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Drittes Kapitel.

Du großer Gott des aqua vitae,
Der du beherrschest diese Stadt,
Wo wenige nur nüchtern sind,
Sei du bereit,
Uns von den schwarzen Mördern zu befrein,
Der Stadtmiliz.

Ferguson's Narrentage.

Kapitain John Porteous, ein Name berühmt in den Traditionen Edinburgs, sowie in den Acten des Criminalgerichts, war der Sohn eines Bürgers von Edinburg, welcher bemüht war, ihn zu seinem eigenen mechanischen Geschäfte, zu dem eines Schneiders, heranzubilden. Doch der junge Mensch hatte eine wilde und unbändige Neigung zur Zerstreuung, die ihn endlich dahin brachte in dem Corps zu dienen, welches lange von dem holländischen Staate unter dem Namen der schottischen Holländer gehalten wurde. Hier lernte er militärische Disciplin; und als er später im Laufe eines müßigen und wandernden Lebens in seine Vaterstadt zurückkehrte, nahm die Obrigkeit von Edinburg in dem unruhigen Jahre 1715 seine Dienste in Anspruch, um die Stadtmiliz einzuexerciren, bei welcher er bald darauf die Stelle eines Hauptmanns erhielt. Er verdiente diese Erhebung allein vermöge seiner militärischen Geschicklichkeit und seines aufgeweckten und entschlossenen Charakters als Polizeiofficier, denn man sagt, er sei ein sittenloser Mensch, ein unnatürlicher Sohn und ein tyrannischer Ehemann gewesen. Er war indeß nützlich auf seinem Posten, und seine rauhe und heftige Handlungsweise machte ihn den Schwärmern und Ruhestörern furchtbar.

Das Corps, welches er commandirte, ist, oder vielleicht sollten wir eher sagen, war eine Vereinigung von etwa hundert und zwanzig Soldaten, in drei Compagnien getheilt, regelmäßig bewaffnet, gekleidet und einexercirt. Sie bestanden größtentheils aus Veteranen, welche die Erlaubniß hatten, ihr Handwerk zu treiben, wenn sie nicht im Dienst waren. Diese Leute hatten die Aufgabe, die öffentliche Ordnung zu erhalten, Excesse und Räubereien auf den Straßen zu verhindern, kurz, als bewaffnete Polizeidiener zu handeln, und bei allen öffentlichen Gelegenheiten zugegen zu sein, wo man Verwirrungen und Störungen erwarten konnte. Ein Scharmützel mit diesen Veteranen war eine beliebte Erholung für den edinburger Pöbel, wenn ein Feiertag einige Unordnung und Gezänk gestattete. Doch das ehrwürdige Corps, mit dem diese Kämpfe stattfanden, kann jetzt als gänzlich erloschen angesehen werden. Die allmählige Verringerung dieser Stadtsoldaten erinnert uns an das Schicksal von König Lear's hundert Rittern. Die Edicte jeder auf einander folgenden Stadtobrigkeit haben, gleich denen von Goneril und Regan, diese ehrwürdige Schaar mit einer ähnlichen Frage verringert: »Wozu bedürfen wir fünfundzwanzig? – zehn? – oder fünf?« Und jetzt ist man beinahe dahin gekommen zu fragen: »Wozu bedürfen wir auch nur eines einzigen?« Hin und wieder sieht man freilich noch zuweilen den Schatten eines alten grauköpfigen und graubärtigen Hochländers mit verwitterten Gesichtszügen, aber fast doppelt zusammen gebogen vom Alter; mit einem altmodischen, dreieckigen Hute mit weißem Leinenband, anstatt mit silbernen Tressen besetzt, mit Rock, Weste und Beinkleidern von schmutzig rother Farbe angethan, in seiner verwelkten Hand eine alterthümliche Waffe, Lochaberaxt genannt, tragend, welche in einem langen Stabe bestand, woran sich eine Axt und am Rücken derselben ein Haken befand. Dieser Haken sollte den Träger der Lochaberaxt in den Stand setzen über einen Thorweg zu klettern, indem er mit dem Haken oben über die Thür faßte, und sich an dem Stabe hinaufschwang.

Für Capitain John Porteous scheint die Ehre seines Commandos und seines Corps von großer Wichtigkeit und hohem Interesse gewesen zu sein. Er war außerordentlich aufgebracht gegen Wilson wegen des Schimpfs, den er seinen Soldaten dadurch angethan, daß er seinen Kameraden von ihnen befreit hatte, und sprach sich sehr heftig über diesen Gegenstand aus. Er war nicht weniger unwillig über das Gerücht, daß man die Absicht habe, Wilson selber vom Galgen zu befreien, und sprach manche Drohungen und Verwünschungen darüber aus, deren man sich später zu seinem Nachtheil erinnerte. Wenn Porteous auch in einer Hinsicht wegen seiner Entschlossenheit und Geistesgegenwart zum Anführer eines Corps wohl geeignet war, bestimmt um öffentliche Bewegungen zu unterdrücken, so schien er doch andrerseits zu einer so delicaten Aufgabe wegen seines hitzigen und mürrischen Temperaments nicht geeignet, vermöge dessen er nur zu bereit war, sogleich zu äußersten Maßregeln und zur Gewalt seine Zuflucht zu nehmen. Da er indeß der thätigste und zuverlässigste unter den Hauptleuten der Stadtmiliz war, so wurde ihm das Commando der Soldaten anvertraut, welche bestimmt waren, während Wilson's Hinrichtung die Ruhe zu erhalten. Er erhielt Befehl den Galgen und das Schaffot mit etwa achtzig Mann zu bewachen, welches die ganze Mannschaft war, die man zu diesem Dienste entbehren konnte.

Aber die Obrigkeit traf noch weitere Vorsichtsmaßregeln, welche den Stolz des Capitains Porteous tief verletzten. Sie nahm den Beistand eines Theils des regulären Infanterieregiments in Anspruch, nicht um der Hinrichtung beizuwohnen, sondern um in der Hauptstraße der Stadt aufgestellt zu bleiben, während dieselbe vor sich ging, um der Menge, im Fall sie geneigt sein sollte, unruhig zu werden, durch eine Macht Furcht einzuflößen, der sie sich nur in der Verzweiflung widersetzen könne. Wenn wir den gesunkenen Zustand dieses alten Corps betrachten, so mag es lächerlich erscheinen, daß der Officier desselben so eifersüchtig auf die Ehre desselben gewesen. Doch so war es. Capitain Porteous sah es als eine Beleidigung an, daß die walisischen Infanteristen in die Stadt eingeführt und in einer Straße aufgestellt werden sollten, wo keine andere Trommel als seine eigene, ohne besondern Befehl oder Erlaubniß der Obrigkeit. Da er seinen Patronen, den Magistratspersonen, seinen Aerger nicht zu erkennen geben durfte, so wurde sein Unwille und der Wunsch nur noch erhöht, sich an dem unglücklichen Delinquenten Wilson und Allen, die ihn begünstigten, zu rächen. Diese innern Bewegungen der Eifersucht und Wuth brachten eine solche Veränderung in den Mienen und dem Benehmen des Mannes hervor, die Allen deutlich war, die ihn an jenem unheilvollen Morgen sahen, der zu Wilson's Hinrichtung bestimmt war. Porteous' gewöhnliches Ansehen war nicht unangenehm. Er war von mittler Größe, rüstig und wohl gebaut, hatte ein militärisches Aeußeres und ein nicht unedles Gesicht. Seine Haut war braun, sein Gesicht etwas von Blatternarben entstellt, seine Augen eher matt, als scharf und finster. Bei gegenwärtiger Gelegenheit aber schien es denen, die ihn sahen, als werde er von einem bösen Dämon getrieben. Sein Schritt war unregelmäßig, seine Stimme hohl und gebrochen, sein Gesicht blaß, seine Augen starr und entflammt, seine Rede abgebrochen und verwirrt, und sein ganzes Aeußere so unordentlich, daß Einige die Meinung aussprachen, er werde durch eine unwiderstehliche Nothwendigkeit seinem unheilvollen Schicksal entgegengetrieben.

Ein Theil seines Benehmens war in der That diabolisch, wenn es nicht vermöge des allgemeinen Vorurtheils, welches man gegen sein Andenken hegt, ist übertrieben worden. Als ihm der unglückliche Wilson von dem Gefangenwärter überliefert wurde, damit er zum Richtplatz geführt werde, befahl Porteous, nicht zufrieden mit den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln, um seine Flucht zu verhindern, daß man ihm Handschellen anlege. Dies konnte in Betracht des Charakters und der Körperkraft des Delinquenten gerechtfertigt werden, so wie auch wegen der allgemein gehegten Besorgniß, daß das Volk versuchen werde ihn zu befreien. Doch als die Handschellen, welche herbeigebracht wurden, für die Handgelenke eines so stark gebauten Mannes, wie Wilson, zu klein waren, drückte Porteous sie mit eignen Händen und mit großer Kraftanstrengung so fest zusammen, daß sie konnten zugemacht werden, was dem unglücklichen Delinquenten große Qual verursachte. Wilson machte Vorstellungen gegen diese barbarische Behandlung und erklärte, daß der Schmerz seine Gedanken von dem Gegenstande des Nachdenkens ablenke, der für einen Mann in seiner unglücklichen Lage geeignet sei.

»Das thut nichts,« versetzte Capitain Porteous; »Eure Qual wird bald zu Ende sein.«

»Sie sind sehr grausam,« antwortete der Leidende. »Sie wissen nicht, wie bald Sie selber in der Lage sein mögen, die Gnade zu erflehen, die Sie jetzt einem Mitmenschen verweigern. Möge Gott Ihnen vergeben!«

Diese Worte, die noch lange später erwähnt wurden, waren die einzigen, welche zwischen Porteous und seinem Gefangenen gewechselt wurden; doch als sie weiter gesagt, und dem Volke bekannt wurden, vermehrten sie in hohem Grade das Mitleid mit Wilson und erregten einen verhältnißmäßigen Grad von Unwillen gegen Porteous, gegen den das gemeine Volk, da er sehr strenge und selbst gewaltthätig in der Ausübung seines nicht sehr beliebten Amtes war, einige wirkliche und viele eingebildete Klagegründe hatte.

Als die schmerzliche Procession beendet und Wilson mit seiner Begleitung bei dem Schaffot auf dem Krautmarkt angekommen war, bemerkte man kein Zeichen von einem Versuch, ihn zu befreien, und weßhalb man alle diese Vorkehrungen getroffen hatte. Die Menge im Allgemeinen sah mit größerer Theilnahme zu, als bei gewöhnlichen Hinrichtungen, doch wurde nicht der Anfang zu Gewaltthätigkeiten gemacht. Wilson selber schien geneigt den Zeitraum abzukürzen, der die Zeit von der Ewigkeit trennt. Sobald die bei solchen Gelegenheiten gewöhnliche Andacht geendet war, unterzog er sich seinem Schicksal und der Urtheilspruch des Gesetzes wurde vollführt.

Er hatte so lange am Galgen gehangen, bis das Leben gänzlich erloschen war, als plötzlich, wie durch einen plötzlich empfangenen Antrieb, ein Tumult unter der Menge entstand. Es wurden viele Steine nach Porteous und seinen Soldaten geworfen, und nachdem der Pöbel einiges Unheil angerichtet hatte, drängte er sich mit Geschrei, Geheul und Zurufen vorwärts. Ein junger Bursche, der eine Matrosenmütze über das Gesicht gezogen hatte, sprang auf das Schaffot und schnitt den Strick ab, woran der Delinquent hing. Andere näherten sich, um die Leiche fortzutragen, entweder um ihr ein anständiges Begräbniß zu verschaffen, oder um Versuche zu machen, sie wieder zu beleben. Kapitain Porteous wurde durch diese anscheinende Widersetzlichkeit gegen seine Autorität in so heftige Wuth versetzt, daß er vergaß, wie es seine Pflicht sei, nachdem die Hinrichtung vollzogen worden, sich auf keine Feindseligkeiten mit der irre geleiteten Menge einzulassen, sondern sich mit seinen Leuten so schnell als möglich zu entfernen. Er sprang von dem Schaffot herunter, riß einem seiner Soldaten das Gewehr aus der Hand, befahl seinen Leuten Feuer zu geben, und ging, wie mehrere Augenzeugen eidlich aussagten, den Soldaten mit seinem Beispiele voran, indem er das Gewehr abfeuerte und auf der Stelle einen Mann erschoß. Mehrere seiner Leute folgten seinem Befehl oder seinem Beispiel; sechs oder sieben aus dem Volkshaufen wurden erschossen und eine große Anzahl beschädigt und verwundet.

Nach dieser gewaltsamen Handlung zog der Capitain mit seinen Leuten ab, um sie zu ihrem Wachthause in High Street zu führen. Die Menge, nicht so wohl erschreckt als entrüstet durch das Geschehene, verfolgte ihn mit Verwünschungen und Steinwürfen. So gedrängt, wandten sich die letzten von den Soldaten um, schossen aufs Neue und richteten eine große Verwüstung unter dem Volke an. Es wurde nicht genau bekannt, ob dies auch auf Befehl des Capitains geschah; doch ihm, und ihm allein wurde alles an jenem Unglückstage angerichtete Unheil zur Last gelegt. Als er bei dem Wachthause ankam, entließ er seine Soldaten, und eilte zu der Stadtobrigkeit, um über die unglücklichen Ereignisse des Tages Bericht zu erstatten.

Gewiß waren schon einige Zweifel wegen der Rechtmäßigkeit seines Verfahrens in ihm angeregt, und der Empfang, welcher ihm von diesen Herren zu Theil wurde, machte ihn noch geneigter, dasselbe zu beschönigen. Er leugnete, daß er Befehl zum Feuern gegeben; er leugnete, daß er mit eigener Hand gefeuert habe; er zeigte sogar das Gewehr vor, welches er als Officier führte; es war noch geladen. Von drei Patronen, die man ihn am Morgen in seine Patrontasche hatte stecken sehen, befanden sich noch drei darin; ein weißes Taschentuch wurde in die Mündung gesteckt und unbeschmutzt herausgezogen. Dies konnte ihm jedoch nicht zur Rechtfertigung dienen, da seine Ankläger behaupteten, er habe nicht mit seinem eigenen, sondern mit einem fremden Gewehr geschossen. Unter den vielen, welche waren getödtet worden, befanden sich mehrere von höherem Range; denn selbst die Menschlichkeit solcher Soldaten, welche über die Köpfe der Menge weggeschossen, wurden in einigen Fällen den Personen tödtlich, welche in den Fenstern standen, oder die Scene aus der Ferne beobachteten. Laut und allgemein sprach der öffentliche Unwille gegen ihn, und ehe noch die Zeit die Gemüther besänftigen konnte, wurde ein Criminalproceß gegen ihn eröffnet. Viele Zeugen wurden abgehört, deren Aussagen zwar nicht ganz übereinstimmend waren; das Verdict des Geschwornengerichts bewies jedoch hinlänglich, daß man dieser Zeugenaussage vollen Glauben schenkte. Es fiel dahin aus, daß John Porteous ein Gewehr unter das bei der Hinrichtung versammelte Volk abgeschossen, daß er seinen Soldaten befohlen habe zu feuern, wobei mehrere Personen getödtet und verwundet worden; aber zu gleicher Zeit, daß der Gefangene und seine Leute von Steinen, welche die Menge auf sie geworfen, getroffen und verwundet worden. Auf dieses Erkenntniß hin sprachen die Richter das Todesurtheil über den Capitain John Porteous aus, und verurtheilten ihn, in gewöhnlicher Weise an dem Galgen auf dem Richtplatze am Mittwoch den 8ten September 1736 sein Leben zu enden. Alle seine bewegliche Habe wurde, nach dem schottischen Gesetz in Fällen absichtlichen Mordes, dem Staate zuerkannt.


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