt,
Charles oder etwas Schwächers siegt dir ob.

Le Beau. Mein guter Herr, ich rat aus Freundschaft Euch
Verlaßt den Ort; wiewohl Ihr hohen Preis
Euch habt erworben, Lieb und echten Beifall,
So steht doch so des Herzogs Stimmung jetzt,
Daß er mißdeutet, was Ihr nun getan.
Der Fürst ist launisch; was er ist, in Wahrheit,
Ziemt besser Euch zu sehn, als mir zu sagen.

Orlando. Ich dank Euch, Herr, und bitt Euch, sagt mir dies:
Wer war des Herzogs Tochter von den beiden,
Die hier beim Ringen waren?

Le Beau. Von beiden keine, wenn's nach Sitten gilt;
Doch wirklich ist die kleinste seine Tochter,
Die andre, Tochter des verbannten Herzogs,
Von ihrem Oheim hier zurückbehalten
Zu seiner Tochter Umgang; ihre Liebe
Ist zärtlicher als schwesterliche Bande.
Doch sag ich Euch: seit kurzem hegt der Herzog
Unwillen gegen seine holde Nichte,
Der auf die Ursach bloß gegründet ist,
Daß sie die Welt um ihre Gaben preist
Und sie beklagt um ihres Vaters willen;
Und, auf mein Wort, sein Ingrimm auf das Fräulein
Bricht einmal plötzlich los. – Lebt wohl, mein Herr!
Dereinst in einer bessern Welt als diese
Wünsch ich mir mehr von Eurer Lieb und Umgang.

Orlando. Ich bleib Euch sehr verbunden; lebet wohl! (Le Beau ab.)
So muß ich aus dem Dampf in die Erstickung,
Von Herzogs Druck in Bruders Unterdrückung. –
Doch Engel Rosalinde! – (Ab.)


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