Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

»Die Thräne mein fließt immerdar!
Ich wein' um keinen Freund, der fern;
Denn beßre Zeiten bringt das Jahr,
Und eine getrennte Liebe gern.

Auch wein' ich nicht am stummen Sarg:
Der Tod bringt Ruh' und stillet Leid,
Und Lieb', die er im Grabe barg,
Die trennt nicht mehr der Sturm der Zeit.«

Als Trennung schlimmer und als Tod
Weint des Geliebten Schand' sie nach;
Die hochgeborne weint voll Noth
Um eines Kriegers Schimpf und Schmach.

Ballade.

Die freie und laute Stimme Richards gab sich in frohen Glückwünschen zu erkennen.

»Thomas de Vaux! rüstiger Thomas von Gilsland! bei dem Haupte von König Heinrich, du bist mir willkommen, wie die Weinflasche einem fröhlichen Zecher! Ich hätte kaum gewußt, wie meine Schlachtreihen ordnen, wenn ich deine stämmige Gestalt nicht im Auge gehabt hätte, um, wie nach einem Gränzstein, meine Reihen darnach zu ordnen. Bald werden wir wieder Streiche thun, Thomas, wenn uns die Heiligen günstig sind; und hätten wir während deiner Abwesenheit gefochten, dann hätte ich mich auf das Gerücht gefaßt gemacht, daß man dich an einem Holunderbaum hängend gefunden habe.«

»Ich würde, glaube ich, meinen Verdruß mit christlicherer Geduld ertragen haben,« sagte Thomas de Vaux, »und würde nicht den Tod eines Apostaten gestorben sein. Aber ich danke Eurer Majestät für den Willkomm, der um so großmüthiger ist, da er ein Gastmahl mit Waffengeklirr verspricht, wobei Ihr, mit Erlaubniß, immer den größten Theil für Euch behaltet. Indeß hier habe ich Einen gebracht, dem Eure Majestät einen noch wärmeren Willkomm sagen wird.«

Die Person, die nun hervortrat, Richard ihre Ehrfurcht zu bezeigen, war die eines jungen Mannes von kleinem Wuchs und unansehnlicher Gestalt. Seine Kleidung war so einfach als sein Gesicht anspruchslos war; aber er trug an seiner Mütze eine goldne Schnalle mit einem Edelstein, dessen Feuer nur von dem Glanze des Auges, welches die Mütze beschattete, erreicht werden konnte. Dies Auge war das einzige Hervorstechende in seinem Gesicht; aber wenn der Betrachter es einmal bemerkt hatte, so machte es immer wieder einen starken Eindruck. Um seinen Hals hing an einem himmelblauen, seidenen Bande ein Schlüssel von gediegenem Gold, womit man eine Harfe stimmt.

Diese Person wollte vor Richard ehrerbietig niederknieen; aber der Monarch hob ihn mit freudiger Hast auf, drückte ihn warm an seine Brust, und küßte ihn auf beide Wangen.

»Blondel de Nesle!« rief er fröhlich aus – »willkommen von Cyprus, mein Minstrelkönig! willkommen dem Könige von England, der seine eigene Würde nicht höher als deine achtet. Ich bin krank gewesen, Freund, und bei meiner Seel', ich glaube, weil ich dich nicht hatte, denn wär' ich auch halbwegs schon zum Himmel, deine Töne fürwahr würden zurück mich rufen. – Was bringst du Neues, lieber Meister, aus dem Lande der Leier? – etwas von den Troubadours der Provence? – etwas von den Minstrels der lustigen Normandie? vor Allem, hast du selbst etwas gethan? – Doch was brauche ich dich zu fragen – du kannst nicht müßig sein, auch wenn du wolltest – deine kostbaren Talente gleichen einer inneren Feuerglut, und drängen dich, dich in Tönen und Liedern zu ergießen.«

»Einiges hab' ich gelernt, und Einiges hab' ich gethan, edler König,« antwortete der berühmte Blondel mit einer zurückhaltenden Bescheidenheit, welche Richard durch die schwärmerischste Bewunderung, die er dem Sänger zollte, nicht verbannen konnte.

»Wir wollen dich hören, Freund – wir wollen dich sogleich hören,« sagte der König; und als er freundlich die Hand auf Blondels Schulter gelegt, fügte er hinzu – »das heißt, wenn dich deine Reise nicht ermüdet hat: denn lieber wollte ich mein bestes Pferd todt reiten, als deiner Stimme im Geringsten wehe thun.«

»Meine Stimme ist immer zum Dienste meines Königs bereit,« sagte Blondel; »aber Eure Majestät,« fügte er hinzu, einen Blick nach den auf dem Tische liegenden Papieren werfend, »scheint ernster beschäftigt, und es ist schon spät.«

»Nicht im Geringsten, Freund, nicht im Geringsten, mein liebster Blondel. Ich habe nur einen Schlachtplan gegen die Saracenen entworfen, das ist eine kurze Arbeit, fast so schnell gemacht, als man jene in die Flucht jagt.«

»Aber, mir scheint,« sagte Thomas de Vaux, »daß es nicht ungelegen wäre, wenn sich Eure Majestät erkundigt, was für Soldaten Ihr zu ordnen hättet. Ich bringe Berichte hierüber von Askalon.«

»Du bist ein Maulesel, Thomas,« sagte der König, »ein wahrer Maulesel an Stumpfheit und Eigensinn! – Kommt, Edle – Platz – macht Platz! schließt einen Kreis um ihn – gebt Blondel einen Sessel – wo ist sein Harfenträger? – oder, halt – leihet ihm meine Harfe – die seinige hat vielleicht durch die Reise gelitten.«

»Ich wollte, Eure Majestät ließe mich Bericht abstatten,« sagte Thomas de Vaux. »Ich komme weit geritten, und ich habe größere Lust, mich auf's Ohr zu legen, als mir es kitzeln zu lassen.«

»Dein Ohr kitzeln!« sagte der König, »das müßte mit einer Schnepfenfeder geschehen und nicht mit süßen Tönen. Höre, Thomas, kann dein Ohr Blondels Gesang vom Geschrei eines Esels unterscheiden?«

»Wahrhaftig, mein Fürst,« versetzte Thomas, »ich kann es nicht wohl sagen; aber, Blondel bei Seite gesetzt, der ein geborner Edelmann ist, und ohne Widerrede große Verdienste hat, – ich kann nie, um auf Eurer Majestät Frage zu antworten, einen Minstrel ansehen, ohne an einen Esel zu denken.«

»Und sollte deine Höflichkeit dich nicht genöthigt haben,« sagte Richard, »mich auszunehmen, der ich ein geborner Edelmann bin so gut wie Blondel und gleich ihm ein Zunftgenosse der joyeuse science?«

»Eure Majestät sollte erwägen,« sagte de Vaux lächelnd, »daß es unnütz ist, von einem Maulesel Höflichkeit zu fordern.«

»Sehr wahr gesprochen,« sagte der König, »und am wenigsten von einem so unfreundlichen wie du. – Doch komm her, Meister Maulesel, und laß dich abladen, damit du dich auf deine Streu legen kannst, ohne daß Ton oder Lied an dir verschwendet werde. – Unterdessen gehe du, guter Bruder Salisbury, zum Zelte unserer Gemahlin, und sage ihr, daß Blondel angekommen ist, befrachtet mit einem Sack voll der neuesten Minstrelgesänge. Bitte sie, sogleich hierher zu kommen, und sei ihr Begleiter, und sieh zu, daß unsere Base Edith Plantagenet nicht zurückbleibt.«

Sein Auge blieb eine Weile auf den Nubier geheftet mit dem Ausdruck von Zweifel, mit welchem er ihn gewöhnlich ansah.

»Ei, unser stiller und verschwiegener Bote ist zurück? – Halte dich, Sclave, hinter de Neville, und du wirst jetzt Töne hören, daß du Gott danken sollst, dich statt mit Stummheit nicht mit Taubheit geschlagen zu haben.«

Als er dies gesprochen, wandte er der übrigen Gesellschaft den Rücken, und vertiefte sich mit de Vaux in die militärischen Einzelheiten, welche der Baron ihm vorlegte.

Fast in dem Augenblicke, als der Lord von Gilsland sein Geschäft geendigt hatte, meldete ein Bote, daß sich die Königin mit ihrem Gefolge dem königlichen Zelte nähere. »Heda, eine Flasche Wein!« sagte der König; »von des alten Königs Isaak lang gespartem Cyprer, den wir beim Sturm von Famagosta gewonnen haben – trinkt auf das Wohl des wackeren Lords von Gilsland – nie hat ein Fürst einen sorgsameren und treueren Diener gehabt.«

»Es freut mich,« sagte Thomas de Vaux, »daß Eure Majestät einen brauchbaren Sclaven in dem Maulesel findet, obgleich die Stimme desselben weniger wohltönend ist als Roßhaare oder Draht.«

»Was, hast du den Stich mit dem Maulesel noch nicht verdaut?« sagte Richard. »Spül' ihn mit einer vollen Flasche hinunter, Freund, oder du wirst daran ersticken. – Nun, so – das war brav gerupft! – und nun sage ich dir, du bist ein Kriegemann so gut wie ich, und wir müssen einer des andern Scherze in der Halle ertragen wie die Streiche auf dem Turnierplatz, und je stärker wir schlagen, je mehr müssen wir uns lieben. Bei meiner Treu, wenn du nicht so hart draufgeschlagen hast wie ich in diesem Wortgefecht! Du hast all deinen Witz dabei aufgeboten. Aber ich will dir den Unterschied zeigen zwischen dir und Blondel. Du bist nur mein Kamerad – ich könnte sagen mein Zögling – in der Kriegskunst; Blondel aber ist mein Meister in der Musik und Minstrelkunst. Dir erlaube ich Vertraulichkeit – ihn aber muß ich achten als meinen Vorgesetzten in der Kunst. Komm, Freund, sei nicht böse, sondern bleib' und höre unsern Gesang.«

»Da ich Eure Majestät in so guter Laune sehe,« sagte der Lord von Gilsland, »so könnte ich bei meiner Treu, hier bleiben, bis Blondel die lange Romanze von König Arthur geendigt hätte, die drei Tage währet.«

»Deine Geduld soll nicht so schwer geprüft werden,« sagte der König. »Doch sieh, der Fackelschein draußen zeigt, daß unsere Gemahlin nahet. Auf, sie zu empfangen, Freund, und gewinne dir Gunst in den schönsten Augen der Christenheit. – Nein, halte dich nicht auf, deinen Mantel zu ordnen. Sieh, du hast Neville zwischen den Wind und die Segel deines Schiffes kommen lassen!«

»Auf dem Schlachtfelde war er mir nie voraus,« sagte de Vaux, der nicht sehr erfreut war, sich durch den dienstfertigeren Kammerherrn ausgestochen zu sehen.

»Nein, weder er noch ein anderer ist dir dort voraus gewesen, mein guter Thomas von Gilsland,« sagte der König, »nur dann und wann wir selbst.«

»Ja, mein Fürst,« sagte de Vaux, »und lassen wir einem Unglücklichen Gerechtigkeit widerfahren; auch der arme Ritter vom Leoparden war mir zu Zeiten voraus – denn, seht, er wiegt weniger zu Pferd, und somit« – –

»Still!« unterbrach ihn der König in einem befehlenden Ton – »kein Wort von ihm!« – und darauf schritt er vorwärts, seine königliche Gemahlin zu begrüßen; und als er dies gethan hatte, stellte er ihr Blondel vor als König der Minstrelkunst und seinen Meister in der lustigen Wissenschaft. Berengaria, die wohl wußte, daß ihr königlicher Gemahl Dichtkunst und Musik fast mit demselben Eifer liebte wie ritterlichen Ruhm, und daß Blondel sein bevorzugter Liebling sei, war eifrig besorgt, ihn mit der schmeichelhaften Auszeichnung zu empfangen, welche er, den Richard zu ehren liebte, nur erwarten konnte. Doch war es augenscheinlich, daß Blondel, obgleich er die Artigkeiten, womit ihn die schöne Königin vielleicht zu reichlich überschüttete, auf angemessene Weise erwiederte, mit größerer Ehrfurcht und demüthigerer Dankbarkeit den einfachen und ungezwungenen Willkomm von Edith anerkannte, deren freundlicher Gruß ihm vielleicht grade wegen seiner Kürze und Einfachheit aufrichtig vorkam.

Die Königin und ihr Gemahl bemerkten diesen Unterschied, und Richard, der seine Gemahlin über den Vorzug, den seine Base erhalten, und den er selbst vielleicht nicht gerne bemerkte, einigermaßen verletzt sah, sagte, daß es die anderen Beiden hören konnten: »Wir Minstrels, Berengaria, wie du hier ein Beispiel an unserem Meister Blondel hast, erweisen mehr Achtung einem strengen Richter wie unsere Base ist, als einem guten Freund wie du, der an unsern Werth ohne Weiteres glaubt.«

Edith war von diesem Stich ihres königlichen Verwandten getroffen, und sie zögerte nicht zu erwiedern, daß das Prädicat strenger Richter ihr nicht allein unter den Plantagenets zukomme.

Sie hätte vielleicht noch mehr gesagt: denn sie hatte etwas von dem Charakter jenes Hauses, das, obwohl es Namen und Wappen von dem Ginster ( planta genista), dem Sinnbild der Demuth genommen hatte, doch vielleicht alle Geschlechter, die je in England herrschten, an Stolz übertraf; aber ihr funkelndes Auge begegnete plötzlich dem des Nubiers, obgleich sich derselbe hinter den anwesenden Edelleuten zu verbergen strebte, und sie sank auf einen Sitz und wurde so bleich, daß die Königin Berengaria Wasser und Essenzen verlangen zu müssen glaubte, und alle Anstalten machte, die zur Ohnmacht einer Dame gehören. Richard, der die Stärke von Ediths Gemüth besser kannte, forderte Blondel auf, seinen Sitz einzunehmen, und sein Spiel zu beginnen, indem er bemerkte, daß Minstrelkunst das beste Mittel sei, eine Plantagenet in's Leben zurück zu rufen. »Sing uns,« sagte er, »das Lied vom blutigen Gewand, dessen Inhalt du mir erzähltest, ehe ich Cypern verließ; du mußt es jetzt vollkommen kennen, oder, wie unsere Schützen sagen, dein Bogen ist entzwei.«

Der Blick des Sängers verweilte jedoch ängstlich auf Edith, und erst als sie ihre Farbe wieder erlangt hatte, gehorchte Blondel dem wiederholten Geheiß des Königs. Hierauf sang er mit Harfenbegleitung, die seinen Vortrag zierte, ohne ihn in den Schatten zu stellen, in einer Art von Recitativ eins jener alten, ritterlichen Liebesabenteuer, die vor Zeiten die allgemeine Aufmerksamkeit erregten. Schon als er zu präludiren begann, verschwand die Ausdruckslosigkeit seines Wesens, und seine Züge drückten Würde und Begeisterung aus. Seine volle, männliche, weiche Stimme, die von dem reinsten Geschmack gemeistert wurde, entzückte jedes Ohr und Herz. Richard, der fröhlich war, als hätte er einen Sieg erfochten, gebot Stille mit der üblichen Formel –

»hört, ihr Herren, in Kammer und Hall',«

während er mit dem Eifer eines Kenners und eines Zöglings den Kreis schließen ließ, und Ruhe herstellte, und er selbst setzte sich nieder mit einem Ausdruck von Erwartung und Theilnahme, der jedoch von dem Ernste der kritischen Beurtheilung nicht ganz frei war. Die Höflinge kehrten ihre Augen dem König zu, um den Empfindungen, welche seine Züge ausdrückten, nachspüren und sie nachahmen zu können, und Thomas de Vaux gähnte fürchterlich wie einer, der sich wider Willen einer lästigen Buße unterwirft. Der Gesang Blondels war, wie sich von selbst versteht, in der normannischen Sprache; aber die folgenden Verse geben seinen Inhalt und seine Art.

In der Näh' der schönen Stadt Benevent,
Als der Tag vor Johanni ging zu End'
Und Ritter für's nahe Turnier die Händ'
Regten von muthigem Eifer entbrennt,
Im grünen Kleide ein Page behend
(Eine Prinzessin ist's, die ihn send't,)
Das Lager durcheilet, und, wie er rennt,
Forscht nach dem Engländer Thomas von Kent.

Viel war er gelaufen, und lief noch mehr,
Bis das Zelt er fand, das er suchte sehr.
Außer Stahl und Eisen wog nichts hier schwer!
Als ob Geld darin nicht zu Hause wär,
Zu zahlen des Waffenschmiedes Begehr,
Sieht man den Ritter mit eigner Beschwer
Feilen und Hämmern sein Rüstzeug und Wehr
Für das morgende Fest so hoch und hehr.

»So spricht meine Herrin,« der Pag' begann,
Und der Ritter hört ihn voll Ehrfurcht an,
»Benevents Prinzeß nennt sie Jedermann
Und du bist ein schlichter, geringer Kumpan; –
Wer einen so hohen Baum will hinan,
Ueber solch eine Bucht will springen die Bahn,
Der zeige durch Werke, die er gethan,
Daß Hohes zu lieben er wagen kann.«

»Drum spricht meine Dam',« gab der Pag' Bescheid,
Und der Ritter verbeugt sich voll Höflichkeit,
»Wirf deine eiserne Rüstung bei Seit',
Und kleide dich hier in das Nachtkleid, –
Aus Draht nicht, sondern aus Fäden bereit't, –
Und also voll Muth in die Schranken reit',
Und kämpfe mit Jedem wie allezeit,
Und sieg' mit Ehr' oder sinke mit Leid.«

Und Ruhe im Auge, im Herzen Muth,
Der Ritter das Gewand faßt, und küßt's mit heißer Glut:
»Gesegnet sei die Botschaft, die mir dein Mund kund thut!
Und weil dadurch mit Ehre mich meine Dam' belud,
So sage meiner Dame, daß ich ohn' andre Hut
Will kämpfen in dem Kleide, worin bei Nacht sie ruht.
Doch geh' als Sieger ich von dannen, bezeuge sie mir's kurz und gut.«
Und jetzt, ihr Herrn, ist halb zu End' das Lied vom Kleid befleckt mit Blut.

»Du hast in der letzten Strophe auf einmal das Versmaß geändert, mein Blondel,« sagte der König.

»Das ist wahr, mein König,« sagte Blondel. »Ich gab die Verse nach dem Italienischen eines alten Harfners, den ich in Cypern traf, und da ich keine Zeit hatte, sie genau zu übersetzen oder sie auswendig zu lernen; so bin ich genöthigt, die Lücken in Musik und Text auf Gerathwohl auszufüllen, wie Bauern ein grünes Gehäge mit dürren Reisern ausflicken.«

»Nein, bei meiner Treue,« sagte der König, »mir gefallen diese rollenden Alexandriner – gewiß, sie begleiten die Musik besser als jenes kürzere Versmaß.«

»Beide sind erlaubt, wie Eure Majestät wohl weiß,« antwortete Blondel.

»Wahr, Blondel,« sagte Richard; »indeß ich glaube, daß die Scene, wo es zum Kampfe kommt, besser in diesen tönenden Alexandrinern gehen wird, die wie der Angriff eines Reiterhaufens lauten, während das andere Versmaß nur dem Paßgang eines Damenzelters gleicht.«

»Wie es Eurer Majestät beliebt,« versetzte Blondel und fing wieder an zu präludiren.

»Nein, erst erwärme deine Einbildung mit einem Becher feurigen Chierweins,« sagte der König; »und noch eins, ich wollte, du ließest den neumodischen Zwang bei Seite, immer mit dem nämlichen Reimen zu schließen. Das hemmt den Flug deiner Begeisterung, und macht dich einem Manne ähnlich, der in Ketten tanzt.«

»Die Ketten sind wenigstens leicht abgeworfen,« sagte Blondel, indem er mit den Fingern die Saiten durchlief, wie Einer, der lieber gespielt als Kritik angehört hätte.

»Aber warum sie anlegen, Freund?« fuhr der König fort. »Warum deinen Genius in eiserne Handschellen zwängen? Mich wundert nur, wie dir Alles gelingt. – Ich bin gewiß, ich wäre nicht im Stande gewesen, in diesem gezwungenen Versmaß nur eine Strophe zu dichten.«

Blondel blickte zu Boden, und beschäftigte sich mit den Saiten seiner Harfe, ein unwillkürliches Lächeln, das seine Züge bewegte zu verbergen, aber es entging nicht der Beobachtung Richards.

»Bei meiner Treue, du lachst mich aus, Blondel,« sagte er; »und in Wahrheit, Jedermann verdient es, der sich herausnimmt, den Meister zu spielen, während er der Schüler sein sollte; aber wir Könige haben die schlechte Gewohnheit, uns selbst zu überschätzen. – Doch wohlan, beginne dein Spiel, bester Blondel – mach' es nach deiner eigenen Weise, die besser ist als Alles, was wir dir angeben können, obgleich wir nothwendigerweise reden müssen.«

Blondel nahm seinen Gesang wieder auf, und da er leicht aus dem Stegreif Verse machte, so ermangelte er nicht, die Winke des Königs zu befolgen, und vielleicht war es ihm nicht unangenehm, zu zeigen, mit welcher Leichtigkeit er ein Gedicht während des Vortrags selbst umgießen konnte.

Der Johannismorgen sah ritterlich Spiel,
Gewonnene Ehre, verfehltes Ziel;
Es sausten die Schwerter, es brach mancher Stab –
Dem Sieger ward Ruhm, dem Besiegten ein Grab.
Und mancher Ritter focht rühmlich und brav,
Doch ein Einziger Alle gar weit übertraf:
Denn all' seine Rüstung um Brust und um Leib
War ein Nachtkleid nur, schien es, von einem Weib.

Es traf ihn zwar Mancher, daß Blut lief darnach,
Doch Mancher auch schont ihn großmüthig, und sprach:
»Es ist ein Gelübde – und brächte kein' Ehr',
Den Mann zu erschlagen, der gerne todt wär.«
Auch der Fürst den Kampf nun beendigen ließ,
Sein Stab flog zur Erde, die Trompete blies.
Die Richter erklärten und jeglicher Held
Den Ritter vom Nachtkleid als Sieger im Feld.

Die Mahlzeit war nah' und noch näher die Meß,
Als ein Knappe gebückt sich naht der Prinzeß,
Und reicht ihr ein Kleid, das nicht anzusehn war;
Zerhauen, zerstochen war's ganz und gar,
Zerlumpt und zerrissen, mit Blut befleckt,
Mit Schaum und mit Staub und mit Koth bedeckt –
Und der Finger der Dame hätt' da nicht, ich mein',
Bedeutet ein Fleckchen noch sauber und rein.

»Es sendet mein Ritter, Sir Thomas von Kent,
Dies Pfand der Prinzessin von Benevent.
Den Erklett'rer des Baums müssen Früchte lohnen,
Wer die Bucht übersprang, darf drüben wohnen.
Ich suchte den Ruhm in der größten Gefahr;
Nun werd' meiner Dame Treu' auch offenbar.
Wenn so schwere Arbeit sie geben mag;
Lob' sie das Gelingen am hellen Tag.

Das Kleid, spricht mein Herr, ich geb' es hier wieder,
Es decke nun auch meiner Dame Glieder;
Trotz Löcher und Flecken acht' sie es doch gut:
Kein Schandfleck ist drauf, ist's roth auch von Blut.«
Die Prinzessin erröthet, und drücket mit Lust
Das blutige Kleid an Lippe und Brust.
»Sag' an meinem Ritter, daß heut' alle Welt
Soll schau'n wie ich ehre den muthigen Held.«

Und als nun die Edlen beim Glockenklang
Zu Münster und Messe sich setzten in Gang:
Voran die Prinzeß an der Spitze vom Zug
Ueber all ihrem Putze das Blutgewand trug.
Und als auf den Knie'n sie beim festlichen Mahl
Darbot ihrem Vater den goldnen Pokal;
Ueber Prachtgewändern und Stahlengeschmeid'
Hing ihr von den Schultern das blutige Kleid.

Da sieht man die Ritter den Damen winken;
Es flüstern die Damen mit Kichern und Blinken.
Und der Fürst von Scham und Zorn bewegt,
Die Augen zu Boden darniederschlägt.
»Nun weil du bekannt deine Thorheit und Schuld;
Versöhne dies Blut denn mit all' deiner Huld.
Zur Strafe gebet euch eilends die Händ',
Und zieht als Verbannte fort von Benevent.«

Sir Thomas erhob sich in tönender Hall,
Noch schwach zwar vom Kampfe, mit rufendem Schall:
»Das Blut, das ich für deine Tochter vergossen,
Es kam mir recht willig vom Herzen geflossen.
Und muß sie auch Strafe und Vorwurf erfahren,
Ich will sie vor Elend und Schande bewahren.
Verschmerzen soll sie bald die Stadt Benevent,
Heiß' ich sie in England die Gräfin von Kent.«

Ein Beifallsgemurmel rauschte durch die Versammlung, die das Beispiel Richards nachahmte, der seinen Lieblingssänger mit Lobsprüchen überhäufte, und ihn mit einem Ring von ungewöhnlichem Werth beschenkte. Die Königin beeilte sich, den Liebling mit einem reichen Armband zu beschenken, und viele der anwesenden Edelleute folgten dem königlichen Beispiel.

»Ist unsere Base Edith,« sagte der König, »gefühllos geworden für die Töne der Harfe, die sie sonst so liebte?«

»Sie dankt Blondel für sein Lied,« versetzte Edith, »und doppelt dankt sie ihrem Verwandten, der dies Lied verlangt hat.«

»Du bist verdrießlich, Base,« sagte der König; »weil du von einem Weibe gehört hast, die noch wunderlicher war als du. Aber du entgehst mir nicht – ich will euch ein Stück zu dem Zelte der Königin begleiten – wir müssen eine Unterhaltung zusammen haben, ehe der Morgen anbricht.«

Die Königin und ihr Gefolge war aufgestanden, und die übrigen Gäste verließen das königliche Zelt. Ein Trupp Fackelträger und Bogenschützen wartete auf Berengaria vor dem Zelte, und bald trat sie ihren Heimweg an. Richard ging, wie er sich vorgenommen hatte, neben seiner Verwandtin, und nöthigte sie, seinen Arm anzunehmen, so daß sie mit einander sprechen konnten, ohne gehört zu werden.

»Was für eine Antwort soll ich dem edlen Sultan geben?« sagte Richard. »Die Könige und Fürsten fallen von mir ab, Edith – dieser neue Streit hat sie mir wieder entfremdet. Ich möchte etwas für das heilige Grab durch einen Vertrag thun, wenn es durch einen Sieg nicht geschehen kann; und das Gelingen meines Strebens hängt, ach! von der Laune eines Weibes ab. Ich wollte lieber meine Lanze gegen zehn der besten Ritter einlegen, als mit einem eigensinnigen Mädchen rechten, das sein eigenes Beste nicht kennt. – Was für eine Antwort, Base, soll ich dem Sultan geben? Es muß eine entscheidende sein.«

»Sage ihm,« sagte Edith, »daß die ärmste der Plantagenets sich eher mit dem Unglück als mit dem Unglauben verheirathen will.«

»Soll ich nicht sagen mit der Sclaverei, Edith?« sagte der König – »gewiß daran hast du eher gedacht.«

»Ihr habt keinen Grund,« sagte Edith, »zu dem Verdacht, womit Ihr mich so unzart belastet. Sclaverei des Leibes kann man bemitleiden, aber die der Seele nur verachten. Schäme dich, König vom lustigen England! Du hast den Körper und den Geist eines Ritters, der kaum weniger berühmt war als du, in Fesseln geschlagen.«

»War es mir zu verdenken, wenn ich, um meine Verwandtin abzuhalten, einen Gifttrank zu nehmen, das Gefäß beschmutzte, das den gefährlichen Saft enthielt, da es kein anderes Mittel gab, ihr den Trank zu verleiden?« versetzte der König.

»Im Gegentheil,« antwortete Edith, »du möchtest mich gern nöthigen, Gift zu trinken, weil man es in einem goldenen Kelche darbietet.«

»Edith,« sagte Richard, »ich kann deinen Entschluß nicht erzwingen; aber hüte dich, daß du die Thüre nicht zuwerfest, welche der Himmel öffnet. Der Einsiedler von Engaddi, den Päpste und Concilien als einen Propheten betrachten, hat in den Gestirnen gelesen, daß mich deine Heirath mit einem mächtigen Feinde versöhnen, und daß dein Gemahl ein Christ sein wird, und hat uns somit den besten Grund zur Hoffnung gegeben, daß die Bekehrung des Sultans und die Aufnahme der Söhne Ismaels in den Schooß der Kirche die Folge deiner Heirath mit Saladin sein wird. Komm, du mußt lieber ein kleines Opfer bringen, als uns diese glücklichen Aussichten verdunkeln.«

»Man kann Widder und Ziegen opfern,« sagte Edith, »aber nicht Ehre und Gewissen. Ich habe gehört, daß es die Entehrung einer Christin war, was die Saracenen nach Spanien brachte – die Schande einer anderen ist schwerlich das Mittel, sie aus Palästina zu vertreiben.«

»Nennst du es Schande, Kaiserin zu werden?« sagte der König.« –

»Ich nenne es Schimpf und Schande, ein christliches Sacrament an einen Heiden zu entweihen, den es nicht bindet; und ich nenne es niedrige Entehrung, daß ich, eine christliche Fürstentochter, freiwillig die Erste in einem Harem heidnischer Concubinen werden soll.«

»Gut, Base,« sagte der König nach einigem Schweigen. »Ich mag nicht mit dir zanken, obwohl ich glaube, daß deine abhängige Lage dir größere Nachgiebigkeit auferlegen dürfe.«

»Mein Fürst,« versetzte Edith, »Eure Majestät hat allen Reichthum, alle Würde und Herrlichkeit des Hauses Plantagenet ererbt, – mißgönnt es darum nicht Eurer armen Verwandtin, wenn sie ein wenig von dem Stolz dieses Hauses hat.«

»Bei meiner Treu, Kind,« sagte der König, »durch dieses einzige Wort hast du mich aus dem Sattel gehoben! küssen wir uns denn, und seien wir Freunde. Ich will sogleich deine Antwort an Saladin abschicken. Indeß, Base, wäre es nicht besser, die Antwort zu verschieben, bis du ihn gesehen hättest? Man sagt, daß er ausgezeichnet schön sei.«

»Es hat keinen Anschein, daß wir je zusammentreffen, mein Fürst,« sagte Edith.

»Bei St. Georg, es ist sogar Gewißheit dafür da, und das nächster Tage,« sagte der König; »denn Saladin wird uns ohne Zweifel einen neutralen Boden für den Kampf wegen der Standarte gewähren, und er wird bei dieser Gelegenheit selbst zugegen sein. Berengaria ist begierig, den Kampf zu sehen, und ich getraue mich zu schwören, daß von ihrem Gefolge und Dienerschaft Niemand zurückbleiben wird, am wenigsten du selbst, schöne Base. Aber sieh, wir haben das Zelt erreicht, und müssen nun scheiden – nicht in Feindschaft jedoch – nein, du mußt mir das mit Hand und Mund bestätigen, süße Edith – als Souverän hab' ich das Recht, meine artigen Vasallen zu küssen.«

Er umarmte sie mit Ehrerbietung und Zärtlichkeit, und kehrte durch das mondbeschienene Lager zurück, indem er einzelne Stellen aus Blondels Lied, die ihm gerade einfielen, vor sich hinbrummte.

Bei seiner Heimkunft verlor er keine Zeit, die Depeschen für Saladin auszufertigen, und er übergab sie dem Nubier unter dem Befehl, mit Tages-Anbruch zu dem Sultan zurückzureisen.


 << zurück weiter >>