William Shakespeare
Ende gut - Alles gut
William Shakespeare

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Fünfter Aufzug

Erste Szene

Strasse in Marseille: Helena, die Witwe und Diana

Hel. Doch dies unmässige Reisen, Tag und Nacht,
Muss euch erschöpfen: ändern kann ichs nicht.
Doch weil ihr Nacht und Tag zu eins gemacht,
Dass mir zulieb ihr kränkt den zarten Leib,
Fasst Mut! Ihr wuchst so fest in meiner Schuld,
Dass nichts euch kann entwurzeln . . . Wie erwünscht!
    Ein Edelmann tritt auf
Der Mann kann mir Gehör beim König schaffen,
Wenn er sein Ansehn brauchen will. Gott grüss euch!

Edelm. Und euch.

Hel. Mir scheint, ich sah euch schon an Frankreichs Hof.

Edelm. Ich war zuzeiten dort.

Hel. Ich hoffe, Herr, ihr habt noch nicht verleugnet
Was alle Welt von eurer Güte rühmt:
Und drum, gedrängt von strenger Not des Schicksals,
Wo wir die Form vergessen, wend ich mich
An eure Tugend, deren ich mit Dank
Fortan gedenken will.

Edelm.                               Was ist euer Wunsch?

Hel. Dass ihr geruhn mögt,
Dies arme Blatt dem König einzuhändigen
Und mir mit eurem Einfluss beizustehn,
Dass er mich hören wolle.

Edelm. Der König ist nicht hier.

Hel.                                             Nicht hier, Herr?

Edelm.                                                                   Nein,
Er reiste gestern nacht von hier, und schneller
Als er sonst pflegt.

Wit.                               Gott, welch vergeblich Mühn!

Hel. Ende gut, alles gut! bleibt doch mein Trost.
Ob auch die Zeit entgegen, schwach die Kraft . . .
Ich bitt euch, sagt wohin er abgereist?

Edelm. Nun, wenn ich recht gehört, nach Roussillon,
Wohin ich selber gehn will.

Hel.                                           Ich ersuch euch,
Da ihr den König ehr wohl seht als ich,
Legt dies Papier in seine gnädige Hand . . .
Ich hoff, es zieht euch keinen Tadel zu,
Vielleicht verdient es ehr euch einen Dank.
Ich werd euch folgen mit so schneller Eil
Wie irgend möglich.

Edelm.                           Das soll gern geschehn.

Hel. Und euer wartet einst der beste Dank,
Was auch geschehn mag. Jetzt zu Pferde wieder:
Auf, lasst uns eilen! Ab.

 

Zweite Szene

Roussillon: der Narr und Parolles

Par. Lieber Monsieur Lavache, gebt dem gnädigen Herrn Lafeu diesen Brief. Ihr habt mich wohl sonst vornehmer gekannt, Herr, als ich noch mit frischeren Kleidern in vertrautem Umgang lebte . . . aber nun, Herr, bin ich in Fortunens Morast muddig geworden und rieche etwas streng nach ihrer strengen Ungnade.

Narr. Mein Seel, Fortunens Ungnade muss recht garstig sein, wenn sie so strenge riecht wie du sagst. Ich werde künftig keinen Fisch aus Fortunens Bratpfanne mehr essen. Bitt dich, stelle dich unter den Wind.

Par. Nun, Freund, ihr braucht euch die Nase drum nicht zuzuhalten: ich rede nur in einer Metapher.

Narr. Ja, mein Bester, wenn eure Metapher stinkt, so werde ich meine Nase zuhalten, und das bei jedermanns Metapher. Bitt dich, geh fürbass!

Par. Habt die Gewogenheit, mein Freund, und besorgt mir dies Papier.

Narr. Puh! Mache dass du wegkommst! Ein Papier aus Fortunens Nachtstuhl einem Edelmann geben? Sieh, da kommt er selbst.
    Lafeu tritt auf
Hier ist ein Kater der Fortuna, Herr, oder eine Fortunakatze, aber keine Bisamkatze, welche in den unsaubern Fischteich ihrer Ungnade gefallen und, wie er sagt, muddig geworden ist. Ich bitte euch, Herr, verfahrt mit diesem Karpfen wie ihr Lust habt, denn er sieht aus wie ein armer, schäbiger, kniffiger, närrischer, schelmenhafter Taugenichts. Ich bemitleide seinen Unstern mit meinem trostreichen Lächeln und lasse ihn euer Gnaden. Ab.

Par. Gnädiger Herr, ich bin ein Mann den Fortuna jämmerlich zerkratzt hat.

Laf. Und was kann ich dabei tun? Jetzt ists zu spät ihr die Nägel zu schneiden. Was habt ihr der Fortuna für Streiche gespielt, dass sie euch kratzen musste? An sich ist sie doch eine gute Dame, die nur nicht leiden kann dass es den Schelmen zu lange unter ihrem Schutz wohl gehe. Da habt ihr einen Quart d'Ecu – lasst euch die Richter wieder mit ihr aussöhnen . . . ich habe mehr zu tun.

Par. Ich ersuche euer Gnaden, hört mich nur auf ein einziges Wort.

Laf. Ihr bittet um einen einzigen Pfennig mehr: gut, ihr sollt ihn haben. Spart euer Wort.

Par. Mein Name, gnädiger Herr, ist Parolles.

Laf. So bittet ihr mich um mehr als ein Wort. Potz Element! Gebt mir eure Hand. Was macht eure Trommel?

Par. O mein gnädiger Herr, ihr wart der Erste der mich ausfand.

Laf. War ichs, wirklich? Und ich war auch der Erste der dich verlor.

Par. Nun stehts bei euch, gnädiger Herr, mich wieder in einige Gnade zu bringen, denn ihr brachtet mich heraus.

Laf. Pfui, schäme dich, Kerl! Schiebst du mir zugleich das Amt Gottes und des Teufels zu? Der eine bringt dich in die Gnade hinein, der andre bringt dich aus ihr heraus . . . Trompetenstoss Der König kommt, ich hör es an seinen Trompeten. Frag ein andermal wieder nach mir, Bursch. Ich sprach noch gestern abend von dir – obgleich du ein Narr und ein Schelm dazu bist, sollst du doch nicht verhungern. Komm nur mit.

Par. Ich preise Gott für euch. Ab.

 

Dritte Szene

Ebendaselbst: Trompetenstoss – der König, die Gräfin von Roussillon, Lafeu, Edelleute und Gefolge

Kön. Ein Kleinod haben wir an ihr verloren,
Und unser Preis ward ärmer. Doch eur Sohn,
Durch Tollheit wie verrückt, war ohne Sinn
Für ihren vollen Wert.

Gräf.                                 Nun ists geschehn,
Und ich ersuch eur Hoheit, seht es an
Als einen Aufruhr jugendlicher Glut,
Wenn Öl und Feuer, zu stark für die Vernunft,
In Flammen überwallt.

Kön.                                   Verehrte Frau,
Vergeben hab ich alles und vergessen,
Obgleich mein Zorn sich stark auf ihn gespannt
Und fertig war zum Schuss.

Laf.                                             Dies muss ich sagen –
Doch bitt ich erst Vergunst – der junge Graf
Verging sich schwer an seinem Könige,
An seiner Mutter und an seiner Gattin,
Am meisten doch an sich. Ihm starb ein Weib
Dess Schönheit auch das reichste Aug geblendet,
Dess Rede jeglich Ohr gefangennahm,
Dess hoher Wert auch überstolze Herzen
Zum Dienen zwang.

Kön.                               Das preisen was dahin
Macht im Erinnern Schmerz . . . Nun ruft ihn her!
Wir sind versöhnt. Der erste Anblick töte
Jeglich Erwähnen. Nicht um Gnade bitt er.
Das Wesen seiner grossen Schuld ist tot,
Und tiefer als Vergessen sei begraben
Des Brandes Zunder. Komm er denn zu uns
Als Fremder, nicht als Schuldiger: erklärt ihm
Was unser Wille sei.

Edelm.                             Sogleich, mein König! Ab.

Kön. Spracht ihr mit ihm von eurer Tochter, Herr?

Laf. Er fügt sich ganz in eurer Hoheit Willen.

Kön. So gibts 'ne Hochzeit. Ich erhielt ein Schreiben
Das rühmlich sein gedenkt.

Bertram tritt auf

Laf.                                             Er scheint vergnügt.

Kön. Ich bin kein Tag, unwandelbar verfinstert.
Denn Sonnenschein und Hagel stehn zugleich
Auf meiner Stirn. Doch weicht den hellsten Strahlen
Die dunkle Wolke. Darum komm nur näher.
Der Himmel hellt sich auf.

Ber.                                           Die tiefbereute Schuld
Verzeiht, mein teurer Lehnsherr!

Kön.                                                     Alles gut!
Kein Wort nun mehr von der vergangnen Zeit!
Am Stirnhaar lasst den Augenblick uns fassen,
Denn wir sind alt, und unsre schnellsten Schlüsse
Beschleicht der unhörbare, leise Fuss
Der Zeit, eh sie vollzogen sind. Gedenkt ihr
Der Tochter dieses Herrn?

Ber. Und mit Bewundrung stets, mein Fürst. Zuerst
Fiel meine Wahl auf sie, eh noch mein Herz
Die Zung erkor als allzu dreisten Herold.
Dorthin den Stempel meines Auges prägend,
Lieh mir sein höhnend Zerrglas spröder Stolz,
Das jedes fremden Reizes Zug entstellte,
Der Wangen Rot verschmäht', als seis erborgt,
Und alle Formen einzog oder dehnte
Zu widerwärtiger Hässlichkeit: so kams
Dass sie, die alle priesen, die ich selbst
Geliebt, seit sie mir starb – in meinem Auge
Der Staub ward ders geblendet.

Kön.                                                   Gut entschuldigt!
Dass du sie liebst tilgt grosse Summen weg
Von deiner Rechnung. Doch zu spätes Lieben
Klagt wie Begnadigung, zögernd überbracht,
Den grossen Sender an mit bitterm Vorwurf
Und ruft: gut ist was tot. Der hastige Irrtum
Verschmäht als niedrig unser bestes Gut
Und schätzt es nicht, bis es im Grabe ruht.
Verkennen oft, zu eignem Ungemach,
Zerstört den Freund und weint dem Toten nach.
Die Lieb in uns wacht auf, beweint den Schlag.
Der Hass schläft schmählich bis zum Nachmittag.
Dies sei der süssen Helena Geläut:
Und nun vergesst sie, sendet einen Ring
Als Brautgeschenk der schönen Magdalis:
Denn sie ist eur. Wir wollen hier verweilen,
Und unsres Witwers zweites Brautfest teilen.

Gräf. Und bessres Glück, o Himmel, wollst du geben,
Sonst, o Natur, nimm mich aus diesem Leben!

Laf. Komm her, mein Sohn, der meines Stamms Gedächtnis
Forterben soll, gib mir ein Liebespfand,
Dess Funkeln meiner Tochter Geist errege
Zu schneller Eil . . . Bei meinem greisen Bart
Und jedem Haar drin: unsre Helena
War hold und reizend. Solchen Ring wie den,
Als sie das letztemal erschien am Hof,
Trug sie an ihrem Finger.

Ber.                                         Diesen nicht!

Kön. Ich bitt euch, lasst mich sehn: denn schon vorhin
Hat, als ich sprach, mein Aug auf ihm geruht.
Der Ring war mein. Ich gab ihn Helena
Und schwur, wenn sie des Beistands je bedürfe,
Dies sei ein Pfand dass ich ihr helfen wolle.
Wie nur vermochtst du dess sie zu berauben
Was ihr am teuersten?

Ber.                                     Mein gnädiger Herr,
Obgleich es euch gefällt es so zu nehmen,
Der Ring gehört' ihr nie.

Gräf.                                     Sohn, ja! beim Himmel,
Ich sah wie sie ihn trug. Sie hielt ihn wert
Mehr als ihr Leben.

Laf.                                 Ja, gewiss, sie trug ihn.

Ber. Ihr irrt euch, gnädiger Herr, sie sah ihn nie.
In Florenz ward er mir aus einem Fenster
Geworfen, in Papier gewickelt, das
Die Geberin mir nannte: sie war adlig
Und hielt mich noch für frei. Doch da mein Schicksal
Gebunden war, und ich ihr klar gezeigt,
Ich könne nicht in Ehren ihr erwidern
Was sie von mir gehofft, entliess sie mich,
Nach manchem Kampf beruhigt. Doch den Ring
Zwang sie mich zu behalten.

Kön.                                             Plutus selbst,
Erfahren in Tinktur und Alchymie,
Kennt der Natur Geheimnis nicht vertrauter
Als ich den Ring. Ich schenkt ihn Helena,
Gleichviel wer ihn euch gab. Drum, wenn ihr wisst
Dass ihr von eurem Tun Erinnrung habt,
Bekennt, so seis, und welcher rauhe Zwang
Ihn euch gewann. Sie schwur bei allen Heiligen,
Sie woll ihn nie von ihrem Finger lassen,
Wenn sie ihn euch nicht gab in ihrem Brautbett
(Wohin ihr nie gekommen) oder schickt ihn
Mir selbst in harter Not.

Ber.                                       Sie sah ihn nie.

Kön. Das sprichst du falsch, so wahr mir Ehre lieb!
Und weckst Argwohn und Furcht mir der ich gern
Den Zugang wehrte. Wenn es sich erwiese,
Du seist so grausam – nicht wird sichs erweisen,
Und dennoch ahnet mir – dein Hass war tödlich,
Und sie ist tot. Nichts konnte dass sie starb
Mich überreden, ausser wenn ich selbst
Das Aug ihr schloss, so sehr als dieser Ring! . . .
Führt ihn hinweg. Wie auch der Fall sich wende,
Nicht ohne Grund geb ich dem Zweifel Raum,
Der ohne Grund zuviel vertraute. Fort!
Wir forschen weiter nach.

Ber.                                           Beweist ihr erst,
Der Ring gehört' ihr je – dann leicht beweist ihr
Dass ich in Florenz ihr genaht als Gatte,
Wo sie doch niemals war. Bertram wird weggeführt

Kön. Ein düstrer Argwohn quält mich.

Ein Edelmann tritt auf

Edelm.                                                 Gnädiger Fürst!
Ich weiss nicht ob ich unrecht tat, ob nicht:
Dies gab mir eine Florentinerin,
Weil sie um vier, fünf Posten euch verfehlt,
Es selbst zu überreichen. Ich versprachs,
Bewogen durch die Anmut und die Reden
Der armen Bittenden, die jetzt, so hör ich,
Hier wartet. Wichtig scheint mir ihr Gesuch
Nach ihrer Miene, und betrifft – so sprach sie
Mit wenig holden Worten – eure Hoheit
Nicht minder als sie selbst.

Kön. liest: »Auf seine vielen Beteurungen mich zu heiraten, wenn seine Gattin tot wäre – ich erröte es zu sagen – gewann er mich. Jetzt ist der Graf Roussillon ein Witwer, seine Gelübde sind mir verfallen und ich habe ihn mit meiner Ehre bezahlt. Er verliess Florenz heimlich, ohne Abschied zu nehmen, und ich folge ihm in sein Vaterland, um Recht zu finden. Gewährt es mir, o König: es steht völlig bei euch. Sonst triumphiert ein Verführer und ein armes Mädchen ist verloren.
                                                Diana Capulet.«

Laf. Ich will mir einen Schwiegersohn auf dem Jahrmarkt kaufen und verzollen . . . den hier mag ich nicht.

Kön. Der Himmel meint es gut mit dir, Lafeu,
Der dies enthüllte. Schafft mir jene Fraun.
Geht, eilt, und führt den Grafen wieder her.
    Ein Edelmann geht mit einigen Dienern
Ich fürchte, Gräfin, Helena kam schändlich
Ums Leben!

Gräf.                   Dann, Gerechtigkeit den Tätern!

Bertram mit Wache tritt auf

Kön. Mich wundert, Graf, wenn ihr die Fraun so hasst
Und flieht, sobald ihr ihnen Treue schwurt,
Wie ihr an Heirat denkt . . . Wer ist dies Mädchen?

Ein Edelmann führt die Witwe und Diana herein

Dia. Ich Arme bin aus Florenz, gnädiger König,
Entsprossen von den alten Capulet.
Was mich hieherführt, hör ich, kennt ihr schon,
Und wisst wie sehr ich zu beklagen bin.

Wit. Sie ist mein Kind, Herr. Ihrer Mutter Ehre
Und Alter kränkt die Klage die wir bringen,
Und beide gehn zugrunde, helft ihr nicht.

Kön. Graf, tretet näher: kennt ihr diese Fraun?

Ber. Mein Fürst, ich kann und will euch nicht verbergen
Dass ich sie kenne. Fordern sie noch mehr?

Dia. Warum blickt ihr so fremd auf euer Weib?

Ber. Sie ist nicht mein, Herr!

Dia.                                         Wollt ihr euch vermählen,
So gebt ihr weg die Hand, und sie ist mein:
So gebt ihr weg den Schwur, und er ist mein:
So gebt ihr weg mich selbst, und ich bin mein.
So unzertrennlich bin ich euch vereint,
Dass wer sich euch vermählt sich mir vermählt.
Uns beiden oder keinem.

Laf. Euer Ruf fängt an zu schlecht für meine Tochter zu werden:
ihr seid kein Mann für sie.

Ber. Herr, dies ist 'ne verliebte wilde Dirne
Mit der ich einst gescherzt. Heg eure Hoheit
Von meiner Ehre bessre Meinung doch
Als dass ihr sie so tief gesunken achtet!

Kön. Graf, meine Meinung ist euch schlecht befreundet,
Bis ihr sie neu verdient: eur Leumund muss
Weit heller strahlen als er jetzt erscheint.

Dia. Mein gütiger Fürst,
Fragt ihn auf seinen Eid ob er nicht glaubt,
Er hab als Jungfrau mich gewonnen.

Kön.                                                           Sprich,
Was sagst du drauf?

Ber.                                   Herr, sie ist unverschämt . . .
Im Lager war sie jedem leichte Beute.

Dia. Er tut mir unrecht, König. War ich das,
Dann um ganz leichten Preis wohl kauft' er mich.
Glaubt seinen Worten nicht. O seht den Ring,
Dess hoher Wert und reiche Kostbarkeit
Nicht seinesgleichen findet: und trotzdem
Gab er ihn an die leichte Lagerdirne,
Wenn ich es bin.

Gräf.                           Errötst du? 's ist der Ring:
Sechs seiner Ahnherrn haben dies Juwel
Im Testament vererbt dem nächsten Spross,
Und jeder trug und schätzt' es: 's ist sein Weib,
Der Ring zeugt tausendfach.

Kön.                                             Mir scheint, ihr sagtet,
Ihr kenntet einen Zeugen hier am Hof.

Dia. Das tat ich, Herr . . . doch ein Gewährsmann ists
Den ich mit Scham euch nenn: er heisst Parolles.

Laf. Ich sah den Mann noch heut, wenn der ein Mann ist.

Kön. Sucht ihn, und bringt ihn her. Ein Diener ab

Ber.                                                 Was soll er hier?
Er ist bekannt als ein treuloser Schuft,
Mit allen Makeln dieser Welt beschmutzt,
Dems von Natur schon widert wahr zu reden:
Und sollt ich sein, wie er mich schildern wird,
Der aussagt was man fordert?

Kön.                                                 Euren Ring
Besitzt sie doch.

Ber.                           Ich glaube, ja. Sie hat ihn.
's ist wahr, sie reizte mich, und nach dem Brauch
Verliebter Jugend macht ich mich an sie.
Sie hielt sich fern und angelte nach mir
Und schürte meine Glut durch Sprödigkeit
(Wie jede Hemmung in der Liebe Bahn
Die Liebe nur entflammt) und so, zuletzt,
Als List sich ihrem mässigen Reiz vereint,
Erreichte sie ihr Ziel: sie nahm den Ring,
Und ich erhielt was jeder Untergebne
Wohl um den Marktpreis hätt erkauft.

Dia.                                                             Ich schweige.
Ihr, der schon einst so edles Weib verstiesst,
Schmält nun mit Recht auf mich. Doch bitt ich euch
(Wie ihr der Tugend, will ich euch entsagen)
Schickt nach dem Ring . . . ich stell ihn euch zurück,
Und gebt den meinen mir.

Ber.                                           Ich hab ihn nicht.

Kön. Was war das für ein Ring?

Dia.                                             Mein Fürst, er glich
Ganz dem an eurem Finger.

Kön. Kennt ihr den Ring? Noch eben war er sein.

Dia. Und dieser wars den ich ihm gab im Bett.

Kön. So wars ein Märchen dass ihr ihn dem Grafen
Aus einem Fenster zuwarft?

Dia.                                               Wahrhaft sprach ich.

Parolles tritt auf

Ber. Den Ring, ich wills gestehn, besass sie einst.

Kön. Ihr schwankt verzweifelt. Jede Feder schreckt euch! . . .
Ist dies der Mann von dem du sprachst?

Dia.                                                                 Ja, Herr.

Kön. Erzähle, Mensch, doch sprich die reine Wahrheit
Und fürchte nicht die Ungunst deines Herrn
(Die, bist du redlich, ich schon bändigen will)
Was trug sich zu mit ihm und diesem Mädchen?

Par. Mit eurer Majestät Vergunst, mein Herr war jederzeit ein ehrenwerter Kavalier. Streiche hat er freilich gemacht, wie alle jungen Kavaliere sie machen.

Kön. Fort, fort, zur Sache! liebt' er dieses Mädchen?

Par. In der Tat, Herr, er liebte sie . . . aber wie?

Kön. Wie denn also?

Par. Er liebte sie, Herr, wie ein Kavalier ein Mädchen liebt.

Kön. Und das ist?

Par. Er liebte sie, Herr, und liebte sie nicht.

Kön. Wie du ein Schelm bist, und kein Schelm. Was für ein silbenstechender Gesell das ist!

Par. Ich bin ein armer Tropf, und zu euer Majestät Befehl.

Laf. Er ist ein guter Trommler, mein König, aber ein nichtsnutziger Redner.

Dia. Wisst ihr dass er mir die Ehe versprach?

Par. Mein Seel, ich weiss mehr als ich sagen werde.

Kön. Aber willst du nicht alles sagen was du weisst?

Par. Ja, zu euer Majestät Befehl. Ich war ihr Zwischenträger, wie gesagt. Aber überdem liebte er sie, denn wahrhaftig, er war ganz verrückt um sie und sprach vom Satan und vom Fegefeuer und von den Furien, und was weiss ich noch alles. Aber ich war damals so gut bei ihnen angeschrieben, dass ich wusste wie sie miteinander zu Bett gingen, und von andern Dingen, als zum Beispiel dass er ihr die Ehe versprach, und sonst noch manches was mir schlecht vergolten werden würde, wenn ich spräche. Darum will ich nicht sagen was ich weiss.

Kön. Du hast schon alles gesagt, wenn du nicht etwa noch melden kannst dass sie verheiratet sind. Aber du bist zu schlau in deiner Aussage. Darum tritt beiseit . . .
Der Ring, sagt ihr, war euer?

Dia.                                               Ja, mein Fürst.

Kön. Wo hast du ihn erkauft? Wer schenkt' ihn dir?

Dia. Er ward mir nicht geschenkt, noch kauft ich ihn.

Kön. Wer lieh ihn dir?

Dia.                             Ich lieh ihn auch von niemand.

Kön. So sag, wo fandst du ihn?

Dia.                                             Ich fand ihn nicht.

Kön. Wenn du ihn denn auf keine Art erwarbst,
Wie gabst du ihm den Ring?

Dia.                                               Ich gab ihn nie.

Laf. Dies Mädchen ist ein williger Handschuh, mein Fürst: sie geht an und aus wie mans verlangt.

Kön. Der Ring war mein, ich gab ihn seiner Frau!

Dia. Meinthalb der eure oder auch der ihre.

Kön. Führt sie in Haft, ich will nichts von ihr wissen.
Geht, schafft sie fort und führt auch ihn hinweg.
Gestehst du nicht wie du den Ring erhieltst,
So stirbst du heut noch.

Dia.                                       Nimmer sag ichs euch.

Kön. Fort, sag ich!

Dia.                         Einen Bürgen stell ich euch.

Kön. Nun glaub ich dich 'ne ganz gemeine Dirne!

Dia. Bei Gott, wusst ich von einem Mann, seid ihrs.

Kön. Weshalb hast du bis jetzt denn ihn verklagt?

Dia. Herr, weil er schuldig ist, und doch nicht schuldig.
Er weiss, ich sei nicht Maid, und schwört, ich seis nicht.
Ich schwöre dass ich Maid bin, und er weiss nicht.
Herr, ich bin keine Metze, glaubt dem Eid:
Frau dieses Alten bin ich, oder Maid, auf Lafeu zeigend

Kön. Sie höhnt uns nur: drum ins Gefängnis, fort!

Dia. Geht, liebe Mutter, holt den Bürgen mir. Die Witwe ab
Sie ruft den Juwelier, des Ringes Eigner,
Der leistet Sicherheit. Doch diesen Herrn,
Der mich entehrt hat, wie er selber weiss
(Obschon er nie mich kränkte) Sprech ich frei.
Er war in meinem Bett, so muss er denken,
Doch wird sein Weib ihm einen Erben schenken.
Zwar tot, fühlt sie der Liebe Frucht sich heben:
Das ist mein Rätsel: die Gestorbnen leben.
Hier seht die Lösung.

Kön.                                   Ist kein Zaubrer hier
    Helena wird hereingeführt
Der meiner Augen treuen Dienst berückt?
Ists wirklich was ich seh?

Hel.                                         Nein, teurer Fürst . . .
Ihr seht hier nur den Schatten einer Frau,
Den Namen, nicht das Wesen.

Ber.                                                 Beide, beide!
O kannst du mir verzeihn!

Hel.                                           O lieber Herr,
Als ich noch diesem Mädchen ähnlich war,
Fand ich euch wunderzärtlich! Dies der Ring!
Und seht, hier ist eur Brief. So schriebt ihr damals:
»Wenn ihr den Ring gewinnt von meinem Finger
Und tragt ein Kind von mir« – dies ist gelungen.
Seid ihr nun mein, so zwiefach mir errungen?

Ber. Kann sie, mein König, das beweisen klar,
Lieb ich sie herzlich, jetzt und immerdar.

Hel. Du sollst es wahr und zweifellos erkennen,
Sonst mög uns Scheidung bis zum Tode trennen . . .
O teure Mutter, find ich euch am Leben?

Laf. Meine Augen riechen Zwiebeln, ich werde gleich weinen, zu Parolles: Lieber Trommelhans, leih mir dein Schnupftuch. So, ich danke dir, du kannst mich nach Hause begleiten. Ich will meinen Spass mit dir haben . . . lass deine Bücklinge, sie sind kläglich.

Kön. Ihr sollt mirs noch von Punkt zu Punkt erklären,
In Wonn entzückt werd ich die Wahrheit hören, zu Diana:
Bist du noch Mädchenblume, wähl dir morgen
Den Gatten! Für den Brautschatz will ich sorgen.
Ich merke, dein Bemühn und züchtig Walten
Hat sie als Frau, als Jungfrau dich erhalten.
Das Weitre und des Hergangs ganze Kunde
Erforsch ich näher zu gelegner Stunde.
Gut scheint jetzt alles. Mög es glücklich enden,
Und bittres Leid in süsse Lust sich wenden. Ab.

 

Epilog

Vom König gesprochen

Der König wird zum Bettler nach dem Spiel:
Doch ist das Ende gut und führt zum Ziel,
Wenns euch gefällt. Wofür euch Tag für Tag
Der Bühne treulich Streben zahlen mag.
Schenkt eure Nachsicht uns, nehmt unsren Scherz!
Uns eure milde Hand, euch unser Herz!

 


 


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