Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunundzwanzigstes Kapitel

Das liebe Mädchen hatte innerhalb der zwei Wochen, während welcher wir sie aus den Augen verloren haben, unendlich gewonnen. Sie war zuversichtlicher, natürlicher; ihr Blick hatte sich aufgehellt, ihr ganzes Wesen war selbstvertrauender, ja selbständiger geworden. Der gänzliche Mangel an Selbständigkeit oder vielmehr das Gefühl ihrer gänzlichen Hilflosigkeit, vorzüglich aber das empörende Bewußtsein, sich einem Menschen aufgeopfert zu wissen, den ihr reines Gemüt verabscheuen mußte, hatte ihrem ganzen frühern Wesen etwas schmerzlich Demütiges, etwas Trostloses gegeben, das um so peinlicher auffiel, als ihr dunkles Verhältnis, ihr selbst nicht ganz klar, ihrem ganzen Äußern etwas unnatürlich Geheimnisvolles verlieh. Mit dem Aufhören dieses unnatürlichen Verhältnisses zum Seeräuber hatte sich nun ihr niedergedrücktes Gemüt nicht nur aufgelichtet, sondern die schreckliche Katastrophe, welche die Wilden und vorzüglich den Miko getroffen, hatte auch ihre Lage auf eine Art geändert, die, so schmerzlich sie das jammervolle Ende ihrer Freundin noch immer empfand, nichtsdestoweniger einen vorteilhaften Einfluß auf sie äußern mußte. Der durch den Tod der Seinigen in stumpfe Bewußtlosigkeit versunkene Miko hatte vieles von dem ihm eigentümlichen herrisch-starren, unbeugsamen Sinn verloren und war nun gewissermaßen selbst in jene Hilflosigkeit versunken, die, wie es schien, in ihr und ihrem reinen, kindlichen Gemüte allein Trost, Stütze und Labung fand. Nur sie war imstande gewesen, ihn zuweilen aufzuhellen; seine erstarrte Seele, schien es, fand es für nötig, sich an sie zu halten und sich zuweilen zu sonnen an den Erinnerungen verflossener Tage. Diese allmähliche Anerkennung einerseits, sowie die zarte Aufmerksamkeit des jungen Häuptlings andererseits hatte das edle, reine, sich selbst vergessende und nur im Wohle anderer lebende Gemüt auf den Fittichen der Liebe emporgehoben und ihr allmählich eine höhere Bedeutung gegeben. Sie war noch immer Kind, eine zarte unschuldige Seele; aber die Katastrophe war der Prüfstein ihres Lebens geworden, dem sie nun eine höhere Richtung gab. Die höhere Würde der zarten Jungfrau fing an, sich in ihr zu regen.

Und die Wechselwirkung dieses erhebenden Gefühles war allmählich in einer Art von Herrschaft bemerkbar geworden, der sich willig zu unterziehen ihre Umgebungen einen besondern Reiz zu finden schienen; eine Erscheinung, die vielleicht ebensosehr durch die bezaubernde Anmut des Mädchens, als die selbst von dem stolzesten Indianer der weißen Rasse gewissermaßen notgedrungen zugestandene Überlegenheit zu erklären gewesen sein dürfte. Selbst der Miko hatte sich in den letztern Tagen einer scheuen Ehrerbietigkeit nicht erwehren können. El Sol schien sie als ein Wesen höherer Art zu betrachten und nahte sich ihr mit einer Schüchternheit, einer Zartheit, die vielleicht den gebildetsten Damenritter beschämt haben würde. Auf dem ganzen Wege hatte er sozusagen mit freudiger Furcht ihre leisesten Wünsche erfüllt, mit der zartesten Sorgfalt jeden Schritt ihres Pferdes bewacht, jeden Wink ihrer Augen abgesehen und beinahe nur in ihrem Dienste gelebt. Sowie diese Anerkennung ihres sittlichen Wertes auf ihren Geist, so hatten die Zerstreuung auf der langen Reise, die abwechselnd prachtvollen Naturszenen und die reinen Lüfte der grenzenlosen Wiesen der Attacapas und Opelousas, auf ihren Körper gewirkt und ihr eine Lebhaftigkeit, eine Frische verliehen, die ihrer herrlichen Luftgestalt ungemein wohl standen.

Man konnte kaum etwas Rührenderes sehen, als dieses anmutsvolle Wesen, wie sie dem erstarrten Wilden süß schmeichelte und ihn durch die zartesten, unschuldigsten Liebkosungen zu neuem Leben zu erwecken sich bemühte. Allmählich war es ihren unausgesetzten Bemühungen auch gelungen, den alten Mann wieder zu einigem Bewußtsein zurückzubringen. Nur erschien mit diesem auch eine gewisse Beklommenheit, eine Ängstlichkeit, die in demselben Maße zunahm, als er sich den Niederlassungen der Weißen näherte. Mit jedem Schritte, den der kleine Zug vorwärts tat, wurde nämlich die Miene des alten Häuptlings grollender, seine Ungeduld stärker; sein Stumpfsinn schien ihn nur zu verlassen, um einer keifenden, zanksüchtigen Laune Platz zu machen. Als sähe er die Demütigungen voraus, die er von den Weißen zu erwarten habe, versuchte er sich zuvor gegen sie zu stählen und zu ermutigen. Stundenlang war er im zankenden, grollenden Selbstgespräche begriffen, in dem er den Weißen Reden in den Mund legte, um sie mit Trotz und Hohn zu beantworten.

So waren sie auf demselben Wege, den der Indianer den Briten geführt, nämlich auf dem Pfade der Coshattaes dem Atchafalaya zugeritten, den Miko und seine Oconees ausgenommen, die, getreu der Sitte ihres Stammes, neben den Pferden einherschritten. Oberhalb Opelousas am Atchafalaya angekommen, hatten sie diese mit den Pawnees zurückgesandt und angefangen ein Rindenkanu zu bauen, als sie in dieser Beschäftigung von zweien der vom Magistrate von Opelousas ausgesandten Männer entdeckt und bald darauf von einer kleinen Abteilung Milizen überrascht und zu Gefangenen gemacht wurden.

Obwohl die Indianer weder Widerstand noch Flucht versuchten und ihr Boot gelassen vollendeten, so hatte die starre, herrische Art, mit der man sie aufforderte, unverzüglich zu folgen, und die gehässigen, mißtrauischen Blicke, mit denen sie gemessen wurden, ihren Stolz so empfindlich gekränkt, daß, ohne des Miko eindringliche Bitten, wahrscheinlich ein Kampf daraus entstanden wäre. Als fürchtete er nun jede Berührung mit seinen trotzigen Erbfeinden, hatte er sich schnell an die Seite seiner Pflegetochter zurückgezogen, die, in eine Wolldecke gehüllt, auf einem Baumstamme gesessen war. Noch sprach sie freundlich mit dem alten Manne, als El Sol kam, um sie in das Boot zu führen. Die Wolldecke war ihr zum Teil in der Bewegung entfallen, als sie auf das Fahrzeug zutrat. Der Anblick des weißen reich gekleideten Mädchens, das freundlich und froh sich mit dem alten Indianer unterhielt, hatte in den Hinterwäldlern eine Umwandlung hervorgebracht, die, wäre sie durch einen Zauberschlag bewirkt worden, nicht plötzlicher oder größer hätte sein können. Ihr rauhes, gebieterisches Wesen war auf einmal der zuvorkommendsten Aufmerksamkeit gewichen. Alle waren zurückgetreten, als sich ihnen das Mädchen grüßend nahte, ihr Führer hatte artig seine Hand angeboten, um ihr beim Einsteigen zu helfen, war aber vom Cumancheehäuptlinge zurückgestoßen worden. Selbst diese Beleidigung ertrug der Befehlshaber zur nicht geringen Verwunderung des Miko, dem, obgleich scheinbar starr und in sich versunken, keine Bewegung seiner Feinde entgangen war. Während der ganzen Überfahrt waren sie mit einer Schonung von den Weißen behandelt worden, die gegen das barsche, herrische Benehmen bei dem Überfalle zu sehr abstach, um nicht auch El Sol aufmerksam zu machen.

Im Depot angekommen, waren sie zwar im Wachthause eingebracht worden, der Führer der Abteilung nahte sich jedoch ehrerbietig dem Mädchen und bat sie, einstweilen seine Begleitung in den Gasthof anzunehmen. Sie schlug dieses freundlich aus und blieb mit den Indianern in der Stube, wo sie endlich durch die Ankunft der Offiziere aus ihrem Zweifel gerissen wurden, von denen der Falkenblick des Squire den Miko sogleich erkannte. Auch dieser hatte den von ihm nichts weniger als billig behandelten Zwischenhändler herausgefunden und sich zuckend aufgerichtet, als er seine Anrede begann. Da trat aus dem Hintergrunde Rosa hervor, und, aus der Wolldecke schlüpfend, warf sie sich dem erstaunten Squire um den Hals, der kaum seinen Augen trauend sie starr anschaute, bis sie ihm endlich mit den Worten: »Deine Rosa«, sein Pflegekind ins Gedächtnis zurückrief. Da umschlang auch er sie mit einer Herzlichkeit, die ihn für eine geraume Weile alles vergessen machte.

Die ausgezeichnete Achtung, mit der auch die übrigen Offiziere das liebliche Kind empfingen, die kurze ernste Unterredung, die sie miteinander hielten, und die mildere Anrede des Squire, daß er glaube, Tokeah sei in Friede und Freundschaft gekommen, sowie der Umstand, daß sie sogleich aus dem Wachthause in den Gasthof geführt und dem Wirte als Gäste der Regierung zur bestmöglichen Sorgfalt überantwortet wurden, diese Umstände klärten endlich den im langen Verkehr mit seinen Feinden mit den verschiedenen Behandlungsarten, die sie seiner Rasse angedeihen ließen, wohlbekannten Miko allmählich über die plötzliche Sinnesänderung der gefürchteten Weißen auf. Diese Sinnesänderung hatte natürlich ebensosehr in dem achtungsvollen Benehmen des Amerikaners gegen das weibliche Geschlecht überhaupt, als der Voraussetzung insbesondere seinen Grund, daß Indianer, die in einer solchen Begleitung erscheinen, nicht feindselige Absichten im Schilde führen konnten. Dem alten Manne, der sich schon auf Kränkungen und Demütigungen allerart gefaßt gemacht hatte, tat dieser Sonnenstrahl in seinem finstern Geschicke wohl. Der gebeugte, gebrochene, unter der Last seines Schicksals erliegende Häuptling war schwach geworden; er fühlte zu seinem bittern Schmerze, daß er nicht mehr die Kraft habe, dem Feinde entgegenzutreten, der ihn in seiner Jugend und im Mannesalter zermalmt hatte. Die Großmut kam ihm daher wie lindernder Balsam auf seine tödlich eiternde Wunde.

So war es denn natürlich, daß er sich von ihr, die er nun für seinen Schutzgeist ansah, mit Kummer und Schmerzen trennte, und nur die Versicherung des Squire, daß er für Rosa hafte und sie ihm nicht entrissen werden solle, konnte ihn bewegen, sie mit dem Obersten gehen zu lassen, der sie ehrerbietig in sein Haus geladen hatte. Als sie aber schied, da verließ den starren Wilden seine Fassung auf eine unbegreifliche Weise. Er starrte ihr ins Gesicht, als wollte er sie sich recht ins Gedächtnis prägen, damit sie ihm nicht verwechselt würde. Er umfaßte sie, seine Stimme stockte, als er seine Hand auf ihr Haupt legte und sie segnete.

Noch rannte er ihr nach, als sie schon aus der Türe war, umschlang sie wieder und segnete sie nochmals. Der junge Häuptling bezeugte ihr seine Ehrerbietung auf eine bei dem stolzen Indianer nicht minder seltene Weise. Er begleitete sie mit dem Oconeemädchen, welches ihr Kleiderbündel trug, und seinen beiden Männern bis an die Türschwelle. »Die Weißen beugen sich vor Rosa«, flüsterte er ihr mit wehmütig hohler Stimme zu: »Ihr Bruder stirbt für sie«; und, sein Haupt auf seine Brust neigend, schwieg er eine Weile, und dann schied er. Nach der Trennung von Rosa fielen die beiden Häuptlinge in ihr voriges düsteres, starres, brütendes Schweigen, aus dem sie nur durch die Trommeln geweckt wurden, die das Zeichen zur Vereinigung der Truppen gaben.

Der Anblick der Milizen, die, ungefähr tausend Mann stark, sich nun in zwei Bataillone aufstellten, regte in dem Wilden plötzlich all den Haß auf, der sein ganzes Leben so unnennbar unselig gemacht hatte. Mit starrem Staunen, halb mit Entsetzen, folgte er jeder Bewegung, jedem Schritte der Truppen mit einer Aufmerksamkeit, in der ein unsäglich bitteres Gefühl sich spiegelte. Die Mannschaft von Opelousas, die von den Offizieren eingeteilt wurde, schien ihn weniger zu interessieren, vielleicht weil er sich bewußt war, daß auch er mit seinen Oconees gegen den regellosen Ungestüm des noch ungeordneten, schwankenden Haufens mit Erfolg streiten könnte. Als aber das geschlossene Korps des vom Obersten kommandierten Bataillons seine verschiedenen Entwicklungen auszuführen begann, da überzog sich das Gesicht des alten Mannes mit einem grauenhaften Ausdrucke von Jammer, Bitterkeit und Groll.

»Sieht mein Sohn,« sprach er mit leiser, zitternder Stimme im Pawneedialekte, als fürchte er, seine Feinde würden das von ihm ausgesprochene zweideutige Lob hören, »sieht mein Sohn, wie die Weißen schlau sind. Die roten Männer werden nimmer den Tomahawk in ihrem Blute färben; sie sind unbändig und stolz, wie der Büffelstier, aber wenn sie das Kriegsgeschrei erheben, so werden sie zahm und folgen nicht einem Führer, wie die roten Männer, sondern vielen, die alle unter einem sind.«

»Und treten so, wie die Herde den Jäger, die roten Männer lachend nieder«; erwiderte El Sol ebenso leise, ohne von den Bewegungen der Truppen, die nun im Sturmschritt auf sie zukamen, ein Auge zu verwenden.

»Tokeah«, sprach er nach einer langen Pause, »hat oft mit seiner Seele gesprochen, woher es kommt, daß der weiße Mann so trotzig und wieder so folgsam ist. Die roten Männer sind bloß trotzig; ihnen wird nie geholfen werden.«

»Warum,« sprach er wieder nach einer viertelstündigen Pause, »sind doch die roten Männer blind gemacht vom großen Geiste? Warum verhüllt er seit vielen Sommern sein Antlitz?«

»Im Leben des roten Volkes ist der große Geist nicht; er ist ihnen zum Stiefvater in ihrem eigenen Lande geworden; sie müssen fluchen dem Leben, das er ihnen gegeben hat.«

»Mein Vater spricht Worte der Finsternis,« verwies ihm El Sol; »das Antlitz des großen Geistes wird sich umwölken.«

»Es hat sich schon umwölkt. Er mag den Donner aus seiner Wolke schleudern; Tokeah wird ihn segnen.«

Der junge Häuptling trat entsetzt zurück.

»Ja, der große Geist«, sprach der mit sich zerfallene Alte, »ist wie ein schönes Weib, er liebt die glatte Haut der weißen jüngern Söhne, die ältern hat er verstoßen; sie verschwinden von der Erde – von dem Erbteile ihrer Väter, er bläst sie mit seinen Winden zur See gegen Sonnenuntergang. Wenn sie jenseits der Felsenberge angekommen sein werden, so braucht er sie nicht in das Salzwasser hineinzustoßen, es wird ihrer keiner mehr da sein.«

»Lästere den großen Geist nicht, alter Mann!« rief ihm El Sol drohend zu.

»Lästern?« wiederholte der mit seinem Schicksale hadernde Indianer, »hat Tokeah gelästert, ist nicht sein ganzes Leben eine Lästerung des großen Geistes? Warum,« murmelte er mit erboster Stimme, »warum verfolgt er Tokeah und sein Volk von ihrer Geburt an? Was haben sie verbrochen? Warum schlägt er sie? Hat Tokeah Böses getan? Warum züchtigt er seine Kinder? Warum hat er seinen Feinden die Schlauheit des roten Hundes, die Stärke des Büffels, den roten Männern die Blindheit der Eule gegeben, die beim hellen Tage im Finstern tappt?«

»Die roten Männer werden hell sehen und wieder zum Leben erwachen in Senorars und Senowhares Gefilden; der Seher Blackeagle hat es verkündet«; tröstete ihn El Sol.

Ein Hoffnungsschimmer durchzuckte das Angesicht des alten Mannes: »Mein Sohn hat recht«, sprach er, und wieder verfiel er in sein voriges Dahinstarren.

In diesen düstern Ausbrüchen waren Stunden vergangen; kaum daß ihn die Seinigen vermochten, an dem reichlichen Mahl teilzunehmen, das ihm die Gastlichkeit der Weißen bereitet hatte. Als wolle er sich selbst recht quälen durch den Anblick dieser gehaßten Weißen und ihre Überlegenheit in Anzahl und Kriegsübung, war er hinausgeeilt, hatte sie einige Zeit angestarrt und war wieder trostloser zurückgekehrt, um dasselbe in einer halben Stunde wieder zu tun.

Als endlich das Bataillon entlassen worden war, und die Oberoffiziere sich dem Gasthofe näherten und in den Saal traten, in welchen nun auch die Indianer eingeführt wurden, sah ihnen der alte Mann mit einer Sehnsucht entgegen, die den Offizieren auffiel, die mit seinem schrecklichen Gemütszustande wenig oder gar nicht bekannt waren, und natürlich beitrug, eine gewisse vertrauensvolle Stimmung zwischen den beiden Parteien zu erzeugen. Als die Offiziere Platz genommen hatten, ließen sich auch die Indianer auf ihre gewöhnliche Weise auf den mit Teppichen belegten Fußboden nieder, indem sie, auf ihren Schenkeln sitzend, ihre Beine ineinander kreuzten.

»Wünschen meine roten Brüder mit der Zunge der roten Männer zu sprechen, oder wollen sie ihre Botschaft mit der der Weißen verkünden?« fragte der Squire.

»Der Miko der Oconees ist fern von den Seinigen, und seine Augen sehen viele Weiße; er will mit der Zunge der Weißen reden«, versetzte der alte Mann nach einer Pause.

»Unsere Männer«, so hub der General an, »haben die Fußstapfen ihrer roten Brüder gesehen, ehe sie das Kanu bestiegen, um an den großen Fluß zu gelangen; sie haben dieses unserem Bruder, dem Häuptling Copeland, berichtet, und er hat die roten Männer hierherführen lassen, damit ihre weißen Brüder erfahren, weshalb sie gekommen sind, und ob sie ihrer Hilfe bedürfen?«

Der General sprach diese Worte in einem zutraulich würdevollen Tone, der augenscheinlich berechnet war, die Indianer in guter Stimmung zu erhalten. Ein unmerklich bitteres Lächeln hatte den Mund des Greises während derselben verzogen. Nach der gewöhnlichen Pause erwiderte er:

»Tokeah hat viele Sommer gesehen, und in der Hälfte derselben ist er, ein freier und gewaltiger Miko, vom Oconee bis zum endlosen Flusse gegangen, ohne daß ihm Schlingen gelegt worden wären. Warum darf der Miko mit den Seinigen nicht frei gehen, wohin er will? Sind die weißen Männer so furchtsam geworden, daß die Schatten von sechs roten Männern und zwei Mädchen sie erschrecken?«

»Daß die weißen Männer ihre roten Brüder nicht fürchten, weiß der Miko am besten,« versetzte der General; »auch ist er ein zu großer Häuptling, um nicht auch zu wissen, daß, wenn man den Tomahawk ausgegraben hat, die Augen offen sein müssen, um diejenigen zu zählen, die sich dem Lager nähern.«

»Hat der weiße Häuptling je den Tomahawk gegen die roten Männer erhoben?« fragte der Indianer nach einer Weile.

»Nein, aber gegen die Söhne des großen Vaters der Kanadas. Ich bin der Befehlshaber dieser achtungswerten Männer, die in vielen Schlachten gekämpft haben.«

»So frage der weiße Häuptling seine Brüder,« versetzte der Indianer nach einer langen Pause, »und sie werden ihm sagen, daß die roten Männer nicht mit ihren Squaws gehen, um das Schlachtgeschrei zu erheben. Der Miko ist mit seinem Sohne, dem mächtigen Häuptlinge der Cumanchees, in Frieden gekommen. Tokeah ist alt geworden«; setzte er bedeutsam hinzu.

»Und die weißen Männer strecken dem alt gewordenen Miko und seinen Brüdern die Palmen ihrer Hände zum Friedenszeichen entgegen«; erwiderte der General. »Aber die roten Männer sind klug,« fuhr er nach einer kleinen Pause fort, »und sie lieben ihre Wigwams und Jagdgründe sehr. Warum haben sie einen so weiten Weg gemacht?«

Der Indianer sah den Sprecher eine Weile forschend an. »Wenn der große Vater etwas mit seiner Seele redet, behält er es nicht für sich?«

»Der große Vater ist in seinem Land, und die Seinigen sehen seine Wege; aber der Miko, fragt er nicht auch den Fremdling, den er in seinem Wigwam findet?« antwortete der General.

»Ist Tokeah ein Fremdling im Lande seiner Väter?« fragte der Wilde mit unsäglich wehmütiger Bitterkeit. »Ja, er ist's, er hat bereits seit vielen Sommern nicht mehr den Tomahawk gegen seine weißen Feinde erhoben. Er hat ihn begraben, und er ist rostig geworden. Er ist auf breitem Pfade gekommen, nicht wie ein Dieb; aber er ist ein Fremdling in seinem Lande geworden.«

»Aber die roten Männer sind keine Toren, die nicht wissen, was sie tun. Hat nicht der Vater der Kanadas Tokeah durch seinen Boten etwas ins Ohr flüstern lassen?« fragte der General, der vielleicht mit Vorbedacht nicht die wehmütige Stimmung des Indianers berücksichtigte. Dieser wurde aufmerksam.

»Ist der Sohn des großen Vaters der Kanadas bei meinen weißen Brüdern gewesen?«

»Er ist aufgefangen von den Unsrigen und eingebracht worden«; erwiderte der General.

Es erfolgte eine lange Pause, während welcher die beiden Sprecher sich zum ausholenden Wettstreite vorzubereiten schienen.

»Und die weißen Männer haben den Sohn des großen Vaters der Kanadas ergriffen und festgenommen?« fragte der Indianer.

»So haben wir«; war die Antwort.

»Und was haben die Häuptlinge der weißen Männer beschlossen?«

»Was tun die roten Männer mit denjenigen, die sie als Späher einfangen?«

»Und ist der junge Sohn des großen Vaters der Kanadas als Späher zu den weißen Männern gekommen?« fragte der Indianer kopfschüttelnd.

»Er kam von Tokeah, dem Häuptlinge der Oconees«; sprach der General mit plötzlich starker Stimme.

»Hat mein weißer Bruder gesagt, daß er von Tokeah kommt?« fragte dieser in demselben kalten, unbewegten Tone.

»Glaubt Tokeah, daß die weißen Männer nicht Augen haben, um zu sehen, wenn auch die Zunge schweigt? Sie wissen ihre Feinde von ihren Freunden zu unterscheiden. Wenn die roten Männer ihre Tomahawks gegen uns erheben wollen, so mögen sie dieses tun, wir werden ihnen zu begegnen wissen; wenn sie sich aber wie die Hunde vom Jäger aufs Wild hetzen lassen, dann müssen sie zufrieden sein, wenn sie als solche totgeschlagen werden.«

»Und glaubt der weiße Häuptling,« fiel der Miko schnell ein, »daß Tokeah Tor genug sei, sich wie ein Hund von einem Mädchen hetzen zu lassen, um ihr das Wild für ihren Kessel zu fangen? Der weiße Häuptling hat wenig von Tokeah gehört.«

»Der große Vater der Kanadas ist schlau,« versetzte der General; »er schickt zuweilen auch Mädchen, weil er weiß, daß die roten Männer die zarten, weißen Gesichter lieben.«

»Tokeah ist ein Mann, ein Häuptling,« sprach der Indianer, »der der zarten Gesichter lacht. Der weiße Häuptling mag die weiße Rosa fragen. Sie ist es, die den Sohn des großen Vaters der Kanadas ins Wigwam geführt, mit einer, die nicht mehr ist.« Hier stockte seine Stimme, und er hielt plötzlich inne; er ermannte sich jedoch und fuhr fort: »Er ist aus der Schlinge des Seeräubers entwischt, und Tokeah hat ihn erst gesehen, als er jenseits des zweiten Flusses war. Dann hat er ihm einen seiner Männer gegeben, um ihn zu den Seinigen zu bringen.«

»Der Miko der Oconees würde dies nicht mit einem der Unsrigen getan haben. Der Miko ist viel zu gütig gegen unsere Feinde«; versetzte der General.

»Tokeah hat getan, was seine Väter auch mit den Vätern der weißen Männer getan haben, die friedlich in ihre Wigwams kamen und wieder gingen. Er legt nur seinen Feinden Fallstricke.«

»Wir zweifeln nicht an Eurer Freundschaft für die Söhne des sogenannten großen Vaters der Kanadas; auch haben wir nichts dagegen, wenn Ihr von ihm Geschenke annehmt. Aber vergeßt dabei nicht, daß, wenn der große Vater der Kanadas Euch Glasperlen gibt, er dafür die Köpfe Eurer jungen Männer nimmt.«

»Tokeah spottet der Glasperlen der Weißen.«

»Aber er nimmt sie für seine Kinder,« versetzte der General, »und er liebt, das gelbe Metall an ihnen glänzen zu sehen.«

Der Indianer, der nach seiner jedesmaligen Rede wieder seinen Kopf auf die Brust gesenkt hatte, fuhr bei diesen Worten unwillig auf.

»Der weiße Häuptling mag seinen Bruder fragen«, entgegnete er, auf den Squire deutend. »Er ist fett geworden von den Biber- und Hirschfellen, die ihm die roten Männer für Feuerwasser gebracht haben, und er wird ihm sagen, wie man das glänzende Metall gewinnt. Die weiße Rose ist die Tochter des Miko, und er hat viele Biberhäute und Bärenhäute gesammelt, und seine Tochter Canondah hat viele Kürbisflaschen Feuerwassers gebrannt, um die Augen der weißen Rose in Freude leuchten zu machen. Tokeah würde das glänzende Metall des großen Vaters der Kanadas mit dem Fuße wegstoßen.«

»Und warum hat die Tochter Tokeahs dem Sohne des Vaters der Kanadas den Mund verschlossen?«

»Tokeah selbst hat seine Zunge gebunden«, entgegnete der Indianer.

»Und warum hat der Häuptling dieses getan? Sind die Oconees Diebe geworden, die das Tageslicht scheuen?«

»Liebt mein Bruder, das, was ihm teuer ist, die Diebe sehen zu lassen? Die Oconees verstecken ihre Wigwams nicht vor den weißen Männern, aber vor ihren Dieben, die kommen, um ihnen ihr Vieh und ihr Korn zu stehlen. Sie wollen Frieden.«

»Und Tokeah ist zurückgekommen, um sein Volk zu sehen?« fragte der General.

Der Häuptling schüttelte das Haupt. »Der Miko kennt die Muscogees nicht mehr. Er ist gekommen in Frieden, weil der große Geist ihm in die Ohren geflüstert hat. Wenn er getan, was er befohlen hat, dann wird er dahin gehen, wo ihn keiner der Weißen mehr sehen wird.«

Der General und die Offiziere schienen mit den Aufklärungen, die ihnen die Unterredung gegeben hatte, zufrieden zu sein. Sie besprachen sich noch eine Weile untereinander, und dann schloß der erstere die Zusammenkunft mit den Worten: »Meine roten Brüder sind willkommen in den Wigwams der weißen Männer, und diese werden sorgen, daß sie Überfluß an Feuerwasser und Wildbret haben. Aber sie werden warten in dem Wigwam, in dem sie sind, bis der große Vater von ihrer Ankunft benachrichtigt ist. Der Miko weiß, daß er gerecht ist, und daß er und seine Kinder nichts zu fürchten haben, wenn sie in Frieden gekommen sind.«

»Gut«, erwiderte der Indianer.

Beide Parteien erhoben sich nun, und, nachdem sie sich würdevoll die Hand gereicht hatten, trennten sie sich. Die Indianer kehrten in ihre Stube zurück, und die Offiziere, mit Ausnahme des Kapitäns, blieben im Saale, der sich schnell zum abermaligen Meeting zu füllen begann.


 << zurück weiter >>