William Shakespeare
Ende gut - Alles gut
William Shakespeare

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Dritter Aufzug

Erste Szene

Im Palast des Herzogs von Florenz: der Herzog von Florenz, zwei französische Edelleute und Soldaten – Trompetenstoss

Hzg. So dass ihr nun von Punkt zu Punkt vernahmt
Den wahren Grund und Anlass dieses Kriegs,
Dess grosse Lösung vieles Blut verströmt
Und dürstet stets nach mehr.

1. Edelm.                                       Der Zwist scheint heilig
Auf eurer Hoheit Seite, schwarz und frevelnd
An eurem Gegner.

Hzg. Drum wundert uns dass unser Vetter Frankreich
In so gerechtem Streit sein Herz verschloss,
Als wir um Beistand warben.

2. Edelm.                                     Gnädiger Fürst,
Die Gründe unsres Staats sind mir verhüllt,
Als einem schlichten Mann, entfernt vom Hof –
Ich zeichne unsres grossen Rates Plan
Mit unselbständigem Willen. Deshalb wag ich
Kein Urteil, denn ich traf die Wahrheit nie
Und meine schwankende Vermutung irrte,
So oft ich riet.

Hzg.                       Er tue nach Gefallen!

2. Edelm. Doch sicher weiss ich, unsre muntre Jugend,
Von Frieden übersatt, wird Tag für Tag
Arznei hier suchen.

Hzg.                               Sei sie uns willkommen!
Und alle Ehren die wir spenden mögen
Erwarten sie. Auf euren Posten hin!
Wenn Höhre fallen, ists für euch Gewinn.
Morgen ins Feld! Ab.

 

Zweite Szene

Roussillon: die Gräfin und der Narr

Gräf. Alles hat sich zugetragen wie ichs wünschte, ausser dass er nicht mit ihr kommt.

Narr. Meiner Treu, ich denke, unser junger Herr ist ein sehr melancholischer Mann.

Gräf. Und woran hast du das bemerkt?

Narr. Ei, er sieht auf seinen Stiefel und singt, zupft an der Krause und singt, tut Fragen und singt, stochert die Zähne und singt: ich kannte einen der solchen Ansatz von Melancholie hatte und einen hübschen Meierhof für ein Singsang verkaufte.

Gräf. Lass mich sehn was er schreibt, und wann er zu kommen denkt. Sie öffnet einen Brief

Narr. Ich frage nichts mehr nach Elsbeth, seit ich am Hofe gewesen bin. Unser alter Stockfisch und unsre Elsbeths auf dem Lande sind doch nichts gegen den alten Stockfisch und die Elsbeths am Hofe. Mein Kupido lässt die Flügel hängen, und ich fange an zu lieben, wie ein alter Mann das Geld liebt, ohne Appetit!

Gräf. Was sehe ich hier?

Narr. Grade was ihr seht. Ab.

Gräf. liest: »Ich sende euch eine Schwiegertochter, sie hat den König hergestellt und mich zugrunde gerichtet. Ich habe sie geheiratet, aber nicht die Vermählung vollzogen, und geschworen dieses Nicht ewig zu machen. Ihr werdet hören, ich sei davongegangen. Erfahrt es durch mich, eh der Ruf es euch meldet. Wenn die Welt breit genug ist, werde ich mich in weiter Entfernung halten. Mit kindlicher Hochachtung euer unglücklicher Sohn Bertram.«
Das ist nicht recht, unbändiger, rascher Knabe!
Die Gunst zu meiden solches guten Herrn
Und auf dein Haupt zu sammeln deinen Zorn,
Die Braut verstossend die so edel ist,
Dass Kaiser selbst sie nicht verschmähten!

Der Narr kommt zurück

Narr. O, gnädige Frau, draussen gibts betrübte Neuigkeiten zwischen zwei Soldaten und der jungen Gräfin.

Gräf. Was ist?

Narr. Freilich, etwas Trost ist in den Neuigkeiten, etwas Trost: euer Sohn wird nicht so bald umkommen als ich dachte.

Gräf. Woran sollte er denn umkommen?

Narr. Das denke ich auch, gnädige Frau, wenn er davonläuft, wie ich höre dass er tut: die Gefahr ist im Zusammenbleiben: denn dadurch gehn Kinder auf und Männer drauf . . . Hier kommen welche die euch mehr sagen werden: ich meinesteils weiss nur dass der junge Graf davongegangen ist. Ab.

Helena und zwei Edelleute treten auf

1. Edelm. Gott grüss euch, edle Gräfin!

Hel. O Gräfin, mein Gemahl ist hin, auf immer hin!

2. Edelm. Sagt das nicht!

Gräf. Sei nur gefasst! . . . Ich bitt euch, liebe Herrn,
Mich traf so mancher Schlag von Freud und Gram,
Dass beider plötzlich schreckende Erscheinung
Mich kaum entmutigt. Sagt, wo ist mein Sohn?

2. Edelm. Er ging zum Dienst des Herzogs von Florenz,
Wir trafen ihn hinreisend, als wir kamen
Von dort, und wie der Hof uns nur entlässt,
Gehn wir dahin zurück.

Hel. Seht diesen Brief! Das ist mein Reisepass!
»Wenn du den Ring an meinem Finger erhalten kannst der niemals davon kommen soll, und mir ein Kind zeigen, von deinem Schoss geboren, zu dem ich Vater bin: dann nenne mich Gemahl! aber dieses Dann ist soviel als Nie
Das ist ein harter Spruch!

Gräf. Habt ihr den Brief gebracht, ihr Herrn?

1. Edelm.                                                       Ja, Gräfin.
Um solchen Inhalt reut uns unsre Müh.

Gräf. Ich bitt dich, Liebe, fasse bessern Mut . . .
Leg nicht Beschlag auf alles Leid für dich,
Sonst raubst du meine Hälfte. Er war mein Sohn.
Allein ich wasch ihn weg aus meinem Blut
Und nenne dich mein einzig Kind . . . Nach Florenz
Ist er gegangen?

2. Edelm.                   Ja.

Gräf.                               Im Feld zu dienen?

2. Edelm. Das ist sein edler Vorsatz, und gewiss,
Der Herzog wird ihm alle Ehr erweisen
Die ihm gebührt.

Gräf.                         Kehrt ihr dahin zurück?

1. Edelm. Ja, Gräfin, mit der Eile schnellstem Flug.

Hel. »Bis ich kein Weib hab, hab ich nichts in Frankreich.«
's ist bitter!

Gräf.                 Schreibt er das?

Hel.                                             Ja, gnädige Frau.

1. Edelm. Vielleicht 'ne Kühnheit nur der Hand, von der
Sein Herz nichts weiss.

Gräf. Bis er kein Weib hat, hat er nichts in Frankreich!
Ich weiss in Frankreich nichts zu gut für ihn
Als sie allein, und ihr gebührt ein Mann
Dem zehn so rohe Knaben dienen sollten,
Sie stündlich Herrin nennend . . . Wer war mit ihm?

1. Edelm. Nur ein Bedienter, und ein Kavalier
Den ich seit kurzem kenne.

Gräf.                                           Ists Parolles?

1. Edelm. Ja, gnädige Frau.

Gräf. Ein sehr verrufner Bursch, und voller Bosheit.
Mein Sohn verdirbt sein gut geartet Herz
Durch seinen schlechten Rat.

1. Edelm.                                       Recht edle Gräfin.
Der Bursch hat viel zuviel von dem was hindert
Dass viel aus ihm je werde.

Gräf.                                           Seid willkommen,
Ihr Herrn! Ich bitt euch, sagt doch meinem Sohn,
Es könn ihm nie sein Schwert die Ehr erringen
Die er verliert. Noch Weitres bitt ich euch
Ihm schriftlich einzuhändigen.

2. Edelm.                                       Zählt auf uns,
Euch hierin wie im Wichtigsten zu dienen.

Gräf. Nicht dienen – wir wollen Freunde sein.
Wollt ihr nicht näher treten?

Die Gräfin und die beiden Edelleute ab

Hel. »Bis ich kein Weib hab, hab ich nichts in Frankreich.«
Er hat in Frankreich nichts, bis er kein Weib hat!
Du sollst keins haben, Bertram, keins in Frankreich,
Dann hast du wieder alles. Armer Graf!
Bin ichs, die dich aus deiner Heimat jagt,
Der Glieder zarten Bau dem Zufall preisgibt
Des schonungslosen Kriegs? Bin ichs, die dich
Vertreibt vom lustigen Hof, wo schöne Augen
Nach dir gezielt, um jetzt im Schuss zu stehn
Dampfender Feuerschlünd? O bleirne Boten,
Die auf des Blitzes Hast verwundend fahren,
Fliegt andre Bahn, teilt die gleichgültige Luft,
Die singt, wenn ihr sie trefft! Nicht ihn berührt.
Wer nach ihm schiesst den hab ich hingestellt.
Wer anlegt auf sein heldenmütig Herz
Den hab ich Meuchelmörderin gedungen,
Und töt ich ihn nicht selbst, war ich doch Ursach
Dass solcher Tod ihn traf. Viel besser wärs,
Den Löwen fänd ich, wenn er schweifend brüllt
Im scharfen Drang des Hungers. Besser wärs
Dass alles Elend das Natur umfasst
Mein würd auf eins. Kehr wieder, Roussillon,
Von dort wo Ehr aus der Gefahr sich meist
Nur Narben holt und alles oft verliert.
Ich geh: mein Bleiben hält von hier dich fern,
Und dazu blieb ich? Nimmermehr! Ob auch
Des Paradieses Luft dies Haus umwehte
Und Engel drin mir dienten. Ich will gehn.
Meld ihm, Gerücht, mitleidig, dass ich floh,
Und tröst ihn. Komm, o Nacht! Mit Tags Entweichen
Will ich, ein armer Dieb, von hier mich schleichen. Ab.

 

Dritte Szene

Florenz: Trompetenstoss – Der Herzog von Florenz, Bertram, Parolles, Soldaten mit Trommeln und kriegerischer Musik

Hzg. Sei du Anführer unsrer Reiter, wir,
An Hoffnung reich, vertraun mit gläubiger Liebe
Auf dein verheissend Glück.

Ber.                                             Mein Fürst, es ist
'ne Last, zu schwer für meine Kraft, doch streb ich
Für eure würdige Sache sie zu tragen,
Bis an der Wagnis fernste Grenze.

Hzg.                                                       Geh dann,
Und Glück umflattre deinen Siegerhelm
Als schützende Gebieterin!

Ber.                                             Grosser Mars!
Noch heut tret ich in deine Kriegerreihn.
Lass stark mich werden wie mein Sinn: dann fass ich
Das Schlachtschwert liebend, und die Liebe hass ich. Ab.

 

Vierte Szene

Roussillon: die Gräfin und der Haushofmeister

Gräf. Ach! wie nur nahmst du diesen Brief von ihr?
Dachtst du nicht dass sie täte was sie tat,
Weil sie den Brief mir schickte? Lies noch einmal!

Haush. liest: »Ich bin Sankt Jakobs Pilgrim, und brach auf.
So sündigte mein liebendes Erkühnen,
Dass ich auf kaltem Boden barfuss lauf,
Um meine Schuld durch fromm Gelübd zu sühnen.
Schreibt, schreibt, damit sich schnell aus blutigem Strauss
Mein liebster Herr, eur lieber Sohn, befreie.
Hegt ihn daheim im Frieden, wann ich drauss
Mit glühender Innigkeit ihn benedeie.
Heisst ihn sein willig Mühsal mir vergeben:
Ich, seine grimme Juno, send ins Feld
Ihn fort von Freund und Hof, beim Feind zu leben,
Wo Tod und Teufel fletschen nach dem Held.
Er ist zu gut und schön für Tod und mich.
Den wähl ich für mich selbst: er löse sich!«

Gräf. Wie scharfe Stacheln in so mildem Wort! . . .
Reinhold, so unbedachtsam konntst du sein,
Dass du sie reisen liessest. Sprach ich sie,
Ich hätte wohl sie anders noch gelenkt.
Nun kam sie uns zuvor.

Haush.                                 Verzeiht, Gebieterin!
Gab ich den Brief euch noch die Nacht, vielleicht
War sie noch einzuholen, schreibt sie gleich,
Nachspüren sei vergeblich.

Gräf.                                           Welch ein Engel
Wird den unwürdigen Gatten schützen? Keiner,
Wenn ihr Gebet, das gern der Himmel hört
Und gern gewährt, ihn nicht vom Zorn erlöst
Des höchsten Richters. Schreib, o schreib, mein Reinhold,
An diesen Mann, der solcher Frau nicht würdig.
Gib ihrem Wert Gewicht durch jedes Wort,
Denn viel zu leicht erwog er ihn. Mein Leid,
Dess Gröss er nicht empfindet, schärf ihm ein.
Send ihm den sichersten, bewährtsten Boten.
Vielleicht, wenn er vernimmt, sie sei entflohn,
Kommt er zurück, und wenn sie solches hört,
Dann, hoff ich, lenkt auch sie den Fuss zur Heimkehr,
Geführt von reiner Liebe. Wer von beiden
Mir jetzt der Liebste sei, vermag ich kaum
Zu unterscheiden. Sorge für den Boten.
Mich beugen Gram und meines Alters Schwächen . . .
Mein Schmerz will Tränen, Kummer heisst mich sprechen. Ab.

 

Fünfte Szene

Vor den Toren von Florenz: Feldmusik in der Ferne – Eine alte Witwe aus Florenz, Diana, Violenta, Mariana, Bürger

Wit. Kommt nur mit, denn wenn sie näher an die Stadt rücken, verlieren wir das ganze Schauspiel.

Dia. Man sagt, der französische Graf habe sich sehr rühmlich gehalten.

Wit. Es heisst, er habe ihren ersten Feldherrn gefangengenommen und mit eigner Hand des Herzogs Bruder getötet . . . Unsre Mühe ist vergeblich gewesen, sie haben einen andern Weg genommen. Horch! ihr könnt es an ihren Trompeten hören.

Mar. Kommt, kehren wir wieder zurück und begnügen uns an der Erzählung. Hüte dich nur vor dem französischen Grafen, Diana. Die Ehre eines Mädchens ist ihr Ruf, und kein Vermächtnis ist so reich als Ehrbarkeit.

Wit. Ich habe meiner Nachbarin erzählt wie ihr von einem seiner Kavaliere verfolgt worden seid.

Mar. Ich kenne den Schurken, der Henker hole ihn! es ist ein gewisser Parolles, ein nichtswürdiger Helfershelfer des jungen Grafen für solche Streiche. Nimm dich vor ihnen in acht, Diana. Ihre Versprechungen, Lockungen, Schwüre, Liebeszeichen und alle diese Künste der Verführung sind das nicht wofür sie sich ausgeben. Schon manche Jungfrau ist durch sie verleitet worden, und leider vermag das Beispiel, das uns verlorne Unschuld so furchtbar erblicken lässt, dennoch nicht von der Nachfolge abzuschrecken, sondern viele kleben an der Leimrute die ihnen droht. Ich hoffe, ich brauche dich nicht weiter zu warnen: deine Tugend, hoffe ich, wird dich erhalten wo du stehst, wäre auch keine weitre Gefahr dabei sichtbar als der Verlust deines guten Rufs.

Dia. Ihr sollt nicht Ursache haben meinetwegen besorgt zu sein.

Helena tritt auf, als Pilgerin verkleidet

Wit. Das hoffe ich . . . Seht, da kommt eine Pilgerin: ich weiss, sie wird in meinem Hause herbergen wollen, dahin weisen sie stets einer den andern. Ich will sie fragen . . . Gott grüss euch, Pilgerin, wo denkt ihr hin?

Hel. Zum ältern Sankt Jakobus. Wo finden Pilger Wohnung? Sagt mir an!

Wit. Beim Franziskanerkloster, hier am Tor.

Hel. Ist dies der Weg?

Wit.                             Jawohl, das ist er . . . Kriegsmusik in der Ferne Horcht!
Sie kommen doch hieher. Wollt ihr noch warten,
Bis dass der Zug vorüber,
So zeig ich euch den Weg in eur Quartier.
Denn eure Wirtin, müsst ihr wissen, kenn ich
Ganz wie mich selbst.

Hel.                                     Ihr selber seid die Wirtin?

Wit. Zu dienen, heilige Pilgerin.

Hel.                                             Ich dank euch
Und warte hier, solang es euch beliebt.

Wit. Ihr kommt aus Frankreich, denk ich?

Hel.                                                           Ja, von dort.

Wit. Dann sollt ihr einen tapfern Landsmann sehn,
Der sich viel Ruhm erwarb.

Hel.                                             Sein Nam, ich bitt euch?

Dia. Der Graf von Roussillon. Kennt ihr ihn schon?

Hel. Von Hörensagen, und man rühmt ihn sehr.
Gesehn hab ich ihn nie.

Dia.                                       Wie er auch sei,
Er hat sich brav geführt. Er floh aus Frankreich,
Erzählt man, weil der König ihn vermählt
Entgegen seiner Neigung. Ist das wahr?

Hel. Ja, wohl ists wahr! Ich kenne seine Frau.

Dia. Hier ist ein Edelmann in seinem Dienst,
Der spricht gering von ihr.

Hel.                                           Wie heisst der Mann?

Dia. Monsieur Parolles.

Hel.                               Nun, ich geb ihm recht:
Denn in Betracht der Würd und Trefflichkeit
Des hohen Grafen selbst ist sie zu niedrig
Um oft erwähnt zu sein. All ihr Verdienst
Ist strenge Sittsamkeit, und diese hört ich
Noch nie in Zweifel ziehn.

Dia.                                           Ach, arme Dame!
Das nenn ich bittre Qual, vermählt zu sein
Dem Mann der uns verabscheut!

Wit. Gewiss! Das liebe Kind! Wo sie auch sei,
Sie muss viel dulden. Seht, dies Mädchen könnt ihr
Gefährlich werden, wollte sies.

Hel.                                                   Wie meint ihr?
Stellt der verliebte Graf vielleicht ihr nach
In unerlaubter Absicht?

Wit.                                       Ja, das tut er
Und lockt mit allem was in solcher Werbung
Der zarten Ehre eines Mädchens droht.
Doch sie ist auf der Hut und schützt sich selbst
Durch ehrbar Widerstreben.

Bertram, Parolles, Soldaten marschieren über die Bühne

Mar.                                             Gott verhüt auch
Dass es je anders sei!

Wit.                                       Sie kommen jetzt.
Dies ist Anton, des Herzogs ältster Prinz . . .
Dies Escalus.

Hel.                       Und der Franzose?

Dia.                                                       Dieser!
Der mit der Feder: 's ist ein feiner Mann.
Ich wollt, er liebte seine Frau . . . weit hübscher
Fänd ich ihn, wär er treu . . . Ist er nicht artig?

Hel. Ja, er gefällt mir wohl!

Dia. Schade dass er nicht treu! Da, seht den Schurken
Der ihn verführt. Ja, wär ich seine Frau,
Dem Buben gäb ich Gift.

Hel.                                         Wer ist es denn?

Dia. Der Geck mit all den Bändern. Warum ist er wohl melancholisch.

Hel. Er ward vielleicht in der Schlacht verwundet.

Par. Die Trommel zu verlieren! Nun –

Mar. Er scheint gewaltig verdriesslich. Seht, er hat uns ausgespäht.

Wit. Wär er doch am Galgen!

Mar. Und sein Grüssen dazu! Solch ein Gelegenheitsmacher!

Bertram, Parolles und Soldaten ziehen vorüber

Wit. Der Zug ist nun vorbei. Kommt, Pilgerin,
Ich bring euch unter Dach. Vier oder fünf
Bussfertige Waller nach St. Jakobs Grab
Sind schon in meinem Haus.

Hel.                                               Ich dank euch bestens!
Will unsre Wirtin und dies artige Mädchen
Mit uns zu Abend speisen? Kost und Dank
Nehm ich auf mich und gäb als Zahlung gern
Noch einige Lehren dieser Jungfrau mit
Die wohl zu brauchen sind.

Beide.                                         Wir danken freundlich! Ab.

 

Sechste Szene

Lager vor Florenz: Bertram und die beiden französischen Edelleute

1. Edelm. Ja, lieber Graf, versuchts mit ihm, lasst ihm einmal seinen Willen.

2. Edelm. Wenn ihr nicht findet, er sei ein Lump, gnädiger Herr, so versagt mir auf Immer eure Achtung.

1. Edelm. So wahr ich lebe, gnädiger Herr, eine Schaumblase.

Ber. Meint ihr, ich hätte mich so ganz in ihm getäuscht?

1. Edelm. Glaubt mirs, Graf, nach allem was ich unmittelbar von ihm weiss – ohne irgend Bosheit, und indem ich nur von ihm rede wie ich von meinem Vetter tun würde – er ist ein ausgemachter Hasenfuss, ein unendlicher und grenzenloser Lügner, ein stündlicher Wortbrecher und Besitzer keiner einzigen Eigenschaft die es verdiente dass eure Herrlichkeit sich seiner annimmt.

2. Edelm. Es wäre gut, ihr durchschautet ihn, damit ihr nicht bei zuviel Vertrauen auf seine Tapferkeit, die er nicht hat, in einem grossen und erheblichen Vorfall, wo es gelten möchte, von ihm getäuscht werdet.

Ber. Ich wollte, es ergäbe sich eine besondere Veranlassung ihn auf die Probe zu stellen.

2. Edelm. Am besten, ihr lasst ihn seine Trommel wieder holen, was er, wie ihr hört, so zuversichtlich übernimmt.

1. Edelm. Ich, mit einem Trupp Florentiner, werde ihn plötzlich überfallen. Ich will solche auswählen die er gewiss nicht vom Feinde unterscheidet. Wir wollen ihn dergestalt fesseln und ihm die Augen verbinden, dass er nicht anders denken soll, als er sei ins Lager der Feinde geführt, wenn wir ihn in unsre eignen Zelte bringen. Seid ihr nur, mein gnädiger Herr, bei seinem Verhör zugegen: wenn er nicht, um seinen Pardon zu erhalten, und in der äussersten Beklemmung einer schändlichen Furcht sich erbietet euch zu verraten und alles was er irgend weiss gegen euch auszusagen, ja, und obendrein das ewige Heil seiner Seele verschwört – so sollt ihr nie wieder meinem Urteil in irgend etwas trauen.

2. Edelm. O, der Lachlust wegen lasst ihn seine Trommel holen. Er sagt, er hat eine Kriegslist dazu. Wenn ihr alsdann, mein gnädiger Herr, seinem Erfolg auf den Grund seht, und in welche Schlacken dieser aufgehäufte Klumpen Erz einschmelzen wird – und ihr traktiert ihn hernach nicht wie einen der eine Tracht Schläge verdient, so ist eure Zuneigung nicht zu vertilgen. Da kommt er.

Parolles tritt auf

1. Edelm. O, der Lachlust wegen, hindert den beabsichtigten Spass nicht: lasst ihn auf jeden Fall seine Trommel holen.

Ber. Wie gehts, Monsieur? Diese Trommel scheint euch schwer auf dem Herzen zu liegen.

2. Edelm. Hol sie der Henker! lasst sie doch, es ist ja nur eine Trommel.

Par. Nur eine Trommel? Nur eine Trommel, sagt ihr? Eine Trommel so zu verlieren! Das war mir ein herrliches Kommando! Mit der Reiterei in unsern eignen Flügel einzuhauen und unsre eignen Leute zu werfen!

2. Edelm. Das war nicht die Schuld des Kommandos, es war ein Kriegsunglück das Cäsar selbst nicht hätte hindern können, wenn er uns kommandirt hätte.

Ber. Nun, wir haben nicht so sehr über unser Schicksal zu klagen, etwas Unehre bringt uns freilich der Verlust der Trommel, aber die ist einmal nicht wiederzubekommen.

Par. Man konnte sie wiederbekommen!

Ber. Man konnte! Aber das ist jetzt vorbei.

Par. Man kann sie noch wiederbekommen. Wenn nur das Verdienst im Felde nicht so selten dem wahren und eigentlichen Vollbringer zugerechnet würde . . . ich schaffte diese Trommel wieder, oder eine andre, oder hic jacet . . .

Ber. Nun, wenn ihr so grosses Gelüst danach habt, Monsieur, wenn ihr glaubt, eure geheime Wissenschaft von Kriegslisten könne dies Instrument der Ehre wieder in sein heimisches Quartier bringen, so zeigt euch grossherzig in der Unternehmung und geht ans Werk. Ich will den Versuch als eine glorreiche Tat mit Ruhm erheben: wenn sie euch gelingt, soll der Herzog nicht nur davon sprechen, sondern euch bis zur kleinsten Silbe eures Verdienstes so bedenken wie sichs für seine Grösse geziemen wird.

Par. Bei der Hand eines Soldaten! ich wills unternehmen.

Ber. Ihr müsst aber die Sache nicht schlummern lassen.

Par. Noch diesen Abend will ich dran. Gleich jetzt will ich meinen Operationsplan aufs Papier werfen, mich in meiner Zuversicht ermutigen, mein militärisches Testament aufsetzen – und um Mitternacht mögt ihr weiter nach mir fragen.

Ber. Darf ich im voraus den Herzog davon benachrichtigen dass ihr euch an das Unternehmen macht?

Par. Ich weiss nicht, wie der Erfolg sein wird, gnädiger Herr, aber den Versuch gelob ich.

Ber. Ich weiss, du bist tapfer, und für das Äusserste was dein Soldatencharakter nur möglich machen kann will ich mich für dich verbürgen. Fahre wohl!

Par. Ich bin kein Freund von vielen Worten. Ab.

1. Edelm. So wenig als ein Fisch vom Wasser. Ist das nicht ein wunderlicher Kauz, gnädiger Herr, der so zuversichtlich diese Sache zu unternehmen scheint, von der er weiss, sie sei nicht durchzuführen? der sich dazu verdammt sie zu tun, und lieber verdammt wäre, eh er sie täte?

2. Edelm. Ihr kennt ihn nicht, gnädiger Herr, wie wir. Wahr ists dass er sich wohl in jemands Gunst zu stehlen weiss und eine Woche lang mannigfachen Entdeckungen auszuweichen versteht: aber durchschaut ihn einmal, so habt ihr ihn dann für immer.

Ber. Wie! meint ihr denn, er wird von dem allen nichts tun, wozu er sich doch so ernstlich anheischig macht?

1. Edelm. Nicht das mindeste. Mit einer Erfindung wird er wiederkommen und euch zwei oder drei wahrscheinliche Lügen auftischen. Aber wir haben ihn schon fast müde gehetzt, und ihr sollt ihn diese Nacht fallen sehn, denn in der Tat, er verdient euer Gnaden Achtung nicht.

2. Edelm. Wir wollen euch erst noch eine kleine Jagd mit dem Fuchs halten, eh wir ihn abstreifen. Der alte Herr Lafeu hat ihn zuerst ausgewittert. Wenn er seine Maske einmal abgelegt, sollt ihr sehn was für einen Zeisig ihr an ihm habt, und noch diesen Abend werdet ihrs erleben.

1. Edelm. Ich muss gehn und nach meinen Leimruten sehn: er wird bald fest sein.

Ber. Doch erst soll euer Bruder mit mir gehn.

1. Edelm. Wie's euch gefällt. Ich will mich euch empfehlen. Ab.

Ber. Nun führ ich euch zum Haus, ihr seht das Mädchen
Von der ich sprach.

2. Edelm.                       Doch sagt ihr, sie sei keusch?

Ber. Das ist ihr Fehl. Ich sprach sie einmal nur
Und fand sie seltsam streng. Doch schickt ich ihr
Durch jenen Narrn den wir entlarven wollen
Geschenk' und Briefe, die zurück sie sandte.
So stehn wir nun. Sie ist ein reizend Kind.
Wollt ihr sie sehn?

2. Edelm.                       Sehr gern, mein gnädiger Herr. Ab.

 

Siebente Szene

Florenz – Ein Zimmer im Hause der Witwe: Helena und die Witwe

Hel. Wenn ihrs bezweifelt, ich sei Helena,
Kann ich euch nicht noch mehr Beweise geben,
Will ich nicht selbst die Hilfe mir zerstören.

Wit. Obgleich verarmt, bin ich aus gutem Haus.
Ich wusste nie von solcherlei Geschäft,
Ich möchte jetzt nicht meinen Namen leihn
Zweideutigem Tun.

Hel.                               Das war auch nie mein Wunsch.
Vornehmlich glaubt, der Graf sei mein Gemahl,
Und was ich insgeheim euch anvertraut
Sei wahr von Wort zu Wort: dann geht ihr nicht,
Wenn ich um euren guten Beistand bitte,
Durch die Gewährung fehl.

Wit.                                             Ich sollt euch glauben.
Denn was ihr mir geboten macht es klar,
Ihr seid sehr reich!

Hel.                               Nehmt diese Börse Gold
Und lasst mich euren gütigen Dienst erkaufen,
Den ich noch einmal, zweimal will bezahlen,
Wenns mir gelang. Der Graf bestürmt eur Kind,
Sein üppiger Sinn belagert ihre Schönheit
Und strebt nach Sieg: sie geb ihm endlich nach –
Wir zeigen ihr wie sichs am besten fügt.
Sein ungestümes Blut wird nichts verweigern
Was sie begehrt. Der Graf trägt einen Ring,
Seit alter Zeit vererbt in seinem Stamm
Von Sohn zu Sohn, vier, fünf Geschlechter durch,
Seit ihn der Erste trug: er hält dies Kleinod
In höchstem Preis. Doch in der heftigen Glut
Nach seinem Ziele scheints ihm wohl nicht teuer,
Bereut ers auch hernach.

Wit.                                           Nun seh ich schon
Das Ziel wonach ihr strebt.

Hel. Ihr seht, es ist erlaubt. Nicht mehr verlang ich
Als dass eur Kind, eh sie gewonnen scheint,
Den Ring verlangt, ihm eine Zeit bestimmt
Und endlich mir das Weitre überlässt,
Sie selbst in züchtiger Ferne. Dann versprech ich
Zum Brautschatz ausser dem was ich gelobt
Dreitausend Kronen noch.

Wit.                                           Ich bin gewonnen.
Lehrt meine Tochter wie sie sich verhalte,
Dass Zeit und Stunde dem erlaubten Trug
Behilflich sei'n. Er kommt an jedem Abend
Mit aller Art Musik und Sang, gedichtet
Auf ihren Unwert . . . und es hilft uns nichts,
Vom Haus ihn schelten, denn er bleibt beharrlich,
Als gölt es ihm sein Leben.

Hel.                                             Wohl, heut nacht
Beginnen wir das Spiel, das, wenns gelungen,
Durch bösen Vorsatz frommen Zweck errungen,
Erlaubte Absicht in erlaubter Tat,
Schuldlosen Wandel auf des Lasters Pfad.
Kommt denn, es auszuführen. Ab.

 


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