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Ein Zimmer im Palast: Herzog Friedrich, Oliver, Herren vom Hofe und Gefolge
Fried. Ihn nicht gesehn seitdem? Herr! Herr! das kann nicht sein.
Bestünd aus Milde nicht mein grösster Teil,
So sucht ich kein entferntes Ziel der Rache,
Da du zur Stelle bist. Doch sieh dich vor,
Schaff deinen Bruder, sei er wo er will,
Such ihn mit Kerzen, bring in Jahresfrist
Ihn lebend oder tot: sonst komm nie wieder,
Auf unserm Boden Unterhalt zu suchen.
Was du nur dein nennst, Land und andres Gut,
Des Einziehns wert, fällt unsrer Hand anheim,
Bis du durch deines Bruders Mund dich lösest
Von allem was wir gegen dich gedacht.
Oliv. O kennt eur Hoheit hierin nur mein Herz!
Ich liebt im Leben meinen Bruder nicht.
Fried. Schurk um so mehr! . . . Stosst ihn zur Tür hinaus,
Lasst die Beamten dieser Art Beschlag
Ihm legen auf sein Haus und Länderein.
Tut in der Schnelle dies und schafft ihn fort! Ab.
Der Wald: Orlando mit einem Blatt Papier
Orl. Da häng, mein Vers, der Liebe zum Beweis!
Du, dreimal gross, Nachtkönigin, überschwebe,
Mit keuschem Aug aus deinem blassen Kreis
Den Namen deiner Maid, der ganz ich lebe.
O Rosalinde! sei der Wald mir Schrift,
Ich grabe mein Gemüt in alle Rinden,
Dass jedes Aug das diese Bäume trifft
Ringsum bezeugt mag deine Tugend finden.
Auf, auf, Orlando! rühme spät und früh
Die schöne, keusche, unnennbare Sie. Ab.
Corinnus und Probstein treten auf
Cor. Und wie gefällt euch dies Schäferleben, Meister Probstein?
Prob. Wahrhaftig, Schäfer, an und für sich betrachtet ist es ein gutes Leben, aber in Betracht dass es ein Schäferleben ist, taugt es nichts. In Betracht dass es einsam ist, mag ich es wohl leiden, aber in Betracht dass es stille ist, ist es ein sehr erbärmliches Leben. Ferner in Betracht dass es auf dem Lande ist, steht es mir an, aber in Betracht dass es nicht am Hofe ist, wird es langweilig. Insofern es ein mässiges Leben ist, seht ihr, ist es nach meinem Sinn, aber insofern es nicht reichlicher dabei zugeht, streitet es sehr gegen meine Neigung. Verstehst Philosophie, Schäfer?
Cor. Mehr nicht als dass ich weiss dass einer sich desto schlimmer befindet, je kränker er ist, und wems an Geld, Gut und Genügen gebricht, dass dem drei gute Freunde fehlen . . . dass des Regens Eigenschaft ist zu nässen, und des Feuers zu brennen . . . dass gute Weide fette Schafe macht, und die Nacht hauptsächlich vom Mangel an Sonne kommt . . . dass einer der weder durch Natur noch Kunst zu Verstand gekommen wäre sich über die Erziehung zu beklagen hätte oder aus einer sehr dummen Sippschaft sein müsste.
Prob. So einer ist ein natürlicher Philosoph. Warst je am Hofe, Schäfer?
Cor. Nein, wahrhaftig nicht.
Prob. So wirst du in der Hölle gebraten.
Cor. Ei, ich hoffe
Prob. Wahrhaftig, du wirst gebraten wie ein schlecht geröstet Ei, nur an einer Seite.
Cor. Weil ich nicht am Hofe gewesen bin? Euren Grund!
Prob. Nun, wenn du nicht am Hofe gewesen bist, so hast du niemals gute Sitten gesehn. Wenn du niemals gute Sitten gesehn hast, so müssen deine schlecht sein, und alles Schlechte ist Sünde, und Sünde führt in die Hölle. Du bist in einem verfänglichen Zustande, Schäfer.
Cor. Ganz und gar nicht, Probstein. Was bei Hofe gute Sitten sind, die sind so lächerlich auf dem Lande als ländliche Weise bei Hofe zum Spott dient. Ihr sagtet mir, bei Hofe verbeugt ihr euch nicht, sondern küsst eure Hand. Das wäre eine sehr unreinliche Höflichkeit, wenn Hofleute Schäfer wären.
Prob. Den Beweis, kürzlich, den Beweis!
Cor. Nun, wir müssen unsre Schafe immer angreifen, und ihre Felle sind fettig, wie ihr wisst.
Prob. Schwitzen die Hände unsrer Hofleute etwa nicht, und ist das Fett von einem Schafe nicht so gesund wie der Schweiss von einem Menschen? Einfältig! einfältig! Einen besseren Beweis! her damit!
Cor. Auch sind unsre Hände hart.
Prob. Eure Lippen werden sie desto eher fühlen. Wiederum einfältig! Einen tüchtigeren Beweis!
Cor. Und sind oft ganz beteert vom Bepflastern unsrer Schafe. Wollt ihr dass wir Teer küssen sollen? Die Hände der Hofleute riechen nach Bisam.
Prob. Höchst einfältiger Mensch! Du wahre Würmerspeise gegen ein gutes Stück Fleisch! Lerne von den Weisen und erwäge! Bisam ist von schlechterer Abkunft als Teer, der unsaubre Abgang einer Katze. Einen bessern Beweis, Schäfer!
Cor. Ihr habt einen zu höfischen Witz für mich . . . ich lasse es dabei bewenden.
Prob. Was? bei der Hölle? Gott helfe dir, einfältiger Mensch! Gott eröffne dir das Verständnis! Du bist ein Strohkopf.
Cor. Herr, ich bin ein ehrlicher Tagelöhner, ich verdiene was ich esse, erwerbe was ich trage, hasse keinen Menschen, beneide niemandes Glück, freue mich über andrer Leute Wohlergehn, bin zufrieden mit meinem Ungemach, und mein grösster Stolz ist meine Schafe weiden und meine Lämmer saugen zu sehn.
Prob. Das ist wieder eine einfältige Sünde von euch, dass ihr die Schafe und Böcke zusammenbringt und euch nicht schämt von der Begattung des Viehes euren Unterhalt zu ziehn . . . dass ihr den Kuppler für einen Leithammel macht und so ein jähriges Lamm einem schiefköpfigen alten Hahnrei von Widder überantwortet, gegen alle Regeln des Ehestandes. Wenn du dafür nicht in die Hölle kommst, so will der Teufel selbst keine Schäfer: sonst sehe ich nicht wie du entwischen könntest.
Cor. Hier kommt der junge Herr Ganymed, meiner neuen Herrschaft Bruder.
Rosalinde tritt auf mit einem Blatt Papier
Ros. liest:
»Von dem Ost bis zu den Inden
Ist kein Juwel gleich Rosalinden.
Ihr Wert, beflügelt von den Winden,
Trägt durch die Welt hin Rosalinden.
Alle Schilderein erblinden
Bei dem Glanz von Rosalinden.
Keinen Reiz soll man verkünden
Als den Reiz von Rosalinden.«
Prob. So will ich euch acht Jahre hintereinander reimen, Essens- und Schlafenszeit ausgenommen . . . es ist der wahre Butterfrauentrab, wenn sie zu Markte gehn.
Ros. Fort mit dir, Narr!
Prob. Zur Probe:
Sehnt der Hirsch sich nach den Hinden:
Lasst ihn suchen Rosalinden.
Will die Katze sich verbinden:
Glaubt, sie machts gleich Rosalinden.
Reben müssen Bäum umwinden:
So tuts nötig Rosalinden.
Wer da mäht muss Garben binden:
Auf den Karrn mit Rosalinden.
Süsse Nuss hat saure Rinden:
Solche Nuss gleicht Rosalinden.
Wer süsse Rosen sucht muss finden
Der Liebe Dorn und Rosalinden.
Das ist der eigentliche falsche Vers-galopp. Warum behängt ihr euch mit ihnen?
Ros. Still, dummer Narr! Ich fand sie an einem Baum.
Prob. Wahrhaftig, der Baum trägt schlechte Früchte.
Ros. Ich will euch auf ihn impfen, und dann wird er Mispeln tragen: denn eure Einfälle verfaulen, ehe sie halb reif sind, und das ist eben die rechte Tugend einer Mispel.
Prob. Ihr habt gesprochen, aber ob gescheit oder nicht, das mag der Wald richten.
Celia tritt auf mit einem Blatt Papier
Ros. Still! hier kommt meine Schwester und liest, gehn wir beiseit:
Cel. »Sollten schweigen diese Räume,
Weil sie unbevölkert? Nein.
Zungen häng ich an die Bäume,
Dass sie reden Sprüche fein.
Bald, wie rasch das Menschenleben
Seine Pilgerfahrt durchläuft,
Wie die Zeit, ihm zugegeben,
Eine Spanne ganz begreift.
Bald, wie Schwüre falsch sich zeigen,
Wie sich Freund vom Freunde trennt.
Aber an den schönsten Zweigen
Und an jedes Spruches End
Soll man Rosalinde lesen,
Und verbreiten soll der Ruf
Dass der Himmel aller Wesen
Höchsten Ausbund in ihr schuf.
Drum hiess die Natur sein Wille
Eine menschliche Gestalt
Zieren mit der Gaben Fülle.
Die Natur mischt' alsobald
Helenens Wange, nicht ihr Herz,
Cleopatrens Herrlichkeit,
Atalantens leichten Scherz
Und Lukreziens Sittsamkeit.
So ward durch einen Himmelsbund
Aus vielen Rosalind ersonnen,
Aus manchem Herzen, Aug und Mund,
Auf dass sie jeden Reiz gewonnen.
Der Himmel gab ihr dieses Recht
Und tot und lebend mich zum Knecht.«
Ros. O gütiger Jupiter! – Mit welcher langweiligen Liebespredigt habt ihr da eure Gemeinde müde gemacht und nicht einmal gerufen »Geduld, gute Leute!«
Cel. Seht doch, Freunde hinterm Rücken? . . . Schäfer, geh ein wenig abseits . . . Geh mit ihm, Bursch.
Prob. Kommt, Schäfer, lasst uns einen ehrenvollen Rückzug machen, wenngleich nicht mit Sang und Klang, doch mit Sack und Pack. Corinnus und Probstein ab
Cel. Hast du diese Verse gehört?
Ros. O ja, ich hörte sie alle und noch was drüber: denn einige hatten mehr Füsse als die Verse tragen konnten.
Cel. Das tut nichts, die Füsse konnten die Verse tragen.
Ros. Ja, aber die Füsse waren lahm und konnten sich nicht ausserhalb des Verses bewegen, und darum standen sie so lahm im Verse.
Cel. Aber hast du gehört, ohne dich zu wundern, dass dein Name an den Bäumen hängt und eingeschnitten ist?
Ros. Ich war schon sieben Tage in der Woche über alles Wundern hinaus, ehe du kamst: denn sieh nur was ich an einem Palmbaum fand. Ich bin nicht so bereimt worden seit Pythagoras' Zeiten, wo ich eine Ratte war die sie mit schlechten Versen vergaben, was ich mir kaum noch erinnern kann.
Cel. Rätst du wer es getan hat?
Ros. Ist es ein Mann?
Cel. Mit einer Kette um den Hals die du sonst getragen hast. Veränderst du die Farbe?
Ros. Ich bitte dich, wer?
Cel. O Himmel! Himmel! Es ist ein schweres Ding für Freunde sich wieder anzutreffen, aber Berg und Tal kommen im Erdbeben zusammen.
Ros. Nein, sag, wer ists?
Cel. Ist es möglich?
Ros. Ich bitte dich jetzt mit der allerdringendsten Inständigkeit, sag mir wer es ist.
Cel. O wunderbar, wunderbar, und höchst wunderbarlich wunderbar, und nochmals wunderbar, und über alle Wunder weg.
Ros. O du liebe Ungeduld! Denkst du, weil ich wie ein Mann ausstaffiert bin, dass auch meine Gemütsart in Wams und Hosen ist? Ein Zollbreit mehr Aufschub ist eine Südsee weit von der Entdeckung. Ich bitte dich, sag mir wer ist es . . . geschwind, und sprich hurtig! Ich wollte du könntest stottern, dass dir dieser verborgne Mann aus dem Munde käme, wie Wein aus einer enghalsigen Flasche, entweder zuviel auf einmal oder gar nichts. Ich bitte dich, nimm den Kork aus deinem Munde, damit ich deine Zeitungen trinken kann.
Cel. Da könntest du einen Mann mit in den Leib bekommen.
Ros. Ist er von Gottes Machwerk? was für eine Art von Mann? Ist sein Kopf einen Hut wert oder sein Kinn einen Bart?
Cel. Nein, er hat nur wenig Bart.
Ros. Nun, Gott wird mehr bescheren, wenn der Mensch recht dankbar ist: ich will den Wuchs von seinem Bart schon abwarten, wenn du mir nur die Kenntnis von seinem Kinn nicht länger vorenthältst.
Cel. Es ist der junge Orlando, der den Ringer und dein Herz in einem Augenblick zum Falle brachte.
Ros. Nein, der Teufel hole das Spassen! Sag auf dein ehrlich Gesicht und Mädchentreue.
Cel. Auf mein Wort, Muhme, er ist es.
Ros. Orlando?
Cel. Orlando.
Ros. Ach, liebe Zeit! was fange ich nun mit meinem Wams und Hosen an? – Was tat er, wie du ihn sahst? Was sagte er? Wie sah er aus? Wie trug er sich? Was macht er hier? Frug er nach mir? Wo bleibt er? Wie schied er von dir, und wann wirst du ihn wiedersehn? Antworte mir mit einem Wort.
Cel. Da musst du mir erst Gargantuas Mund leihen: es wäre ein zu grosses Wort für irgendeinen Mund wie sie heutzutage sind. Ja und nein auf diese Artikel zu sagen, ist mehr als in einer Kinderlehre antworten.
Ros. Aber weiss er dass ich in diesem Lande bin, und in Mannskleidern? Sieht er so munter aus wie an dem Tage wo er rang?
Cel. Es ist ebenso leicht Sonnenstäubchen zu zählen als die Aufgaben eines Verliebten zu lösen. Doch nimm ein Pröbchen von meiner Entdeckung und koste es recht aufmerksam. Ich fand ihn unter einem Baum, wie eine abgefallne Eichel.
Ros. Der mag wohl Jupiters Baum heissen, wenn er solche Früchte fallen lässt.
Cel. Verleiht mir Gehör, wertes Fräulein.
Ros. Fahret fort.
Cel. Da lag er, hingestreckt wie ein verwundeter Ritter.
Ros. Wenn es gleich ein Jammer ist solch einen Anblick zu sehn, so muss er sich doch gut ausgenommen haben.
Cel. Ruf deiner Zunge Holla zu, ich bitte dich: sie macht zur Unzeit Sprünge. Er war wie ein Jäger gekleidet.
Ros. O Vorbedeutung! Er kommt, mein Herz zu erlegen.
Cel. Ich möchte mein Lied ohne Chor singen, du bringst mich aus der Weise.
Ros. Wisst ihr nicht dass ich ein Weib bin? Wenn ich denke, muss ich sprechen. Liebe, sag weiter.
Orlando und Jacques treten auf
Cel. Du bringst mich heraus . . . Still! kommt er da nicht?
Ros. Er ists! Schlüpft zur Seite und lasst uns ihn aufs Korn nehmen. Celia und Rosalinde verbergen sich
Jac. Ich danke euch für geleistete Gesellschaft, aber meiner Treu, ich wäre ebenso gern allein gewesen.
Orl. Ich auch, aber um der Sitte willen danke ich euch gleichfalls für eure Gesellschaft.
Jac. Der Himmel behüt euch! Lasst uns so wenig zusammenkommen wie möglich.
Orl. Ich wünsche mir eure entferntere Bekanntschaft.
Jac. Ich ersuche euch, verderbt keine Bäume weiter damit Liebeslieder in die Rinden zu schneiden.
Orl. Ich ersuche euch, verderbt meine Verse nicht weiter damit sie erbärmlich abzulesen.
Jac. Rosalinde ist eurer Liebsten Name?
Orl. Wie ihr sagt.
Jac. Ihr Name gefällt mir nicht.
Orl. Es war nicht die Rede davon euch zu gefallen, wie sie getauft wurde.
Jac. Von welcher Statur ist sie?
Orl. Grade so hoch wie mein Herz.
Jac. Ihr seid voll artiger Antworten. Habt ihr euch etwa mit Goldschmiedweibern abgegeben und solche Sprüchlein von Ringen zusammengelesen?
Orl. Das nicht . . . aber ich antworte euch wie die Tapetenfiguren aus deren Munde ihr eure Fragen studiert habt.
Jac. Ihr habt einen behenden Witz, ich glaube er ist aus Atalantens Fersen gemacht. Wollt ihr euch mit mir setzen, so wollen wir zusammen über unsere Gebieterin, die Welt, und unser ganzes Elend schmähen.
Orl. Ich will kein lebendig Wesen in der Welt schelten als mich selber, an dem ich die meisten Fehler kenne.
Jac. Der ärgste Fehler den ihr habt ist verliebt zu sein.
Orl. Das ist ein Fehler den ich nicht mit eurer besten Tugend vertauschte . . . Ich bin euer müde.
Jac. Meiner Treu, ich suchte eben einen Narren, da ich euch fand.
Orl. Er ist in den Bach gefallen: guckt nur hinein, so werdet ihr ihn sehen.
Jac. Da werde ich meine eigne Person sehen.
Orl. Die ich entweder für einen Narren oder eine Null halte.
Jac. Ich will nicht länger bei euch verweilen. Lebt wohl, guter Signor Amoroso.
Orl. Ich freue mich über euren Abschied. Gott befohlen, guter Monsieur Melancholie. Jacques ab
Celia und Rosalinde treten hervor
Ros. Ich will wie ein naseweiser Lakei mit ihm sprechen und ihn unter der Gestalt zum besten haben . . . Hört ihr, Jäger?
Orl. Recht gut: was wollt ihr?
Ros. Sagt mir doch, was ist die Glocke?
Orl. Ihr solltet mich fragen, was ists an der Zeit . . . es gibt keine Glocke im Walde.
Ros. So gibts auch keinen rechten Liebhaber im Walde, sonst würde jede Minute ein Seufzen und jede Stunde ein Ächzen, den trägen Fuss der Zeit so gut anzeigen wie eine Glocke.
Orl. Und warum nicht den schnellen Fuss der Zeit? Wäre das nicht ebenso passend gewesen?
Ros. Mitnichten, mein Herr. Die Zeit reist in verschiednem Schritt mit verschiednen Personen. Ich will euch sagen mit wem die Zeit den Pass geht, mit wem sie trabt, mit wem sie galoppiert und mit wem sie stillsteht.
Orl. Ich bitte dich, mit wem trabt sie?
Ros. Ei, sie trabt hart mit einem jungen Mädchen zwischen der Verlobung und dem Hochzeitstage. Wenn auch nur acht Tage dazwischen hingehn, so ist der Trab der Zeit so hart, dass es ihr wie acht Jahre vorkommt.
Orl. Mit wem geht die Zeit den Pass?
Ros. Mit einem Priester dem es an Latein gebricht, und einem reichen Manne der das Podagra nicht hat. Denn der eine schläft ruhig, weil er nicht studieren kann, und der andre lebt lustig, weil er keinen Schmerz fühlt. Den einen drückt nicht die Last dürrer und auszehrender Gelehrsamkeit, der andre kennt die Last schweren mühseligen Mangels nicht. Mit diesen geht die Zeit den Pass.
Orl. Mit wem galoppiert sie?
Ros. Mit dem Diebe zum Galgen: denn ginge er auch noch so sehr Schritt vor Schritt, so denkt er doch dass er zu früh kommt.
Orl. Mit wem steht sie still?
Ros. Mit Advokaten in den Gerichtsferien . . . denn sie schlafen von Session zu Session und werden also nicht gewahr wie die Zeit fortgeht.
Orl. Wo wohnt ihr, artiger junger Mensch?
Ros. Bei dieser Schäferin, meiner Schwester . . . hier am Saum des Waldes, wie Fransen an einem Rock.
Orl. Seid ihr hier einheimisch?
Ros. Wie das Kaninchen, das zu wohnen pflegt wo es zur Welt gekommen ist.
Orl. Eure Aussprache ist etwas feiner als ihr sie an einem so abgelegnen Ort euch hättet erwerben können.
Ros. Das haben mir schon viele gesagt . . . aber in der Tat, ein alter geistlicher Onkel von mir lehrte mich reden: er war in seiner Jugend ein Städter und gar zu gut mit dem Hofmachen bekannt, denn er verliebte sich dabei. Ich habe ihn manche Predigt dagegen halten hören und danke Gott dass ich kein Weib bin und keinen Teil an allen den Verkehrtheiten habe die er ihrem ganzen Geschlecht zur Last legte.
Orl. Könnt ihr euch nicht einiger von den vornehmsten Untugenden erinnern die er den Weibern aufbürdete?
Ros. Es gab keine vornehmsten darunter: sie sahen sich alle gleich wie Pfennige. Jeder einzelne Fehler schien ungeheuer, bis sein Mitfehler sich neben ihn stellte.
Orl. Bitte, sagt mir einige davon.
Ros. Nein, ich will meine Arzenei nicht wegwerfen ausser an Kranke. Es spukt hier ein junger Mensch im Walde herum der unsre junge Baumzucht missbraucht, den Namen Rosalinde in die Rinden zu graben, der Oden an Weissdornen hängt und Elegien an Brombeersträuche, alle – denkt doch! – um Rosalindens Namen zu vergöttern. Könnte ich diesen Herzenskrämer antreffen, so gäbe ich ihm einen guten Rat, denn er scheint mit dem täglichen Liebesfieber behaftet.
Orl. Ich bins, den die Liebe so schüttelt: ich bitte euch, sagt mir euer Mittel.
Ros. Es ist keins von meines Onkels Merkmalen an euch zu finden. Er lehrte mich einen Verliebten erkennen. Ich weiss gewiss, ihr seid kein Gefangener in diesem Käfig.
Orl. Was waren seine Merkmale?
Ros. Eingefallne Wangen, die ihr nicht habt . . . Augen mit blauen Rändern, die ihr nicht habt . . . ein gleichgültiger Sinn, den ihr nicht habt . . . ein verwilderter Bart, den ihr nicht habt – doch den erlasse ich euch, denn, aufrichtig, was ihr an Bart besitzet ist eines jüngern Bruders Einkommen . . . Dann sollten eure Kniegürtel lose hängen, eure Mütze nicht gebunden sein, eure Ärmel aufgeknöpft, eure Schuhe nicht zugeschnürt, und alles und jedes an euch müsste eine nachlässige Trostlosigkeit verraten. Aber solch ein Mensch seid ihr nicht. Ihr seid vielmehr geschniegelt in eurem Anzuge, mehr wie einer der in sich selbst verliebt als sonst jemands Liebhaber ist.
Orl. Schöner Junge, ich wollte ich könnte dich glauben machen dass ich liebe.
Ros. Mich das glauben machen? Ihr könntet es ebensogut eure Liebste glauben machen, was sie zu tun williger ist, dafür steh ich euch, als zu gestehn dass sie es tut: das ist einer von den Punkten worin die Weiber immer ihr Gewissen Lügen strafen. Aber in ganzem Ernst, seid ihr es, der die Verse an die Bäume hängt in denen Rosalinde so bewundert wird?
Orl. Ich schwöre dir, junger Mensch, bei Rosalindens weisser Hand: ich bin es, ich bin der Unglückliche.
Ros. Aber seid ihr so verliebt als eure Reime bezeugen?
Orl. Weder Gereimtes noch Ungereimtes kann ausdrücken wie sehr.
Ros. Liebe ist eine blosse Tollheit und, ich sage euch, verdient ebensogut eine dunkle Zelle und Peitsche als andre Tolle . . . und die Ursache warum sie nicht so gezüchtigt und geheilt wird ist, weil sich diese Mondsucht so gemein gemacht hat, dass die Zuchtmeister selbst verliebt sind. Doch ich kann sie mit gutem Rat heilen.
Orl. Habt ihr irgendwen so geheilt?
Ros. Ja, einen, und zwar auf folgende Weise. Er musste sich einbilden dass ich seine Liebste, seine Gebieterin wäre, und alle Tage hielt ich ihn an um mich zu werben. Ich, der ich nur ein launenhafter Junge bin, grämte mich dann, war weibisch, veränderlich, wusste nicht was ich wollte, stolz, phantastisch, grillenhaft, läppisch, unbeständig, bald in Tränen, bald voll Lächeln, von jeder Leidenschaft etwas und von keiner etwas Rechtes, wie Kinder und Weiber meistenteils in diese Farben schlagen. Bald mochte ich ihn leiden, bald konnte ich ihn nicht ausstehn, dann machte ich mir mit ihm zu schaffen, dann sagte ich mich von ihm los . . . jetzt weinte ich um ihn, jetzt spie ich vor ihm aus: so dass ich meinen Bewerber aus einem tollen Anfall von Liebe in einen leibhaften Anfall von Tollheit versetzte, welche darin bestand das Getümmel der Welt zu verschwören und in einem mönchischen Winkel zu leben. Und so heilte ich ihn, und auf diese Art nehme ich es über mich euer Herz so rein zu waschen wie ein gesundes Schafherz, dass nicht ein Fleckchen Liebe mehr daran sein soll.
Orl. Ich möchte nicht geheilt werden, junger Mensch.
Ros. Ich würde euch heilen, wolltet ihr mich nur Rosalinde nennen und alle Tage in meine Hütte kommen und um mich werben.
Orl. Nun, bei meiner Treue im Lieben, ich will es: sagt mir wo sie ist.
Ros. Geht mit mir, so will ich sie euch zeigen, und unterwegs sollt ihr mir sagen wo ihr hier im Walde wohnt. Wollt ihr kommen?
Orl. Von ganzem Herzen, guter Junge.
Ros. Nein, ihr müsst mich Rosalinde nennen . . . Komm, Schwester, lass uns gehn. Ab.
Der Wald: Probstein und Käthchen, Jacques in der Ferne belauscht sie
Prob. Komm hurtig, gutes Käthchen . . . ich will deine Ziegen zusammenholen, Käthchen. Und sag, Käthchen: bin ich der Mann noch der dir ansteht? Bist du mit meinen schlichten Zügen zufrieden?
Kät. Eure Züge? Gott behüte! Was sind das für Streiche?
Prob. Ich bin hier bei Käthen und ihren Ziegen, wie der Dichter der die ärgsten Bocksprünge machte, der ehrliche Ovid, unter den Geten.
Jac. O schlecht logierte Gelehrsamkeit! schlechter als Jupiter unter einem Strohdach!
Prob. Wenn eines Menschen Verse nicht verstanden werden und eines Menschen Witz von dem geschickten Kinde Verstand nicht unterstützt wird, das schlägt einen Menschen härter nieder als eine grosse Rechnung in einem kleinen Zimmer . . . Wahrhaftig, ich wollte die Götter hätten dich poetisch gemacht.
Kät. Ich weiss nicht was poetisch ist. Ist es ehrlich in Worten und Werken? Besteht es mit der Wahrheit?
Prob. Nein, wahrhaftig nicht: denn die wahrste Poesie erdichtet am meisten, und Liebhaber sind der Poesie ergeben, und was sie in Poesie schwören, davon kann man sagen, sie erdichten es als Liebhaber.
Kät. Könnt ihr dann wünschen dass mich die Götter poetisch gemacht hätten?
Prob. Ich tu es wahrlich, denn du schwörst mir zu dass du ehrbar bist. Wenn du nun ein Poet wärest, so hätte ich einige Hoffnung dass du erdichtetest.
Kät. Wolltet ihr denn nicht dass ich ehrbar wäre?
Prob. Nein, wahrhaftig nicht, du müsstest denn sehr hässlich sein: denn Ehrbarkeit mit Schönheit gepaart ist wie eine Honigbrühe über Zucker.
Jac. Ein sinnreicher Narr!
Kät. Gut, ich bin nicht schön, und darum bitte ich die Götter dass sie mich ehrbar machen.
Prob. Wahrhaftig, Ehrbarkeit an eine garstige Schmutzdirne wegzuwerfen hiesse gut Essen auf eine unreinliche Schüssel legen.
Kät. Ich bin keine Schmutzdirne, ob ich schon den Göttern danke dass ich garstig bin.
Prob. Gut, die Götter seien für deine Garstigkeit gepriesen, die Schmutzigkeit kann noch kommen. Aber sei es wie es will, ich heirate dich, und zu dem Ende bin ich bei Ehrn Olivarius Textdreher gewesen, dem Pfarrer im nächsten Dorf, der mir versprochen hat mich an diesem Platz im Walde zu treffen und uns zusammenzugeben.
Jac. beiseit: Die Zusammenkunft möchte ich mit ansehen.
Kät. Nun, die Götter lassen es wohl gelingen!
Prob. Amen! Wer ein zaghaft Herz hätte möchte wohl bei diesem Unternehmen stutzen: denn wir haben hier keinen Tempel als den Wald, keine Gemeinde als Hornvieh. Aber was tuts? Mutig! Hörner sind verhasst, aber unvermeidlich. Es heisst, mancher Mensch weiss des Guten kein Ende . . . recht: mancher Mensch hat gute Hörner und weiss ihrer kein Ende. Wohl! es ist das Zugebrachte von seinem Weibe, er hat es nicht selbst erworben. Hörner? Nun ja! Arme Leute allein? – Nein, nein, der edelste Hirsch hat sie so hoch wie der Racker. Ist der ledige Mann darum gesegnet? Nein. Wie eine Stadt mit Mauern vornehmer ist als ein Dorf, so ist die Stirn eines verheirateten Mannes ehrenvoller als die nackten Schläfen eines Junggesellen., und um soviel besser Schutzwehr ist als Unvermögen, um soviel kostbarer ist ein Horn als keins.
Ehrn Olivarius Textdreher tritt auf
Hier kommt Ehrn Olivarius . . . Ehrn Olivarius Textdreher, gut dass wir euch treffen. Wollt ihr uns hier unter diesem Baum abfertigen oder sollen wir mit euch in eure Kapelle gehn?
E. Ol. Ist niemand da, um die Braut zu geben?
Prob. Ich nehme sie nicht als Gabe von irgendeinem Mann.
E. Ol. Sie muss gegeben werden, oder die Heirat ist nicht gültig.
Jac. tritt vor: Nur zu! nur zu! ich will sie geben.
Prob. Guten Abend, lieber Herr Wie-heisst-ihr-doch! Wie gehts euch? Schön dass ich euch treffe. Gotteslohn für eure neuliche Gesellschaft! Ich freue mich sehr euch zu sehn. Ich hab da grad was vor, Herr. Ich bitte, bedeckt euch.
Jac. Wollt ihr euch verheiraten, Hanswurst?
Prob. Wie der Ochse sein Joch hat, Herr, das Pferd seine Kinnkette und der Falke seine Schellen, so hat der Mensch seine Wünsche . . . und wie sich Tauben schnäbeln, so möchte der Ehestand naschen.
Jac. Und wollt ihr, ein Mann von eurer Erziehung, euch im Busch verheiraten wie ein Bettler? In die Kirche geht und nehmt einen tüchtigen Priester der euch bedeuten kann was Heiraten ist. Dieser Geselle wird euch nur so zusammenfügen, wie sies beim Täfelwerk machen . . . dann wird eins von euch eintrocknen und sich werfen wie frisches Holz: knack, knack.
Prob. beiseit: Ich denke nicht anders, als mir wäre besser von ihm getraut zu werden wie von einem andern, denn er sieht mir aus, als wenn er mich nicht recht trauen würde, und wenn er mich nicht recht trauet, so ist das nachher ein guter Vorwand mein Weib im Stiche zu lassen.
Jac. Geh mit mir, Freund, und höre meinen Rat.
Prob. Komm, lieb Käthchen!
Du wirst noch meine Frau, oder du bleibst mein Mädchen.
Lebt wohl, Ehrn Olivarius.
Nicht:
O holder Oliver!
O wackrer Oliver!
Lass mich nicht hinter dir.
Nein: pack dich fort!
Geh! auf mein Wort,
Ich will nicht zur Trauung mit dir.
Jacques, Probstein und Käthchen ab
E. Ol. Es tut nichts. Keiner von allen diesen phantastischen Schelmen zusammen soll mich aus meinem Beruf herausnecken. Ab.
Der Wald – Vor einer Hütte: Rosalinde und Celia
Ros. Sage mir nichts weiter, ich will weinen.
Cel. Tu es nur, aber sei doch so weise zu bedenken dass Tränen einem Mann nicht anstehn.
Ros. Aber habe ich nicht Ursache zu weinen?
Cel. So gute Ursache sich einer nur wünschen mag. Also weine.
Ros. Selbst sein Haar ist von einer falschen Farbe.
Cel. Nur etwas brauner als des Judas seins. Ja, seine Küsse sind rechte Judaskinder.
Ros. Sein Haar ist bei allem dem von einer hübschen Farbe.
Cel. Eine herrliche Farbe: es geht nichts über Nussbraun.
Ros. Und seine Küsse sind so voll Heiligkeit wie die Berührung des geweihten Brotes.
Cel. Er hat ein Paar abgelegte Lippen der Diana gekauft. Eine Nonne von des Winters Schwesterschaft küsst nicht geistlicher. Das wahre Eis der Keuschheit ist in ihnen.
Ros. Aber warum versprach er mir diesen Morgen zu kommen, und kommt nicht?
Cel. Nein gewisslich, es ist keine Treu und Glauben in ihm.
Ros. Denkst du das?
Cel. Nun, ich glaube, er ist weder ein Beutelschneider noch ein Pferdedieb: aber was seine Wahrhaftigkeit in der Liebe betrifft, so halte ich ihn für so hohl als einen umgekehrten Becher oder eine wurmstichige Nuss.
Ros. Nicht wahrhaft in der Liebe?
Cel. Ja, wenn er verliebt ist, aber mich dünkt, das ist er nicht.
Ros. Du hörtest ihn doch hoch und teuer beschwören dass er es war.
Cel. War ist nicht ist. Auch ist der Schwur eines Liebhabers nicht zuverlässiger als das Wort eines Bierschenken: sie bekräftigen beide falsche Rechnungen. Er begleitet hier im Walde den Herzog, euren Vater.
Ros. Ich begegnete dem Herzoge gestern und musste ihm viel Rede stehn. Er frug mich von welcher Herkunft ich wäre. Ich sagte ihm, von einer ebenso guten als er: er lachte und liess mich gehn. Aber was sprechen wir von Vätern, solange ein Mann wie Orlando in der Welt ist?
Cel. O das ist ein netter Mann! Er macht nette Verse, spricht nette Worte, schwört nette Eide und bricht sie nett der Quere, grade vor seiner Liebsten Herz, wie ein jämmerlicher Turnierer, der sein Pferd nach einer Seite spornt, seine Lanze zerbricht. Aber alles ist nett wo Jugend obenauf sitzt und Narrheit lenkt . . . Wer kommt?
Corinnus tritt auf
Cor. Mein Herr und Fräulein, ihr befragtet oft
Mich um den Schäfer welcher Liebe klagte,
Den ihr bei mir saht sitzen auf dem Rasen,
Wie er die übermütige Schäfrin pries
Die seine Liebste war.
Cel. Was ist mit ihm?
Cor. Wollt ihr ein Schauspiel sehn, wahrhaft gespielt
Von treuer Liebe blassem Angesicht
Und roter Glut des Hohns und stolzen Hochmuts:
Geht nur ein Eckchen mit, ich führ euch hin,
Wenn ihrs beachten wollt.
Ros. O kommt! gehn wir dahin:
Verliebte sehen nährt Verliebter Sinn.
Bringt uns zur Stell, und gibt es so das Glück,
So spiel ich eine Roll in ihrem Stück. Ab.
Ein anderer Teil des Waldes: Silvius und Phöbe
Silv. Höhnt mich nicht, liebe Phöbe! Tuts nicht, Phöbe!
Sagt dass ihr mich nicht liebt, doch sagt es nicht
Mit Bitterkeit: der Henker, dessen Herz
Des Tods gewohnter Anblick doch verhärtet,
Fällt nicht das Beil auf den gebeugten Nacken,
Bis er sich erst entschuldigt. Seid ihr strenger
Als der bei Tropfen Blutes lebt und stirbt?
Rosalinde, Celia und Corinnus treten auf in der Entfernung
Phö. Ich möchte keineswegs dein Henker sein,
Ich fliehe dich, um dir kein Leid zu tun.
Du sagst mir dass ich Mord im Auge trage:
's ist artig in der Tat, und steht zu glauben
Dass Augen, diese schwächsten, zartsten Dinger,
Die feig ihr Tor vor Sonnenstäubchen schliessen,
Tyrannen, Schlächter, Mörder sollen sein.
Ich seh dich finster an von ganzem Herzen:
Verwundet nun mein Aug, so lass dichs töten.
Tu doch als kämst du um! So fall doch nieder!
Und kannst du nicht: pfui! schäm dich so zu lügen,
Und sag nicht, meine Augen seien Mörder.
Zeig doch die Wunde die mein Aug dir machte.
Ritz dich mit einer Nadel nur, so bleibt
Die Schramme dir . . . stütz dich auf eine Binse:
Die Riefe und den weichen Eindruck hält
Ein Weilchen deine Hand. Nur meine Augen,
Womit ich auf dich blitzte, tun dir nichts,
Und sicher ist auch keine Kraft in Augen
Die Schaden tun kann.
Silv. O geliebte Phöbe!
Begegnet je – wer weiss wie bald dies »je«! –
Auf frischen Wangen dir der Minne Macht:
Dann wirst du die geheimen Wunden kennen
Vom scharfen Pfeil der Liebe.
Phö. Doch bis dahin
Komm mir nicht nah, und wenn die Zeit gekommen,
Kränk mich mit deinem Spott. Sei ohne Mitleid,
Wie ich bis dahin ohne Mitleid bin.
Ros. tritt vor: Warum, ich bitt euch? Wer war eure Mutter,
Dass ihr den Unglückseligen kränkt und höhnt,
Und was nicht alles? Fehlt euch auch die Schönheit
(Wie ich doch wahrlich mehr an euch nicht sehe
Als ohne Licht im Finstern geh zu Bett)
Müsst ihr deswegen stolz und fühllos sein?
Was heisst das? Warum blickt ihr so mich an?
Ich seh nicht mehr an euch als die Natur
Auf Kauf zu machen pflegt. So wahr ich lebe!
Sie will auch meine Augen wohl betören?
Nein, wirklich, stolze Dame! hofft das nicht.
Nicht euer Rabenhaar, kohlschwarze Brauen,
Glaskugel-augen, noch die Milchrahm-wange
Zähmt meinen Geist zu eurer Anbetung . . .
O blöder Schäfer, warum folgt ihr ihr
Wie feuchter Süd, von Wind und Regen schwellend?
Ihr seid ja tausendfach ein hübschrer Mann
Als sie ein Weib. Dergleichen Toren füllen
Die Welt mit widerwärtigen Kindern an.
Der Spiegel nicht, ihr seid es, der ihr schmeichelt:
Sie sieht in euch sich hübscher abgespiegelt
Als ihre Züge sie erscheinen lassen . . .
Doch, Fräulein, kennt euch selbst, fallt auf die Knie,
Dankt Gott mit Fasten für 'nen guten Mann.
Denn als ein Freund muss ich ins Ohr euch sagen:
Verkauft euch bald, ihr seid nicht Jedes Kauf.
Liebt diesen Mann! fleht ihm als eurem Retter!
Am hässlichsten ist Hässlichkeit am Spötter.
So nimm sie zu dir, Schäfer. Lebt denn wohl!
Phö. O holder Jüngling, schilt ein Jahr lang so!
Dich hör ich lieber schelten als ihn werben.
Ros. Er hat sich in ihre Hässlichkeit verliebt, und sie wird sich in meinen Zorn verlieben. Wenn das ist, so will ich sie mit bittern Worten pfeffern, so schnell sie dir mit Stirnrunzeln antwortet . . . Warum seht ihr mich so an?
Phö. Aus üblem Willen nicht.
Ros. Ich bitt euch sehr, verliebt euch nicht in mich,
Denn ich bin falscher als Gelübd im Trunk.
Zudem, ich mag euch nicht. Sucht ihr etwa mein Haus:
's ist hinter den Oliven, dicht bei an . . .
Wollt ihr gehn, Schwester? . . . Schäfer, setz ihr zu . . .
Komm, Schwester! . . . Seid ihm günstiger, Schäferin,
Und seid nicht stolz . . . Zwar jeder könnt euch sehn,
Doch keinen trog das Ansehn so wie den . . .
Zu unsrer Herde, kommt! Rosalinde und Celia ab
Phö. O Schäfer! nun kommt mir dein Spruch zurück:
»Wer liebte je, und nicht beim ersten Blick?«
Silv. Geliebte Phöbe –
Phö. Ha, was sagst du, Silvius?
Silv. Beklagt mich, liebe Phöbe.
Phö. Ich bin um dich bekümmert, guter Silvius.
Silv. Wo die Bekümmernis, wird Hilfe sein.
Seid ihr um meinen Liebesgram bekümmert:
Gebt Liebe mir . . . mein Gram und euer Kummer
Sind beide dann vertilgt.
Phö. Du hast ja meine Lieb: ist das nicht nachbarlich?
Silv. Dich möcht ich haben.
Phö. Ei, das wäre Habsucht.
Die Zeit war, Silvius, da ich dich gehasst . . .
Es ist auch jetzt nicht so dass ich dich liebte.
Doch weil du kannst so gut von Liebe sprechen,
So duld ich deinen Umgang, der mir sonst
Verdriesslich war, und bitt um Dienste dich.
Allein erwarte keinen andern Lohn
Als deine eigne Freude mir zu dienen.
Silv. So heilig und so gross ist meine Liebe
Und ich in solcher Dürftigkeit an Gunst
Dass ich es für ein reiches Teil muss halten
Die Ähren nur dem Manne nachzulesen
Dem volle Ernte wird. Verliert nur dann und wann
Ein flüchtig Lächeln: davon will ich leben.
Phö. Kennst du den jungen Mann der mit mir sprach?
Silv. Nicht sehr genau, doch traf ich oft ihn an.
Er hat die Weid und Schäferei gekauft
Die sonst dem alten Carlot zugehört.
Phö. Denk nicht, ich lieb ihn, weil ich nach ihm frage,
's ist nur ein dummer Bub – doch spricht er gut.
Frag ich nach Worten? – Doch tun Worte gut,
Wenn der sie spricht dem der sie hört gefällt.
Es ist ein hübscher Junge – nicht gar hübsch . . .
Doch wahrlich, er ist stolz . . . zwar steht sein Stolz ihm.
Er wird einmal ein feiner Mann. Das Beste
Ist sein Gesicht, und schneller als die Zunge
Verwundete, heilt' es sein Auge wieder.
Er ist nicht eben gross, doch für sein Alter gross.
Sein Bein ist nur soso, doch macht sichs gut.
Es war ein lieblich Rot auf seinen Lippen,
Ein etwas reiferes und stärkres Rot
Als auf den Wangen: just der Unterschied
Wie zwischen dunkeln und gesprengten Rosen.
Es gibt der Weiber, Silvius, hätten sie
Ihn Stück für Stück betrachtet, so wie ich,
Sie hätten sich verliebt. Ich, für mein Teil,
Ich lieb ihn nicht noch hass ich ihn, und doch
Hätt ich mehr Grund zu hassen als zu lieben.
Denn was hatt er für Recht mich auszuschelten?
Er sprach, mein Haar sei schwarz, mein Auge schwarz,
Und wie ich mich entsinne, höhnte mich.
Mich wunderts dass ich ihm nicht Antwort gab.
Schon gut! Verschoben ist nicht aufgehoben . . .
Ich will ihm einen Brief voll Spottes schreiben,
Du sollst ihn zu ihm tragen: willst du, Silvius?
Silv. Phöbe, von Herzen gern.
Phö. Ich schreib ihn gleich.
Der Inhalt liegt im Kopf mir und im Herzen,
Ich werde bitter sein und mehr als kurz.
Komm mit mir, Silvius. Ab.