Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Straße in Marseille.
Helena, die Witwe und Diana treten auf.
Helena. Doch dies unmäß'ge Reisen, Tag und Nacht,
Muß Euch erschöpfen. Ändern kann ich's nicht.
Doch weil Ihr Nacht und Tag zu eins gemacht,
Daß mir zulieb' Ihr kränkt den zarten Leib,
Faßt Mut! Ihr wuchst so fest in meiner Schuld,
Daß nichts Euch kann entwurzeln. – Wie erwünscht!
(Ein edler Falkonier tritt auf.)
Der Mann kann mir Gehör beim König schaffen,
Wenn er sein Ansehn brauchen will. Gott grüß' Euch!
Edelmann. Und Euch.
Helena. Mir scheint, ich sah Euch schon an Frankreichs Hof.
Edelmann. Ich war zuzeiten dort.
Helena. Ich hoffe, Herr, Ihr habt noch nicht verleugnet,
Was alle Welt von Eurer Güte rühmt,
Und drum, gedrängt von strenger Not des
Schicksals, Wo wir die Form vergessen, wend ich mich
An Eure Tugend, deren ich mit Dank
Fortan gedenken will.
Edelmann. Was ist Eu'r Wunsch?
Helena. Daß Ihr geruhn mögt,
Dies arme Blatt dem König einzuhänd'gen
Und mir mit Euerm Einfluß beizustehn,
Daß er mich hören wolle.
Edelmann. Der König ist nicht hier.
Helena. Nicht hier, Herr?
Edelmann. Nein.
Er reiste gestern nacht von hier, und schneller,
Als er sonst pflegt.
Witwe. Gott, welch vergeblich Mühn!
Helena. Ende gut, alles gut! bleibt doch mein Trost,
Ob auch die Zeit entgegen, schwach die Kraft. –
Ich bitt Euch, sagt, wohin er abgereist?
Edelmann. Nun, wenn ich recht gehört, nach Roussillon,
Wohin ich selber gehn will.
Helena. Ich ersuch Euch,
Da Ihr den König eh'r wohl seht als ich,
Legt dies Papier in seine gnäd'ge Hand.
Ich hoff, es zieht Euch keinen Tadel zu,
Vielleicht verdient es eh'r Euch einen Dank.
Ich werd' Euch folgen mit so schneller Eil',
Wie irgend möglich.
Edelmann. Das soll gern geschehn.
Helena. Und Euer wartet einst der beste Dank,
Was auch geschehn mag. Jetzt zu Pferde wieder.
Auf, laßt uns eilen!
(Sie gehn ab.)
Roussillon,
Der Narr und Parolles treten auf.
Parolles. Lieber Monsieur Lavache, gebt dem gnädigen Herrn Lafeu diesen Brief. Ihr habt mich wohl sonst vornehmer gekannt, Herr, als ich noch mit frischeren Kleidern in vertrautem Umgang lebte. Aber nun, Herr, bin ich in Fortunens Morast muddig geworden und rieche etwas streng nach ihrer strengen Ungnade.
Narr. Mein' Seel', Fortunens Ungnade muß recht garstig sein, wenn sie so strenge riecht, wie du sagst. Ich werde künftig keinen Fisch aus Fortunens Bratpfanne mehr essen. Bitt dich, stelle dich unter den Wind.
Parolles. Nun Freund, Ihr braucht Euch die Nase drum nicht zuzuhalten, ich rede nur in einer Metapher.
Narr. Ja, mein Bester, wenn Eure Metapher stinkt, so werde ich meine Nase zuhalten, und das bei jedermanns Metapher. Bitt dich, geh fürbaß!
Parolles. Habt die Gewogenheit, mein Freund, und besorgt mir dies Papier.
Narr. Puh! Mache, daß du wegkommst. Ein Papier aus Fortunens Nachtstuhl einem Edelmann geben? Sieh, da kommt er selbst. (Lafeu tritt auf.) Hier ist ein Kater der Fortuna, Herr, oder eine Fortunakatze, aber keine Bisamkatze, welche in den unsaubern Fischteich ihrer Ungnade gefallen und, wie er sagt, muddig geworden ist. Ich bitte Euch, Herr, verfahrt mit diesem Karpfen, wie Ihr Lust habt, denn er sieht aus wie ein armer, schäbiger, kniffiger, närrischer, schelmenhafter Taugenichts. Ich bemitleide seinen Unstern mit meinem trostreichen Lächeln und lasse ihn Euer Gnaden. (Geht ab.)
Parolles. Gnädiger Herr, ich bin ein Mann, den Fortuna jämmerlich zerkratzt hat.
Lafeu. Und was kann ich dabei tun? Jetzt ist's zu spät, ihr die Nägel zu schneiden. Was habt Ihr der Fortuna für Streiche gespielt, daß sie Euch kratzen mußte? An sich ist sie doch eine gute Dame, die nur nicht leiden kann, daß es den Schelmen zu lange unter ihrem Schutz wohl gehe. Da habt Ihr einen Vierteltaler – laßt Euch die Richter wieder mit ihr aussöhnen; ich habe mehr zu tun.
Parolles. Ich ersuche Euer Gnaden, hört mich nur auf ein einziges Wort.
Lafeu. Ihr bittet um einen einzigen Pfennig mehr; gut, Ihr sollt ihn haben; spart Euer Wort.
Parolles. Mein Name, gnädiger Herr, ist Parolles.
Lafeu. So bittet Ihr mich um mehr als ein Wort. Potz Element! Gebt mir Eure Hand; was macht Eure Trommel?
Parolles. Oh, mein gnädiger Herr, Ihr wart der erste, der mich ausfand.
Lafeu. War ich's, wirklich? Und ich war auch der erste, der dich verlor.
Parolles. Nun steht's bei Euch, gnädiger Herr, mich wieder in einige Gnade zu bringen; denn Ihr brachtet mich heraus.
Lafeu. Pfui, schäme dich, Kerl! Schiebst du mir zugleich das Amt Gottes und des Teufels zu? Der eine bringt dich in die Gnade hinein, der andre bringt dich aus ihr heraus. (Trompetenstoß.) Der König kommt, ich hör es an seinen Trompeten. Frag ein andermal wieder nach mir, Bursch; ich sprach noch gestern abend von dir. Obgleich du ein Narr und ein Schelm dazu bist, sollst du doch nicht verhungern; komm nur mit.
Parolles. Ich preise Gott für Euch. (Sie gehn ab.)
Ebendaselbst.
Trompetenstoß. Der König, die Gräfin von Roussillon, Lafeu, Edelleute und Gefolge treten auf.
König. Ein Kleinod haben wir an ihr verloren,
Und unsre Gunst ward ärmer. Doch Eu'r Sohn,
Durch Tollheit wie verrückt, war ohne Sinn
Für ihren vollen Wert.
Gräfin. Nun ist's geschehn;
Und ich ersuch Eu'r Hoheit, seht es an
Als einen Aufruhr jugendlicher Glut,
Wenn Öl und Feu'r, zu stark für die Vernunft,
In Flammen überwallt.
König. Verehrte Frau,
Vergeben hab ich alles und vergessen,
Obgleich mein Zorn sich stark auf ihn gespannt
Und fertig war zum Schuß.
Lafeu. Dies muß ich sagen
(Doch bitt ich erst Vergunst), der junge Graf
Verging sich schwer an seinem Könige,
An seiner Mutter und an seiner Gattin,
Am meisten doch an sich. Ihm starb ein Weib,
Des Schönheit auch das reichste Aug' geblendet,
Des Rede jeglich Ohr gefangennahm,
Des hoher Wert auch überstolze Herzen
Zum Dienen zwang.
König. Das preisen, was dahin,
Macht im Erinnern Schmerz. – Nun ruft ihn her!
Wir sind versöhnt; der erste Anblick töte
Jeglich Erwähnen. Nicht um Gnade bitt' er;
Der Geist erlosch, durch den er schwer gesündigt;
Und tiefer als Vergessen sei begraben
Des Brandes Zunder. Komm' er denn zu Uns
Als Fremder, als Beleid'ger nicht; erklärt ihm,
Was Unser Wille sei.
Edelmann. Sogleich, mein König! (Ab.)
König. Spracht Ihr mit ihm von Eurer Tochter, Herr?
Lafeu. Er fügt sich ganz in Eurer Hoheit Willen.
König. So gibt's 'ne Hochzeit. Ich erhielt ein Schreiben,
Das rühmlich sein gedenkt.
(Bertram tritt auf.)
Lafeu. Er scheint vergnügt.
König. Ich bin kein Tag, unwandelbar verfinstert;
Denn Sonnenschein und Hagel stehn zugleich
Auf meiner Stirn; doch weicht den hellsten Strahlen
Die dunkle Wolke. Darum komm nur näher;
Der Himmel hellt sich auf.
Bertram. Die tiefbereute Schuld
Verzeiht, mein teurer Lehnsherr!
König. Alles gut!
Kein Wort nun mehr von der vergangnen Zeit!
Am Stirnhaar laß den Augenblick uns fassen,
Denn Wir sind alt, und Unsre schnellsten Schlüsse
Beschleicht der unhörbare, leise Fuß
Der Zeit, eh' sie vollzogen sind. Gedenkt Ihr
Der Tochter dieses Herrn?
Bertram. Und mit Bewundrung stets, mein Fürst.
Zuerst Fiel meine Wahl auf sie, eh' noch mein Herz
Die Zung' erkor als allzu dreisten Herold.
Dann, als ihr Bild geprägt in mein Gemüt,
Lieh mir sein höhnend Fernglas spröder Stolz,
Das jedes fremden Reizes Zug' entstellte,
Der Wangen Rot verschmäht', als sei's erborgt,
Und alle Formen einzog oder dehnte
Zu widerwärt'ger Häßlichkeit. So kam's,
Daß sie, die alle priesen, die ich selbst
Geliebt, seit sie mir starb, in meinem Auge
Der Staub ward, der's geblendet.
König. Gut entschuldigt!
Daß du sie liebst, tilgt große Summen weg
Von deiner Rechnung. Doch zu spätes Lieben
Klagt wie Begnad'gung, zögernd überbracht,
Den großen Richter an mit bitterm Vorwurf
Und ruft: gut ist, was tot. Der hast'ge Irrtum
Verschmäht als niedrig unser bestes Gut
Und schätzt es nicht, bis es im Grabe ruht.
Verkennen oft, zu eignem Ungemach,
Zerstört den Freund und weint dem Toten nach;
Beweint die wache Lieb' ein teures Leben,
Wird roher Haß sich starrem Schlaf ergeben.
Dies sei der süßen Helena Geläut,
Und nun vergeßt sie. Sendet einen Ring
Als Brautgeschenk der schönen Magdalis;
Denn sie ist Eu'r. Wir wollen hier verweilen
Und unsers Witwers zweites Brautfest teilen.
Gräfin. Und beßres Glück, o Himmel, wollst du geben,
Sonst, o Natur, nimm mich aus diesem Leben!
Lafeu. Komm her, mein Sohn, der meines Stamms Gedächtnis
Forterben soll, gib mir ein Liebespfand,
Des Funkeln meiner Tochter Geist errege
Zu schneller Eil'. Bei meinem greisen Bart
Und jedem Haar drin: unsere Helena
War hold und reizend. Solchen Ring, wie den,
Als sie das letztemal erschien am Hof,
Trug sie an ihrem Finger.
Bertram. Diesen nicht!
König. Ich bitt Euch, laßt mich sehn, denn schon vorhin
Hat, als ich sprach, mein Aug' auf ihm geruht.
Der Ring war mein; ich gab ihn Helena,
Und schwur, wenn sie des Beistands je bedürfe,
Dies sei ein Pfand, daß ich ihr helfen wolle.
Wie nur vermochtst du, des sie zu berauben,
Was ihr am teuersten?
Bertram. Mein gnäd'ger Herr,
Obgleich es Euch gefällt, es so zu nehmen,
Der Ring gehört' ihr nie.
Gräfin. Sohn, ja! beim Himmel,
Ich sah, wie sie ihn trug; sie hielt ihn wert,
Mehr als ihr Leben.
Lafeu. Ja, gewiß, sie trug ihn.
Bertram. Ihr irrt Euch, gnäd'ger Herr, sie sah ihn nie.
In Florenz ward er mir aus einem Fenster
Geworfen, in Papier gewickelt, das
Die Geberin mir nannte; sie war adlig
Und hielt mich noch für frei. Doch da mein Schicksal
Gebunden war und ich ihr klar gezeigt,
Ich könne nicht in Ehren ihr erwidern,
Was sie von mir gehofft, entließ sie mich,
Nach manchem Kampf beruhigt. Doch den Ring
Zwang sie mich, zu behalten.
König. Plutus selbst,
Erfahren in Tinktur und Alchimie,
Kennt der Natur Geheimnis nicht vertrauter
Als ich den Ring. Ich schenkt' ihn Helena,
Gleichviel, wer ihn Euch gab. Drum, wenn Ihr wißt,
Daß Ihr von Euerm Tun Erinnrung habt,
Bekennt, so sei's, und welcher rauhe Zwang
Ihn Euch gewann. Sie schwur bei allen Heil'gen,
Sie woll' ihn nie von ihrem Finger lassen,
Wenn sie ihn Euch nicht gab' in ihrem Brautbett
(Wohin Ihr nie gekommen), oder schickt' ihn
Mir selbst in harter Not.
Bertram. Sie sah ihn nie.
König. Das sprichst du falsch, so wahr mir Ehre lieb!
Und weckst Argwohn und Furcht mir, der ich gern
Den Zugang wehrte. Wenn es sich erwiese,
Du seist so grausam – nicht wird sich's erweisen –
Und dennoch ahnet mir – dein Haß war tödlich,
Und sie ist tot. Nichts konnte, daß sie starb,
Mich überreden, außer wenn ich selbst
Das Aug' ihr schloß, so sehr als dieser Ring!
Führt ihn hinweg. Wie auch der Fall sich wende,
Nicht ohne Grund geb ich dem Zweifel Raum,
Der ohne Grund zu viel vertraute. – Fort!
Wir forschen weiter nach.
Bertram. Beweist Ihr erst,
Der Ring gehört' ihr je, dann leicht beweist Ihr,
Daß ich in Florenz ihr genaht als Gatte,
Wo sie doch niemals war.
(Bertram wird weggeführt.)
König. Ein düstrer Argwohn quält mich.
(Ein Edelmann tritt auf.)
Edelmann. Gnäd'ger Fürst!
Ich weiß nicht, ob ich unrecht tat, ob nicht:
Dies gab mir eine Florentinerin,
Weil sie um vier, fünf Posten Euch verfehlt,
Es selbst zu überreichen. Ich versprach's,
Bewogen durch die Anmut und die Reden
Der armen Bittenden, die jetzt, so hör ich,
Hier wartet. Wichtig scheint mir ihr Gesuch
Nach ihrer Miene und betrifft (so sprach sie
Mit wenig holden Worten) Eure Hoheit
Nicht minder als sie selbst.
König (liest). – »Auf seine vielen Beteurungen, mich zu heiraten, wenn seine Gattin tot wäre (ich erröte, es zu sagen), gewann er mich. Jetzt ist der Graf Roussillon ein Witwer, seine Gelübde sind mir verfallen, und ich habe ihn mit meiner Ehre bezahlt. Er verließ Florenz heimlich, ohne Abschied zu nehmen, und ich folge ihm in sein Vaterland, um Recht zu finden. Gewährt es mir, o König; es steht völlig bei Euch; sonst triumphiert ein Verführer, und ein armes Mädchen ist verloren. Diana Capulet.«
Lafeu. Ich will mir einen Schwiegersohn auf dem Jahrmarkt kaufen und verzollen, den hier mag ich nicht.
König. Der Himmel meint es gut mit dir, Lafeu,
Der dir's enthüllte. Schafft mir jene Fraun,
Geht, eilt, und führt den Grafen wieder her.
(Ein Edelmann geht mit einigen Dienern.)
Ich fürchte, Gräfin, Helena kam schändlich
Ums Leben!
Gräfin. Dann, Gerechtigkeit den Tätern!
(Bertram mit Wache tritt auf.)
König. Mich wundert, Graf, wenn Ihr die Fraun so haßt
Und flieht, sobald Ihr ihnen Treue schwurt,
Wie Ihr an Heirat denkt. Wer ist dies Mädchen?
(Ein Edelmann führt die Witwe und Diana herein.)
Diana. Ich Arme bin aus Florenz, gnäd'ger König,
Entsprossen von den alten Capulet.
Was mich hierherführt, hör ich, kennt Ihr schon,
Und wißt, wie sehr ich zu beklagen bin.
Witwe. Sie ist mein Kind, Herr. Ihrer Mutter Ehre
Und Alter kränkt die Klage, die wir bringen,
Und beide gehn zugrunde, helft Ihr nicht.
König. Graf, tretet näher; kennt Ihr diese Fraun?
Bertram. Mein Fürst, ich kann und will Euch nicht verbergen,
Daß ich sie kenne. Sagt, wes zeihn sie mich?
Diana. Warum blickt Ihr so fremd auf Euer Weib?
Bertram. Das ist sie nicht, Herr!
Diana. Wollt Ihr Euch vermählen,
So gebt Ihr weg die Hand, und sie ist mein,
So gebt Ihr weg den Schwur, und er ist mein,
So gebt Ihr weg mich selbst, und ich bin mein.
So unzertrennlich bin ich Euch vereint,
Daß, wer sich Euch vermählt, sich mir vermählt,
Uns beiden oder keinem.
Lafeu. Euer Ruf fängt an, zu schlecht für meine Tochter zu werden,
Ihr seid kein Mann für sie.
Bertram. Herr, dies ist 'ne verliebte, wilde Dirne,
Mit der ich einst gescherzt; heg' Eure Hoheit
Von meiner Ehre beßre Meinung doch,
Als daß Ihr sie so tief gesunken achtet.
König. Graf, meine Meinung ist Euch schlecht befreundet,
Bis Ihr sie neu verdient. Eu'r Leumund muß
Weit heller strahlen, als er jetzt erscheint.
Diana. Mein güt'ger Fürst,
Fragt ihn auf seinen Eid, ob er nicht glaubt,
Er hab' als Jungfrau mich gewonnen.
König. Sprich,
Was sagst du drauf?
Bertram. Herr, sie ist unverschämt;
Im Lager war sie jedem leichte Beute.
Diana. Er tut mir unrecht, König. War ich das,
Dann um ganz leichten Preis wohl kauft' er mich;
Glaubt seinen Worten nicht. Oh, seht den Ring,
Des hoher Wert und reiche Kostbarkeit
Nicht seinesgleichen findet. Und trotzdem
Gab er ihn an die leichte Lagerdirne.
Wenn ich es bin.
Gräfin. Errötst du? 's ist der Ring:
Sechs seiner Ahnherrn haben dies Juwel
Im Testament vererbt dem nächsten Sproß,
Und jeder trug und schätzt' es: 's ist sein Weib,
Der Ring zeugt tausendfach.
König. Mir scheint, Ihr sagtet,
Ihr kenntet einen Zeugen hier am Hof?
Diana. Das tat ich, Herr; doch ein Gewährsmann ist's,
Den ich mit Scham Euch nenn; er heißt Parolles.
Lafeu. Ich sah den Mann noch heut, wenn' der ein Mann ist.
König. Sucht ihn und bringt ihn her.
Bertram. Was soll er hier?
Er ist bekannt als ein treuloser Schuft,
Mit allen Makeln dieser Welt beschmutzt,
Dem's von Natur schon widert, wahr zu reden.
Und sollt' ich sein, wie er mich schildern wird,
Der aussagt, was man fordert?
König. Euern Ring
Besitzt sie doch?
Bertram. Ich glaube, ja; sie hat ihn.
's ist wahr, sie reizte mich; und nach dem Brauch
Verliebter Jugend macht' ich mich an sie.
Sie hielt sich fern und angelte nach mir,
Und schürte meine Glut durch Sprödigkeit
(Wie jede Hemmung in der Liebe Bahn
Die Liebe nur entflammt) und so, zuletzt,
Als List sich ihrem mäß'gen Reiz vereint,
Erreichte sie ihr Ziel. – Sie nahm den Ring,
Und ich erhielt, was jeder Untergebne
Wohl um den Marktpreis hätt' erkauft.
Diana. Ich schweige.
Ihr, der schon ein so edles Weib verstießt,
Schmält nun mit Recht auf mich. Doch bitt ich Euch
(Wie Ihr der Tugend, will ich Euch entsagen),
Schickt nach dem Ring; ich will ihn mit mir nehmen,
Und gebt den meinen mir.
Bertram. Ich hab ihn nicht …
König. Was war das für ein Ring?
Diana. Mein Fürst, er glich
Ganz dem an Eurem Finger.
König. Kennt Ihr den Ring? Noch eben war er sein.
Diana. Und dieser war's, den ich ihm gab im Bett.
König. So war's ein Märchen, daß Ihr ihn dem Grafen
Aus einem Fenster zuwarft?
Diana. Wahrhaft sprach ich.
(Parolles tritt auf.)
Bertram. Den Ring, ich will's gestehn, besaß sie einst.
König. Ihr schwankt verzweifelt; jede Feder schreckt Euch!
Ist dies der Mann, von dem du sprachst?
Diana. Ja, Herr.
König. Erzähle, Mensch, und sprich die reine Wahrheit
Und fürchte nicht die Ungunst deines Herrn
(Die, bist du redlich, ich schon bänd'gen will),
Was trug sich zu mit ihm und diesem Mädchen?
Parolles. Mit Eurer Majestät Vergunst, mein Herr war jederzeit ein ehrenwerter Kavalier. Streiche hat er freilich gemacht, wie alle jungen Kavaliere sie machen.
König. Fort, fort, zur Sache: liebt' er dieses Mädchen?
Parolles. In der Tat, Herr, er liebte sie; aber wie?
König. Wie denn also?
Parolles. Er liebte sie, Herr, wie ein Kavalier ein Mädchen liebt.
König. Und das ist?
Parolles. Er liebte sie, Herr, und liebte sie nicht.
König. Wie du ein Schelm bist, und kein Schelm. Was für ein silbenstechender Gesell das ist!
Parolles. Ich bin ein armer Tropf und zu Euer Majestät Befehl.
Lafeu. Er ist ein guter Trommler, mein König, aber ein nichtsnutziger Redner.
Diana. Wißt Ihr, daß er mir die Ehe versprach?
Parolles. Mein Seel, ich weiß mehr, als ich sagen werde.
König. Aber wirst du alles sagen, was du weißt?
Parolles. Ja, zu Euer Majestät Befehl. Ich war ihr Zwischenträger, wie gesagt. Aber überdem liebte er sie, denn wahrhaftig, er war ganz verrückt um sie und sprach vom Satan und vom Fegefeuer und von den Furien, und was weiß ich noch alles. Aber ich war damals so gut bei ihm angeschrieben, daß ich wußte, wie sie miteinander zu Bett gingen, und von andern Dingen, als zum Beispiel, daß er ihr die Ehe versprach, und sonst noch manches, was mir schlecht vergolten werden würde, wenn ich davon spräche; darum will ich nicht sagen, was ich weiß.
König. Du hast schon alles gesagt, wenn du nicht etwa noch melden kannst, daß sie verheiratet sind. Aber du bist zu schlau in deiner Aussage; darum tritt beiseit.
Der Ring, sagt Ihr, war Euer?
Diana. Ja, mein Fürst.
König. Wo hast du ihn erkauft? Wer schenkt' ihn dir?
Diana. Er ward mir nicht geschenkt, noch kauft' ich ihn.
König. Wer lieh ihn dir?
Diana. Ich lieh ihn auch von niemand.
König. So sag, wo fandst du ihn?
Diana. Ich fand ihn nicht.
König. Wenn du ihn denn auf keine Art erwarbst,
Wie gabst du ihm den Ring?
Diana. Ich gab ihn nie.
Lafeu. Dies Mädchen ist ein williger Handschuh, mein Fürst, sie geht an und aus, wie man's verlangt.
König. Der Ring war mein, ich gab ihn seiner Frau!
Diana. Meinthalb der Eure oder auch der ihre.
König. Führt sie in Haft, ich will nichts von ihr wissen;
Geht, schafft sie fort, und führt auch ihn hinweg.
Gestehst du nicht, wie du den Ring erhieltst,
So stirbst du heut noch.
Diana. Nimmer sag ich's Euch.
König. Fort, sag ich!
Diana. Einen Bürgen stell ich Euch.
König. Nun glaub ich dich 'ne ganz gemeine Dirne!
Diana. Bei Gott, wüßt' ich von einem Mann, seid Ihr's.
König. Weshalb hast du bis jetzt denn ihn verklagt?
Diana. Herr, weil er schuldig ist, und doch nicht schuldig.
Er glaubt, ich sei nicht Jungfrau, wird's beschwören;
Ich weiß, ich bin noch Jungfrau, und in Ehren.
Nichts wahrlich kann als niedrig mich beweisen:
Bin ich nicht Jungfrau, bin ich Weib des Greisen.
(Auf Lafeu zeigend.)
König. Sie höhnt uns nur, drum ins Gefängnis, fort!
Diana. Geht, liebe Mutter, holt den Bürgen mir.
(Die Witwe geht.) Sie ruft den Juwelier, des Ringes Eigner,
Der leistet Sicherheit. Doch diesen Herrn,
Der mich entehrt hat, wie er selber weiß
(Obschon er nie mich kränkte), Sprech ich frei.
Er war in meinem Bett, so muß er denken,
Doch wird sein Weib ihm einen Erben schenken.
Zwar tot, fühlt sie der Liebe Frucht sich heben –
Das ist mein Rätsel: die Gestorbnen leben.
Hier seht die Lösung.
König. Ist kein Zaubrer hier,
(Helena wird hereingeführt) Der meiner Augen treuen Dienst berückt?
Ist's wirklich, was ich seh?
Helena. Nein, teurer Fürst;
Ihr seht hier nur den Schatten einer Frau,
Den Namen, nicht das Wesen.
Bertram. Beide, beide!
O kannst du mir verzeihn!
Helena. O lieber Herr,
Als ich noch diesem Mädchen ähnlich war,
Fand ich Euch wunderzärtlich! Dies der Ring,
Und seht, hier ist Eu'r Brief. So schriebt Ihr damals:
»Wenn Ihr den Ring gewinnt von meinem Finger
Und tragt ein Kind von mir« – dies ist gelungen;
Seid Ihr nun mein, so zwiefach mir errungen?
Bertram. Kann sie, mein König, dies beweisen klar,
Lieb ich sie herzlich, jetzt und immerdar.
Helena. Du sollst es wahr und zweifellos erkennen,
Sonst mög' uns Scheidung bis zum Tode trennen. –
O teure Mutter, find ich Euch am Leben!
Lafeu. Meine Augen riechen Zwiebeln, ich werde gleich weinen. (Zu Parolles.) Lieber Trommelhans, leih mir dein Schnupftuch. So, ich danke dir, du kannst mich nach Hause begleiten. Ich will meinen Spaß mit dir haben. Laß deine Bücklinge, sie sind kläglich.
König. Ihr sollt mir's noch von Punkt zu Punkt erklären,
In Wonn' entzückt werd' ich die Wahrheit hören.
(Zu Diana.)
Bist du noch Mädchenblume, wähl dir morgen
Den Gatten! für den Brautschatz will ich sorgen.
Ich merke, dein Bemühn und züchtig Walten
Hat sie als Frau, als Jungfrau dich erhalten.
Das Weitre und des Hergangs ganze Kunde
Erforsch ich näher zu gelegner Stunde.
Gut scheint jetzt alles, mög' es glücklich enden
Und bittres Leid in süße Lust sich wenden.
(Alle gehn ab.)
(vom König gesprochen)
Der König wird zum Bettler nach dem Spiel;
Doch ist das Ende gut und führt zum Ziel,
Wenn's euch gefällt; wofür euch Tag für Tag
Der Bühne treulich Streben zahlen mag.
Schenkt uns Geduld; wenn wir gefehlt, verzeiht,
Uns sei die Hand, euch unser Herz geweiht.
In der Liste der Shakespeare-Dramen von Francis Meres aus dem Jahre 1598 findet sich neben dem Lustspiel »Verlorene Liebesmüh« ein unbekanntes Stück »Gewonnene Liebesmüh«. Der Dichter Coleridge wie auch Farmer, der Verfasser einer Broschüre über »Shakespeares Bildung« (1767), sind der Meinung, daß es sich bei der »Gewonnenen Liebesmüh« um »Ende gut, alles gut« handelt.
Die Widersprüche im Stil verraten mehrfache Umarbeitungen; man kann dieses Werk einerseits den Jugendkomödien Shakespeares zurechnen, andererseits scheint es mit seiner Stimmung in die Nähe von »Maß für Maß« und »Hamlet« zu gehören. Vermutlich 1593 entstanden, wurde es wohl 1602/03 neu bearbeitet; allerdings läßt es sich nur schwer datieren.
Der Stoff stammt aus Boccaccios »Decamerone«; Shakespeare entnahm ihn einer von William Paintner ins Englische übersetzten Novellensammlung »Palace of Pleasure« (1567). Die Figur des Parolles, die gewisse Charakterzüge Falstaffs vorausnimmt, gibt jener düsteren Stimmung Shakespeares Ausdruck, der auch Thersites in »Troilus und Cressida« entstammt.
Die Übersetzung schuf Baudissin für den siebenten Teil von Tiecks Ausgabe (1832).