William Shakespeare
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William Shakespeare

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Zweiter Aufzug

Erste Szene

Der Ardenner Wald: der Herzog Amiens und ein Edelmann, in Jägerkleidung

Hzg. Nun, meine Brüder und des Banns Genossen,
Macht nicht Gewohnheit süsser dieses Leben
Als das gemalten Pomps? Sind diese Wälder
Nicht sorgenfreier als der falsche Hof?
Wir fühlen hier die Busse Adams nur,
Der Jahrszeit Wechsel, so den eisigen Zahn
Und böses Schelten von des Winters Sturm.
Doch wenn er beisst und auf den Leib mir bläst,
Bis ich vor Kälte schaudre, sag ich lächelnd:
Dies ist nicht Schmeichelei . . . Ratgeber sinds
Die fühlbar mir bezeugen wer ich bin.
Süss ist die Frucht der Widerwärtigkeit,
Die, gleich der Kröte, hässlich und voll Gift,
Ein köstliches Juwel im Haupte trägt.
Dies unser Leben, vom Getümmel frei,
Gibt Bäumen Zungen, findet Buch im Bach,
In Steinen Lehre, Gutes überall.

Ami. Ich tauscht es selbst nicht. Glücklich ist eur Hoheit,
Die auszulegen weiss des Schicksals Härte
In solchem ruhigen und milden Sinn.

Hzg. Kommt, solln wir gehen und uns Wildpret töten?
Zwar schmerzt es mich den armen scheckigen Narrn,
Den Urbewohnern dieser öden Stadt,
Auf eignem Grund mit hakigen Spitzen blutig
Den runden Bug zu reissen.

Edelm.                                         Ja, mein Fürst,
Den melancholischen Jacques kränkt dies sehr,
Er schwört dass ihr auf diesem Weg mehr Unrecht
Als euer Bruder übt der euch verbannt.
Heut schlüpften ich und Amiens hinter ihn,
Als er sich hingestreckt an einer Eiche,
Wovon die alte Wurzel in den Bach
Hineinragt, der da braust den Wald entlang.
Dorthin kam ein versprengter armer Hirsch
Der von des Jägers Pfeil beschädigt war,
Um zu verenden . . . und gewiss, mein Fürst,
Das arme Tier stiess solche Seufzer aus,
Dass jedesmal sein ledern Kleid sich dehnte
Zum Bersten fast: und dicke runde Tränen
Längs der unschuldigen Nase liefen kläglich
Einander nach . . . und der behaarte Narr,
Genau bemerkt vom melancholischen Jacques,
Stand so am letzten Rand des schnellen Bachs,
Mit Tränen ihn vermehrend.

Hzg.                                             Nun, und Jacques?
Macht' er dies Schauspiel nicht zur Sittenpredigt?

Edelm. O ja, in tausend Gleichnissen. Zuerst
Das Weinen in den unbedürftigen Strom:
»Ach, armer Hirsch« so sagt er »wie der Weltling
Machst du dein Testament, gibst dem den Zuschuss
Der schon zuviel hat.« Dann, weil er allein
Und von den sammtnen Freunden war verlassen:
»Recht« sagt' er »so verteilt das Elend stets
Des Umgangs Flut.« Alsbald ein Rudel Hirsche,
Der Weide voll, sprang sorglos an ihm hin,
Und keiner stand zum Grusse. »Ja« rief Jacques
»Streift hin, ihr fetten wohlgenährten Städter!
So ist die Sitte eben: warum schaut ihr
Nach dem bankrotten armen Schelme da?«
Auf diese Art durchbohrt er schmähungsvoll
Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja selbst
Von diesem unsern Leben . . . schwört dass wir
Nichts als Tyrannen, Räuber, Schlimmres noch,
Weil wir die Tiere schrecken, ja sie töten,
In ihrem eignen heimatlichen Sitz.

Hzg. Und liesset ihr in der Betrachtung ihn?

Edelm. Ja, gnädiger Herr, beweinend und besprechend
Das schluchzende Geschöpf.

Hzg.                                               Zeigt mir den Ort,
Ich lasse gern in diesen düstern Launen
Mich mit ihm ein: er ist dann voller Sinn.

Edelm. Ich will euch zu ihm bringen. Ab.

 

Zweite Szene

Ein Zimmer im Palaste: Herzog Friedrich, erster und zweiter Edelmann und Gefolge

Fried. Ist es denn möglich dass sie niemand sah?
Es kann nicht sein: nein, Schurken hier am Hof
Sind im Verständnis mit und gabens zu.

1. Edelm. Ich kann von niemand hören der sie sah.
Die Fraun im Dienste ihrer Kammer brachten
Sie in ihr Bett und fanden morgens früh
Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert.

2. Edelm. Mein Herzog, der Hanswurst, den euer Hoheit
Oft zu belachen pflegt, wird auch vermisst.
Hesperia, der Prinzessin Kammerfräulein,
Bekennt, sie habe insgeheim belauscht
Wie eure Nicht' und Tochter überaus
Geschick und Anstand jenes Ringers lobten
Der jüngst den nervigen Charles niederwarf.
Sie glaubt, wohin sie auch gegangen sind,
Der Jüngling sei gewisslich ihr Begleiter.

Fried. Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her.
Ist er nicht da, so bringt mir seinen Bruder
Der soll ihn mir schon finden. Tut dies schnell,
Lasst Nachsuchung und Forschen nicht ermatten,
Die törichten Verlaufnen heimzubringen. Ab.

 

Dritte Szene

Vor Olivers Hause: Orlando und Adam begegnen sich

Orl. Wer ist da?

Adam. Was? ihr, mein junger Herr? O edler Herr!
O mein geliebter Herr! O ihr Gedächtnis
Des alten Roland! Sagt, was macht ihr hier?
Weswegen übt ihr Tugend? schafft euch Liebe?
Und warum seid ihr edel, stark und tapfer?
Was wart ihr so erpicht den stämmigen Kämpfer
Des launenhaften Herzogs zu bezwingen?
Eur Ruhm kam allzu schnell vor euch nach Haus.
Wisst ihr nicht, Junker, dass gewissen Leuten
All ihre Gaben nur als Feinde dienen?
So, bester Herr, sind eure Tugenden
Für euch geweihte, heilige Verräter.
O welche Welt ist dies, wenn das was herrlich
Den der es hat vergiftet!

Orl. Nun denn, was gibts?

Adam.                               O unglückseliger Jüngling!
Geht durch dies Tor nicht: unter diesem Dach
Lebt aller eurer Trefflichkeiten Feind.
Eur Bruder – nein, kein Bruder, doch der Sohn –
Nein, nicht der Sohn . . . ich will nicht Sohn ihn nennen
Dess den ich seinen Vater heissen wollte –
Hat euer Lob gehört und denkt zu Nacht
Die Wohnung zu verbrennen wo ihr liegt
Und euch darinnen. Schlägt ihm dieses fehl,
So sucht er andre Weg euch umzubringen:
Ich habe ihn belauscht und seinen Anschlag.
Kein Wohnort ist dies Haus, 'ne Mördergrube.
Verabscheut, fürchtet es, geht nicht hinein.

Orl. Sag, wohin willst du, Adam, dass ich gehe?

Adam. Gleichviel wohin, ist es nur hieher nicht.

Orl. Was? willst du dass ich gehn und Brot soll betteln?
Wohl gar mit schnödem, tollem Schwert erzwingen
Auf offner Strasse diebischen Unterhalt?
Das muss ich tun, sonst weiss ich nichts zu tun,
Doch will ich dies nicht, komme was da will.
Ich setze mich der Bosheit lieber aus
Des abgefallnen Bluts und blutigen Bruders.

Adam. Nein, tut das nicht: ich hab fünfhundert Kronen,
Den schmalen Lohn, erspart bei eurem Vater.
Ich legt' ihn bei, mein Pfleger dann zu sein
Wann mir der Dienst erlahmt in schwachen Gliedern,
Und man das Alter in die Ecke wirft.
Nehmt das, und der die jungen Raben füttert,
Ja, sorgsam für den Sperling Vorrat häuft,
Sei meines Alters Trost! Hier ist das Gold,
Nehmt alles, lasst mich euer Diener sein.
Seh ich gleich alt, bin ich doch stark und rüstig.
Denn nie in meiner Jugend mischt ich mir
Heiss und aufrührerisch Getränk ins Blut,
Noch ging ich je mit unverschämter Stirn
Den Mitteln nach zu Schwäch und Unvermögen.
Drum ist mein Alter wie ein frischer Winter,
Kalt, doch erquicklich: lasst mich mit euch gehn!
Ich tu den Dienst von einem jüngern Mann,
In aller eurer Notdurft und Geschäften.

Orl. O guter Alter, wie so wohl erscheint
In dir der treue Dienst der alten Welt,
Da Dienst um Pflicht sich mühte, nicht um Lohn!
Du bist nicht nach der Sitte dieser Zeiten,
Wo niemand mühn sich will als um Befördrung,
Und kaum dass er sie hat, erlischt sein Dienst
Gleich im Besitz. So ist es nicht mit dir.
Doch, armer Greis, du pflegst den dürren Stamm,
Der auch nicht eine Blüte treiben kann
Für alle deine Sorgsamkeit und Müh.
Doch komm, wir brechen miteinander auf,
Und eh wir deinen Jugendlohn verzehrt,
Ist uns ein friedlich kleines Los beschert.

Adam. Auf, Herr! und bis zum letzten Atemzug
Folg ich euch nach, ergeben ohne Trug.
Von siebzehn Jahren bis zu achtzig schier
Wohnt ich, nun wohn ich ferner nicht mehr hier.
Mit siebzehn suchen manche sich ihr Heil,
Doch achtzig ist zu spät um eine Weil.
Könnt ich vom Glück nur diesen Lohn erwerben,
Nicht Schuldner meines Herrn und sanft zu sterben. Ab.

 

Vierte Szene

Der Wald: Rosalinde als Knabe, Celia, wie eine Schäferin gekleidet, und Probstein

Ros. O Jupiter! wie matt sind meine Lebensgeister!

Prob. Ich frage nicht nach meinen Lebensgeistern, wenn nur meine Beine nicht matt wären.

Ros. Ich wäre imstande meinen Mannskleidern eine Schande anzutun und wie ein Weib zu weinen. Aber ich muss das schwächere Gefäss unterstützen, denn Wams und Hosen müssen sich gegen den Unterrock herzhaft beweisen. Also Herz gefasst, liebe Aliena!

Cel. Ich bitte dich, ertrage mich, ich kann nicht weiter.

Prob. Ich für mein Teil wollte euch lieber ertragen als tragen. Und doch trüge ich kein Kreuz, wenn ich euch trüge: denn ich bilde mir ein, ihr habt keinen Kreuzer in eurem Beutel.

Ros. Gut, dies ist der Ardenner Wald.

Prob. Ja, nun bin ich in den Ardennen, ich Narr. Da ich zu Hause war, war ich an einem bessern Ort, aber Reisende müssen sich schon begnügen.

Ros. Ja, tut das, guter Probstein . . . Seht, wer kommt da? Ein junger Mann und ein alter in tiefem Gespräch.

Corinnus und Silvius treten auf

Cor. Dies ist der Weg dass sie dich stets verschmäht.

Silv. O wüsstest du, Corinnus, wie ich liebe!

Cor. Zum Teil errat ichs, denn einst liebt ich auch.

Silv. Nein, Freund, alt wie du bist, errätst dus nicht,
Warst du auch jung ein so getreuer Schäfer
Als je aufs mitternächtige Kissen seufzte.
Allein wenn deine Liebe meiner glich –
Zwar glaub ich, keiner liebte jemals so –
Zu wieviel höchlich ungereimten Dingen
Hat deine Leidenschaft dich hingerissen?

Cor. Zu tausenden die ich vergessen habe.

Silv. O dann hast du so herzlich nie geliebt!
Entsinnst du dich der kleinsten Torheit nicht
In welche dich die Liebe je gestürzt,
So hast du nicht geliebt.
Und hast du nicht gesessen, wie ich jetzt,
Den Hörer mit der Liebsten Preis ermüdend,
So hast du nicht geliebt.
Und brachst du nicht von der Gesellschaft los,
Mit eins, wie jetzt die Leidenschaft mich heisst,
So hast du nicht geliebt . . . O Phöbe! Phöbe! Phöbe! Ab.

Ros. Ach, armer Schäfer! deine Wunde suchend,
Hab ich durch schlimmes Glück die meine funden.

Prob. Und ich meine. Ich erinnre mich, da ich verliebt war, dass ich meinen Degen an einem Stein zerstiess, und hiess ihn das dafür hinnehmen dass er sich unterstände nachts zu Hannchen Freundlich zu kommen . . . und ich erinnre mich wie ich ihr Waschholz küsste und die Euter der Kuh die ihre hübsch rissigen Hände gemolken hatten. Ich erinnre mich wie ich mit einer Erbschenschote schön tat, als wenn sie es wäre, und ich nahm zwei Erbsen, gab sie ihr wieder und sagte mit weinenden Tränen: Trage sie um meinetwillen. Wir treuen Liebenden kommen oft auf seltsame Sprünge: wie alles von Natur sterblich ist, so sind alle sterblich Verliebten von Natur Narren.

Ros. Du sprichst klüger als du selber gewahr wirst.

Prob. Nein, ich werde meinen eignen Witz nicht eher gewahr werden, als bis ich mir die Schienbeine daran zerstosse.

Ros. O Jupiter! o Jupiter! Dieses Schäfers Leidenschaft ist ganz nach meiner Eigenschaft.

Prob. Nach meiner auch, aber sie versauert ein wenig bei mir.

Cel. Ich bitte euch, frag einer jenen Mann
Ob er für Gold uns etwas Speise gibt.
Ich schmachte fast zu Tode.

Prob.                                           Heda, Tölpel!

Ros. Still, Narr! Er ist dein Vetter nicht.

Cor.                                                       Wer ruft?

Prob. Vornehmere als ihr.

Cor. Sonst wären sie auch wahrlich sehr gering.

Ros. Still, sag ich euch! . . . Habt guten Abend, Freund!

Cor. Ihr gleichfalls, feiner Herr, und allesamt.

Ros. Hör, Schäfer, können Geld und gute Worte
In dieser Wildnis uns Bewirtung schaffen,
So zeigt uns wo wir ruhn und essen können.
Dies junge Mädchen ist vom Reisen matt
Und lechzt nach Labung.

Cor.                                         Herr, sie tut mir leid,
Ich wünsche mehr für sie als für mich selbst,
Mein Glück wär mehr imstande ihr zu helfen.
Doch ich bin Schäfer eines andern Manns
Und schere nicht die Wolle die ich weide.
Von filziger Gemütsart ist mein Herr
Und fragt nicht viel danach den Weg zum Himmel
Durch Werke der Gastfreundlichkeit zu finden.
Auch stehn ihm Hütt und Herd und seine Weiden
Jetzt zum Verkauf, und auf der Schäferei
Ist, weil er nicht zu Haus, kein Vorrat da
Wovon ihr speisen könnt: doch kommt und seht!
Von mir euch alles gern zu Dienste steht.

Ros. Wer ists, der seine Herd und Wiesen kauft?

Cor. Der junge Schäfer den ihr erst gesehn:
Den es nicht kümmert irgend was zu kaufen.

Ros. Ich bitte dich, bestehts mit Redlichkeit,
Kauf du die Meierei, die Herd und Weiden:
Wir geben dir das Geld, es zu bezahlen.

Cel. Und höhern Lohn . . . ich liebe diesen Ort
Und brächte willig meine Zeit hier zu.

Cor. So viel ist sicher, dies ist zu Verkauf.
Geht mit! Gefällt euch auf Erkundigung
Der Boden, der Ertrag und dieses Leben,
So will ich euer treuer Pfleger sein.
Und kauf es gleich mit eurem Golde ein. Ab.

 

Fünfte Szene

Ein anderer Teil des Waldes: Amiens, Jacques und andere

Ami. Lied:
    Unter des Laubdachs Hut
    Wer gerne mit mir ruht,
    Und stimmt der Kehle Klang
    Zu lustiger Vögel Sang:
Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!
    Hier nagt und sticht
    Kein Feind ihn nicht,
Als Wetter, Regen und Winde.

Jac. Mehr, mehr, ich bitte dich, mehr!

Ami. Es wird euch melancholisch machen, Monsieur Jacques.

Jac. Das dank ich ihm. Mehr, ich bitte dich, mehr! Ich kann Melancholie aus einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt. Mehr! mehr! ich bitte dich.

Ami. Meine Stimme ist rauh. Ich weiss, ich kann euch nicht damit gefallen.

Jac. Ich verlange nicht dass ihr mir gefallen sollt, ich verlange dass ihr singt. Kommt, noch ein Strophe! Nennt ihrs nicht Strophe?

Ami. Wie es euch beliebt, Monsieur Jacques.

Jac. Ich kümmre mich nicht um ihren Namen: sie sind mir nichts schuldig. Wollt ihr singen?

Ami. Mehr auf euer Verlangen als mir zu Gefallen.

Jac. Gut, wenn ich mich jemals bei einem Menschen bedanke, so will ichs bei euch. Aber was sie Komplimente nennen, ist als wenn sich zwei Maulaffen begegnen. Und wenn sich jemand herzlich bei mir bedankt, so ist mir als hätte ich ihm einen Pfennig gegeben, und er sagte Gotteslohn dafür. Kommt, singt, und wer nicht mag halte sein Maul!

Ami. Gut, ich will das Lied zu Ende bringen . . . Ihr Herren, deckt indes die Tafel: der Herzog will unter diesem Baum trinken . . . er ist den ganzen Tag nach euch aus gewesen.

Jac. Und ich bin ihm den ganzen Tag aus dem Wege gegangen. Er ist ein zu grosser Disputierer für mich. Es gehn mir so viele Gedanken durch den Kopf als ihm, aber ich danke dem Himmel und mache kein Wesens davon. Kommt, trillert eins her.

Alle zusammen. Lied:
    Wer Ehrgeiz sich hält fern,
    Lebt in der Sonne gern,
    Selbst sucht was ihn ernährt,
    Und was er kriegt verzehrt:
Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!
    Hier nagt und sticht
    Kein Feind ihn nicht,
Als Wetter, Regen und Winde.

Jac. Ich will euch einen Vers zu dieser Weise sagen den ich gestern meiner Dichtungsgabe zum Trotz gemacht habe.

Ami. Und ich will ihn singen.

Jac. So lautet er:
    Besteht ein dummer Tropf
    Auf seinem Eselskopf,
    Lässt seine Füll und Ruh
    Und läuft der Wildnis zu:
Duc ad me! duc ad me! duc ad me!
    Hier sieht er mehr
    So Narrn wie er,
Wenn er zu mir will kommen her.

Ami. Was heisst das: duc ad me?

Jac. Es ist eine griechische Beschwörung, um Narren in einen Kreis zu bannen. Ich will gehn und schlafen, wenn ich kann. Kann ich nicht, so will ich auf alle Erstgeburt in Ägypten lästern.

Ami. Und ich will den Herzog aufsuchen, sein Mahl ist bereitet. Nach verschiedenen Seiten ab.

 

Sechste Szene

Ein anderer Teil des Waldes: Orlando und Adam

Adam. Liebster Herr, ich kann nicht weiter gehn. Ach, ich sterbe vor Hunger! Hier werfe ich mich hin und messe mir mein Grab. Lebt wohl, bester Herr.

Orl. Ei was, Adam! hast du nicht mehr Herz? Lebe noch ein wenig, stärke dich ein wenig, ermuntre dich ein wenig. Wenn dieser rauhe Wald irgendein Gewild hegt, so will ich ihm entweder zur Speise dienen oder es dir zur Speise bringen. Deine Einbildung ist dem Tode näher als deine Kräfte. Mir zuliebe sei getrost, halt dir den Tod noch eine Weile vom Leibe. Ich will gleich wieder bei dir sein, und wenn ich dir nicht etwas zu essen bringe, so erlaube ich dir zu sterben. Aber wenn du stirbst, ehe ich komme, so hast du mich mit meiner Mühe zum besten. Gut! gut! du siehst munter aus, und ich bin gleich wieder bei dir. Aber du liegst in der scharfen Luft: komm, ich will dich hintragen wo Überwind ist, und du sollst nicht aus Mangel an einer Mahlzeit sterben, wenn es irgend was Lebendiges in dieser Einöde gibt. Mut gefasst, guter Adam! Ab.

 

Siebente Szene

Ein anderer Teil des Waldes: ein gedeckter Tisch – der Herzog, Amiens, ein Edelmann und Gefolge

Hzg. Ich glaub, er ist verwandelt in ein Tier,
Denn nirgends find ich ihn in Mannsgestalt.

Edelm. Mein Fürst, er ging soeben von hier weg
Und war vergnügt, weil wir ein Lied ihm sangen.

Hzg. Wenn er, ganz Misslaut, musikalisch wird,
So gibts bald Dissonanzen in den Sphären . . .
Geht, sucht ihn, sagt dass ich ihn sprechen will.

Jacques tritt auf

Edelm. Er spart die Mühe mir durch seine Ankunft.

Hzg. Wie nun, mein Herr? was ist denn das für Art,
Dass eure Freunde um euch werben müssen?
Was? ihr seht lustig aus.

Jac. Ein Narr! ein Narr! Ich traf 'nen Narrn im Walde,
'nen scheckigen Narrn . . . o jämmerliche Welt!
So wahr mich Speise nährt, ich traf 'nen Narrn,
Der streckte sich dahin und sonnte sich
Und schimpfte Frau Fortuna ganz beredt,
Ganz wohlgesetzt . . . und doch ein scheckiger Narr!
»Guten Morgen, Narr« sagt ich. »Nein, Herr« sagt' er
»Nennt mich nicht Narr, bis mich das Glück gesegnet.«
Dann zog er eine Uhr aus seiner Tasche,
Und wie er sie besah mit blödem Auge,
Sagt' er sehr weislich »Zehn ists an der Uhr.
Da sehn wir nun« sagt' er »wie die Welt läuft:
's ist nur 'ne Stunde her, da war es neun,
Und nach 'ner Stunde noch wirds elfe sein,
Und so von Stund zu Stunde reifen wir,
Und so von Stund zu Stunde faulen wir,
Und daran hängt ein Märlein.« Da ich hörte
So predigen von der Zeit den scheckigen Narrn,
Fing meine Lung an wie ein Hahn zu krähn,
Dass Narrn so tiefbedächtig sollten sein . . .
Und eine Stunde lang ununterbrochen
Lacht ich nach seiner Uhr. O wackrer Narr!
Ein würdiger Narr! Die Jacke lob ich mir.

Hzg. Was ist das für ein Narr?

Jac. Ein würdiger Narr! Er war ein Hofmann sonst
Und sagt: ist eine Frau nur jung und schön,
So ward ihr, es zu wissen. Und im Hirn,
Das trocken ist wie Zwieback nach der Reise,
Hat er seltsame Fächer vollgestopft
Mit Anmerkungen, die er brockenweise
Nun von sich gibt. O wär ich doch ein Narr!
Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke.

Hzg. Du sollst sie haben.

Jac.                                 Sonst steht mir nichts an.
Vorausgesetzt dass ihr eur bessres Urteil
Von aller Meinung reinigt die da wuchert,
Als war ich weise. Ich muss Freiheit haben
Dabei, so weite Vollmacht wie der Wind –
So ziemt es Narrn – auf wen ich will zu blasen.
Und wen am ärgsten meine Torheit geisselt
Der muss am meisten lachen. Und warum?
Das fällt ins Auge wie der Weg zur Kirche.
Der den ein Narr sehr weislich hat getroffen
War wohl sehr töricht, schmerzt es noch so sehr,
Nicht fühllos bei dem Schlag zu tun. Wo nicht,
So wird des Weisen Narrheit aufgedeckt
Selbst durch des Narren ungefähres Zielen.
Steckt mich in meine Jacke, gebt mir frei
Zu reden wie mirs dünkt: und durch und durch
Will ich die angesteckte Welt schon säubern,
Wenn sie geduldig nur mein Mittel nehmen.

Hzg. Pfui über dich! Ich weiss wohl was du tätest.

Jac. Und was, zum Kuckuck, würd ich tun als Gutes?

Hzg. Höchst arge Sünd, indem du Sünde schöltest.
Denn du bist selbst ein wüster Mensch gewesen,
So sinnlich wie nur je des Tieres Trieb,
Und alle Übel, alle bösen Beulen,
Die du auf freien Füssen dir erzeugt,
Die würdst du schütten in die weite Welt.

Jac. Wie! wer schreit gegen Stolz
Und klagt damit den Einzelnen nur an?
Schwillt seine Flut nicht mächtig wie die See,
Bis die erschöpften letzten Mittel ebben?
Welch eine Bürgerfrau nenn ich mit Namen,
Wenn ich behaupt, es tragen Bürgerfraun
Der Fürsten Aufwand auf unwürdigen Schultern?
Darf eine sagen dass ich sie gemeint,
Wenn so wie sie die Nachbarin auch ist?
Und wo ist der vom niedrigsten Beruf
Der spricht: sein Grosstun koste mir ja nichts –
Im Wahn, er sei gemeint – und seine Torheit
Nicht stimmt dadurch zu meiner Rede Ton?
Ei ja doch! wie denn? was denn? Lasst doch sehn
Wo ihn mein Wort gekränkt! Tat es ihm recht,
Dann kränkte er sich selber. Ist er rein,
Nun, dann fliegt meine Rüge wie die Wildgans,
Die niemand angehört . . . Wer kommt da? seht!

Orlando tritt auf mit gezogenem Degen

Orl. Halt! esst nicht mehr!

Jac.                                     Ich hab noch nicht gegessen.

Orl. Und sollst nicht, bis die Notdurft erst bedient.

Jac. Von welcher Art mag dieser Vogel sein?

Hzg. Hat deine Not dich, Mensch, so kühn gemacht,
Wie? oder ists Verachtung guter Sitten,
Dass du so leer von Höflichkeit erscheinst?

Orl. Ihr traft den Puls zuerst: der dornige Stachel
Der harten Not nahm von mir weg den Schein
Der Höflichkeit. Im innern Land erzogen,
Kenn ich wohl Sitte. Aber haltet! sag ich.
Der stirbt wer etwas von der Frucht berührt,
Eh ich und mein Bedarf befriedigt sind.

Jac. Könnt ihr nicht durch Vernunft befriedigt werden,
So muss ich sterben.

Hzg. Was wollt ihr haben? Eure Freundlichkeit
Wird mehr als Zwang zur Freundlichkeit uns zwingen.

Orl. Ich sterbe fast vor Hunger, gebt mir Speise.

Hzg. Sitzt nieder! esst! willkommen unserm Tisch!

Orl. Sprecht ihr so liebreich? O vergebt, ich bitte!
Ich dachte, alles müsste wild hier sein,
Und darum setzt ich in die Fassung mich
Des trotzigen Befehls. Wer ihr auch seid,
Die ihr in dieser unzugangbarn Wildnis,
Unter dem Schatten melancholischer Wipfel,
Säumt und vergesst die Stunden träger Zeit:
Wenn je ihr bessre Tage habt gesehn,
Wenn je zur Kirche Glocken euch geläutet,
Wenn je ihr sasst bei guter Menschen Mahl,
Wenn je vom Auge Tränen ihr getrocknet
Und wisst was Mitleid ist und Mitleid finden,
So lasst die Sanftmut mir statt Zwanges dienen:
Ich hoffs, erröt und berge hier mein Schwert.

Hzg. Ja, bessre Tage haben wir gesehn,
Uns läuteten zur Kirche heilige Glocken,
Wir sassen bei der Guten Mahl und wischten
Geweihten Mitleids Tropfen uns vom Aug.
Und darum setzt in Freundlichkeit euch hin
Und nehmt nach Wunsch was wir an Hilfe haben
Das eurem Mangel irgend dienen kann.

Orl. Ein Weilchen haltet ein mit eurem Mahl,
Indessen, wie die Hindin, ich mein Junges
Will füttern gehn. Dort ist ein armer Alter,
Der manchen sauren Schritt aus blosser Liebe
Mir nachgehinkt. Bis er befriedigt ist,
Den doppelt Leid, das Alter schwächt und Hunger,
Berühr ich keinen Bissen.

Hzg.                                         Geht, holt ihn her!
Wir wollen nichts verzehren, bis ihr kommt.

Orl. Ich dank euch. Seid für euren Trost gesegnet. Ab.

Hzg. Du siehst, unglücklich sind nicht wir allein,
Und dieser weite, allgemeine Schauplatz
Beut mehr betrübte Szenen dar als unsre
Worin wir spielen.

Jac.                             All die Welt ist Bühne,
Und alle Fraun und Männer blosse Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen,
Durch sieben Akte hin. Zuerst das Kind,
Das in der Wärtrin Armen greint und sprudelt.
Der weinerliche Bube, der mit Bündel
Und glattem Morgenantlitz, wie die Schnecke,
Ungern zur Schule kriecht. Dann der Verliebte,
Der wie ein Ofen seufzt, mit Jammerlied
Auf seiner Liebsten Brau'n. Dann der Soldat,
Voll toller Flüch und wie ein Pardel bärtig,
Auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,
Bis in die Mündung der Kanone suchend
Die Seifenblase Ruhm. Und dann der Richter,
In rundem Bauche, mit Kapaun gestopft,
Mit strengem Blick und regelrechtem Bart,
Voll weiser Sprüche und geläufiger Sätze,
Spielt seine Rolle so. Das sechste Alter
Macht den besockten hagern Pantalon,
Brill auf der Nase, Beutel an der Seite,
Die jugendliche Hose, wohl geschont,
'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden,
Die tiefe Männerstimme, umgewandelt
Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt
In seinem Ton. Der letzte Akt, mit dem
Die seltsam wechselnde Geschichte schliesst,
Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,
Ohn Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.

Orlando kommt zurück mit Adam

Hzg. Nun, Freund, setzt nieder eure würdige Last
Und lasst ihn essen.

Orl. Ich dank euch sehr für ihn.

Adam.                                       Das tut auch not,
Kaum kann ich sprechen, selbst für mich zu danken.

Hzg. Willkommen denn! greift zu! Ich stör euch nicht
Bis jetzt mit Fragen über eure Lage . . .
Gebt uns Musik und singt eins, guter Vetter!

Ami. Lied:
        Stürm, stürm, du Winterwind!
        Du bist nicht falsch gesinnt,
            Wie Menschen-undank ist.
        Dein Zahn nagt nicht so sehr,
        Weil man nicht weiss woher,
            Wiewohl du heftig bist.
Heisa! singt heisa! den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch und die Liebe nur Träumen.
            Drum heisa, den Bäumen!
            Den lustigen Räumen!

        Frier, frier, du Himmelsgrimm!
        Du beissest nicht so schlimm
            Als Wohltat, nicht erkannt . . .
        Erstarrst du gleich die Flut,
        Viel schärfer sticht das Blut
            Ein Freund, von uns gewandt.
Heisa! singt heisa! den grünenden Bäumen!
Die Freundschaft ist falsch und die Liebe nur Träumen.
            Drum heisa, den Bäumen!
            Den lustigen Räumen!

Hzg. Wenn ihr der Sohn des guten Roland seid,
Wie ihr mir eben redlich zugeflüstert,
Und wie mein Aug sein Ebenbild bezeugt,
Das konterfeit in eurem Antlitz lebt:
Seid herzlich hier gegrüsst! Ich bin der Herzog
Der euren Vater liebte: eur ferners Schicksal,
Kommt und erzählts in meiner Höhle mir . . .
Willkommen, guter Alter, wie dein Herr!
Führt ihn am Arme . . . Gebt mir eure Hand
Und macht mir euer ganz Geschick bekannt. Ab.

 


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