Aus Brügge reitet im Niederland
Ein königlicher Held,
Er ist der kühne Karl genannt,
Ihm steht kein Feind im Feld.
Sein Auge schwarz und schlummerlos
Schießt in die Ferne weit,
Es sucht in der Alpen Riesenschooß
Des freisten Volkes Streit.
Es glänzt sein Leibrock purpurroth
Von Edelstein und Gold,
Zög' ihm den einer ab im Tod,
Der hätte reichen Sold!
Doch legt darum sein Panzer sich
Mit undurchdrungner Wehr,
Zehntausend Lanzen fürchterlich,
Sie starren um ihn her.
Der Fürsten und der Grafen Schaar
Umringt ihn hoch zu Pferd,
Und eines Jeden Haupt fürwahr
Ist einer Krone wert.
Nicht seines Gleichen hat das Heer
An Zahl und Herrlichkeit,
Es wogt an Glanz und Trotz ein Meer,
Strömt über weit und breit.
Und wie des Herzogs Roß sich bäumt,
Alle Roße steigen in Lust,
Und wie sein Herz von Siegen träumt,
Glüht aller Ritter Brust.
Der prüft sein Schwert, der schwingt mit Macht
Das Banner im Morgenwind,
Mit seines stählernen Kleides Pracht
Blitzt der die Augen blind.
So wallt vorüber mit leichtem Flug
In Gold und Stahl das Heer,
Noch Einer reitet im letzten Zug,
Den drückt kein Panzer schwer.
Und in der Hand kein Schwert ihm blitzt,
Der Waffen ist er baar,
Und statt des Helms die Mütze sitzt
In seinem schlichten Haar.
Doch schweift sein Blick so frei und hell
Wohl über den ganzen Schwarm,
Es wohnt in seinem Aug' ein Quell
Von farbigem Leben warm.
Er sieht sich die Gestalten an,
Als wären sie sein zumeist.
Was er geschaut, in hellem Wahn
Lebt's fort in seinem Geist.
Und hättest du gefragt den Herrn,
Den Herzog von Burgund:
Wer reitet dir dort im Heere fern?
Gesprochen hätte sein Mund:
»Ein kunstbegabter Meister ist's,
Er tauget nicht zur Schlacht,
Doch hab' ich gesiegt mit Hülfe Christ's,
So dient er meiner Pracht;
So dient er mir zu Ruhm und Ehr',
So glänzt an meiner Wand
Der Feinde Tod, ein mähend Heer,
Mein Sieg, von seiner Hand.« –
Und hättest du dann geschaut hinein,
Tief in des Meisters Brust:
O was für wonniger Farben Schein
Aufstrahlte dort in Lust!
Doch ist es nicht der wilde Krieg,
Der kümmert wenig ihn!
Doch ist es nicht des Herzogs Sieg,
Den sein Geist läßt erblühn.
Ein andres Leben entfaltet sich
Aus dieses Heeres Glanz,
Ein ander Bild strahlt königlich
Geziert mit andrem Kranz.
Er trägt in seiner Brust die Welt,
Die Keiner noch geschaut,
Der als ein niedrer Erdenheld
Der Erdengröße vertraut.
Hans Hemmling ist's, der Maler gut,
An sel'gen Bildern reich;
Die Andern schauen im Geiste Blut
Und hören des Schwertes Streich.
Sie treiben die Pferde mit wildem Sporn,
Sie jagen durch Saat und Flur,
Der kühne Herzog reitet voran,
Sie folgen Alle der Spur.
Zu Brügg' um Thor und Mauer
Da schweigt der Tag wie die stille Nacht,
Da hat so finstere Trauer
Der lange, blutige Krieg gebracht.
Viel Ritter sind gesunken
In der Berge Schlucht, in dem kalten Schnee,
Viel Rosse haben getrunken
Von der kühlen Fluth im tiefsten See.
Es ritt durch Tage und Nächte
Der Herzog auch seiner ersten Flucht,
Dann hub er die Wunde Rechte
Und prüft' auf's Neue des Schwertes Wucht;
Und ist auf's Neue gezogen
Hinaus, zu rächen des Heeres Schmach.
Und kommt kein Bote geflogen?
Und sagt das Volk nicht die Kunde nach?
Und kehrt sich nicht die Trauer
In Siegesruf und Freudengelag?
Der Wächter von der Mauer
Er spähet hinaus den langen Tag.
Da pocht zur Abendstunde
Zuletzt an's Thor ein kranker Knecht;
Es schleicht sein Fuß, von der Wunde,
Von der Flucht in's ferne Land geschwächt.
Die Lumpen, die ihn decken,
Verkünden Jammer und eitel Not,
Die Glieder lähmt der Schrecken,
Im Antlitz wohnt der blasse Tod.
»O Bote, voll des Leides!«
Der Wächter von der Zinne schallt,
»Das Heer vergaß des Eides,
Fluch über deine Jammergestalt!«
»»Mein Amt war nicht zu schlagen,««
Sprach drauf der Mann mit Herzeleid,
»»Doch kann ich zeugen und sagen,
Sie liegen Alle, getreu dem Eid.««
»So sprich, die vierzig Tausend?
Sie mähet' alle der wilde Sturm?«
»»Ja, nieder warf er sie brausend,
Vor des Schweizers Speer und vor Nancy's Thurm.««
»Weh mir! So mußt' erbleichen
Der Purpurrock des kühnsten Herrn?«
»»Der hängt als Siegeszeichen
Schon lang im hohen Münster zu Bern.««
»Den Herzog – hat ihn gerettet
Sein rabenschwarzes schnelles Pferd?«
»»Das liegt im Eise gebettet,
Das stolze Haupt zur Tiefe gekehrt.««
»Wo ward der Herr gefunden?
O Knecht, so sprich! hast du kein Ohr?«
»»Mich Schmerzen meine Wunden,
Mach' auf, mach' auf, du Wächter, das Thor!««
Es lag der arme kranker Knecht
Im milden Haus geborgen,
Lang sprach er irre von Mordgefecht,
Vom letzten, blut'gen Morgen.
Er sah im wachen Traum die Noth,
Den Schwarm der Feinde, der Raben,
Die Banner gesunken, die Edlen todt,
Den Herrn im Eis begraben;
Bis daß ein Schlummer lang und tief
Sich seiner Qual erbarmte,
Und was in ihm von Leben schlief,
In Ruhe lind erwarmte.
Jetzt hebt sein Auge leuchtend sich,
Auf springt er von dem Bette,
Es fragt der Fremdling freudiglich
Nach Pinsel und Palette.
Die Diener sprechen: »Krankheitswahn
Hat ihm den Sinn verstöret!«
Sie sehn einander fragend an,
Sie bringen, was er begehret.
»»Nein, Freunde,«« spricht er, »»es ist kein Traum!
Gönnt wir das muthige Streben!
Was ich erlebt, das war nur Schaum,
Jetzt naht das wahre Leben!««
Und auf das öde Tuch mit Macht,
Mit kühnen Pinselstrichen,
Verbreitet er der Farbe Pracht,
Die heut noch nicht verblichen.
Hans Hemmling! tönt's im Hospital,
Hans Hemmling! auf den Gassen;
Mit Bürgern füllet sich der Saal,
Sie können das Glück nicht fassen.
»Das Heil will wieder mit uns sein,
Nicht alles ist verloren!
Die Ehre stellet sich wieder ein
In unsern schwarzen Thoren.«
Der Meister lächelt selig, still,
Fährt fort und fort zu malen,
Und immer größre Wonne will
Aus seinem Bilde strahlen.
Von fernen Burgen führt er her
Die Kön'ge mit Geleite,
Doch nicht mit wildem Kriegesheer
Zu unheilvollem Streite.
Sie alle treibt ein frommer Muth,
Nicht Feindschaft, die sich brüstet,
Der Kleider hohe Farbengluth
Hat nicht der Stolz gerüstet.
Die Demuth wölbt den grauen Bau,
Legt in die Krippe den Knaben,
Und setzt zu ihm die sel'ge Frau,
Und reicht ihm dar die Gaben.
Und Gottes Friede schwebet mild
Um die geweihte Städte,
Der Meister steht vor seinem Bild
Mit dankendem Gebete.
Das ist der Herr, das ist der Held,
In dessen Dienst er lebet,
Das ist die heilige Wunderwelt,
Die stets sein Aug' umschwebet.
Es zückt die Kraft ihm durch die Hand,
Er wird in vielen Bildern
Das überird'sche Vaterland,
Das höchste Leben schildern.
Und Meer und Ström' und Berg und Tal,
Was Herrlich's er gesehen,
Verklärt von seines Pinsels Strahl
Wird alles auferstehen.
In tausend Zügen wird er licht
Der Menschheit Bild uns malen,
Und in Ein göttlich Angesicht
Vereinen alle Strahlen.
So schafft der Meister zu Gottes Ehr',
Es leuchten seine Werke.
Wo blieb der Herzog und sein Heer?
Der Stolz, der Glanz, die Stärke?
Hinunter muß der Erde Pracht
In düstern Grabeshügel,
Das Aechte rettet aus der Nacht
Die Kunst auf ew'gem Flügel. |