Charles Sealsfield
Nathan der Squatter
Charles Sealsfield

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4.

Der Alte war unter diesen Worten die Leiter hinabgestiegen. Unten angekommen, warf er nochmals einen bedenklichen Blick hinauf auf Palisade und Blockhaus, und dann gingen wir der breiten Allee, die die Waldesränder bildeten zu. Unsere Gefährten waren bis auf einen, der die Umzäunung schloß bereits voran. Wir waren schweigend in tiefes Nachdenken versunken, auf einer wellenartigen Anhöhe angekommen auf deren Kamm wir Gruppen von Bäumen im Mondschein gewahrten. Eine halbe Meile mochten wir gegangen sein als aus einer der Baumgruppen uns Lichtstrahlen entgegenschimmerten, und Hundegebell von mehreren Seiten her sich hören ließ.

Wir waren in der Niederlassung angekommen, und der Alte hielt.

Auf das Licht deutend, das hinter den Bäumen hervorflackerte – für uns eine wirklich trostreiche Erscheinung – hob er wieder an:

»Seht das Haus hier oder Hütte, wie Ihr es nennen wollt – das war stehengeblieben; die Wände nämlich sind von Zypressenstämmen, und das Zypressenholz brennt nicht gern – bloß das Dach war abgebrannt, und die zwei anderen Häuser bis auf den Grund, die Wände aber waren stehengeblieben.

Standen so auf unseren Krücken gestützt, war gerade vier Wochen nach der blutigen Hochzeit und betrachteten den Greuel der Zerstörung, dabei kalkulierend, was am nächsten zu tun märe. Und kalkulierten, daß das Dach mit leichter Mühe wieder aufgesetzt, und so die Hälfte von uns Unterkunft finden möchten, denn im Blockhause waren wir wie Heringe zusammengeschichtet.

Sagt aber Rachel, die mitgegangen war: Das beste, was wir tun können, wäre, einstweilen im Blockhause zu bleiben.

Sage ich: Im Blockhause bleiben, in der faulen Luft und den erstickenden Dünsten! – Wo denkst du hin, Rachel! Sind ja ärger zusammengepackt als auf unserer Mississippi-Arche.

Aber Rachel sagt, immer besser, zusammengepackt zu sein, als auseinandergerissen werden von den Feinden. Und kommen sie, und finden uns beisammen und zusammenhaltend, so werden sie nicht leicht ihr Spiel von vorn anfangen – hat ihnen zu viel gekostet, das Spiel, habe aber was ganz anderes sagen wollen lange schon darüber gebrütet.

Und Rachel deutet hinauf gegen Nordost, wo das liebe Kentucky liegt, deutet hinauf, und sagt: Mir wird ganz weh um das Herz, wenn ich so denke, wie wir hier stehen, und derjenige, der die Seele von allem war nicht mit uns ist. Wird mir ganz weh, und wollte, wir sähen wieder eines unserer fröhlichen Kentuckygesichter, und unsere Landsleute am Saltriver wüßten, was hier mit uns vorgeht, und wie wir das mächtig schöne Land mit unserem Blut und Asas Leben erworben! – sag' euch, würden nicht lange säumen, ihren Gäulen das Gebiß anzulegen.

Das denke ich auch, sagt Rightheous.

Habe darüber kalkuliert und gebrütet, sagt Rachel. Wenn du hinaufschriebest, Nathan, und ihnen das alles fein säuberlich schriebest, und ihnen schriebest, sie sollten kommen, ein Dutzend Familien oder so viele als wollen, und Land hätten wir genug, auch Holz genug zum Häuser aufblocken und Zäune machen, ohne daß wir einen Cent zu bezahlen brauchten.

Rachel, sag' ich, Rachel, das ist ein guter Einfall, den du da hast, ein ganz transzendenter Einfall. Und will tun, was du sagst, und schreiben, und bin der Meinung, daß, wenn die Unsrigen am Saltriver hören was wir hier für einen blutigen Spaß hatten, obwohl er uns teuer genug zu stehen gekommen, sie alles liegen und fahren lassen, und ihren Gäulen die Sporen in die Flanken setzen, ohne erst viel zu fragen, ob das Land schön oder ein Alligatorsumpf ist.

Gott behüte, sagt Rachel, das nicht! Nichts von Fechten mehr und blutigen Scherzen, wenn wir anders helfen können. Nichts mehr davon, wenn wir es vermeiden können; darfst kein Wort darüber schreiben, sondern bloß, daß wir mächtig schönes Land gefunden, denn merkst du nicht, sagt sie, das schöne Land wird respektable Leute anziehen, aber der blutige Spaß Raufbolde und derlei Volk, das können wir nicht brauchen.

Rachel sag' ich, du hast recht, und bist wahrlich deines Vaters Tochter, die weiter sieht, als wir Kentucky-Leute es in der Regel tun, und ich will schreiben, wie du es haben willst, und ihnen alles schreiben; aber wie ihnen das Geschreibe zukommen lassen? Du weißt, am Mississippi sind keine Posten, und es sind gute sechzehnhundert Meilen hinauf bis zum Saltriver.

Auch an das habe ich gedacht, sagt Rachel; wir haben hier die Akadier, und einer von ihnen kommt aus den Kanadas, und redet unsere Sprache, und scheint ein Mann zu sein, der sich gern unter uns mit seiner Familie niederließe, und hat mir versprochen, einiges zu tun, uns seine Dankbarkeit zu beweisen.

Traue den Franzosen nicht, Rachel, sag' ich, traue ihnen nicht, sind alle höfisch und falsch, und reden anders und denken anders. Kalkuliere, das beste ist, ich gehe selbst hinüber nach Natchez, und wenn der Akadier uns ja einen Gefallen tun will, so mag er mitgehen, und eine Hand zum Rudern leihen. Kalkuliere, das beste ist, schreibe zwei Briefe, und bestelle sie durch kentuckische Bootsleute und kann auch nicht schaden, wenn ich drei schreibe, im Fall einer oder der andere verlorengehen sollte, obwohl ich es vorzöge, einen Acker der dicksten Immergrüneichen zu ringeln, als drei Schreiben zu machen. – Aber wenn ich nun gehe, und die Feinde kommen?

Habe die Ahnung, sagt Rachel, die kommen nicht so bald. Die Soldaten sagen, daß sie von der Besatzung von Natchitoches sind, und daß nicht mehr als hundert im Fort zurückgeblieben, und daß es drei Monate nehmen würde, ehe Soldaten von New Orleans heraufkommen können.

Ja, aber, sag' ich, bis unsere Landsleute ankommen, dauert es gute sechs, und wenn nun die Regierung die Kreolen und Akadier gegen uns aufhetzt?

Glaube, das wird sie nicht tun, sagt Rachel, habe darüber auch mit dem Mann gesprochen, sagt sie – müßt wissen, ist aber nicht laut zu sagen, die Akadier und Kreolen sind einander spinnefeind, und der Akadier sagt, wenn wir zu den Seinigen halten, so sollen alle Kreolen und Soldaten uns nichts anhaben, und die beiden Akadier wollen sich auch unter uns niederlassen, und nach andere mitbringen.

Das ist gut und schlecht, Rachel. Wäre mir lieber, wir könnten unter uns bleiben, ohne die Akadier, die besser ihre Hängematte woanders aufschlagen. Sind nicht unsere Leute, Rachel, und wollte, wie gesagt, sie gingen ein Haus weiter. Aber sind in einem freien Land, oder vielmehr sind in ihrem Land, und mögen wir es ihnen nicht wehren.

Und wie wir so hin und her reden, wird Righteous, dessen Auge so scharf ist, wie das eines Adlers, auf einmal aufmerksam, und schaut starr in der Richtung da hinauf.«

Nathan bezeichnete die Richtung mit ausgestreckter Hand und fuhr dann fort.

»Und wir schauen gleichfalls und spähen, und sehen in den Strahlen der Morgensonne zwei Gestalten, aber von einem solchen Glanz umgeben, waren doch gleichsam überirdisch in ihrem Glanz, und erschienen sie uns wie Boten des Friedens und Engel des Lichtes, die beiden Gestalten. Ist eine wunderbare Eigenschaft die unsere Präries haben«, unterbrach sich der Alte: »Seht oft ganze Städte, Felsengebirge, Seen, Landhäuser, oft glaubt ihr Armeen gegeneinander kämpfen und wieder Cherubinen vom Himmel herabsteigen zu sehen, und kommt Ihr näher, so findet Ihr statt der Städte Gras und Gräser statt der Cherubinen Jäger in Hirsch- oder Bärenfellen. Tatsache.

Und wie wir schauen, erkennen wir endlich, daß es zwei Männer sind, und Righteous, der, wie gesagt, ein wahres Indianerauge hat, schreit: Sind Kentuckier, oder wenigstens aus dem Westen der Old-Domion. Wollte darauf meine Rifle wetten, kenne sie an ihrem fröhlichen Gang und ihrem muntern Wesen. Kommen einher, als ob sie hier zu Hause wären.

Könnt es gar nicht glauben, wie gespannt wir waren. Verlangte uns das Herz, wieder einmal in eines unserer fröhlichen Kentucky-Gesichter zu schauen, hört! Wenn man so sechzehnhundert Meilen von den Seinigen ist, würde der Teufel selbst, käme er aus der Heimat, willkommen sein.

Und es waren richtig Männer aus dem Westen, erkannten sie an den Jagdhemden, wie sie näher kamen. War uns doch so sonderbar zumute – wußten nicht, ob wir lachen oder weinen sollten vor Freude, unsere Landsleute zu schauen. Waren auch wegen unseres ausgestandenen Siechenlagers in einer so weichen Gemütsstimmung.

War aber stark im Dezember, gegen das neue Jahr zu, und der Morgen frisch, und mir, durch das lange Liegen in Windeln und ewige Suppentrinken, so weich und empfindlich gegen die kühle Morgenluft geworden, hatten uns in unsere Hirschwämser eingetan, und sahen aus, wie große, in Windeln gewickelte Kinder, hatten noch Wolldecken über uns geworfen, und Rachel sah in ihrer Wolldecke aus wie eine Indianer-Squaw. Und wie die zwei Männer so an uns herankommen, stieren sie uns schier verwundert an, und dann schauen sie einander an, und schütteln die Köpfe, und legen ihres Rifles in den Arm, und so kommen sie an uns heran.

Die beiden Männer kamen bis auf fünfundzwanzig Schritte heran, und endlich ruft uns der Vordere zuerst an:

Frischer Morgen das, ruft er, ein frischer Morgen.

Und wie er uns so anruft, war uns doch, als ob mir gerade auf ihn zuspringen und ihm um den Hals fallen müßten, erkannten ihn nämlich sogleich, und sahen, daß es nicht bloß Kentuckier waren, sondern auch, was mehr sagen will, vom Saltriver, und nahe Blutsverwandte, der eine so wie der andere.

Also wir sagen! Wohl ist das ein frischer Morgen, und guten Tag ihr Männer! Und wo kommt denn ihr her, und was bringt denn euch einen so weiter Weg her?

Und Rachel, der die Tränen in die Augen kommen, schreit: So möge sich Gott meiner erbarmen, und wenn das nicht George ist, der George, der Bruder meines Asa. Oh, George, lieber Schwager, mußtet ihr zu einer so betrübten Stunde kommen?

Und George schaut auf, konnte Rachel in ihrer Wolldecke nicht gleich erkennen, erkannte sie aber jetzt an der Stimme. Was, schreit er, was, Rachel? Und möge ich erschossen sein, wenn das nicht die Rachel meines Bruders Asa, und meine liebe Schwägerin ist. Gott segne Euch, Schwägerin! Und grüße Euch vielmals und was treibt Ihr? Und was treibt Asa? Wird wohl den Bären auf der Fährte sein, der Asa, oder ist er zu Hause?

Mann!, sagt sie, oh, Mann, was fragt Ihr da nach Asa! Wohl ist er zu Hause – aber Gott erbarme es, in einem engen Hause!

Und nun verstand George, was das enge Haus für ein Haus war, und er sagt: Hätte vieles darum gegeben, es wäre anders. – Mußten also die englischen Kugeln und die hessischen Bajonette ihn verschonen, bei Trenton und Saratoga und bei Colwpens, und eine elende kreolische Muskete ihm den Rest geben! Haben gehört von eurem Kampf, und das ganze Land ist voll davon, hätte aber nicht gedacht, daß mein armer Bruder Asa ihn mit seiner Haut würde haben bezahlen müssen.

Es waren George und Dan, der Dan vom alten Splash«, fuhr der Alte recht treuherzig fort. »Und waren sie mit einer Ladung Schinken und Welschkorn und Mehl, auch einem halben Dutzend Gäule und kräftiger Burschen, alle am Saltriver zu Hause, den Ohio herabgekommen, und den Mississippi, um ihre Sachen in New Orleans auf den Markt zu bringen, und sich bei der Gelegenheit auch das Land anzusehen, und wenn wir nicht zu weit aus ihrem Wege wären, bei uns anzurufen. Bis Natchez waren sie gekommen, wo sie anhielten, weil einer ihrer Ruderhaken zerbrochen, und sie den Hufschmied brauchten. Und während ihnen der Hufschmied den Nagel wieder zusammenschweißt, erzählt er ihnen auch von der gewaltigen Fehde, die einer, namens Asa Nolins, irgendwo im Westen gehabt. Und sagte George kein Wort dazu, horcht aber weiter herum in den Tavernen, und an den öffentlichen Orten. Und man sprach schier von nichts anderem. Sagten, daß der Gouverneur, wie er es hörte, im bloßen Hemd auf die Gasse hinausgesprungen, weil er dachte, wir kämen schon den Mississippi hinab, gerade auf New Orleans zu. Er speie Feuer und Flammen, der Gouverneur, und habe einen harten Eid geschworen, er wolle uns alle hängen, spießen und braten lassen, wie sie die Türken und Heiden und Juden in den alten barbarischen Zeiten hingen und spießten, und kein Kind im Mutterleib verschonen. Und hatten die Leute in Natchez ihnen auch die französische Zeitung gegeben, wo alles darinnen stand, bis auf das Aus-dem-Bett-springen des Gouverneurs. Und die Leute rieten ihnen, nicht nach New Orleans zu gehen. Und endlich sagte ihnen ein Pflanzer von Natchez: Wenn er sie wäre, so sattelte er seinen Gaul, und gäbe ihm die Sporen, und machte einen Abstecher zu Asa Nolins – habe gewiß prächtiges Land gefunden, der Asa Nolins, habe sich gewiß nicht wegen eines Alligatorsumpfes herumgeschlagen. Er kenne beiläufig die Gegend, wo Asa sich aufhalten müßte, und gäbe da prächtiges Zucker- und Baumwollenland, und wenn er ihnen raten dürfe, so rate er ihnen, von ihren Waren so viel zu verkaufen, als sie an den Mann bringen könnten, und mit dem Ueberrest sich in den Redriver hineinzuschiffen, und an Asa anzuschließen. Und wenn sie gehen wollten, würde er, von wegen des gemeinsamen Besten, auch gern ein Uebriges tun.

Georg und Dan dachten darüber nach, und ihre Männer, die sie mithatten die kalkulierten gleichfalls, daß, wenn das Land so schön sei, und umsonst zu haben, der Handel nicht schnell genug geschlossen werden könnte. Hatten sich aber zu einer Ansiedlung nicht vorbereitet, und wohl ein paar Aexte und Rifles mitgenommen, aber alles andere zu einer Ansiedlung gehörige zu Hause gelassen.

Deshalb gingen George und Dan zum Büchsenschmied, und wählten sich ein halbes Dutzend Riflen aus, zwei hatten sie, so daß jeder, Mann seine Rifle hatte, und der Pflanzer versah sie mit Aexten, Pflügen, Riemengeschirr, Wolldecken und allem, nahm ihnen dafür einen Teil ihrer Ladung ab, und waren auch andere Pflanzer zur Hand, die, als hörten sie, was vorginge, und daß es im Plan sei, festen Fuß in Louisana zu fassen, das ihrige beisteuerten und sich der Sache annahmen, und ganz Natchez nahm lebhaften Anteil daran.

Und als sie mit allem fertig, fuhren sie den Mississippi herab, und rechts in den Redriver ein.

Der Pflanzer hatte ihnen beiläufig angedeutet, wo herum wir unser Blockhaus aufgerichtet haben müßten, ihnen auch vom Flußarm oberhalb der Einmündung des Blackriver in den Redriver gesagt.

Georg und Dan gingen sogleich mit Jonas, und sahen sich das Land von allen Seiten an, und nachdem sie alles gesehen und kalkuliert, kamen sie zurück ins Blockhaus.

Und nun wollten wir gern ihre Absichten hören.

Und George sagt: Habt gefochten wie glorreiche Kentuckier, und das Land ist euer, und wenn ihr nichts dagegen habt, so will ich kommen mit den Meinigen.

Was sagt ihr da?, sagt Rachel schier giftig. Wenn wir's erlauben und nichts dagegen haben – was sind das für Reden, Schwager, von einem Blutsfreund und dem Bruder Asas?

Gut, sagt George. Will euch vier der Burschen hier lassen, oder auch alle sechs, sind ordentlicher Leute Söhne, des Jims und Waddys und Stickfast und Skulls und Davys Söhne, just die echte reelle Kentucky-Brut – vom Saltriver und Kentucky.

Sie mögen euch unterdessen helfen eure Häuser aufblocken und einrichten, so daß, wenn wir kommen, unsere Weiber Obdach finden, obwohl, wenn sie es nicht finden, sie sich die Haare nicht ausreißen werden.

George und Dan blieben bis zum nächsten Tag, und wir besprachen alles.

Und gerade fünf Monate nach dem Aufbruch Georges sahen wir sie mit ihren Weibern anrücken.

Nun machten wir uns daran, eine reelle Niederlassung zu gründen, und ging es über Ausmessen der Ländereien und Fällen der Bäume und Aufblocken her, hörten fast nichts anderes, als den Knall der Aexte.

Und dieses war bloß der Anfang; die Hauptsache kam erst, als dreißig Familien nachrückten – dreißig so reelle Familien, als je aus der alten Dominion ins neue Kentucky ausgezogen – und mit ihnen Kühe und Kälber, und Gäule, und alles, und tüchtige Zimmerleute und Schreiner.

Kamen aber auch die beiden Akadier mit ihren Familien, um sich in unserer Nähe anzusiedeln; sagten, es gefiele ihnen bei uns besser als unter ihren wilden Nachbarn und trägstolzen Altadeligen.«

»Aber was sagte die Regierung zu eurem Treiben?«, fand ich endlich Gelegenheit einzuschalten.

»Was sie sagte«, versetzte der Alte kopfschüttelnd, »was sie sagte, wissen wir nicht, führten aber einen allmächtigen Krieg in ihrer Zeitung, und klagten über völkerrechtliche Verletzung ihres Gebietes. Ließen uns ihre Klagen wenig anfechten, versuchten aber, uns das Leben sauer zu machen, was ihnen jedoch mittlerweile zu stark geworden.

»Aber«, unterbrach sich der Alte, über die Stirn fahrend, wie einer, der sich besinnt, »lassen wir das für jetzt, habt einstweilen genug von der Geschichte des Blockhauses gehört und der Niederlassung Asas, und mögt nun einen Begriff haben, wo Ihr seid, und daß wir, schlicht, wie Ihr uns seht, nicht die Leute sind, uns ins Bockshorn jagen zu lassen, und das ist einstweilen genug. Werdet das weitere später hören – bis wir mehr Salz miteinander gegessen haben.«

Wir hätten vieles darum gegeben, mehr über die künftigen Pläne und Absichten dieses seltsamen Menschen zu hören, aber sein Wesen und eine plötzliche Bewegung gegen das Licht zu hielten unsere Zungen gefesselt.

Er ging mit großen Schritten einer rohen Umzäunung zu, durch deren Pfostengitter wir zum Hause gelangten. Auf ein leises Tappen ging die Haustür auf; der Alte ergriff unsere Hände, und uns im Finstern eine Treppe hinaufführend, brachte er uns in eine Dachkammer, in der sich ein gewaltiges Ehebett mit Moskitovorhängen, mehrere Sessel und ein weiß gedeckter Tisch befanden; auf letzterem eine Flasche mit Gläsern und das Licht, das uns bisher als Lotse gedient hatte.

Der Alte nahm die Flasche, und die drei Gläser vollschenkend, stieß er auf unsere Gesundheit an.

Wir versuchten das Getränk – es war ein feiner East-India-Madeira.

»Wo habt Ihr diesen köstlichen Madeira her?« fragten wir überrascht.

»Schmeckt er euch?«, versetzte er. »Habe ein Dutzend Demijohns von New Orleans heraufkommen lassen.«

»Von New Orleans? Ihr steht also, trotz Eurer Kriegserklärung gegen die Regierung, mit New Orleans in Verbindung?«

Der Mann lächelte zufrieden.

»Pshaw, eine Art Waffenstillstand, der vielleicht wieder in Krieg ausbricht, vielleicht die Friedensratifikation bringt. Hoffe das letztere – ist unser beider Interesse.«

»Euer beider Interesse!«, wiederholten wir. Der Ton unserer Stimme hatte – wie man sich leicht vorstellen kann – einen stark ironischen Nachklang.

Der Mann schaute uns mit einem schlauen Lächeln von der Seite an. –

»Ei, so etwas dergleichen. Eure Regierung, versteht Ihr, sind Menschen so wie mir, um kein Haar besser – im Gegenteil; – doch genug davon, morgen ist auch ein Tag, wollen etwas auf morgen versparen, bis wir mehr Salz miteinander gegessen haben. Jetzt trinkt Euren Madeira aus; werdet ihn nicht besser in New Orleans treffen, ist von meinem Kommissionär, einem Monshur Laplace.«

»Wie, Monsieur Laplace ist Euer Kommissionär?« fragten mir zweifelhaft. Wir hatten Empfehlungsschreiben an ihn, der Franzose von Geburt, mit Lassalle verwandt, und Bankier der Regierung war.

»So ist's«, sprach bei Alte' »Monshur Laplace besorgt meine Geschäfte und nimmt unsere Baumwolle und Tabak.«

»Also Ihr baut Baumwolle und Tabak?« fragten wir mehr und mehr erstaunt.

Der Alte lächelte wieder.

»Wundert Euch das? Freilich! Habe schier vergessen, daß Ihr aus den Attakapas kommt, wo sie Euch eben nicht die beste Meinung von uns beigebracht haben mögen.«

»Die Wahrheit zu gestehen«, fielen wir lachend ein, »so haben sie eine weniger schlimme Meinung von Euch, als Ihr gegen Louisiana, nach Eurem eigenen Geständnisse zu schließen.«

Der Alte lächelte wieder.

»Sind seltsame Leute, eure Attakapaer«, fuhr er uns überhörend fort; »seltsame Leute, denen es ernstlich not tut, aus ihrem sündhaften Faulleben aufgerüttelt zu werden. Werden aber aufgerüttelt werden ...«

»Glaubt Ihr?« fragten wir.

»Pshaw! Habe Euch schon gesagt, daß morgen auch ein Tag ist. Wenn Ihr in allem so tüchtig wäret, wie im Mundstück! Seid gefährliche Leute.«

»Ich glaube Alter, wir könnten noch etwas von Euch lernen.«

»Kalkuliere so« meinte er, in unseren Ton einstimmend. »Jetzt gute Nacht und trinkt Euren Madeira, und deckt Euch warm zu.«

Und wir sahen dem Alten nach, eine merkwürdige Erscheinung war uns in unserem ganzen bewegten Leben noch nicht vorgekommen. Da stand er, der Bauer. Lederwams Republikaner, Hinterwäldler, Holzhauer, der mir nichts dir nichts gegen die Regierung das Schild erhebt, ihre Truppen schlägt, sich gegen ihren Gouverneur im Kriegszustand befindet, sich mit Hunderten seiner Landsleute in einem feindlich-fremden Lande festsetzt, und das alles so ruhig, so gemächlich, als wenn er einen Nachbar Hinterwäldler durchgebläut den Rechtstitel dazu in seiner Faust und Tasche führte. Wir starrten ihm nach, ein solcher Charakter war uns noch nie vorgekommen.

Natürlich leerten wir die Flasche, warfen dann die Fragmente unserer Garderobe – die mehr an uns klebten als hingen – weg, und uns in das Bett, in dem wir bald von einem Schlaf umfangen wurden um den uns wohl ein König beneiden konnte.


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