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Das englische Volk befand sich damals in recht jammervoller Lage. König Richard war fern und in Gefangenschaft des grausamen und treulosen Herzogs von Österreich. Prinz Johann machte im Bunde mit Philipp von Frankreich all seinen Einfluß auf den Österreicher geltend, um seines Bruders Gefangenschaft zu verlängern und die Thronfolge, indem er seine Partei im Königreiche in der Zwischenzeit nach Kräften verstärke, dem rechtmäßigen Erben, seinem älteren Bruder, dem Herzog Arthur von Britannien, zu entreißen – was ihm dann ja auch gelungen ist. Johann war ein treuloser, lasterhafter Charakter und wußte leicht all die um sich zu scharen, die ihrer Taten wegen die Rückkehr Richards aus dem Morgenlande zu fürchten hatten, und all jene, die von den Kreuzzügen heimgekommen waren, behaftet mit den Lastern des Orients und in ihrer Armut und Hoffnungslosigkeit beseelt von dem Triebe, im Bürgerkriege neue Schätze zu ernten. Hierzu kam noch, daß es infolge der Bedrückungen des Lehnsadels von Geächteten im Lande wimmelte, die sich zu Banden zusammengetan hatten und in den Wäldern und Wildnissen ihr Wesen trieben, allen Gesetzen und der Obrigkeit Hohn sprechend. Die Adligen selbst machten sich auf ihren Schlössern zu Häuptern von Banden, die es nicht besser trieben als die erklärten Banditen. Unter all diesen Beschwerden litt das Volk in der Gegenwart und fürchtete mehr noch für die Zukunft. Aber bei all dem Elend nahm der Arme wie der Reiche, der Vornehme wie der Geringe an einem Schauspiel teil, das damals die größte Sehenswürdigkeit war. Das Turnier, wie man diese kriegerischen Veranstaltungen nannte, fand zu Ashby statt, in der Grafschaft Leicester. Streiter von hohem Namen sollten sich vor dem Prinzen Johann in eigener Person messen, der selber in die Schranken zu treten beabsichtigte.
Der Platz war herrlich gelegen. Mitten in einem Walde, der bis auf eine Meile an die Stadt Ashby herantrat, lag eine Wiese, die mit ihrem glatten Boden wie geschaffen für das kriegerische Spiel erschien. Der Raum maß etwa eine englische Meile in der Länge und eine halbe in der Breite und hatte die Form eines Vierecks, dessen Ecken zur besseren Bequemlichkeit der Zuschauer abgerundet waren. Am Süd- und Nordende lagen die Zugänge für die Kämpfer, starke, hölzerne Tore, die so breit waren, daß zwei Reiter nebeneinander hindurchkonnten. An jedem Tore stand ein Herold mit sechs Trompetern und einer kleinen Abteilung bewaffneter Mannschaft. Außerhalb des Kampfplatzes waren vorm Südende auf einer kleinen Erhöhung fünf prachtvolle Zelte aufgeschlagen, die schwarz und golden geschmückt waren, Das waren die Farben der fünf Ritter, die die Herausforderungen zum Turnier erlassen hatten. Vor jedem Zelte hing der Schild des Ritters, und ein Knappe in zierlicher Tracht, je nach dem Geschmacke seines Herrn als Wilder, als Waldbewohner oder in sonst einem phantastischen Kostüm gekleidet, stand davor. Den Ehrenplatz unter den Zelten hatte Brian de Bois-Guilbert inne, dessen Herausforderung dank seinem Ruhm in allen ritterlichen Übungen von den ruhmreichsten Streitern angenommen worden war. Neben seinem stand das Zelt des Reginald Front-de-Boeuf und Philipps von Malvoisin. An der andern Seite lag der edle Baron Hug von Grant-Mesnil, und das fünfte Zelt gehörte einem Ritter vom Johanniter-Orden, Ralph de Vipont. Der Zugang vom Norden her war ein ebensolcher Einlaß, an dessen äußerem Ende sich ein breiter umfriedeter Raum für die zum Turnier gemeldeten Gegner öffnete. Tribünen, die mit Teppichen und Polstern belegt waren, bildeten die Plätze für die Damen; die Freisassen und alle, die nicht zum gemeinen Volk gehörten, hatten einen Raum zwischen den Tribünen und den Schranken inne, ähnlich dem Parkett eines modernen Theaters. Die große Masse fand auf Rasenbänken Platz. Auch auf den Bäumen ringsum hockten eine Menge Zuschauer.
An der Ostseite der Tribünen, gerade gegenüber dem Punkte, wo die Streiter aufeinander treffen mußten, war eine Art Baldachin mit den königlichen Insignien angebracht. Um diesen für den Prinzen bestimmten Platz stand eine Schar reichgekleideter Edelherren, Pagen und Freisassen. Diesem Ehrenplatz gegenüber, also an der Westseite, fiel ein ähnlicher Sondersitz ins Auge, der nur nicht ganz so prächtig geschmückt war. Um diesen grün und rot ausgelegten Platz stand eine Schar von grün und rot gekleideten Pagen und Mädchen, und zwischen Wimpeln und Bannern, die mit Köchern, Bogen und Pfeilen und blutenden Herzen und allen möglichen Sinnbildern der Triumphe Amors bemalt waren, prangte eine Inschrift, aus der hervorging, daß dieser Platz für die Königin der Liebe und der Schönheit bestimmt sei. Wer aber diese Auserkorene sein würde, war jetzt noch nicht zu sagen. Die Plätze der Zuschauer füllten sich indessen allmählich und auf den Tribünen wurde die Zahl der Edeldamen und Herren immer stattlicher, und der Raum unter ihnen war gleichfalls schon dicht gefüllt von Bürgern und handfestem Landvolk, zwischen denen es öfter zu Streitigkeiten kam.
Reich gekleidet und in einen mit Spitzen besetzten und mit Pelz gefütterten Mantel gehüllt, suchte Isaak von York für sich und seine Tochter Rebekka einen guten Platz zu finden. Sie war in Ashby mit ihm zusammengetroffen. Und während sich beide noch durch die Menge wanden, erregte die Ankunft des Prinzen Johann die allgemeine Aufmerksamkeit. Er ritt mit einem zahlreichen Gefolge herein, in dem sich auch der Prior von Jorlvaux in so prächtiger Kleidung befand, wie es seine kirchliche Würde nur irgend zuließ. Herrlich zu Roß und prunkend gekleidet, einen Falken auf der Hand, auf dem Kopfe ein Pelzbarett und einen Kranz von Edelsteinen, das lange Haar in Locken um die Schultern, so sprengte Prinz Johann in die Schranken. Er unterhielt sich laut und lachend mit seinem Gefolge und musterte mit der Kühnheit eines königlichen Beurteilers die Schönheiten auf den Tribünen. Wohl trugen die Züge des Prinzen das Gepräge der Ausschweifung, der rücksichtslosen Selbstsucht und des Hochmutes, aber doch fehlte es ihnen nicht an einer gewissen Anmut, wie sie eine offene, wohlgeformte und künstliche zu äußerlicher Höflichkeit gewöhnte Miene immer aufweist. Leicht wird wohl ein solches Wesen als Edelsinn, Offenheit und männlicher Freimut angesprechen, und doch steckt nichts weiter dahinter als selbstsüchtige Gleichgültigkeit, Lust zu Ausschweifungen und Dünkel auf Rang und Reichtum. Für die, die nicht in die Tiefe schürften, und ihre Zahl verhielt sich wie eins zu hundert, waren die prunkende Erscheinung des Prinzen, sein Zobelmantel, seine Maroquinstiefel und seine goldenen Sporen Grund genug, ihn mit lautem Beifallsjubel zu empfangen.
Das Auge des Prinzen fiel bei seinem Umritt sogleich auf den Juden und seine Tochter, die vergebens Platz zu finden suchten und mit harten Worten allerorten zurückgewiesen wurden. Und selbst dem scharfen Kennerblick des Prinzen Johann erschien die Gestalt der Rebekka den stolzesten Schönheiten Englands ebenbürtig. Ihr regelmäßiger Wuchs kam durch ihre orientalische Kleidung noch mehr zur Geltung. Zu ihren dunkeln Augen stand der gelbseidene Anzug wundervoll. Herrliche Brauen wölbten sich unter der weißen Stirn, die Zähne waren wie Perlen, und das reiche schwarze Haar fiel zu einzelnen Locken gewunden auf den schneeweißen Hals und Busen hinab, die von einem persischen Seidenschal zum Teil bedeckt waren. Um den Hals trug sie ein Brillantenkollier, das von unschätzbarem Wert sein mußte.
»Bei dem kahlen Schädel Abrahams,« sagte Prinz Johann, »die Jüdin ist ein Prachtexemplar. Was sagt Ihr, Prior Aymer? Fürwahr, sie ist die Braut des Hohen Liedes selber.«
»Eine Rose Sarons und eine Lilie im Tal!« antwortete der Geistliche in singendem Tone. »Aber Euer Hoheit müssen bedenken, es ist nur eine Jüdin.«
»Sieh! da ist ja auch ihr Vater,« sagte der Prinz, ohne auf seine Worte zu hören, »der Baron von Byzanz, der Marquis von Mammon. Beim heiligen Markus, der Wucherfürst soll mit seiner Tochter einen Platz auf der Tribüne bekommen. He, Isaak! wer ist die morgenländische Houri, die du am Arme führst, dein Weib oder deine Tochter?«
»Meine Tochter Rebekka, zu Euer Hoheit Befehl,« antwortete Isaak mit einem tiefen Bückling. Die Ansprache des Prinzen setzte ihn nicht in Verlegenheit, denn zur Zeit gerade stand der Prinz mit den Juden von York in Unterhandlung wegen einer Anleihe, und bei diesem Geschäft war Isaak in hervorragender Weise beteiligt.
»Ob Tochter oder Weib,« erwiderte der Prinz, »sie soll einen Platz haben, wie er ihrer Schönheit und deinen Verdiensten gebührt. Wer sitzt dort oben?« rief er, nach der Tribüne hinaufschauend. »Sächsische Bauern? Herunter mit ihnen! Sie sollen Platz machen für meinen Wucherfürsten und seine liebliche Tochter!«
Die, denen diese beleidigenden Worte galten, waren Cedric der Sachse und Athelstane von Conningsburgh mit ihren Familien. Der letztere war als Abkömmling des letzten Königs von England unter allen eingeborenen Sachsen im nördlichen England sehr geachtet. Mit dem uralten Blute dieses königlichen Geschlechts war aber auch manche seiner Schwächen auf Athelstane übergegangen. Sein Gesicht war nicht häßlich, seine Gestalt war kraftvoll, und er stand in der Blüte der Jahre. Aber in seinen Bewegungen lag Schwerfälligkeit und Trägheit, seine Augen waren ohne Ausdruck, und wegen seiner Unentschlossenheit hatte er den Beinamen eines seiner Ahnen erhalten und hieß Athelstane der Unentschlossene.
An diesen Mann richtete der Prinz seinen Befehl, dem Juden Platz zu machen. Bestürzt über dieses Verlangen, das nach den Sitten und Ansichten der damaligen Zeit eine schwere Beleidigung enthielt, wollte Athelstane nicht gehorchen und wußte doch auch nicht, wie er Widerstand leisten sollte. Er setzte daher dem Prinzen lediglich passiven Widerstand entgegen, und ohne sich zu erheben oder eine Bewegung zu machen, die seine Bereitwilligkeit bekundet hätte, stierte er den Prinzen mit seinen großen grauen Glotzaugen an – das machte sich ungemein komisch, aber der ungeduldige Prinz Johann faßte die Sache anders auf.
»Das sächsische Schwein schläft wohl oder versteht es mich nicht?« rief er. »Rüttle den Kerl mit der Lanze auf, Bracy!« So hieß der Ritter, der neben dem Prinzen ritt. Er streckte seine lange Lanze über den Raum, der zwischen der Tribüne und den Schranken lag, und hätte wohl den Befehl des Prinzen ausgeführt, noch ehe Athelstane der Unentschlossene die Besonnenheit gefunden hätte, auch nur dem Stoße auszuweichen. Aber Cedric, der ebenso schnell wie sein Gefährte langsam war, hatte blitzschnell sein Schwert gezogen und mit einem Schlag die Lanzenspitze von dem Speere getrennt. Prinz Johann wurde rot vor Wut. Er stieß einen gräßlichen Fluch aus und war im Begriffe, in seinem Jähzorn eine Gewalttätigkeit zu begehen, aber sein eigenes Gefolge umringte ihn und sprach auf ihn ein, sich doch zu beruhigen, auch erscholl ringsum rauschender Beifall zu Cedrics mutiger Tat. Der Prinz sah verächtlich um sich her, da begegnete sein Auge einem Bogenschützen, der ein grünes Wams anhatte, ein silbernes Wehrgehänge um den Leib, einen Köcher mit zwölf Pfeilen und einen sechs Fuß langen Bogen trug. Der Mann schrie laut Beifall, und Prinz Johann fragte ihn, weshalb er so lärme.
»Ich rufe stets mein Bravo,« antwortete der Bogenschütze, »wenn ich einen guten Schuß oder einen derben Hieb sehe.«
»So?« versetzte der Prinz, »und du triffst wohl auch immer das Ziel?«
»Jawohl, das bei Weidmännern übliche Ziel auf die übliche Entfernung treffe ich wohl.«
»Bei Sankt Grizzel,« sagte der Prinz, »wir wollen eine Probe deiner Geschicklichkeit sehen.«
»Ich werde mich der Aufgabe nicht entziehen,« war die beherzte Antwort.
»Inzwischen steht auf da, Ihr sächsischen Grobiane!« rief der stolze Prinz. »Denn beim Lichte des Himmels, da ich es einmal gesagt habe, so soll der Jude auch zwischen Euch sitzen.«
»Mit nichten, Euer Hoheit,« sagte der Jude, »es geziemt sich nicht für unsereinen, bei den Oberhäuptern des Landes zu sitzen.«
»Hinauf mit dir, ungläubiger Hund, wenn ich es dir befehle!« rief der Prinz, »sonst laß ich dir dein zähes Fell abziehen und eine Satteldecke draus gerben.«
Der Jude begann die hohen engen Stufen hinanzusteigen.
»Ich will mal sehen, wer ihn aufhalten wird,« sagte der Prinz, den Blick fest auf Cedric geheftet, der entschlossen schien, den Juden hinunterzuwerfen. Der Narr Wamba kam aber dieser vielleicht verhängnisvollen Handlung zuvor, indem er zwischen seinen Herrn und Isaak sprang und auf des Prinzen Worte mit dem Rufe antwortete: »Meiner Treu, ich halt ihn auf!«
Er hielt dem Juden ein Stück geräuchertes Schweinefleisch unter die Nase, das er unter seinem Kittel hervorzog. Er hatte sich wahrscheinlich damit versehen, für den Fall, daß er während des Turniers Appetit bekommen sollte. Als der Jude ein von seinem Volke so verabscheutes Stück gerade vor seiner Nase und das hölzerne Schwert des Narren über seinem Haupte sah, geriet er ins Wanken, trat fehl und kollerte zur hellen Belustigung der Zuschauer die Stufen hinunter. Prinz Johann stimmte herzhaft in das allgemeine Gelächter ein.
»Mir gebührt der Preis!« rief Wamba. »In ehrlichem Kampfe hab ich meinen Feind mit Schild und Schwert bezwungen!«
»Wer bist du, edler Kämpe?« fragte lachend der Prinz.
»Ich bin ein Narr und heiße Wamba.«
»Nun denn, so macht hier unten Platz für den Juden,« sagte jetzt der Prinz, zufrieden, daß er mit Anstand von seinem Vorhaben ablassen konnte. »Der Besiegte darf nicht neben dem Sieger sitzen, das wäre gegen die Vorschrift.« Dann wandte er sich noch einmal an den Juden. »Isaak! Leih mir eine Handvoll Byzantiner!«
Der Jude erschrak über die Forderung und kam ihr nur ungern nach; dennoch hatte er nicht den Mut, sie abzuschlagen und kramte zaudernd in der Tasche herum, die er am Gürtel hatte und probierte, wie viel oder wie wenig Münzen wohl eine Handvoll sein möchten. Aber Prinz Johann sprang ungeduldig vom Pferde und machte Isaaks Bedenken ein Ende, indem er ihm die ganze Tasche vom Gürtel riß. Dann warf er dem Narren ein paar Goldstücke zu und galoppierte weiter um die Schranken, den Juden dem Spott der Umstehenden überlassend, während ihm selber so lauter Beifall wurde, als hätte er eine edle, ehrenvolle Tat vollbracht.
Als Prinz Johann auf seinem Throne Platz genommen hatte, gab er den Herolden ein Zeichen, die Turniervorschriften zu verlesen, die in Kürze folgende Bestimmungen enthielten:
Erstens: Die fünf Streiter nehmen es mit allen, die sie fordern, auf.
Zweitens: Jeder, der herausfordert, kann sich unter den Streitern seinen Gegner wählen, indem er seinen Schild mit der Lanze berührt. Geschieht dies mit umgekehrter Lanze, so gilt es nur einen Zweikampf der Courtoisie, das heißt, an den Lanzen ist dann ein Lederball befestigt. Wird aber der Schild mit scharfer Spitze berührt, so gilt es einen Zweikämpf mit tödlichen Waffen, der sich von einem Zusammentreffen in der Schlacht in nichts unterscheidet.
Drittens: Wenn die anwesenden Ritter ihr Gelübde erfüllt und jeder fünf Gänge ausgefochten hat, so erklärt der Prinz, wer der Sieger des ersten Tages ist, der dann ein prachtvolles Streitroß als Preis erhält und obendrein das Vorrecht, die Königin der Liebe und der Schönheit zu ernennen, die dann den Sieger des zweiten Tages krönen wird.
Viertens: Es wird kund und zu wissen getan, daß am zweiten Tage ein allgemeines Turnier stattfinden soll, an dem jeder anwesende Ritter teilnehmen darf. In zwei Parteien sollen sie so lange kämpfen, bis der Prinz selber den Strauß für beendet erklärt. Dann soll die erwähnte Königin der Liebe und der Schönheit den Ritter krönen, den Prinz Johann als den tapfersten bezeichnet. Er erhält eine goldene Lorbeerkrone. Mit diesem zweiten Tage enden die ritterlichen Spiele und es folgen Bogenschießen, Stiergefechte und andere Volksbelustigungen. Den Schluß bildete der gewöhnliche Heroldsruf: »Largesse! Largesse!«
Dann verließen die Herolde die Schranken und es blieb niemand darin als die beiden Marschälle des Turniers, William de Wywil und Stephan de Martival, die von Kopf bis zu Fuß in Harnisch wie aus Erz gegossen an den beiden Enden der Schranken standen. Der Raum vor dem Nordende der Schranken hatte sich inzwischen ganz mit Rittern gefüllt. Von den Tribünen gesehen, erschienen sie wie ein Meer von wogenden Federbüschen, blitzenden Helmen und ragenden Lanzen, und endlich taten sich die Barrieren auf, und die fünf Ritter, die durch das Los bestimmt waren, ritten langsam auf den Kampfplatz. Einer ritt an der Spitze, die anderen folgten zu zweien und zweien, die feurigen Rosse zügelnd, um ihre Gewandtheit im Reiten zu zeigen. Gleichzeitig erklang hinter den Zelten der Herausforderer hervor, wo die Musikanten verborgen waren, eine wilde Musik.
Unter den Augen der vielköpfigen Menge ritten die Kämpfer nun nach dem kleinen Plateau, wo sich die Zelte der Herausforderer befanden, und jeder berührte mit umgedrehter Lanze den Schild dessen, mit dem er sich messen wollte. Dann zogen sie sich wieder nach dem äußersten Ende der Schranken zurück und stellten sich hier in einer Linie auf, während die Herausforderer aus ihren Zelten traten, ihre Pferde bestiegen und, von der Anhöhe herabreitend, gegenüber den einzelnen Rittern, die ihren Schild berührt hatten, Aufstellung nahmen. Unter Hörner- und Trompetenklang rannten sie nun in vollem Galopp aufeinander los, und so überwiegend war die Gewandtheit der herausfordernden Partei, daß die Gegner Malvoisins, Bois-Guilberts und Front-de-Boeufs zu Boden stürzten. Grand-Mesnils Gegner verfehlte den Anlauf und anstatt seine Lanze am Helm oder Schild seines Gegners zu zerbrechen, brach er sie quer über seinem Leibe entzwei. Das war noch schmachvoller, als wenn er niedergeworfen worden wäre, weil es an Ungeschicklichkeit in der Führung der Waffe lag, während ein Sturz auch manchmal durch einen Zufall erfolgen kann. Der fünfte Ritter allein rettete die Ehre seiner Partei, indem er ritterlich mit dem Johanniter die Lanze brach, ohne daß einer vor dem anderen einen Vorteil errungen hätte.
Das laute Geschrei der Menge, das Beifallsgebrüll der Herolde und das Trompetengeschmetter verkündete den Triumph der Sieger und die Niederlage der Besiegten. Die ersteren kehrten nach ihren Zelten zurück, die letzteren rafften sich auf, so gut es ging und verließen unter allseitigem Spott die Schranken, um dann mit den Siegern über den Preis zu verhandeln, um den sie Pferd und Waffen, die nach den Bestimmungen den Siegern verfallen waren, behalten könnten. Der fünfte Ritter allein blieb ein wenig länger, sich an dem Beifall der Menge weidend.
Eine zweite und dritte Gruppe zog ins Feld, und obgleich der Erfolg wechselte, blieb doch in der Hauptsache der Sieg auf der Seite der Herausforderer. Von ihnen wurde nicht einer aus dem Sattel gehoben oder machte einen Fehlstoß, was doch bei ihren Gegnern des öfteren zutraf. Auch schien der Mut der Gegner nachzulassen angesichts des dauernden Glückes der anderen, denn beim vierten Gange erschienen nur noch drei Gegner, die sich weder mit Front-de-Boeuf, noch mit Bois-Guilbert maßen, sondern mit den drei anderen, die weit weniger Kraft und Gewandtheit gezeigt hatten. Aber auch diese Vorsicht änderte am Ausgange des Kampfes nichts. Die Herausforderer blieben Sieger. Einer der Gegner wurde geworfen, die beiden anderen verfehlten den Anstoß. Nach diesem vierten Gange trat eine lange Pause ein, und es schien niemand zur Fortsetzung des Kampfes Lust zu haben.
Bald aber erklangen von neuem die Stimmen der Herolde: »Liebe den Damen! Brecht Eure Lanzen! Kämpft tapfer, Ihr Ritter! Schöne Augen sehen hernieder auf Eure Taten!« Dazwischen klang in wilden Tönen die Musik der Herausforderer, Sieg und Trotz in ihren Klängen. Das Volk begann sich zu ärgern, daß der Festtag hinzugehen drohte, ohne daß man was Ordentliches zu sehen bekam, und alte Ritter und Edelherren beklagten sich leise, daß der kriegerische Geist im Schwinden sei. Sie schwatzten von den Siegen ihrer jungen Jahre. Prinz Johann gab schon seinem Gefolge Weisung, das Festessen herzurichten und meinte, daß er wohl den Preis Bois-de-Guilbert geben müsse, der zwei Ritter geworfen und einen dritten noch schmählicher heimgeschickt habe.
Die Musik der Herausforderer hatte eben eine lange und kühne Fanfare zu Ende geblasen, da gab vom Nordende her eine einzelne Trompete eine herausfordernde Antwort. Aller Augen wandten sich mit einemmal dorthin, um den neuen Kämpfer zu sehen, den dieser Trompetenstoß ankündigte.