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Komm, gib mir deinen Rath, da seiner ich bedarf,
Denn du gehörst zu denen, die den Freunden
Mit weisem Rath wohl bessern Beistand leisten,
Als Wucherer mit Geld, und Prahler mit dem Schwert.
Ich bau' auf dich, da Wort, nicht That, ich nur begehre! –
Der Teufel hat seinen Mann gefunden.
Der Tag, dessen Begebenheiten wir berichteten, war ein Montag, und folglich lagen noch zwei Tage zwischen ihm und demjenigen, der die Blüthe der Brunnengesellschaft zu St. Ronans in Shaw-Castle versammelt sehen sollte. Ein kurzer Zwischenraum zu den nothwendigen Vorbereitungen eines so ungewöhnlichen Ereignisses; denn das Haus, so reizend seine Lage, war sehr wenig gut erhalten, und hatte seit vielen Jahren keinen Gast in seinen Ringmauern gesehen, wenn nicht irgend ein lustiger Junggeselle oder Fuchsjäger zufällig die Gastfreundschaft Mr. Mowbray's in Anspruch nahm, welches aber täglich weniger üblich ward, da er, fast stets am Brunnen verweilend, mit seinen Gefährten dort, wo es ihm keine Kosten verursachte, zusammentraf. Ueberdem bot der Gesundheitszustand seiner Schwester ihm eine vollgiltige Entschuldigung für die schottischen Edelleute nach der alten Welt, welche leicht, nach der rauheren Sitte der Vorzeit, im Stande gewesen wären, eines Freundes Haus als das ihrige anzusehen. Jetzt aber war Mr. Mowbray, zum größten Entzücken aller seiner Gefährten, im eigentlichsten Sinne gefangen, die Einladung ausgesprochen und angenommen, und Alle harrten der Erfüllung seines Versprechens mit dem lebendigen Eifer, den die Erwartung einer Unterhaltung stets bei Müssiggängern aufregt.
Viel Unruhe und Sorge ward Mr. Mowbray und seinem vertrauten Bevollmächtigten, Mr. Micklewham, zu Theil, bevor irgend eine geziemende Anordnung des nahenden Festes zu Stande kam. Sie sahen sich allein die ganze Mühwaltung aufgebürdet, da Clara sich beide Tage hartnäckig in ihrem Gemache verschloß, und weder ihres Bruders Schmeicheleien, noch seine Drohungen irgend eine Aeußerung von ihr erpressen konnten, wie sie selbst sich an dem nahenden, wichtigen Donnerstage zu benehmen gedenke. Man muß John Mowbray die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er seine Schwester so sehr liebte, wie er nur irgend etwas außer sich selbst lieben konnte; da er also nach manchem vergeblichen Versuche die Kränkung hatte, einzusehen, daß sie schlechterdings zu keiner Art von Beistand gebracht werden konnte, entschloß er sich ohne weitere Klage, alles, was er vermogte, aufzubieten, selbst die bestmöglichste Einrichtung zu treffen.
Dieß war eben keine so leichte Aufgabe, als man wohl voraussetzen könnte, denn Mowbray's Ehrgeiz wünschte jenen Anstrich von feinem Ton und Zierlichkeit zu zeigen, der männlichen Anordnungen allein selten zu Theil wird. Die substanzielleren Bestandtheile des Gastmahls konnten freilich aus dem nächsten Marktflecken herbeigeschafft werden, und wurden demnach eingekauft; aber nur zu sehr fühlte er, daß man hier leichter die gemeine Fülle einer Pächter-Gasterei, als das zierliche Fest antreffen konnte, welches, in einer Ecke der Zeitung der Grafschaft preisend beschrieben, den Ruhm des Sir Mowbray Esquire von St. Ronans verkündete, der die modische und heitre Brunnengesellschaft an jener berühmten Heilquelle so gastlich bewirthete. Nur zu wahrscheinlich ließ sich jede Art von Irrthum beim Anrichten, wie bei der Aufwartung vorhersehen, denn Shaw-Castle rühmte sich weder eines vollendeten Haushofmeisters, noch einer gewandten Köchin, der hundert Hände zu Gebote stehen. Außer den Ställen, welche vortrefflich versehen und sehr gut unterhalten waren, hatte man alles Andere nur auf den unbedingt nothwendigen Fuß der strengsten Oekonomie, so weit es der Anstand erlaubte, eingeschränkt. Aber kann ein Stallknecht die Dienste eines Kammerdieners verrichten? Vermag ein Jäger das Vogelwildpret, welches er schoß, anlockend aufzustutzen, mit Blumen auszuschmücken und mit feinen Brühen lecker zuzubereiten? Man könnte ebensowohl dem tapfern Soldaten zumuthen, das Leichenbesorgeramt zu übernehmen, und den Feind, den er erschlagen, auch zur Erde zu bestatten.
Mit einem Worte, Mowbray sprach, pflog Rath, erkundigte sich, ordnete an, und zankte sich, sowohl mit dem tauben Koch, als einem kleinen Mann, den er den Kellner nannte, bis ihm endlich so wenig Hoffnung blieb, die Verwirrung zur Ordnung umzuschaffen, oder nur den kleinsten Eindruck auf die vernagelten Köpfe zu machen, mit denen er zu schaffen hatte, daß er endlich sich wohl oder übel entschloß, mit einigen kräftigen Flüchen die ganze Einrichtung des Gastmahls den Händen der damit Beauftragten ruhig zu überlassen, und seine Aufmerksamkeit auf die innere Einrichtung des Hauses wandte.
Hier sah er sich fast eben so hülflos, denn welcher männliche Verstand vermag es, die tausend kleinen Künste der Koketterie aufzufassen, welche in solchen Anordnungen aufgeboten werden? Welch männliches Auge kann mit Recht den Grad des Demijour bestimmen, den eben diese oder jene Ausschmückung eines Zimmers erfordert, erspähen, wo eben das volle Licht ein mittelmäßiges Bild günstig beleuchten oder der Strahl des Tages verdunkelt werden muß, da sonst die steife Sudelei eines in einer Perücke prangenden Aeltervaters zu lächerlich in's Auge fiele? Und sind männliche Augen unfähig, dieß feine Gewebe von Licht und Schatten, welches jedem Dinge den anmuthigsten Schein ertheilt, zu unterscheiden, wie sollen sie es vermögen, das mannigfache Hausgeräth in den Gemächern in jene mystische, unregelmäßige Ordnung zu stellen, die, scheinbar nur ein Werk des Zufalls, jedes Ding und jeden Sitz eben dahin zaubert, wo der Wunsch am gemüthlichsten eben dadurch befriedigt wird. Verwirrung und Zwang zugleich vermeidend, ist die Gesellschaft weder im steifen Kreis eingeengt, noch läuft sie Gefahr, an den in dem Wege stehenden Stühlen sich die Nase blutig zu stoßen; auch sagt diese Anordnung dem eigentlichen Tone guter, geselliger Unterhaltung zu, der leicht, doch nicht verworren, von Zwang und zu großer Freiheit gleich weit entfernt ist.
Wie kann nun wohl gar ein unbehülflicher, männlicher Verstand es wagen wollen, alle die unbedeutenden Kleinigkeiten zu ordnen, die Tabaksdosen, Stockknöpfe, wohlriechenden Salbenbüchsen, Rosenkränze, und all das bunte Gewirr, welches in dem Innern der Schreibspinden der Damen der alten Welt aufbewahrt ward, das man jetzt auf's Neue zum Vorschein bringt, und scheinbar sorglos mit andern ähnlichen Kleinigkeiten vereint, welche in den Aushänge-Fenstern der Allerleihändler prangen, und sie dann auf geschmackvollen Eckschränken oder zierlichen Mosaik-Arbeitstischen aufputzt, und so alle Spielereien und Plunder nützt, den die alten Fräuleins und Plapperschwestern, die seit einem Jahrhunderte auf dem Rittersitz hauseten, eingesammelt hatten? Mit welcher Bewunderung der reichen Erfindungsgabe der schönen Schöpferinnen habe ich oft dies bunte Gemisch der Pseudo-Bijouterien durchstöbert, und des Großvaters Daumring mit den Zahnperlen und der Kinderklapper des Erstgebornen im traulichen Vereine gefunden – die Hochbootsmanns-Pfeife eines alten verwandten Seemannes oder seine silberne Tabaksdose, noch vom Geruch des Oroonoko erfüllt, freundlich neben der Mutter elfenbeinernem Kammfutter, das noch immer nach Moschus duftet, und irgend einer jungfräulichen Tante schildpattnem Brillenfutteral, oder der Adlerklaue von Ebenholz, womit in jenen Tagen der steifen Schnürbrüste unsere Großmütter gewöhnt waren, irgend einen kleinen Reiz auf ihren Schultern oder Rücken zu beseitigen. Auch den silbernen Durchschlag findet man, auf welchen in haushälterischeren Zeiten als die unsrigen, die Dame des Hauses die Theeblätter schüttete, nachdem der letzte Tropfen davon abgegossen war, daß sie nachher gastlich unter die Gesellschaft vertheilt würden, um mit Zucker und Brod und Butter aufgespeiset zu werden. Gesegnet sei die Mode, welche den Klauen der Zofen und dem Schmelztiegel des Goldschmieds diese sonst vernachlässigten Reliquien zum Wohl der Alterthümler und zum Schmuck der Ecktische entriß. Aber wer kann sich anmaßen, sie dort ohne Leitung des weiblichen Geschmacks aufzustellen? Und Mr. Mowbray, so reich sein Vorrath ähnlicher Schätze war, mußte dieses mächtigen Schutzes jetzt gänzlich entbehren.
Wenn diese Schilderung der schwierigen Lage des Lairds von St. Ronans nicht schon zu lang wäre, so würde ich seiner Unerfahrenheit erwähnen auch darin, wie man mit kleinen Kunstgriffen das schlechteste Hausgeräthe glänzend aufputzen, den gestopften Teppich mit einer scheinbar schonend übergebreiteten Decke verhüllen, und durch einen leicht hingeworfenen Shawl ein abgetragenes Sopha verstecken kann. Aber schon sagte ich genug, ja mehr als hinreichend ist, um seine große Noth jedem verlassenen Junggesellen anschaulich zu machen, der, gleich ihm, ohne Mutter, Schwester, Cousine, ohne erfahrne Haushälterin oder geprüften Küchenmeister und stattliche Diener aller Art, sich anmaßt, ein Fest zu geben, und strebt, es zierlich und comme il faut einzurichten.
Mowbray ward um so mehr durch das Bewußtsein seiner Unfähigkeit dazu niedergedrückt, weil er sich einer scharfen Kritik der Damen, namentlich seiner entschiedenen Nebenbuhlerin Lady Penelope Penfeather, ausgesetzt sah. Er hörte deßhalb nicht auf, sich anzustrengen, und zwei ganze Tage hindurch brachte er anordnend, das Eingerichtete wieder zerstörend, bald Befehle ertheilend, bald sie widerrufend, bald die Leute zurechtweisend, ohne Rast und Aufenthalt zu. Sein Begleiter, denn Beistand konnte man ihn nicht nennen, war hierbei sein vertrauter Anwalt, der aus Stube in Stube hinter ihm her trabte, ihm genau dieselbe Theilnahme zollend, welche ein Hund seinem mißmuthigen Gebieter weiht, indem er von Zeit zu Zeit ihn mitleidig anblickte, ihm zu versichern, daß er seinen Unmuth theile, obwohl er weder die Veranlassung, noch den Umfang desselben zu fassen vermöchte.
Endlich, als Mowbray mit einigen Einrichtungen zu Stande gekommen war, und den bei weitem größern Theil dessen, was er gern besser angeordnet, aufgegeben hatte, setzte er sich den Tag vor dem zum Feste bestimmten mit seinem würdigen Adjutanten Mr. Micklewham zum Mittagessen nieder. Hier, nachdem er einige Flüche über die ganze Geschichte und das fantastische, alte Mädchen gemurmelt hatte, welches ihn in diese Klemme brachte, erklärte er, jetzt möchte in des Teufels Namen Alles gehen, wie es wolle, denn so sicher er John Mowbray getauft wäre, so gewiß wolle er sich nicht mehr darum plagen.
Diesem männlichen Entschlusse getreu, begann er mit seinem rechtsgelehrten Rathgeber das Mahl. Schnell hatten sie die Schüsseln geleert, welche vor ihnen standen, und den größten Theil der Flasche alten Portweins als Verdauungsmittel ihnen nachgeschickt.
»Wir haben jetzt gut genug gespeiset,« sagte Mowbray, »obwohl wir nichts von ihren wunderlichen Gerichten dort unten hatten.«
»Ein voller Magen bleibt ein voller Magen!« erwiederte der Rechtsgelehrte, sein fettes Maul abwischend, »gleichviel ob er mit Gerstenmehl oder mit Kleie gefüllt ist.«
»Ein Karrengaul denkt so,« sagte Mowbray, »aber wir müssen thun, was Andere thun, und verschieden ist die Meinung der Männer und Frauen.«
»Um so schlimmer für sie und das Land dazu, St. Ronans. – Diese Spielereien sind's mit dem Jubiliren bei dem Thee und anderem lumpigen Gewäsche, die unsere Edelleute auf Nichts herunter bringen, und so manchen, der ein eignes Haus hatte, zu einem Miethsmann in der Abtei machen.«
Der junge Edelmann schwieg einige Augenblicke still – füllte dann sein Glas an, schob die Flasche dem Rechtsgelehrten zu – und sagte kurz abgebrochen: »Halten Sie etwas auf das Glück, Micklewham?«
»Auf das Glück?« fragte der Anwalt. »Was verstehen Sie damit?«
»Ei nun, daß ich selbst an das Glück glaube – zum Beispiel an gutes oder schlechtes Glück beim Spiel.«
»Sie würden das Glück sicherer festgehalten haben, wenn Sie sich nie mit dem Spiel eingelassen hätten,« entgegnete sein Vertrauter.
»Davon ist jetzt nicht die Rede!« sagte Mowbray, »sondern, worüber ich eben verwundert nachsann, das ist das heillose Unglück, welches uns beklagenswerthe Lairds von St. Ronans seit mehr als hundert Jahren so unausgesetzt verfolgt, daß wir immer in eine schlechtere, nie in eine bessere Lage geriethen. Nie sah man solch ein dem Verfall geweihtes Geschlecht, wie der Prediger sagen würde. – Einst gehörte die halbe Grafschaft meinen Vorältern, und jetzt – scheinen die letzten Ackerfurchen dahin zu fliehen.«
»Sie fliehen!« sagte der Rechtsgelehrte, »sie sind ausgesogen und entflohen, beides zugleich! – Ich sage gut dafür, dies Shaw-Castle hier selbst würde dem Uebrigen nach zum Schornstein hinausflattern, wäre es nicht durch Ihres Großvaters Fideicommiß unantastbar geworden!«
»Hol' der Teufel das Fideicommiß!« rief Mowbray. »Gedachten die alten Bursche ihr Haus aufrecht zu erhalten, so hätten sie es zum Fideicommiß machen sollen, als es noch der Mühe lohnte; – einen Mann an solch' unbedeutendes Ding, wie dies St. Ronans ist, festzubannen, das heißt, ein Roß auf sechs Ruthen hochländisches Moorland anbinden!«
»Sie haben Ihre Lehensgränzen da unten am Brunnen schon tüchtig gesprengt,« sagte Micklewham, »und können leicht etwas weiter die ihnen auferlegten Bande ausgedehnt haben, als Sie eigentlich ein Recht dazu hatten.«
»Es geschah auf Ihren Rath! War dem nicht so?« fragte der Laird.
»Ich will es nicht läugnen, St. Ronans! Aber ich bin so ein gutmüthiges Thier, daß es mir eben so am Herzen liegt, Ihnen zu Gefallen zu leben, wie ein altes Weib sich sehnt, ein Kind zu hätscheln.«
»Ja,« sagte der Laird, »wenn sie ihm ein Messer reicht, sich damit in die Finger zu schneiden. – Jene Äcker wären vor meinen Eingriffen sicher genug gewesen, hätte Ihr verdammter Rath mich nicht verleitet.«
»Und doch murrten Sie so eben noch,« sagte der Geschäftsmann, »daß Sie nicht die Macht haben, die ganze Besitzung wie eine wilde Ente aus dem Teiche in die Luft zu jagen? Wahrhaftig, Sie brauchen sich wenig darum zu kümmern; denn wenn Sie sich dadurch Aerger zuziehen, so kann – so denkt auch Mr. Wisebehind, der Advokat, dem ich einen ähnlichen Fall zur Beurtheilung vorlegte – Ihre Schwester oder Ihrer Schwester Bräutigam, wenn sie Lust bekäme zu heirathen, sehr leicht die Sache anhängig machen, und Ihnen in zwei oder drei Gerichtssessionen ganz St. Ronans abprozessiren.«
»Meine Schwester wird nie heirathen,« erwiederte John Mowbray.
»Das ist leicht gesagt,« entgegnete der Rechtsgelehrte, »doch auch ein leckes Schiff erreicht zuweilen das Ufer! – Wüßte irgend Jemand alle die Ansprüche, welche sie an diese Besitzung hat, so würde sich mancher rechtliche Mann leicht entschließen, den kleinen Sparren, der ihr im Kopfe steckt, zu übersehen.«
»Merken Sie es sich, Mr. Micklewham,« sagte der Laird, »daß Sie mich verpflichten werden, wenn Sie von Miß Mowbray mit der Achtung sprechen, welche der Tochter ihres Vaters und meiner Schwester gebührt.«
»Ich wollte Sie nicht beleidigen, St. Ronans, ich hatte die Absicht nicht, aber der Mensch muß sich doch verständlich machen, besonders wenn von Geschäften die Rede ist. Sie wissen am besten selbst, daß Miß Clara nicht gerade so ist, wie andere Leute, und wäre ich an Ihrer Stelle – es ist meine Pflicht, ganz offen zu reden – ich würde den Lords eine kleine Bittschrift einreichen, daß man mich zu ihrem curator bonis ernenne, da sie selbst unfähig ist, ihren Geschäften vorzustehen.«
»Micklewham!« rief Mowbray, »Sie sind ein –« und kurz brach er ab.
»Was bin ich, Mr. Mowbray?« fragte der Rechtsgelehrte etwas finster, »ich würde gern erfahren, was ich bin.«
»Ein sehr guter Rechtsgelehrter, das behaupte ich gewiß,« entgegnete Mowbray, der zu sehr in der Gewalt seines Bevollmächtigten war, um seine erste Meinung auszusprechen. »Aber das betheuere ich Ihnen, daß, ehe ich solche Maaßregeln gegen die arme Clara unternehme, als Sie mir empfehlen, ich ihr lieber die ganze Besitzung überlassen und mein übriges Leben als Stall- oder Reitknecht zubringen will.«
»Ah, St. Ronans,« sagte der Rechtsgelehrte, »wenn Sie den Wunsch hegten, das alte Haus aufrecht zu erhalten, da hätten Sie einen andern Weg einschlagen sollen, als der zum Reit- oder Stallknecht führt. Was fehlt Ihnen, Freund, so gut wie ein Anderer ein Rechtsgelehrter zu werden? – Mein alter Patron pflegte so ein kleines, lateinisches Sprüchlein zu wiederholen über rerum dominos gentemque togatam, welches, wie er sagte, bedeutet, daß alle Lairds Rechtsgelehrte sein sollten.«
»Ich denke, die Rechtsgelehrten werden wahrscheinlich alle Lairds werden,« entgegnete Mowbray. »Sie kaufen unsere Aecker für Tausende an sich, und zahlen uns, wie die alte Sage sich ausdrückt, indem sie uns das Doppelte wieder abnehmen.«
»Nun gut – könnten Sie denn nicht so gut, wie Andere, Güter kaufen?«
»Ich nicht! Zu dem Geschäft habe ich kein Geschick, ich würde nur den Bombassin auf meinen Schultern und die Pracht meiner dreimal geschwänzten Perücke unnütz vergeudet haben – hätte meine Vormittage in der Vorhalle des Gerichtssaals verschwendet, meine Abende im Schauspielhause verlebt, und nicht mehr Rechtsgelehrsamkeit mir zu eigen gemacht, als die mich höchstens zum Richter bei einem kleinen Winkelgericht gemacht hätte.«
»Wenn Sie wenig gewonnen hätten, so würden Sie eben so wenig verloren haben,« entgegnete Micklewham, »und gesetzt, Sie wären kein großes Licht in den Schranken geworden, so hätten Sie doch eine Commissar- oder Landrichterstelle erhaschen können, die ihren Mann ernährt; und so würden Sie im Stande sein, Ihre Besitzung der Verödung zu entziehen, wenn nicht obenein gar sehr zu verbessern.«
»Ja, aber ich hätte nicht die Aussicht gehabt, sie zu verdoppeln, wie es mir leicht gelungen sein würde, wäre das unbeständige Glück mir nur einen Augenblick treu geblieben. Ich sage Ihnen, Mick, – ich war im Laufe dieses Jahres Herr von Hunderttausenden, – von Fünfzigtausenden – Herr über Nichts, als die Ueberbleibsel dieser elenden Besitzung, die zu gering sind, mir als mein Eigenthum Nutzen zu ertheilen, doch wenn sie verkauft wären, mir wieder freie Hand schaffen, und meine Lage etwas verbessern könnten.«
»Ja, ja, Sie wollen immer das Heft der Klinge nachwerfen – das ist so Ihr Treiben. Was will es sagen, daß man hunderttausend Pfund gewinnt, wenn man sie nur erwarb, um sie wieder zu verlieren?«
»Was es sagen will? So viel Genuß findet ein kluger Mann darin, als ein General an einer gewonnenen Schlacht; – es thut nichts, wird er nachher auch wieder geschlagen, er weiß, auch ihm kann das Glück wieder lachen, wie den Andern, und so bewahrt er sich den Muth, ein neues Wagniß zu unternehmen. Der junge Graf von Etherington wird in wenig Tagen hier unter uns erscheinen – sie sagen, er ist zu jedem Satz bereit – hätte ich nur fünfhundert Pfund, um damit anzufangen, ich wollte ihn bald kühn überflügeln!«
»Mr. Mowbray, ich bedauere Sie sehr. Ich war der Geschäftsführer Ihres Hauses – ich kann sogar in einiger Hinsicht sagen, ich war ein Diener desselben – und jetzt scheint es, ich soll es ganz zu Grunde gerichtet sehen, und das noch dazu gerade durch den Jüngling, welchen ich als den wahrscheinlichen Wiederhersteller seiner Größe betrachtete; denn die Gerechtigkeit muß man Ihnen widerfahren lassen, Ihr eignes Interesse haben Sie immer sorgsam beachtet, so weit nämlich, als Sie es einsehen konnten. Thränen lockt der Gedanke in meine alte Augen.«
»Ueber diese Dinge sparet die Thränen, mein alter Junge! Einiges von dem Verlornen wird doch wohl in Ihren Taschen sitzen geblieben sein, wenn auch nicht in den meinigen. – Ihre Dienste werden nicht stets unbelohnt geblieben sein, mein alter Freund, – der Arbeiter ist seines Lohnes werth.«
»Wohl weiß ich, daß er es ist, aber ein doppelter Sold würde kaum hinreichen, zu mancher Arbeit die Leute anzuspornen. – Doch wenn Sie durchaus Geld haben wollen, so muß es herbei geschafft werden – obwohl ich gut dafür bin, es geht denselben Weg, den das Uebrige einschlug!« –
»Nein, bei tausend Teufeln! nein! Dießmal kann es nicht fehlschlagen, es ist schlechterdings unmöglich! – Jack Wolverine war dem Grafen Etherington in jedem Wagniß, das er ihm vorschlug, überlegen, und ich kann den Wolverine als Sieger von dem entferntesten Winkel des Landes bis nach Johnnie Groats treiben – doch etwas muß ich in Händen haben, damit anzufangen – der Einsatz muß herbeigeschafft werden, Mick!«
»Ganz natürlich – ohne Zweifel – versteht sich nämlich, wenn es herbeigeschafft werden kann!« entgegnete der gesetzliche Rathgeber.
»Das ist Ihre Sache, mein erfahrner Freund! Der junge Mensch wird vielleicht morgen hier mit reich gefüllten Taschen erscheinen. – Er empfing eben seine Zinsen, als er hieher reisete, vergeßt das nicht, mein alter Freund!«
»Wohl demjenigen, der Zinsen zu empfangen hat,« entgegnete Micklewham, »die unsrigen hier sind leider zu tief versunken, um jetzt erhoben zu werden! – Aber sind Sie sicher, daß der Graf ein Mann ist, mit dem man sich einlassen kann? – Sind Sie überzeugt, daß Sie von ihm gewinnen, und das Gewonnene bezahlt erhalten können? – Mr. Mowbray, ich habe so manchen nach Beute ausgehen und kahl nach Hause kehren sehen! – Obwohl Sie nun ein gar munterer, gewandter junger Mann sind, und ich allerdings verpflichtet bin, Ihnen zuzutrauen, daß Sie gar viele und richtige Menschenkenntniß besitzen, und was noch alles weiter dazu gehört; doch sind Sie hin und wieder der Verlierende gewesen, wie Sie es jetzt aus vielen triftigen Gründen wohl einsehen werden, – folglich –«
»O zum Teufel mit Ihrer Plauderei, mein guter Mick! Wissen Sie keine Hülfe für mich, so betäuben Sie mich mindestens nicht mit Ihrem Gewäsche! – Nun, Freund, ich war ein Neuling – ich mußte mein Lehrgeld zahlen – und das war keine Kleinigkeit. – Doch was thut es? – Jetzt bin ich mein eigener Herr – jener Verbindung los und ledig, und kann auf meine eigne Hand mein Glück gründen.«
»Gut, gut! – Ich wünsche, daß es gelinge.«
»Es soll, es muß gelingen, mein trauter Freund,« entgegnete Mowbray schmeichelnd, »wenn Sie mir nur zu dem Kapital, den Handel zu beginnen, verhelfen wollen.«
»Zu dem Kapital? – Was nennen Sie ein Kapital? – Ich weiß von keinem Kapital, das Sie noch zu erheben hätten.«
»Aber Sie, mein alter Freund, Sie besitzen dessen in Fülle – Kommen Sie, rücken Sie einige Ihrer mit drei Prozent verzinseten Summen heraus; ich will Interessen, Courtage, Alles und Jedes will ich zahlen.«
»Ja, ja; Alles und Jedes oder gar Nichts! – Aber da Sie so sehr in mich dringen, so fällt mir ein – wann bedürfen Sie des Geldes?«
»Heute – in diesem Augenblick – allerspätestens morgen!« rief der ungeduldige Borger aus.
Nach einem lang gezogenen »O weh!« des Rechtsgelehrten folgte die Trauerpost: »das sei unmöglich!«
»Demungeachtet muß es sein, Mick;« entgegnete der junge Laird, der aus Erfahrung wußte, daß dieses » unmöglich«, so von seinem willfährigen Freunde betont, recht ausgelegt bloß auf große Schwierigkeiten deuten sollte.
»So muß Fräulein Clara ihr Kapital im Staatsfonds verkaufen;« sagte Micklewham. »Ich wundere mich, daß Sie daran nicht früher dachten.«
»Ich wollte Sie wären verstummt, ehe Sie dessen jetzt erwähnten!« rief Mowbray zurückfahrend, als habe ihn eine Natter gestochen: »Wie, Clara's geringes Eigenthum? – Die Kleinigkeit, welche meine Tante ihr zu ihren eigenen willkürlichen Ausgaben hinterließ, die sie zu so vielen guten Zwecken anwendet – die arme Clara, die so wenig Freude besitzt! – Warum wollen Sie nicht lieber Ihr Eigenthum geben, Sie, der Sie sich einen Freund der Familie nennen?«
»Ei, St. Ronans, das ist alles ganz wahr, aber verdient will mehr sagen als geerbt; und die Freundschaft fängt zuerst bei uns selbst an, wie es kluge Leute lange vor uns schon sagten. – So denke ich denn, die uns zunächst stehen, können auch hübsch zuerst etwas wagen. Sie sind Ihrer Schwester näher und theurer, St. Ronans, als dem armen Saunders Micklewham, der nicht so viel adeliges Blut besitzt, daß ein Floh daran ein hinreichend Abendessen fände.«
»Nein, das will, das kann ich nicht!« rief St. Ronans, heftig erschüttert auf- und niederschreitend; denn so selbstsüchtig er war, doch liebte er seine Schwester, ja hing zärtlicher an ihr, weil eben ihr Gesundheitszustand sie seines Schutzes um so bedürftiger machte. – »Ich will sie nicht ausplündern,« fuhr er fort; »entstehe daraus was da wolle. Lieber will ich als Freiwilliger auf dem Kontinent Dienste nehmen, und den Degen in der Hand als Edelmann sterben!«
Er fuhr fort im düstern Schweigen das Zimmer zu durchkreuzen, welches allmälig seinen Gefährten, der seinen Patron noch nie so tief bewegt sah, zu beunruhigen begann. Endlich versuchte er die Aufmerksamkeit des schweigenden, unmuthigen Grüblers auf sich zu ziehen.
»Mr. Mowbray!« Keine Antwort. – »St. Ronans, ich wollte sagen –« Immer keine Erwiederung. »Ich habe über diesen Gegenstand nachgedacht – und –«
»Und was, Sir?« fragte mit finsterm Tone der plötzlich stillstehende Squire.
»Und um die Wahrheit zu sagen, ich sehe wenig Möglichkeit, das Ding auf irgend eine Weise zum Ziele zu führen; denn hätten Sie auch heut das Geld in Ihrer Tasche, morgen wäre es in der des Grafen von Etherington.«
»Pah – Sie sind ein Thor!«
»Das ist nicht unmöglich. – Sir Bingo Binks ist es gewiß, und doch hat er zwei oder dreimal über Sie den Sieg davon getragen.«
»Es ist falsch – er hat nicht gesiegt!« antwortete St. Ronans trotzig.
»Ich weiß aber gewiß, er fing sie bei der Wette über den Lachs, und noch einigen andern, welche sie denselben Tag an ihn verloren.«
»Ich sage Ihnen noch einmal, Micklewham, Sie sind ein Thor, und meinem Spiel eben so wenig als meiner körperlichen Größe gewachsen. – Bingo ist ein wenig scheu geworden – ich muß ihm ein bischen Aufwasser gönnen, dann zieh ich die Angel zur rechten Zeit wieder an; er ist mir so gewiß als der Andere, – ich kenne den Flug, den Beide nehmen werden – dieser verfluchte Mangel der lumpigen fünfhundert Pfund bringt mich um zehntausend.«
»Wenn Sie so ganz gewiß sind der Sieger zu bleiben, so ganz gewiß die Beute zu erwischen, meine ich, welch' ein Schaden wird dann für Miß Clara entstehen, wenn Sie einen Augenblick ihr Geld benutzen? Sie können ihr ja die Gefahr, welche sie läuft, zehnfach ersetzen?«
»Das kann ich, beim Himmel!« rief St. Ronans. »Sie haben recht, Mick, ich bin ein bedenklicher, schwachsinniger Thor. Clara soll tausend Pfund statt ihrer ärmlichen fünfhundert erhalten – sie soll es, bei –. Dann will ich sie nach Edinburgh oder London führen, den besten Rath für ihre Gesundheit zu erforschen, die angenehmste Gesellschaft sie aufzuheitern. Und findet man sie etwas sonderbar – zum Henker, ich bin ihr Bruder, und will sie schon männlich vertreten. Ja, ja; Sie haben recht. – Es kann nicht unrecht sein, die fünfhundert Pfund von ihr zu leihen, wenn solch' ein Vortheil für sie und mich daraus entsteht. Hier füllet die Gläser, alter Junge, und laßt uns auf guten Erfolg trinken, denn Sie haben recht, ganz recht!«
»Wohl denn, von ganzer Seele auf guten Erfolg!« entgegnete Micklewham, der sehr froh war, seines Patrons sanguinisches Temperament zu diesem Entschlusse gebracht zu sehn, doch zugleich strebte, seinen Einfluß durch eine Hinterthür vor jedem Vorwurf zu bewahren: »Aber Sie sind es, der hier Recht hat, nicht ich, denn ich gründe meinen Rath nur auf Ihre Versicherung, daß Sie Ihres Sieges über jenen Grafen und Sir Bingo gewiß sind – und wenn das der Fall ist, so würde ich es für unklug und unfreundlich halten, wenn irgend einer Ihrer Freunde Ihnen entgegen handeln wollte.«
»Wahr, Mick, ganz wahr!« entgegnete Mowbray. – »Doch Würfel und Karten sind nur Knochen und Pappe, und selbst das geübteste Pferd kann ausgleiten, ehe es das gewinnertheilende Ziel erreicht – deßhalb wünsche ich, Clara's Eigenthum wäre dem Wagniß nicht ausgesetzt. – Aber hol's der Teufel, sorgen hilft zu nichts! – Erklärt sich das Glück gegen mich, so kann ich so gut wie ein Anderer mich darein finden – so laßt uns denn das Geld erheben, Mick!«
»Ja, ja; aber zu dem Handel gehören zwei Stimmen; das Geld ist auf meinen und Tam Turnpenny's, des Bankier, Namen, als Bürgen für Miß Clara, eingetragen. – Nun sorgen Sie, daß sie uns einen Brief schreibt, Ihnen die Summe auszuzahlen, so wird Ihnen Tam Turnpenny die fünfhundert Pfund augenblicklich auf Abschlag entrichten; denn ich vermuthe doch, daß Sie wünschen werden, daß man das Papier ganz verkaufe, und es wird dann zwischen sechs- und siebenhundert Pfund austragen – und gewiß, Sie stimmen für den Verkauf des Ganzen – denn es ist unnütz, solche Kleinigkeit in zwei Parcellen zu theilen!«
»Ja, ja,« entgegnete Mowbray, »da wir einmal Spitzbuben oder etwas dem Aehnliches sein müssen, so laßt es mindestens der Mühe lohnen; gebt mir einen Entwurf des Briefes, und Clara soll ihn abschreiben – das heißt, wenn sie darein willigt; denn Sie wissen, sie versteht es so gut wie irgend eine Frau in der Welt, ihren Sinn durchzusetzen.«
»Und das,« sagte Micklewham, »je nachdem der Wind ihnen den Kopf dreht, man mag dagegen sagen, was man will. Aber soll ich Ihnen einen Rath, Miß Clara betreffend, ertheilen – ich würde bloß sagen, daß ich des Geldes bedürftig sei; denn ich müßte mich sehr irren, wenn sie sich gar nichts daraus machen sollte, daß Sie ihrer Tante Vermächtniß auf Spiel und Würfel gegen jenen Lord und Baronet wagen wollen. – Ich weiß, sie hat so sonderbare Grillen – sie gibt die Zinsen jenes Kapitals den Armen.«
»Und ich bin Raubthier genug, die Armen und meine Schwester zu bestehlen!« rief Mowbray, die Gläser füllend: »Kommt Mick – auf Clara's Gesundheit – sie ist ein Engel – und ich bin – was ich mich selbst nicht nennen mag, noch von irgend einem Menschen genannt zu werden erdulden würde. – Aber ich werde gewinnen. – Ich bin dessen sicher, da Clara's Glück mit im Spiele ist.«
»Auch denke ich noch,« sagte Micklewham, »daß wenn etwas unsern Wünschen entgegen sich ereignen sollte, und der Himmel weiß, daß die besten Plane scheitern können, so wird es ein großer Trost sein, daß die eigentlich Verlierenden nur die armen Leute sein werden, welche das Kirchspiel doch dem gänzlichen Verhungern entziehen muß. – Wenn Ihre Schwester selbst ihr Geld gebraucht hätte, wäre das ein ganz anderes Ding.«
»Still, Mick, – um Gotteswillen still, ehrlicher Freund,« sagte Mowbray. »Es ist ganz wahr, Sie sind ein trefflicher Rathgeber zur Zeit der Noth, und haben die liebenswürdigste Art von der Welt, eines Mannes Gewissen mit der Nothwendigkeit auszugleichen. Aber hütet Euch, mein eifriger Rathgeber und Beichtvater, den Nagel zu tief hinein zu schlagen. – Ich verspreche Ihnen, auch für Sie soll von meiner Beute etwas abfallen. – Wohl, geben Sie mir den Entwurf – ich will ihn Clara bringen – obwohl ich lieber dem besten Schützen Großbritanniens auf dem grünen Rasen zehn Schritt weit gegenüber stände.« Mit diesen Worten verließ er das Gemach.