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Mit gellendem Trompetenton
War längst der Hahn erwacht,
Und hatt' dem wackern Bauer schon
Den Morgen angesagt.
Der König Edward sah durch's Grau
Der Frühe rothe Glut,
Und hört' des Raben Weissagung
Von einem Tag voll Blut.
»Hast Recht,« sprach er, »beim höchsten Gott!
Denn heute muß fürwahr
Karl Bawdwin sterben und mit ihm
Sein traut Genossenpaar.«
Chatterton.
Den nämlichen Abend, an welchem Sir Kenneth die Wache übernommen hatte, war Richard nach dem stürmischen Auftritt, der ihn aus seiner Ruhe gerissen hatte, zu Bette gegangen mit dem vollen Vertrauen, das ihm sein unbegränzter Muth eingab, und mit dem Gefühl der Ueberlegenheit, die er gezeigt, indem er den Punkt, wonach er zielte, getroffen hatte in Gegenwart des ganzen Christenheeres und seiner Führer, von denen Manche, wie er wußte, die Demüthigung des Herzogs von Oestreich wie einen Triumph über sie selber ansahen, so daß sich sein Stolz geschmeichelt fühlte dadurch, daß er durch die Züchtigung eines Feindes ein hundert derselben beschämt hatte.
Ein anderer Monarch würde nach einem solchen Auftritt am Abend seine Wache verdoppelt, und wenigstens einen Theil seiner Truppen unter den Waffen gehalten haben. Aber Löwenherz entließ nach diesem Vorfall selbst seine gewöhnliche Wache, und ließ unter seine Leute Wein austheilen, um seine Genesung zu feiern und zu Ehren des Banners von St. Georg zu trinken; und der englische Theil des Lagers würde jede Bewachung und Vorsichtsmaßregel entbehrt haben, hätten nicht Sir Thomas de Vaux, der Graf von Salisbury und andere Edelleute Sorge getragen, die Ordnung und Disciplin unter den Zechern aufrecht zu halten.
Der Arzt war bei dem König geblieben vom Schlafengehen bis nach Mitternacht, und zweimal hatte er ihm in diesem Zeitraum Arzenei gereicht, indem er beständig die Gegend des Himmels beobachtete, wo der Vollmond stand, dessen Einfluß nach seiner Behauptung entweder höchst heilsam oder höchst nachtheilig auf seine Heilmittel wirke. Es war drei Uhr nach Mitternacht, ehe el Hakim das königliche Zelt verließ, um sich nach demjenigen zu begeben, das für ihn und sein Gefolge errichtet worden. Unterwegs besuchte er das Zelt von Sir Kenneth vom Leoparden, um zu sehen, was sein erster Kranker im Christenlager, der alte Strauchan, mache, wie des Ritters Knappe hieß. Hier nach Sir Kenneth sich erkundigend, erfuhr el Hakim, auf welchem Posten er sich befände, und dies vielleicht veranlaßte ihn, zum St. Georgsberg zu geben, wo er den, welchen er suchte, in der verzweifelten Lage fand, deren wir im vorhergehenden Kapitel gedacht haben.
Es war um die Zeit des Sonnenaufgangs, als der langsame Tritt eines Bewaffneten gehört wurde, der sich dem königlichen Zelte nahte; und ehe de Vaux, der neben seines Herrn Bett so leicht wie ein Kettenhund schlummerte, die Zeit hatte, aufzustehen und »Wer da?« zu rufen, trat der Ritter vom Leoparden in das Zelt mit einem Ausdruck tiefer und inniger Schwermuth in seinen männlichen Zügen.
»Woher dies kecke Hereindringen, Herr Ritter?« sagte de Vaux mürrisch, jedoch in einem Ton, der den Schlummer seines Herrn berücksichtigte.
»Still, de Vaux!« sagte Richard erwachend. »Sir Kenneth kommt als ein guter Krieger, um Bericht von seiner Wache zu erstatten – einem solchen steht das Zelt eines Feldherrn immer offen.« – Hierauf erhob er sich, und, auf den Ellenbogen gestützt, heftete er sein großes Auge auf den Ritter. »Redet, Herr Schotte, Ihr kommt, mir eine pünktliche, ruhige und ehrenhafte Wache zu melden, nicht wahr? Das Rauschen der Falten des englischen Banners wäre hinlänglich zu seiner Vertheidigung, auch ohne den Schutz eines Ritters, wie du einer bist.«
»Wie ich keiner bin,« sagte Sir Kenneth. »Meine Wache war weder pünktlich, noch ruhig und ehrenhaft. Das Banner von England ist gestohlen.«
»Und du lebst noch, es zu melden?« sagte Richard mit ungläubigem Lachen. »Possen, es kann nicht sein. Hast du doch nicht einmal einen Ritz im Gesicht. – Warum stehst du so stumm da? Sprich die Wahrheit – mit einem König ist nicht gut scherzen – doch ich will dir verzeihen, wenn du gelogen hast.«
»Gelogen! Herr König!« versetzte der unglückliche Ritter mit stolzem Nachdruck und einem Feuerblick, der gleich den Funken eines kalten und harten Kiesels aufleuchtete und verschwand. »Aber auch dies will ich erdulden. – Ich habe wahr gesprochen.«
»Bei Gott und bei St. Georg!« sagte der König in Wuth gerathend, doch dieselbe augenblicklich meisternd. »De Vaux, geh', den Ort zu besehen. – Das Fieber hat sein Hirn angegriffen. – Es ist unmöglich. – Dieses Mannes Muth ist bewährt. – Es kann nicht sein! Geh' eiligst – oder sende Jemand, wenn du nicht gehen willst.«
Der König wurde von Sir Heinrich Neville unterbrochen, der außer Athem hereinkam und sagte, daß das englische Banner verschwunden, und der Ritter, der es bewacht, überwältigt und wahrscheinlich ermordet worden sei, da sich eine Lache Bluts an dem Ort befände, wo die Splitter der Fahnenstange lägen.
»Doch wen seh' ich hier?« sagte Neville, indem sein Blick auf Sir Kenneth fiel.
»Einen Verräther,« sagte der König, auf die Füße springend und seine Streitaxt fassend, die immer an seinem Bette war, »einen Verräther, den du den Tod eines Verräthers sterben sehen sollst.« – Und er schwang die Waffe rückwärts, wie um zuzuschlagen.
Todtenblaß, aber fest wie eine Marmorstatue, stand der Schotte vor ihm, mit unbedecktem Haupt, gesenktem Blick, die Lippen kaum bewegend, doch wahrscheinlich ein Gebet murmelnd. Ihm gegenüber und nahe genug, daß die Streitaxt ihn erreichte, stand König Richard, seine hohe Gestalt in seiner camiscia, einem weiten, leinenen Gewand, verhüllt, ausgenommen wo die Heftigkeit seiner Bewegung die Bedeckung gelüpft hatte, wie von seinem rechten Arm, seiner Schulter und einem Theil der Brust, die einen Körperbau erkennen ließen, welcher den sächsischen Vorfahren Richard's den Beinamen Eisenseite erworben haben mochte. Einen Augenblick stand er im Begriff zuzuschlagen – hierauf senkte er den Kopf der Waffe zur Erde und rief aus: »Aber es war Blut da, Neville – es war Blut auf dem Platze. Höre, Schotte, einst warst du brav, ich habe dich fechten gesehen – Sag', daß du bei Vertheidigung der Standarte zwei von den Dieben erschlagen hast – sag' nur einen – sag', daß du nur einen guten Hieb für uns gethan hast, und mache dich fort aus dem Lager mit deinem Leben und deiner Schande!«
»Ihr habt mich einen Lügner genannt, mein Herr König,« versetzte der Schotte fest; »und hierin wenigstens habt Ihr mir Unrecht gethan – Wisset, daß kein Blut bei der Vertheidigung der Standarte vergossen wurde als das eines armen Hundes, der getreuer als sein Herr den Posten vertheidigte, den jener verlassen hatte.«
»Nun, bei St. Georg!« sagte Richard, den Arm von Neuem erhebend. – Aber de Vaux drängte sich zwischen den König und das Ziel seiner Rache, und sagte mit der derben Offenherzigkeit seines Charakters: »Mein Fürst, das darf nicht hier geschehen, nicht durch Eure Hand. Es ist Thorheit genug für eine Nacht und einen Tag, Euer Banner einem Schotten anvertraut zu haben – sagte ich's nicht, daß sie gleißnerisch und falsch sind?« In solchen Ausdrücken pflegten die Engländer von ihren armen, nördlichen Nachbarn zu sprechen, vergessend, daß es ihre Eingriffe in die Unabhängigkeit von Schottland waren, welche die schwächere Nation nöthigten, sich durch Feinheit, wie durch Gewalt zu vertheidigen. Der Vorwurf muß unter Eduard I. und Eduard III. vertheilt werden, die einem freien Lande ihre Herrschaft aufzwangen, und die Schotten, die genöthigt wurden, erzwungene Eide zu leisten, ohne den geringsten Vorsatz, dieselben zu halten.
»Du sagtest es, de Vaux; du hattest Recht – ich bekenne es,« sagte Richard. »Ich hätte ihn besser kennen sollen – ich hätte daran denken sollen, wie mich der Fuchs Wilhelm in Rücksicht dieses Kreuzzugs betrogen hat.«
»Herr,« sagte Sir Kenneth, »Wilhelm von Schottland hat nie betrogen; Umstände haben ihn verhindert, seine Streitkräfte zu senden.«
»Still, Schamloser!« sagte der König; »du besudelst den Namen eines Fürsten, wenn du ihn auf die Lippen bringst. – Und doch, de Vaux, ist es seltsam,« fügte er hinzu, »das Betragen dieses Mannes zu sehen. Eine Memme oder ein Verräther muß er sein, doch hat er den Streich von Richard Plantagenet erwartet, als wenn wir unsern Arm erhoben hätten, seiner Schulter den Ritterschlag zu geben. Hätte er das geringste Zeichen von Furcht merken lassen – hätte nur ein Glied gezuckt oder ein Augenlid sich bewegt; ich hätte ihm den Schädel wie eine Krystallschale zerschlagen. Aber ich kann nicht schlagen, wenn ich weder Furcht noch Widerstand sehe.«
Ein Stillschweigen folgte.
»Mein König,« sagte Kenneth –
»Ha!« unterbrach ihn Richard, »hast du die Sprache wiedergefunden? Erflehe dir Gnade vom Himmel, nicht von mir: denn England ist entehrt durch deine Schuld, und wenn du mein eigener und einziger Bruder wärst, so fände deine Schuld keine Vergebung.«
»Ich spreche nicht, um die Gnade eines Sterblichen zu erflehen,« sagte der Schotte; »es steht in Eurem guten Willen, mir Frist zur Beichte zu geben oder zu verweigern – wenn Menschen mir dies versagen, so mag Gott mir die Absolution gewähren, die ich sonst von der Kirche begehrt hätte. Aber ob ich in diesem Augenblick sterbe oder in einer halben Stunde, so bitte ich Eure Majestät, mir ein kurzes Gehör im Geheimen zu schenken, da ich Euch Dinge zu sagen habe, die für Euren Ruf als christlicher König von der höchsten Wichtigkeit sind.«
»Sag' an,« sagte der König, nicht zweifelnd, daß er irgend ein Bekenntniß über das Verschwinden des Banners zu hören bekäme.
»Was ich zu sagen habe,« sagte Sir Kenneth, »betrifft die königliche Würde von England, und ich kann vor keinem anderen Ohr, als dem deinigen davon reden.«
»Zieht Euch zurück, Ihr Herren,« sagte der König zu Neville und de Vaux.
Der Erste gehorchte, aber der Letzte wollte die Person des Königs nicht verlassen.
»Wenn ich, wie Ihr sagtet, Recht hatte,« antwortete de Vaux seinem Gebieter, »so will ich auch behandelt sein wie Einer, von dem man fand, daß er Recht hatte – das heißt, ich will meinen eigenen Willen haben. Ich lasse Euch nicht mit diesem falschen Schotten allein.«
»Wie, de Vaux!« sagte Richard ärgerlich und leicht mit dem Fuße stampfend, »du wagst es nicht, unsere Person mit einem einzelnen Verräther zu lassen?«
»Vergebens runzelt Ihr die Stirn und stampfet mit dem Fuß, mein Fürst,« sagte de Vaux; »ich lasse keinen kranken Mann mit einem gesunden, keinen nackten mit einem wohlbewaffneten.«
»Es schadet nichts,« sagte der schottische Ritter, »ich suche nicht, Zeit zu gewinnen – ich will im Beisein des Lords von Gilsland reden. Er ist ein guter und ehrenfester Lord.«
»Noch vor einer halben Stunde,« sagte de Vaux mit einem Seufzer, der Schmerz und Unwillen vermischt ausdrückte, »würde ich das Nämliche von dir gesagt haben.«
»Es ist Verrätherei um Euch herum, König von England,« fuhr Sir Kenneth fort.
»Das, was du sagst, mag wahr sein,« versetzte Richard, »ich habe einen offenbaren Beweis davon.«
»Verrätherei, die Euch tiefer kränken wird, als der Verlust von hundert Bannern in einem Lager. Die – die« – Sir Kenneth zögerte, und fuhr mit einem leiseren Tone fort, »die Lady Edith« – –
»Ha!« sagte der König, plötzlich den Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit annehmend, und sein Auge fest auf den vermeinten Verbrecher heftend; »was von ihr? – was von ihr? – was hat sie mit dieser Sache zu schaffen?«
»Mein König,« sagte der Schotte, »man hat den Plan gemacht, Euer königliches Geschlecht zu schänden durch eine Heirath der Lady Edith mit dem saracenischen Sultan, und nebenbei durch diese für England höchst schimpfliche Heirath einen für die ganze Christenheit höchst demüthigenden Frieden zu erhalten.«
Diese Mittheilung hatte eine ganz entgegengesetzte Wirkung, als Sir Kenneth erwartet hatte. Richard Plantagenet war Einer von denen, die, mit Jago's Worten, Gott nicht dienen würden, wenn es der Teufel wäre, der sie darum bäte; Rath oder Belehrung wirkten weniger auf ihn durch ihren eigentlichen Inhalt, als durch den Anstrich, den ihnen der Charakter und die Ansichten derjenigen, die sie gaben, verliehen. Unglücklicher Weise brachte die Erwähnung des Namens seiner Verwandtin ihm das in's Gedächtniß zurück, was er an dem Ritter vom Leoparden als die frechste Vermessenheit betrachtet hatte, als derselbe noch hoch angesehen auf der Liste der Ritterschaft stund, und was in der jetzigen Lage desselben eine so arge Beschimpfung zu sein schien, daß der hitzige Monarch in die leidenschaftlichste Wuth gerieth.
»Still,« sagte er, »ehrloser – frecher! Beim Himmel, ich will dir die Zunge mit glühenden Zangen ausreißen lassen, wenn du nur den Namen eines edlen christlichen Fräuleins aussprichst! Wisse, schändlicher Verräther, daß ich es längst gemerkt habe, zu welcher Höhe du dich dein Auge zu werfen erfrechtest, und daß ich es geduldet habe, obgleich es Vermessenheit war, weil du uns zu betrügen verstundest – denn du bist voll Falschheit – durch einen gewissen Namen und einen guten Ruf. Aber jetzt mit deinen Lippen, die vom Eingeständnisse der Schande besudelt sind, wage mir es nicht, unsere edle Verwandtin zu nennen, als wenn du Theil an ihrem Schicksal nähmest! Was kümmert's dich, ob sie einen Saracenen oder Christen heirathe? – Was kümmerts dich, wenn in einem Lager, wo die Fürsten Memmen am Tage und Diebe bei der Nacht sind, wo brave Ritter zu verächtlichen Ueberläufern und Verräthern werden, was, sage ich, kümmert's dich oder einen Andern, wenn es mir gefallen sollte, mich mit Rechtschaffenheit und Heldensinn in der Person Saladins zu verbinden?«
»Mich allerdings wenig, dem die ganze Welt bald nichts sein wird,« antwortete Sir Kenneth dreist; »aber spannte man mich jetzt auf die Folter, so müßte ich sagen, daß, was ich gesprochen habe, für dein Gewissen und deinen Ruf höchst wichtig ist. Ich sage Euch, Herr König, daß, wenn Ihr bloß den Gedanken habt an eine Heirath Eurer Verwandtin, die Lady Edith« – –
»Nenne sie nicht – und denke nicht mehr an sie!« sagte der König, indem er von Neuem die Streitaxt in die Faust nahm, daß die schwellenden Muskeln seines nervigen Arms den Stricken glichen, welche der Epheu um den Eichstamm schlingt.
»Nicht nennen – nicht an sie denken!« antwortete Sir Kenneth, dessen Lebensgeister durch Entmuthigung niedergedrückt, durch diesen Streit wieder ihre ganze Schnellkraft gewannen. »Nun, bei dem Kreuze, auf das ich meine Hoffnung setzte, ihr Name soll das letzte Wort meines Mundes sein, ihr Bild der letzte Gedanke meines Geistes! Versuch' deine gerühmte Stärke an diesem unbeschirmten Haupt, und sieh', ob du meinen Vorsatz vereiteln kannst.«
»Er macht mich toll!« sagte Richard, der zu seinem Verdruß zum zweitenmale in seinem Vorsatz wankend gemacht wurde durch die ergebene Gelassenheit des Verbrechers.
Ehe Thomas von Gilsland antworten konnte, vernahm man ein Geräusch von Außen, und die Ankunft der Königin im Vorzelte wurde gemeldet.
»Halt' sie zurück – halt' sie zurück, Neville!« schrie der König; »dies ist kein Anblick für Frauen. – Pfui, daß ich es gelitten habe, daß ein so niederträchtiger Verräther mich so in Hitze gebracht! – Weg mit ihm, de Vaux,« flüsterte er, »durch den hinteren Eingang des Zeltes – nimm ihn in engen Gewahrsam, und hafte mit deinem Leben für seine Bewachung. Und höre – er muß sogleich sterben – schicke ihm einen Beichtiger – wir wollen nicht Leib und Seele tödten. – Warte – noch eins – man thue ihm keinen Schimpf an – er soll ritterlich sterben mit Gürtel und Sporn: denn mag sein Verrath auch schwarz sein wie die Hölle, sein Muth erreicht den des Teufels selber.«
De Vaux, der, um die Wahrheit zu gestehen, froh war, daß der Auftritt endete, ohne daß sich Richard zu der einem Könige nicht geziemenden Handlung herabwürdigte, einen Gefangenen, der keinen Widerstand leistete, zu tödten, beeilte sich den Sir Kenneth durch einen geheimen Ausgang hinwegzuschaffen, und nach einem abgesonderten Zelte zu führen, wo er entwaffnet und zur Sicherheit in Fesseln gelegt wurde. De Vaux sah aufmerksam und trübsinnig zu, während die Leute des Profoßen, dem Sir Kenneth nun übergeben wurde, diese strengen Vorsichtsmaßregeln nahmen.
Als man damit zu Ende war, sagte er in feierlichem Tone zu dem unglücklichen Verbrecher: »Es ist der Wille von König Richard, daß Ihr in Euren Würden sterbet – ohne Verstümmelung Eures Leibes oder Beschimpfung Eures Wappens – und daß Euer Haupt vom Rumpfe getrennt werde durch das Schwert des Scharfrichters.«
»Es ist mir lieb,« sagte der Ritter mit einer leisen und fast unterthänigen Stimme wie einer, der eine unerwartete Gnade empfängt; »meine Familie wird dann nicht das Schlimmste erfahren müssen. – O, mein Vater – mein Vater!«
Dieser halblaute Ausruf entging nicht dem derben aber gutherzigen Engländer, und er fuhr mit der Hand über sein rauhes Gesicht, ehe er weiter sprechen konnte.
»Es ist ferner der Wille von König Richard,« sagte er endlich, »daß Ihr Euch mit einem Geistlichen berathet, und ich habe auf dem Weg hierher einen Carmeliter begegnet, der Euch zu Eurer Reise vorbereiten kann. Er wartet draußen, bis Ihr in der Gemüthsverfassung seid, ihn zu empfangen.«
»Es sei ohne Verzug,« sagte der Ritter. »Auch hierin ist Richard gnädig. Ich kann nicht mehr vorbereitet auf den Besuch des guten Vaters sein, als ich es jetzt schon bin: denn das Leben und ich haben Abschied von einander genommen wie zwei Wanderer, die an dem Kreuzweg angekommen sind, wo ihre Straßen sich trennen.«
»Das ist mir lieb,« sagte de Vaux langsam und feierlich; »denn es thut mir gewissermaßen leid, die Hauptsache meines Auftrags zu sagen. Es ist der Wille von König Richard, daß Ihr Euch augenblicklich zum Tode vorbereitet.«
»Der Wille Gottes und des Königs geschehe,« versetzte der Ritter sanft. »Ich stelle weder die Gerechtigkeit des Urtheils in Abrede, noch wünsche ich einen Aufschub der Vollstreckung.«
De Vaux schickte sich an, das Zelt zu verlassen, aber mit vielem Zögern – an der Thür stand er still, und blickte nach dem Schotten zurück, der alle weltlichen Gedanken von sich verbannt zu haben schien, um sich der strengsten Andacht zu überlassen. Das Gefühl des stämmigen englischen Barons war im Allgemeinen keins der feinsten, und doch überwältigte ihn jetzt eine außergewöhnliche Rührung. Mit hastigen Schritten kehrte er zu dem Strohbündel zurück, worauf der Gefangene lag, faßte eine der gefesselten Hände, und sagte mit so viel Sanftheit, als seine rauhe Stimme auszudrücken vermochte: »Sir Kenneth, du bist noch jung – du hast einen Vater. Mein Ralph, den ich zurückgelassen habe sein kleines Pferdchen von Galloway an dem Ufer der Irthing herumtummelnd, mag eines Tags dein Alter erreichen – und, die letzte Nacht abgerechnet, wollte ich zu Gott, daß seine Jugend mir solche Früchte zeigte wie deine. Kann nichts zu deinem Gunsten gesagt oder gethan werden?«
»Nichts,« war die muthlose Antwort. »Ich habe meinen Posten verlassen – das mir anvertraute Banner ist verloren. – Wenn der Scharfrichter und der Block bereit sind, dann sind auch Kopf und Rumpf bereit, sich zu trennen.«
»Nun denn, Gott sei Euch gnädig!« sagte de Vaux; »doch gäbe ich mein bestes Pferd darum, wenn ich die Wache selbst übernommen hätte. Hier ist ein Geheimniß, junger Mann, das ein schlichter Mann wohl merken kann, ohne es deutlich durchschauen zu können. – Feigheit? Possen! Kein Feiger kämpft je, wie ich dich kämpfen gesehen habe. Verrätherei? Ich kann nicht glauben, daß Verräther mit dieser Ruhe sterben können. Du bist von deinem Posten gelockt worden durch irgend eine geheime List – irgend eine gut angelegte Schelmerei – das Geschrei irgend eines bedrängten Fräuleins hat dein Ohr erfüllt, oder der lächelnde Blick eines ausgelassenen hat dein Auge befangen. Erröthe nicht darum: wir alle sind durch dergleichen Dinge auf Seitenwege geführt worden. Komm, ich bitte dich, sage mir die reine Wahrheit wie einem Priester – Richard ist gnädig, wenn sein Zorn vorüber ist. Hast du mir nichts zu vertrauen?«
Der unglückliche Ritter wandte das Gesicht von dem gutherzigen Krieger und antwortete – »Nichts.«
De Vaux, dessen Redekunst erschöpft war, erhub sich und verließ das Zelt mit gekreuzten Armen und in einer Stimmung, die trauriger war, als nach seiner Meinung die Gelegenheit es verdiente – er war selbst verdrießlich gegen sich selbst, daß ein Ding von so wenig Bedeutung, wie der Tod eines Schotten, ihm so zu Herzen gehen konnte.
»Indeß,« sprach er zu sich selbst, »mögen diese rauchfüßigen Knaben in Cumberland unsere Feinde sein, in Palästina betrachtet man sie fast als Brüder.«