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Von steilen Hügeln rings umgeben,
Wo Eich' und Buche sich erheben,
Durch deren schattig grüne Hallen
Des stolzen Flusses Fluthen wallen, –
So lockst du, süßes Tuskulan,
Durch schlichte, stille Schönheit an! –
Warton.
Woodbourne, die Wohnung, welche Mannering durch Mr. Mac-Morlans Vermittelung auf einige Monate gemiethet hatte, war ein geräumiges, bequemes Haus, dicht am Fuße eines bewaldeten Hügels gelegen, welcher das Haus gegen Nord und Ost schirmte; die Vorderseite übersah eine kleine Ebene, begränzt durch einen Hain alter Bäume; jenseits lag einiges Ackerland, welches sich am Fluß entlang breitete, den man aus den Fenstern des Hauses erblickte. Ein hübscher, obwohl altmodischer Garten, ein wohlversorgtes Taubenhaus und der Besitz von soviel Land, als zur Bequemlichkeit des Haushalts erforderlich war, machte den Ort in jeder Hinsicht, wie die Avertissements gewöhnlich sagen, »passend für den Gebrauch einer anständigen Familie.«
Hier also war Mannering entschlossen, seinen Wanderstab wenigstens eine Zeit lang ruhen zu lassen. Obwohl ein Ostindier, liebte er es doch nicht, mit Reichthum zu prahlen. In der That, er war zu stolz, um eitel sein zu können. Deshalb beschloß er, sich auf dem Fuße eines wohlhabenden Landedelmanns einzurichten, ohne sich oder seiner Familie jenes Gepränge zu gestatten, welches damals als Kennzeichen eines Nabob galt.
Er hatte noch immer den Ankauf von Ellangowan im Auge, welches, nach Mac-Morlans Ansicht, Mr. Glossin bald wieder zu veräußern genöthigt sein würde, da ihm einige der Gläubiger das Recht bestritten, einen so großen Theil der Kaufsumme in Händen zu behalten, während er zur baaren Zahlung wahrscheinlich nicht fähig sei. In diesem Falle, versicherte Mac-Morlan, werde er den Besitz bereitwillig abtreten, wenn ihm nur etwas über den Verkaufspreis geboten würde. Es mag seltsam scheinen, daß Mannering einen Ort so sehr liebte, den er früher nur einmal gesehn hatte und zwar nur kurze Zeit. Aber die Umstände, welche damals stattfanden, hatten sich seiner Einbildungskraft tief eingeprägt. Es schien ein Geschick zu walten, welches die merkwürdigen Vorgänge seiner eigenen Familiengeschichte mit jener der Bewohner von Ellangowan in Zusammenhang brachte, und er fühlte ein geheimnißvolles Verlangen, die Terrasse sein eigen zu nennen, von welcher aus er im Buche des Himmels eine Prophezeiung gelesen hatte, die an der Person des jungen Erben dieser Familie bereits in Erfüllung gegangen war und genau mit einer andern im Zusammenhang stand, welche sich in seiner eignen Familie erfüllt hatte. Ueberdies konnte er, da einmal dieser Gedanke sich seiner bemächtigt hatte, nicht ohne großen Widerwillen denselben bekämpft sehen, und zwar von einem Kerl wie Glossin. So kam der Stolz seiner Laune zu Hilfe, und beide vereinigten sich, um den Ankauf des Gutes womöglich noch zu bewerkstelligen.
Lassen wir Mannering Gerechtigkeit wiederfahren. Der Wunsch, Jemandem im Bedrängniß beizustehen, hatte auch Theil an seinem Entschlusse. Er hatte den Vortheil erwogen, den Julie von Miß Lucy Bertram's Gesellschaft haben könne, auf deren richtigen Verstand und gesundes Urtheil so sicher zu vertrauen war. Dieser Gedanke wurde noch bestärkt, als ihm Mac-Morlan unter dem feierlichen Siegel der Verschwiegenheit ihr ganzes Benehmen gegen den jungen Hazlewood mitgetheilt hatte. Wollte er ihr vorschlagen, ein Glied seiner Familie, fern vom Schauplatze ihrer Kindheit und den Wenigen, die sie Freunde nannte, zu werden, so würde dies weniger zartsinnig gewesen sein; aber zu Woodbourne konnte sie ohne Schwierigkeit auf eine Zeitlang als Gast eingeführt werden, ohne zu der Stellung einer gemeinen Gesellschafterin herabgesetzt zu werden. Etwas zögernd nahm Lucy Bertram die Einladung an, einige Wochen bei Miß Mannering zu wohnen. Sie fühlte nur zu wohl, wie sehr auch des Obersts Zartgefühl die Wahrheit verhüllen mochte, daß sein Hauptbeweggrund dabei das großmüthige Verlangen war, ihr seine Unterstützung und seinen Schutz angedeihn zu lassen, dessen Einfluß in der Nachbarschaft durch seine hohen Verbindungen und seinen noch höhern Rang natürlich noch vermehrt wurde.
Um dieselbe Zeit empfing das verwaiste Mädchen einen Brief von Mrs. Bertram, der Verwandten, an die sie geschrieben hatte, dessen Inhalt kalt und trostlos genug war. Es lag allerdings eine kleine Summe Geld darin, zugleich aber von dem Rathe begleitet, ja recht sparsam zu sein; die Verwandte schlug dabei vor, Miß Bertram möge sich bei einer ruhigen Familie, entweder zu Kippletringan oder in der Nähe, in die Kost verdingen, und obwohl ihr eignes Einkommen gar gering wäre, so wolle sie doch ihre Verwandte nicht darben sehn. Miß Bertram ließ einige sehr natürliche Thränen auf diese kaltherzige Epistel fallen; denn zur Zeit, da ihre Mutter noch lebte, war jene gute Lady fast drei Jahr lang Gast zu Ellangowan gewesen, und nur, als sie ein Vermögen von jährlich 400 Pfund Zinsen erbte, hatte sie dem gastfreundlichen Hause Lebewohl gesagt, welches wohl sonst die Ehre gehabt haben würde, ihr bis zum Tode seines Eigenthümers Schutz zu leihen. Lucy fühlte sich stark geneigt, die schmutzige Spende zurückzuschicken, welche gewiß nur durch einen harten Kampf mit ihrem Geize der alten Dame entrissen worden war. Nach reiflicher Ueberlegung begnügte sie sich indeß, zu schreiben, daß sie das Uebersandte als Darlehn betrachte, welches sie bald zurückzuzahlen hoffe; zugleich benachrichtigte sie ihre Verwandte von der Einladung, die sie vom Oberst und der Miß Mannering erhalten hatte. Diesmal kam die Antwort mit umgehender Post; so sehr besorgt war Mrs. Bertram, daß ein leichtsinniges Zartgefühl oder ähnliches dummes Zeug, wie sie sich ausdrückte, ihre Nichte verleiten möchte, ein so günstiges Anerbieten zurückzuweisen und damit zugleich ihren Verwandten wieder eine Bürde aufzuladen. Lucy hatte daher nun keine Wahl übrig, wofern sie nicht den ehrenwerthen Mac-Morlan's weiter zur Last fallen wollte, welche viel zu freigebig waren, um reich sein zu können. Jene übrige Sippschaft, die anfangs um die Gunst ihrer Gesellschaft wetteiferte, hatte sich neuerdings, theils stillschweigend, theils mit Aeußerungen des Unwillens, daß sie Mac-Morlan's Einladung der ihrigen vorgezogen, gänzlich von ihr entfernt.
Das Schicksal des Dominie Simson würde beklagenswerth gewesen sein, hätte es von einem andern als Mannering abgehangen, welcher ein Bewunderer der Originalität war; eine Trennung von Lucy Bertram hätte ihm gewiß das Herz gebrochen. Mac-Morlan hatte von des Mannes Verfahren gegen die Tochter seines Wohlthäters eine genaue Schilderung gegeben. Als Antwort legte Mannering die Frage vor, ob Simson noch immer die bewundernswerthe Tugend der Schweigsamkeit besitze, durch die er sich so merkwürdig zu Ellangowan auszeichnete. Mac-Morlan bejahte dies. »Lassen Sie Simson wissen,« hieß es in des Obersts nächstem Briefe, »daß ich seinen Beistand brauchen werde, um meines Oheims, des Bischoffs Bibliothek in Ordnung zu bringen, die ich zur See an Ort und Stelle schaffen lasse. Auch werde ich ihn brauchen, um einige Papiere zu copiren und zu ordnen. Stellen Sie ihm seinen Gehalt im Voraus fest, wie es Ihnen passend scheint. Der gute Mann soll anständig gekleidet werden, und seine junge Lady nach Woodbourne begleiten.«
Der wackere Mac-Morlan empfing diesen Auftrag mit großer Freude, erwog jedoch hin und her, wie sich der Punkt ausführen lassen werde, der des würdigen Dominie neue Kleidung betraf. Er betrachtete diesen mit forschendem Blick und es war nur allzudeutlich, daß sein gegenwärtiger Anzug täglich in beklagenswerthern Zustand gerieth. Ihm Geld zu geben, mit der Aufforderung, zu gehen und sich selber auszustatten, dies hieß nur, ihm die Mittel geben, sich lächerlich zu machen. Denn wenn Mr. Simson ein so seltenes Ereigniß vorkam, wie der Ankauf neuer Kleidungsstücke ist, so zogen die Ergänzungen seiner Garderobe, die er nach eignem Geschmack gewählt hatte, gewöhnlich alle Knaben des Ortes Tage lang hinter ihm drein. Wollte man andrerseits einen Schneider bringen, um ihm das Maaß nehmen, und ihm dann, gleich einem Schulknaben, die Kleider ins Haus schicken zu lassen, so mußte ihn das jedenfalls verletzen. Endlich beschloß Mac-Morlan, Miß Bertram zu Rathe zu ziehn und sie um ihre Vermittelung zu bitten. Sie versicherte, daß, obwohl sie sich nicht getraue, eines Gentlemans Garderobe in Stand zu setzen, doch nichts leichter sei, als die des Dominie in Ordnung zu bringen.
»Wenn mein armer Vater zu Ellangowan,« sagte sie, »für nöthig fand, ein Kleidungsstück des Dominie zu erneuern, so ließ er einen Diener bei Nacht in das Zimmer desselben gehen, denn er schlief so fest wie ein Murmelthier; der Diener mußte das alte Kleid wegnehmen und das neue zurücklassen; auch konnte man durchaus nicht bemerken, daß sich der Dominie nur im Geringsten der Verwandlung bewußt sei, die bei solchen Gelegenheiten mit ihm vorgegangen war.«
Mac-Morlan bestellte, Miß Bertram's Rathe gemäß, einen geschickten Kleiderkünstler, der, nachdem er den Dominie aufmerksam betrachtet hatte, das Werk übernahm, ihm zwei Anzüge zu fertigen, nämlich einen schwarzen, und einen rabengrauen; auch sollten beide gehörig passen, zum wenigsten so gut (dies versprach der Künstler) als es bei einem Manne von so außergewöhnlichem Baue in der Macht irdischer Nadeln und Scheeren läge. Als dieser kunstreiche Biedermann sein Werk vollbracht und die Kleider zur Stelle geliefert hatte, nahm Mac-Morlan, entschlossen, seinen Vorsatz allmälig ins Werk zu setzen, am nämlichen Abend ein sehr wichtiges Stück der Kleidung weg und legte an dessen Stelle das entsprechende neue. Als er sah, daß dies ohne bemerkt zu werden hinging, so wagte er sich zunächst an die Weste und schließlich an den Rock. Als er völlig metamorphosirt und zum erstenmal in seinem Leben anständig gekleidet auftrat, bemerkte man, daß der Dominie ein unbestimmtes und verworrenes Bewußtsein von der Verwandlung seines äußern Menschen zu haben schien. Sobald sie diesen zweifelhaften Ausdruck auf seinem Gesichte erscheinen sahen, begleitet von einem Blicke, welcher sich bald auf den Rockärmel heftete, bald wieder auf die Kniee seiner Hosen, wo er wahrscheinlich einige antike Nähterei vermißte, die, mit blauem Zwirn auf schwarzem Grund ausgeführt, einigermaßen wie eine Stickerei aussah, – sobald sie jenes Mienenspiel bemerkten, lenkten sie stets sogleich seine Aufmerksamkeit auf einen andern Gegenstand, bis seine Kleider vermöge der Gewohnheit ihm gehörig auf den Leib paßten. Die einzige Bemerkung, die er je über die Sache hören ließ, war, daß »die Luft von Kippletringan den Kleiderstoffen zuträglich zu sein scheine, denn sein Kleid dünke ihm fast noch so neu, als am ersten Tage, wo er es anlegte, und dies war damals, als er ins Examen ging, um Kandidat des Predigtamts zu werden.«
Als der Dominie zum erstenmal von des Oberst Mannering liberalem Vorschlag hörte, warf er einen eifersüchtigen und zweifelhaften Blick auf Miß Bertram, als argwohne er, daß der Plan ihre Trennung bezwecke; als sich jedoch Mac-Morlan beeilte, ihm zu eröffnen, daß auch sie eine Zeit lang Gast zu Woodbourne sein werde, schlug er seine gewaltigen Hände zusammen und ließ zugleich ein so ungeheures Lachen erschallen, wie das des Afriten im Märchen vom Kalifen Vathek gewesen sein mag. Nach dieser ungewöhnlichen Andeutung der Zufriedenheit blieb er bei Allem was weiter vorging ganz ruhig und passiv.
Es war festgesetzt worden, daß Mr. und Mrs. Mac-Morlan einige Tage vor Mannering's Ankunft Besitz von dem Hause nehmen sollten, theils um Alles gehörig in Ordnung zu bringen, theils um die Uebersiedlung der Miß Bertram aus ihrer Familie nach dem neuen Wohnort so bequem und mit so viel Zartgefühl als möglich zu bewerkstelligen. Demnach war zu Anfang December die Gesellschaft zu Woodbourne eingetroffen.