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Zwölftes Kapitel.

Oft läßt sich auch das wild'ste Roß bezähmen,
Und selbst das trägste zeigt zuweilen Feuer;
Oft pfleget auch der Mönch den Narr'n zu spielen,
Dagegen spielt der Narr den Mönch.

Ballade.

Als der Narr in der Kleidung des Eremiten vor dem Schloßthore Front-de-Boeuf's stand, fragte ihn der Wächter nach seinem Namen und Begehr.

» Pax vobiscum!« antwortete der Narr, »ich bin ein Mönch des Ordens vom heiligen Franciscus, und komme in der Absicht, mein Amt bei den unglücklichen Gefangenen zu verwalten, welche in diesem Schlosse festgehalten werden.«

»Du bist sehr kühn,« versetzte der Pförtner, »Dich hierher zu wagen, wo außer unserm eigenen betrunkenen Beichtvater ein Hahn von Deinen Federn gewiß seit zwanzig Jahren nicht gekräht hat.«

»Melde nur mein Geschäft dem Herrn des Schlosses,« versetzte Wamba, »ich werde schon gute Aufnahme finden, und der Hahn wird krähen, daß man ihn im ganzen Schlosse hören soll.«

Der Pförtner überbrachte sogleich die Nachricht von der Ankunft des Mönchs den in der großen Halle Versammelten, und erhielt Befehl, den heiligen Mann sogleich einzulassen.

Wamba's Muth sank doch ein wenig, als er sich Front-de-Boeuf gegenüber sah, und er brachte sein: » Pax vobiscum!« ziemlich ängstlich heraus; indessen war Front-de-Boeuf gewohnt, ganz andere Leute vor sich zittern zu sehen, so daß ihm Wamba's Furchtsamkeit nicht gerade auffiel.

»Wer bist Du, und woher, Priester?« fragte er ihn.

» Pax vobiscum!« wiederholte der Narr, »ich bin ein armer Knecht des heiligen Franciscus, der, durch diese Wälder ziehend, unter Räuber gefallen ist, quidam viator incidit in latrones, heißt es in der Schrift. Diese Räuber nun haben mich in dieses Schloß gesendet, um zwei durch Eure Justiz verurtheilte Personen mit meinem geistlichen Zuspruche zu erfreuen.«

»Recht, heiliger Vater,« erwiederte Front-de-Boeuf, »und kannst Du uns die Anzahl dieser Räuber nicht angeben?«

»Tapferer Herr, ihre Zahl ist Legion, nomen illis legio.«

»Wie viel, will ich wissen! oder, Priester, Dein Rock und Strick werden Dich schlecht beschützen.«

»Je nun, so viel ich schließen kann, Yeomen, Bauern u. s. w. wohl an fünfhundert Mann.«

»Was,« sagte der Templer, der in diesem Augenblicke in die Halle trat, »ist der Wespenschwarm so zahlreich? Nun, so ist's Zeit, die ganze verderbliche Brut zu ersticken.« – Er nahm hierauf Front-de-Boeuf bei Seite und fragte ihn, ob er den Priester kenne?

»Nein!« sagte Front-de-Boeuf, »er ist aus einem entfernten Kloster.«

»Nun, so vertraue ihm Deinen Plan nicht in Worten an,« entgegnete der Templer, »laß ihn einen schriftlichen Befehl an de Bracy's Freicompagnie überbringen, daß sie augenblicklich ihrem Anführer zu Hülfe eilen sollen. Unterdessen und damit der heilige Mann keinen Verdacht schöpft, gestatte ihm frei umherzugehen, um die sächsischen Opferthiere zur Schlachtbank zu bereiten.«

»So sei es,« sagte Front-de-Boeuf, und rief einen Diener, der Wamba zu dem Gefängnisse Cedric's und Athelstane's führen mußte.

Cedric's Unruhe und Ungeduld war durch die Einsperrung eher erhöht als vermindert worden. Er ging von einem Ende der Halle zum andern mit dem Ansehen eines Kriegers, der zum Angriff eines Feindes oder zum Sturme eines belagerten Platzes vorschreitet, bisweilen mit sich selbst redend, bisweilen an Athelstane sich wendend, der mit stoischer Festigkeit den Ausgang des Abenteuers erwartete, und indessen mit großer Fassung die reichliche Mahlzeit verdaute, die er zu Mittag genossen hatte, unbekümmert, wie lange der Zustand der Gefangenschaft für ihn dauern möchte, der denn doch, wie jedes irdische Leiden, seine Endschaft im Himmel finden müßte.

» Pax vobiscum!« sagte der Narr hereintretend, »der Segen des heiligen Dunstan, des heiligen Dionys, des heiligen Duthoc und aller andern Heiligen über Euch!«

»Tritt ein,« antwortete Cedric dem vermeintlichen Geistlichen, »in welcher Absicht kommst Du hierher?«

»Um Euch zu bitten, Euch zum Tode zu bereiten.«

»Unmöglich,« versetzte Cedric, »so schlecht und kühn sie auch sind, so wagen sie doch wohl solche offene und nutzlose Grausamkeit nicht.«

»Wer will sie zähmen?« sagte der Narr – »bedenke also, Cedric, und auch Du, tapferer Athelstane, was Ihr im Fleische gesündigt habt, denn Ihr werdet noch heute vor einem höhern Richter Rechenschaft ablegen müssen.«

»Hörst Du, Athelstane?« sagte Cedric, »wir müssen unsere Herzen zu dieser letzten Handlung stärken, denn es ist doch besser, wir sterben wie Männer, als wir leben wie Sklaven.«

»Ich bin bereit,« sagte Athelstane, »der äußersten Bosheit Trotz zu bieten, und ich werde zum Tode mit derselben Fassung gehen, wie ich zu meinem Mittagsmahle zu gehen pflege.«

»So beginne denn, Vater, mit Deinem heiligen Amte,« sagte Cedric.

»Wart' einen Augenblick, guter Onkel,« versetzte der Narr in seinem natürlichen Tone; »sieh' besser hin, ehe Du ins Dunkel springst.«

»Die Stimme kenn' ich, so wahr ich lebe!« sagte Cedric.

»Es ist die Eures getreuen Sclaven und Narren,« versetzte Wamba, seine Kutte zurückwerfend. »Hättet Ihr früher eines Narren Rath gehört, so würdet Ihr nicht hier sein! Hört ihn jetzt, und Ihr sollt nicht lange mehr hier sein.«

»Wie meinst Du das?« fragte der Sachse.

»Nimm dieses Kleid,« sagte Wamba, »und diesen Strick und gehe ruhig aus dem Schlosse, laß mir Deinen Mantel und Gürtel, um an Deiner Stelle den großen Sprung zu thun.«

»Was?« sagte Cedric voll Erstaunen, – »sie werden Dich hängen, armer Kerl!«

»Laßt sie thun, was sie dürfen,« sagte Wamba, »ich denke – ohne Eurer Herkunft nahe zu treten, – der Sohn des Witleß wird mit eben so viel Anstand an einer Kette hängen, als die Kette an seinem Ahnherrn, dem Alderman, hing.«

»Schön, Wamba,« erwiederte Cedric, »ich will Dein Begehr erfüllen, aber Du mußt Deinen Kleidertausch statt mit mir, mit Lord Athelstane vornehmen.«

»Nein, beim heiligen Dunstan!« versetzte Wamba, »dazu ist wenig Grund vorhanden. Wohl aber dazu, daß der Sohn des Witleß dulden muß, um den Sohn Hereward's zu retten; nicht sonderlich weise wär's von ihm, zu sterben für Einen, dessen Väter ihm fremd waren.«

»Schurke,« sagte Cedric, »Athelstane's Väter waren Monarchen von England.«

»Mögen sie gewesen sein, wer sie wollen,« versetzte Wamba, »ich bleibe bei meinem Ausspruche.«

»O, laß doch den alten Baum fallen,« fuhr Cedric fort, »wenn nur die Hoffnung des Waldes gerettet wird. Athelstane zu retten, ist die Pflicht eines Jeden, in dessen Adern sächsisches Blut fließt. Ich und Du trotzen zusammen der Wuth unserer Tyrannen, indeß er, frei und gesund, den gesunkenen Muth unserer Landsleute belebt, uns zu rächen.«

Jetzt erfolgte ein Streit der Großmuth zwischen Cedric und Athelstane, den jedoch der Narr kurz mit den Worten entschied: »Ich lasse mich durchaus für Niemand hängen, außer für meinen angebornen Herrn.«

»Geht also, edler Cedric,« sagte Athelstane, »verschmäht die Gelegenheit nicht. Eure Gegenwart draußen kann unsere Freunde zu unserer Befreiung ermuthigen, Euer Zurückbleiben würde uns Alle unglücklich machen.«

»Und ist denn eine Aussicht zur Befreiung von außen?« sagte Cedric mit einem Blicke auf den Narren.

»Aussicht? Allerdings,« versetzte Wamba, »laßt Euch sagen, wenn Ihr Euch in meine Kleidung werft, so tragt Ihr den Rock eines Anführers. Fünfhundert Mann stehen draußen, und ich war diesen Morgen einer ihrer Hauptanführer. Meine Narrenkappe diente mir statt des Helms und mein Knittel statt des Commandostabes. Nun, wir werden bald sehen, was sie beim Tausche eines weisen Mannes für einen Narren gewinnen. Ich fürchte, sie werden an Tapferkeit verlieren, was sie an Bedachtsamkeit gewinnen. So leb denn wohl, Herr, und sei freundlich gegen den armen Gurth und seinen Hund Packan; und laß meine Narrenkappe in der Halle von Rotherwood aufhängen, zum Gedächtniß, daß ich mein Leben hingegeben habe für meinen Herrn, wie ein treuer – Narr.«

Der Ton der letzten Worte schwebte zwischen Scherz und Ernst. Denn Cedric standen die Thränen in den Augen.

»Dein Andenken soll erhalten werden,« sagte er, »so lange als Treue und Liebe auf Erden geachtet sind. Doch ich hege das Vertrauen, daß ich Mittel finden werde, Rowena und Athelstane, und Dich ebenfalls, mein armer Wamba, zu retten, so daß Du mich in diesem Punkte nicht überbieten sollst.«

Die Kleidung wurde nun umgetauscht, doch Cedric auch bald von einem Zweifel befallen.

»Ich verstehe keine Sprache als meine eigene,« sagte er, »und wenig Worte normännisch. Wie soll ich mich denn als einen ehrwürdigen Bruder benehmen?«

»Diese Kunst liegt in zwei Worten,« versetzte Wamba, » Pax vobiscum, das genügt auf alle Fragen. Ihr mögt gehen oder kommen, essen oder trinken, segnen oder fluchen, das Pax vobiscum hilft Euch überall durch. Sprecht's nur in einem recht tiefen, dumpfen Tone, und es ist unwiderstehlich. Auf Ritter und Knappen, auf Wachen und Wächter, auf Mann und Roß wirkt es wie eine Zauberformel. Ich glaube, wenn sie mich morgen sollten hängen wollen, was ich jedoch noch bezweifle, ich versuche das Gewicht dieser Worte selbst an den Vollstreckern des Urtheils.«

»Nun denn,« sagte sein Herr, » Pax vobiscum, ich denke, ich werde das schon merken. Edler Athelstane, lebt wohl, und auch Du, mein armer Junge! Dein Herz ersetzt reichlich was am Verstande fehlt! Ich rette Euch, oder ich kehre zurück und sterbe mit Euch! Das Blut unserer sächsischen Könige soll nicht vergossen werden, während noch das meine in den Adern rinnt, auch soll kein Haar dem guten Burschen vom Kopfe fallen, der sein Leben für das seines Herrn wagte, wenn Cedric's Gefahr es hindern kann. Lebt wohl!«

»Lebe wohl, edler Cedric,« sagte Athelstane, »und bedenke, daß es ganz zum Ordensbruder gehört, Erfrischungen anzunehmen, wenn sie ihm geboten werden.«

Mit solchen Ermahnungen zog Cedric zu seinem Unternehmen aus. Es dauerte auch gar nicht lange, so fand er Gelegenheit, die Gewalt der Worte zu erproben, die ihm Wamba als allmächtig empfohlen hatte. In einem niedern und dunkeln Bogengange, durch den er zu der Halle des Schlosses zu gelangen suchte, wurde er von einer weiblichen Gestalt aufgehalten.

» Pax vobiscum!« tönte es von den Lippen des vermeintlichen Bruders, indem er schnell vorüberschlüpfen wollte, da entgegnete eine sanfte Stimme: » Et vobis – quaeso, domine reverendissime, pro misericordia vestra!«

»Ich bin ein wenig taub,« versetzte Cedric auf gut sächsisch, indem er vor sich hinmurmelte: »Verdammt, der Narr mit seinem Pax vobiscum! – Ich habe meinen Spieß bei dem ersten Wurfe verloren.«

»Ich bitte Euch ums Himmels willen, ehrwürdiger Vater,« fuhr die Fremde in seiner eigenen Sprache fort – »habt die Güte, Eure geistliche Hülfe einem Verwundeten in diesem Schlosse zu gewähren, und die Pflichten Eures heiligen Amtes zu seinem und unserem Troste zu verrichten. Nie soll eine gute That Eurem Kloster so einträglich gewesen sein.«

»Tochter,« versetzte Cedric, in großer Verlegenheit, »meine Zeit erlaubt mir nicht, hier im Schlosse die Pflichten meines heiligen Amtes zu erfüllen. Ich muß fort – fort – Leben und Tod hängt an meiner Eile.«

»Und doch, Vater, kann ich nicht ablassen von meiner Bitte,« versetzte die Unbekannte, »verlaßt den Kranken, Unterdrückten nicht mit Eurem Rathe, Eurer Hülfe!«

»Daß mich doch der böse Feind holte und mich in Ifrin ließe mit den Seelen Odin's und Thor's!« erwiederte Cedric höchst ungeduldig; ja, er würde wahrscheinlich gänzlich aus seiner geistlichen Rolle gefallen sein, wäre das Gespräch nicht durch die rauhe Stimme der alten Thurmeule Urfried unterbrochen worden.

»Wie, Täubchen,« sagte sie zu der weiblichen Sprecherin, »belohnst Du so die Güte, welche Dir erlaubt hat, Deine Gefangenzelle zu verlassen? Treibst Du den ehrwürdigen Mann so weit, sich unfeiner Reden zu bedienen, um sich von den Zudringlichkeiten einer Jüdin zu befreien?«

»Einer Jüdin?« sagte Cedric, und bediente sich schnell dieser Nachricht, um sich von dem Aufenthalte zu befreien. »Laß mich Weib! halte mich nicht auf, ich bin's meinem heiligen Amte schuldig; ich muß alle Verunreinigung vermeiden.«

»Hierher!« sagte die Alte. – »Du bist fremd in diesem Schlosse und kannst Dich ohne Führer nicht herausfinden. Hierher, ich habe mit Dir zu sprechen! Und Du, Tochter des verfluchten Stammes, fort in's Gemach des Kranken, pflege ihn, bis ich zurückkomme. Wehe Dir, wenn Du es ohne meine Erlaubniß wieder verlässest!«

Rebecca entfernte sich. Ihre Bitten hatten Urfried endlich bewogen, ihr zu erlauben, aus dem Thurme zu gehen, und Urfried hatte indessen ihre Stelle da eingenommen, wo jene so gern immer dienstleistend geblieben wäre, am Bette des verwundeten Ivanhoe. Mit verständiger Beachtung ihrer gefährlichen Lage, und bereit, jedes Rettungsmittel zu benutzen, das sich ihr darbieten würde, hatte Rebecca einige Hoffnung auf die Gegenwart eines Dieners der Religion gesetzt, der, wie sie von der Urfried erfuhr, in dieses gottlose Schloß gekommen war. Sie wartete nun auf die Rückkehr des Geistlichen in der Absicht, ihn für die Gefangenen einzunehmen, allein mit welchem Erfolge, hat der Leser so eben erfahren.



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