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Siebentes Kapitel.

Die Bosheit, die Ihr uns lehrt, wollen wir
ausüben, und es müßte schlimm zugehen, wenn wir
unsern Meister nicht übertreffen sollten.

Kaufmann von Venedig.

Der unglückliche Gegenstand dieses rachsüchtigen Eifers, am nämlichen Tage dem Schreckniß einer öffentlichen Hinrichtung entgangen, fühlte desto größere Freude über dieses Ereigniß, da er eine Einmischung der Regierung zu seinen Gunsten kaum zu hoffen wagte, nachdem das Gericht der Geschwornen gesetzlich über ihn entschieden, und ihn jenes gehässigen Vergehens schuldig erkannt. Von einem so quälenden Gemüthszustande befreit, war er fröhlichen Herzens, und glaubte die Bitterkeit des Todes sei vorüber. Einige von seinen Freunden aber, die auf das Benehmen der Menge geachtet, als man die Begnadigung kund that, waren anderer Meinung. Die ungewöhnliche Stille, der finstre Ernst des Volks bei diesem Fehlschlagen seiner Erwartung, ließ sie ahnen, man nähre einen Entwurf zu schneller verzweifelter Rache. Sie ermahnten Porteous, er solle ohne Zeitverlust von der dazu befugten Behörde erbitten, daß man ihn nach dem Castell brächte, dort in Sicherheit zu verweilen, bis völlig über sein Schicksal entschieden sei.

Porteous jedoch, durch sein Amt gewöhnt, den Pöbel der Stadt im Zaum zu halten, und ihn gering zu schätzen, hielt ihn des kühnen Versuchs nicht fähig, einen so wohlbefestigten Kerker zu erstürmen. Er achtete deßhalb nicht auf den Rath, dessen Befolgung ihn wahrscheinlich gerettet, und verlebte den übrigen Theil des Tages auf muntre Weise mit einigen Freunden, denen er ein Gastmahl gab. Durch die Vergünstigung des Gefängnißhauptmanns, eines alten Bekannten von Porteous, wurde diesen Gästen sogar gestattet, der Regel des Orts zuwider, auch zur Abendmahlzeit bei ihm zu bleiben.

In der Stunde ungemischter Lust war es also, in der Stunde, wo dieser Unglückliche, von Wein glühend, sich in einem unzeitigen Vertrauen blähte, als das ferne Geschrei der Aufrührer sich plötzlich mit den Liedern der Fröhlichkeit und Schwelgerei vermischte. Die erste Erklärung jener Schreckenstöne gab der ängstliche Ruf des Gefängnißwärters, die Gäste sollten sich schleunig entfernen, und die darauf folgende eben so hastige Andeutung, daß ein furchtbarer Volkshaufe sich der Stadtthore und des Wachthauses bemächtigt habe.

Vielleicht hätte sich Porteous noch jetzt retten können, wenn er seinen Gästen in einer Verkleidung gefolgt wäre. Es ist zu vermuthen, daß der Aufseher diese Flucht nicht gehindert, oder daß die Verwirrung des Augenblicks sie gänzlich unbemerkt gelassen. Aber weder Porteous noch seine Freunde hatten Fassung genug, auf ein solches Mittel zu denken und es auszuführen. Diese flohen hastig einen Ort, wo ihre eigene Sicherheit gefährdet schien; jener blieb in einer Art von Betäubung in seinem Zimmer zurück, den Erfolg der Unternehmung der Aufrührer erwartend.

Das plötzliche Aufhören des Getöses jener Werkzeuge, mit welchen die Verschwornen zuerst das Thor zu erstürmen suchten, gab dem Geängsteten eine augenblickliche Erleichterung. Er schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß Truppen aus der Vorstadt, oder vom Castell herbeigekommen, die Aufrührer in Schrecken gesetzt und sie auseinander getrieben. Allein der gewaltige Feuerschein, der durch die vergitterte Fensteröffnung strahlte, jeden Winkel des Zimmers scharf beleuchtend, vernichtete diese Täuschung nur allzu bald, und zeigte ihm, daß die Menge, fest auf ihrem Vorsatz beharrend, ein anderes, schneller zum Ziele führendes Mittel gewählt habe.

Der eindringende Lichtstrom ließ den Erschrockenen noch eine Möglichkeit sehn, zu entfliehn, oder sich zu verbergen. Zum Kamin zu eilen, auf die Gefahr des Erstickens darin hinaufzusteigen, war alles, was ihm übrig blieb; allein sein Vordringen ward bald durch eine der eisernen Vergitterungen gehindert, die man zur Sicherheit in den Schornsteinen der Gefängnisse anzubringen pflegt. Doch halfen ihm diese Stangen mindestens dazu, sich in der schon erreichten Höhe festzuhalten, und er umklammerte sie fest und gierig, wie Einer, der seine letzte Lebenshoffnung faßt.

Der rothgelbe Schein, der das Zimmer beleuchtete, erlosch nach und nach; man hörte ein lautes Toben innerhalb der Mauern und auf der engen, gewundenen Treppe, die in einem der Thürme zu den obersten Stockwerken führte. Dem Hallo der Meuter antwortete ein gleich wildes Geschrei der Gefangenen, die von dem allgemeinen Tumult Befreiung hoffend, jene als ihre Erretter begrüßten. Durch einige dieser Mitgefangenen wurde Porteous' Zimmer seinen Feinden angezeigt. Das Hinderniß der Schlösser und Riegel war bald beseitigt, und von seinem Schlupfwinkel aus hörte der Unglückliche sie jeden Winkel des Gemachs durchsuchen, und gräßliche Flüche und Verwünschungen ausstoßen.

Der Ort, wo Porteous sich verborgen, war dem Verdacht und der Untersuchung zu sehr preisgegeben, um ihn lange zu schützen. Er wurde mit einem gewaltsamen Ungestüm hervorgezogen, als wolle man ihm augenblicklich den Tod geben. Schon erhob sich manches Mordgewehr gegen ihn, als einer der Verschwornen, jener in weiblicher Kleidung, der Butler's Aufmerksamkeit schon früher auf sich gezogen, mit gebietendem Tone dazwischen trat. »Seid Ihr toll,« rief er, »wollt Ihr eine Handlung der Gerechtigkeit ausüben, als wäre es ein Verbrechen, eine Unmenschlichkeit? Dieses Opfer verliert die Hälfte seines Werths, wenn wir es nicht auf dem Altar selbst darbringen. Dort muß er sterben, wo er so viel unschuldiges Blut vergossen!«

Ein lautes Geschrei des Beifalls folgte dem Vorschlag, und der Ruf: »Zum Galgen mit dem Mörder! Zum Krautmarkt mit ihm!« ertönte von allen Seiten.

»Keiner füge ihm Leid zu,« fuhr der Sprecher fort, »laßt ihn seinen Frieden mit Gott machen, wenn er kann; durch uns soll nicht seine Seele mit seinem Leibe verderben«

»Was für Zeit gab er bessern Leuten, als er ist, ihre Rechnung abzuschließen?« wandten Verschiedene ein. »Laßt uns ihm mit seinem eigenen Maaße messen!«

Allein die Meinung des Redners war der allgemeinen Gesinnung angemessener, da die Aufrührer, fast durchgängig mehr verstockt, als ungestüm, ihrem grausamen Verfahren gern den Schein der Gerechtigkeit und Mäßigung geben wollten.

Dem Gefangenen ward nun vergönnt, seine letzten Verfügungen zu treffen. Ein wegen Schulden Verhafteter empfing dieses Vermächtniß aus der zitternden Hand des Schlachtopfers. Die Verbrecher und alle Anderen, die das Gefängniß verlassen wollten, hatten nun volle Freiheit dazu; nicht daß diese Befreiung eine Mitabsicht des Aufstandes gewesen, allein sie war die nothwendige Folge der Zerstörung der Kerkerpforte. Mit wildem Jubelgeschrei mischten sich die der Haft Entledigten unter den Haufen, oder entschlüpften durch die engen Nebengäßchen der Straße, die ihnen wohl bekannten heimlichen Schlupfwinkel des Lasters und der Niedrigkeit aufzusuchen.

Zwei nur, ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren, und ein Mädchen von achtzehn, blieben in den Schreckensmauern zurück, sowie einige Schuldner, denen vielleicht kein Vortheil aus der Flucht erwuchs. Die beiden Erwähnten, mit mehreren Bewohnern des Gefängnisses in einem Zimmer versammelt, waren von dem Beispiel dieser nicht zur Flucht gereizt worden. Vergeblich ermahnte sogar einer der Enteilenden jenen ältlichen Mann, ihm zu folgen, indem er ihm mit dem Ton eines alten Bekannten zurief: »Lauf, Ratcliffe, lauf; der Weg ist frei.«

»Kann wohl sein, Willie,« sagte jener ruhig, »ich habe mir es aber in den Kopf gesetzt, den Handel aufzugeben, und ein ehrlicher Mann zu werden.«

»So bleib, und laß Dich hängen, Du alter Dummkopf!« sagte der Andere, und eilte die Stiegen hinunter.

Jener in Weiberkleidern, den wir als den Thätigsten unter den Verschwornen bemerkt, hatte indessen ein Gleiches mit dem jungen Mädchen versucht. »Fliehe, Effie, fliehe,« konnte er in der Eile des Augenblicks nur ihr zuflüstern. Statt aller Antwort sah sie ihn an, mit einem Blick, in dem Furcht, Liebe und stiller Vorwurf mit einer Art betäubten Erstaunens um den Vorrang stritten. »Fliehe, Effie, fliehe,« wiederholte er, »ich beschwöre Dich bei allem was Dir werth und theuer ist.« Nochmals starrte sie ihn an, einer Antwort unfähig. Ein lautes Getöse ward jetzt gehört, und der Name Magda Wildfeuer erscholl zu wiederholten Malen von unten herauf.

»Ich komme, ich komme,« erwiederte der Gerufene, und mit der erneuten hastigen Bitte: »Um Gotteswillen, um Deinetwillen, um meinetwillen, fliehe, sonst nehmen sie Dir das Leben!« verließ er das Gemach.

Das Mädchen staunte ihm einen Augenblick nach. »Besser dein Leben genommen, da dein guter Name dahin ist,« murmelte sie leise vor sich hin, und den Kopf matt in die Hand senkend, saß sie da, so unbeweglich und des Lärmens in ihrer Nähe unbewußt, wie eine Bildsäule.

Jetzt war die Außenseite des Gefängnisses wieder zum Schauplatz des Tumults geworden. Die Aufrührer waren im Begriff ihr Opfer zum Richtplatz zu bringen, und sie hatten jenen Führer, Wildfeuer benannt, durch ihr ungeduldiges Rufen aufgefordert, bei dem Zuge gegenwärtig zu sein.

»Ich will Euch fünfhundert Pfund geben,« sagte der unglückliche Porteous leise, Wildfeuers Hand heftig ergreifend, als dieser sich ihm näherte, »ich will Euch fünfhundert Pfund geben, wenn Ihr mein Leben rettet.«

Gleich leisen Tones, und jenen Druck der Hand eben so leidenschaftlich erwiedernd, sagte der Andere: »Fünf Centner geprägten Goldes sollten Euch nicht retten. – Gedenket Wilson's.« Ein minutenlanges Schweigen erfolgte, dann fügte Wildfeuer etwas ruhiger hinzu: »Macht Euren Frieden mit Gott. – Wo ist der Geistliche?«

Butler, bis zu diesem Augenblick in steter Furcht und Angst bei dem Gefängnißthor zurückgehalten, ward jetzt herbeigeführt; man gebot ihm, dem Gefangenen zur Seite zu gehn, und ihn auf den unverzüglichen Tod vorzubereiten. Seine Antwort war eine Bitte an die Aufrührer, zu bedenken, was sie vorhätten. »Ihr seid seine Richter nicht,« sagte er. »Ihr habt weder nach den Gesetzen Gottes, noch nach denen der Menschen ein Recht über das Leben eines eurer Mitmenschen zu verfügen, so sehr er auch den Tod verdient haben mag. Wenn es sogar dem gesetzmäßigen Richter als ein Mord zugerechnet wird, den Verbrecher anders hinrichten zu lassen, als an dem Ort, in der Zeit, und auf die Weise, welche sein Urtheil vorschreibt, wie soll man dies nennen, zu welchem ihr keine andere Befugniß habt, als euren eignen Willen? Im Namen Dessen, der die Gnade selbst ist, laßt diesem Unglücklichen Gnade wiederfahren! Taucht nicht Eure Hände in sein Blut, euch demselben Verbrechen dahingebend, für welches Ihr Rache zu nehmen gedenkt!«

»Kürzt Eure Predigt ab, Ihr seid hier nicht auf der Kanzel,« rief Einer aus dem Haufen. »Wenn Ihr Eurem Geschwätz nicht bald ein Ende macht,« sagte ein Anderer, »so hängen wir Euch neben jenem auf.«

»Still, still,« rief Wildfeuer ihnen zu. »Laßt den guten Mann gehen, er thut nach seinem Gewissen, und gefällt mir um so besser deßhalb.«

Er wandte sich hierauf an Butler:

»Wir haben Euch nun ruhig angehört, Herr,« sagte er, »seid aber gewiß, daß Ihr eben so gut die Steinmauern und Eisengitter jenes Gefängnisses überreden könntet, als unsern Vorsatz zum Wanken bringen. Blut fordert Blut. Wir haben es einander mit den furchtbarsten Eiden zugeschworen, Porteous solle den Tod erleiden, den er so reichlich verdient; spart deßhalb Eure Worte, und bereitet ihn vor zu seinem Ende, so gut es die Kürze der Zeit gestattet.«

Man hatte dem unglücklichen Porteous so viel Zeit gelassen, den Schlafrock überzuwerfen, und in die Pantoffeln zu schlüpfen, ehe er aus seinem Zimmer ging; denn er hatte früher Kleid und Schuhe abgeworfen, zur Erleichterung der beabsichtigten Flucht durch den Schornstein. In dieser Tracht wurde er jetzt auf die kreuzweis zusammen geschlossenen Hände zweier der Aufrührer gehoben, und Butler, neben ihm stehend, von Neuem ermahnt, sein peinliches Geschäft zu beginnen. Noch einmal suchte jener Unglückliche Gnade zu erflehen; als er Alles vergeblich sah, half seine kriegerische Gewöhnung und die natürliche Hartnäckigkeit seines Sinnes ihm die Fassung zu bewahren.

»Seid Ihr vorbereitet zu diesem schrecklichen Ende?« sprach Butler mit bebender Stimme. »O wendet Euch zu Ihm, in dessen Augen es keine Zeit und keinen Raum gibt, vor dem ein Augenblick als eine Lebenszeit, und eine Lebenszeit als ein Augenblick erscheint.«

»Ich glaube Eure Meinung zu verstehen,« sagte Porteous finster. »Ich bin als Soldat erzogen; wenn diese mich vor der Zeit umbringen, mögen meine Sünden so wie mein Blut ihnen zur Last fallen.«

»Und wer,« rief hier Wildfeuer mit Bitterkeit, »wer sagte auf eben dieser Stelle zu Wilson, als dieser nicht beten konnte wegen der unleidlichen Qual seiner Fesseln, seine Leiden würden nun bald vorüber sein? – Ich rathe Euch, Eure eignen Sünden zu bedenken, und wenn Ihr auch aus des guten Mannes Ermahnungen keinen Nutzen ziehen könnt, macht denen keinen Vorwurf, die milder mit Euch verfahren, als Ihr gegen Andere.«

Langsam und ernst ging der Zug nun vorwärts. Eine Anzahl flammender Fackeln und Kerzen beleuchteten ihn, als wolle man den Vorgang nicht als etwas Geheimes behandeln, sondern ihm vielmehr eine Art von Oeffentlichkeit geben. Die Hauptanführer hielten sich dicht neben dem Gefangenen, dessen todtenbleiches Antlitz das Kerzenlicht deutlich unterscheiden ließ, da er noch immer emporgetragen, um ein Beträchtliches über der umgebenden Menge hervorragte. Zu beiden Seiten gingen solche, die Schwerter, Flinten und Streitäxte trugen, um so die wohlgeordnete Schutzwehr des Zuges zu bilden. Wo sie vorbeikamen, waren die Fenster mit den Bewohnern der Häuser besetzt, deren Schlaf durch eine so ungewöhnliche Störung unterbrochen worden. Einige von diesen Zuschauern riefen den Handelnden Beifall zu; doch im Allgemeinen sahen sie, von einem so seltsamen Auftritt in Schrecken gesetzt, ihn mit stummem Erstaunen an sich vorübergehen, ohne durch Wort oder That die mindeste Unterbrechung zu wagen.

Die Aufrührer blieben ihrerseits der ruhigen Besonnenheit treu, mit der sie von Anbeginn zu Werke gegangen. Als dem Porteous sein Schuh entfallen war, hielten sie an, und suchten ihn auf, ehe sie weiter gingen. Während der Zug die Bow Street hinabstieg, erinnerten sie sich, daß sie eines Stricks zu ihrem Vorhaben bedurften. Die Bude eines Seilhändlers ward erbrochen, das Erforderliche herausgenommen, und am nächsten Morgen fand der Mann eine Guinee zur Schadloshaltung auf seinem Ladentisch. Bei dem Hochgericht angekommen, machte man die zur Hinrichtung nöthigen Zurüstungen, sich schnell herbei geschaffter Hülfsmittel anstatt der sonst gebräuchlichen fehlenden bedienend. In dieser Zwischenzeit versuchte Butler, großmüthig genug seiner eigenen Sicherheit nicht zu gedenken, das Volk nochmals durch dringende Vorstellungen von der schrecklichen That zurückzuhalten. Auch Porteous sprach noch einige Worte zur Rechtfertigung des ihm Vorgeworfenen. Es war Alles vergeblich. »Fort mit ihm! fort mit ihm!« erscholl es von allen Seiten. Mit grausamer Hast schleppte man den Unglücklichen zum Tode. Butler, durch das Gedränge von ihm getrennt, entging dem Schreckensanblick seines letzten Sträubens. Unbeachtet von denen, die bisher ihn als einen Gefangenen bewahrt, floh er den Ort des Entsetzens, ohne daran zu denken, welcher Richtung er sich zuwandte. Ein lautes Geschrei verkündete die wilde Freude, mit der jene die Vollendung ihrer That betrachteten. Butler warf noch einen Blick hinter sich, und bei dem düsterrothen Schein der Fackeln sah er, hoch über den Häuptern der Menge hängend, eine menschliche Gestalt hin und her schwanken. Dieser Anblick verdoppelte sein Schrecken, und beflügelte die Eile seines Entfliehens. Die Straße, welche er hinunterlief, führte ihn zu einem der Stadtthore. Er fand es verschlossen. Es war eines von denen, deren die Aufrührer sich bemächtigt hatten. Butler verweilte eine Zeitlang in unaussprechlicher Angst; endlich wagte er es, die geschreckten Thorwächter herauszurufen, denen jetzt wieder Freiheit vergönnt war, ihr Amt zu verwalten. Butler verlangte hinausgelassen zu werden. Sie zögerten. Er nannte seinen Namen und Stand.

»Er ist ein Prediger,« sagte der Eine, »in Haddoshole habe ich ihn predigen hören.« – »Eine schöne Predigt mag er heute Nacht gehalten haben,« sagte ein Anderer. »Gott stärke ihn!« Sie öffneten das Pförtchen im Hauptthor, und ließen Butler hinaus, und dieser eilte den Mauern Edinburgs zu entgehen, in denen ihm heut so viel Schreckliches widerfahren war. Sein erster Vorsatz war, sogleich den Weg nach der Heimath einzuschlagen; doch ängstigende Besorgnisse anderer Art, die der heutige merkwürdige Tag ihm eingegeben, bewogen ihn, bis zu Tagesanbruch in der Nähe der Stadt zu verweilen. Viele Menschen strichen an ihm vorüber, während er die noch übrigen Stunden der Dunkelheit hier verschleuderte, und der unterdrückte Ton ihrer Stimmen, die ungewöhnliche Zeit, und die Hast ihrer Schritte ließen ihn vermuthen, daß sie zu den Theilnehmern an jenem entsetzlichen Vorgang gehörten.

Am meisten zu bewundern bei dieser seltsamen Begebenheit, war dies augenblickliche Auseinandergehen der Menge, nachdem sie ihren Vorsatz ausgeführt hatte. Welches auch der Grund eines Aufstandes sei, gewöhnlich führt das Gelingen seiner Absicht den Haufen zu ferneren Ausschweifungen. Nicht so im gegenwärtigen Falle. Als die Aufrührer überzeugt waren, es sei kein Leben mehr in ihrem Schlachtopfer, warfen sie, vollkommen befriedigt durch diese Rache, die Waffen fort, die sie nur zu diesem Zweck ergriffen hatten. Am Morgen war nichts mehr von dieser Nachtscene übrig, als der in den Lüften schwebende Leichnam des Porteous, und die Waffen aus dem Wachthause, welche der enteilende Haufe in den Straßen zurückgelassen.

Die Obrigkeit behauptete nun wieder ihr Ansehen, zitternd jedoch nach der kürzlich gemachten Erfahrung der Schwäche desselben. Truppen in die Stadt zu ziehen, und eine strenge Untersuchung des Vorgefallenen zu beginnen, waren die ersten Zeichen ihrer wiederkehrenden Gewalt. Allein so heimlich und sicher war Alles eingeleitet gewesen, daß man wenig oder nichts erfuhr, welches einiges Licht auf die Urheber und vorzüglichsten Leiter jener verwegenen Unternehmung werfen konnte.

Der Bericht ward durch Eilboten nach London gesandt, und mit großem Unwillen aufgenommen, besonders von der Regentin, welcher das Gelingen einer so seltsamen Verschwörung als ein Hohn ihrer Macht erschien.

Es war dort eine Zeitlang von nichts Anderem die Rede, als von den Maßregeln zur Bestrafung der Aufrührer sowohl, wenn sie entdeckt würden, als auch der obrigkeitlichen Personen, die solches geduldet, und der Stadt, wo es sich ereignet. Man erzählt, die Königin habe bei dieser Veranlassung zu dem berühmten Herzog von Argyle gesagt, eher als solch einen Schimpf dulden, wolle sie Schottland zu einem Jagdrevier machen. Worauf jener hochherzige Edelmann erwiedert: »Dann muß ich Urlaub von Eurer Majestät erbitten, und nach meinem Vaterlande zurück eilen, um die Hunde bereit zu halten.«

Diese Antwort war bedeutungsvoller, als man vielleicht glaubte; ein ähnlicher Geist der Vaterlandsliebe, der den schottischen Adel größtentheils beseelte, hemmte den Flug des königlichen Zorns, und nöthigte zu mildern Maßregeln, von denen wir späterhin noch Einiges zu erwähnen haben.


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