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Erstes Kapitel.

Warum die Frau Forstmeister keinen Hunger hat und Jörg aus dem Stall läuft. – Blumen, die keine Freude machen, und ein Händedruck von Robi. – »Mutter, ist's wieder schwer?« – Ein Vorschlag und eine Antwort unter Tränen. – Großmutter ist stark.

 

i Im Forsthause zu Rieneck saß an ihrem Schreibtisch am Fenster eine schwarz gekleidete junge Frau. Ein Bogen Papier lag vor ihr, sie hielt die Feder in der einen Hand, mit der andern stützte sie den Kopf. Wenn sie ein paar Worte geschrieben hatte, flog ihr Blick zum Fenster hinaus über eine Wiese hin in den grünen Tannenwald oder hinauf in den Wipfel der alten Linde, die unmittelbar vor dem Hause ihre Zweige ausstreckte, und es lag ein unsagbar trauriger Zug auf ihrem Gesicht. Das, was sie zu schreiben hatte, kostete sie offenbar einen großen Entschluß, und nur langsam reihte sich Linie an Linie, unterbrochen von wieder Ausgestrichenem und auch von Tränenspuren. Evekätterle, die Magd, streckte ein paarmal den Kopf herein, um dies und das zu fragen, aber die Frau Forstmeister gab so kurze Antworten, wie das Mädchen es gar nicht an ihr gewohnt war, so daß es schnell wieder in die Küche hinausging und kopfschüttelnd zu Jörg, dem Knechte, der Holz ab und zu trug, sagte: »Was nur auch mit der Frau ist! Seit einigen Tagen ist sie oft wie geistesabwesend, und gestern hat sie sogar den guten Reisbrei, den ich ganz besonders fein mit Zucker gebrannt hatte, und den sie sonst so gerne mochte, stehen lassen. 's ist eben nichts mehr, seit der Herr gestorben ist, und ich bin nur begierig, was aus uns allen noch wird.«

Jörg nickte nur, er mußte seine Last Brennholz niedersetzen und in dem Holzraum unter dem Wasserstein unterbringen. Als das geschehen war, stand er auf und wischte sich mit seinem rot und blau gewürfelten Taschentuch den Schweiß ab, denn die Maiensonne brannte schon tüchtig. Dann sagte er: »Glaub's wohl, daß der Frau Forstmeister der Hunger vergeht bei all den Sorgen, die jetzt auf sie hereinkommen! Steckt doch unsereinem noch der gräßliche Schrecken in den Gliedern, als sie den Herrn hereinbrachten und der prächtige Mann, dem man hundert Jahre zugetraut hätte, so elend zerschlagen dalag. Was auch unser Herrgott damit gedacht hat, daß er die Riesentanne gerade entgegengesetzt stürzen ließ, als die Forstleute berechnet hatten? Irgendein innerer Schaden sei dagewesen, von dem man nichts gewußt habe, sagten sie nachher. Aber daß es gerade unsern Herrn hat treffen müssen, und daß damit all dem Glück hier ein Ende gemacht wurde, das kann ich mein Lebtag nicht verstehen, und verschmerzen kann ich's auch nicht.«

Jörg ging weiter, er mußte in den Stall und den Braunen füttern. Ach, wie lange würden auch sie beide noch beisammen sein? Gestern schon war ein Händler dagewesen und hatte das Tier, das nun schon über zehn Jahre hier im Stall gestanden und doch einfach da hergehörte, nach allen Richtungen untersucht. Jörg hätte ihm eins auf die Hand hauen können, so schmunzelnd hatte jener zu seinem Begleiter gesagt: »Der Gaul ist gut gehalten, und wenn er auch schon alt ist, so kann er an irgendeinem Milchwagen oder Metzgerfuhrwerk immerhin noch ein paar Jahre aushalten.«

Der Braune in andern Händen als in den seinigen, – nicht gepflegt, so wie er's gewohnt war, vielleicht geschunden, gehauen und geplagt – Jörgs Herz quoll über, und er mußte hinauslaufen und nur schnell irgendeine feste Arbeit anfangen, sonst hätte er wahrhaftig geheult wie ein altes Weib. Frau Hilde Hagen, die Witwe des Forstmeisters Erich Hagen, war gerade mit ihrem Brief zu Ende gekommen und hatte nur noch ihre Namensunterschrift darunterzusetzen, als die Hecke entlang auf der Landstraße Stimmen laut wurden und zwei Mädchen und ein Bube zur Türe hereinstürmten.

»Mutter, ich bring' dir den ersten Flieder, die Frau Gräfin schickt dir ihn,« sagte der etwa zehnjährige Knabe und legte der Mutter einen Zweig lila Blüten auf den Tisch.

»Mämmeli, jetzt ist mir der Robi wieder zuvorgekommen!« schalt ein ein paar Jahre älteres Mädchen, das gleichfalls einen Blütenstrauß in der Hand trug, und gab dem Bruder einen nicht eben sehr liebreichen Puff.

»Mämmeli, ich habe nur Veilchen und Gänseblümchen, aber gelt, die freuen dich auch?« fragte das Jüngste, ein Mägdlein von ungefähr sechs Jahren, und schob ihre von den heißen Händen etwas zerknutschten Blümlein zu den andern.

Die Mutter legte die Feder beiseite und nickte ihrem Kleeblatt zu. Dann nahm sie all die Blumen zusammen auf, versenkte ihr Gesicht darin und sagte: »O wie schön!«

Daß sich ihr Herz gerade bei dieser Gabe zusammenzog, ahnten die Kinder nicht. Seit dem Begräbnis, wo das ganze Haus voll Blumen und Kränze gelegen hatte, konnte Frau Hilde Blumenduft beinahe nicht mehr ertragen.

»Wie ist's euch gegangen? Was habt ihr erlebt?« fragte sie und gab sich sichtlich Mühe, dem, was die Kinder antworteten, Teilnahme entgegenzubringen.

»Fein ist's gewesen,« sagte Huberta, die Älteste, und sah der Mutter mit ihren dunklen Augen strahlend ins Gesicht. »Denk dir nur, Mämmeli, die Frau Gräfin hat gesagt, sie wolle mit dir sprechen und dir vorschlagen, ob wir nicht alle drei über den Umzug ins Schloß kommen und da bleiben möchten, bis du und Großmama in der Stadt eingerichtet seid. Für Robi ist's auch viel leichter, wenn wir noch ein bißchen bei ihm sind, nicht wahr, Mämmeli? Ich lerne dann noch mit den Jungen, und Herr Hausmann sagt, das Annele könne ganz gut auch dabeisitzen und Buchstaben und Zahlen schreiben. Gelt, Annele, das wird nett sein?«

Sich niederbeugend küßte Huberta die kleine, blonde Schwester stürmisch.

Der Knabe sah währenddessen mit prüfendem Blick die Mutter an; irgend etwas in ihrem Gesicht gefiel ihm nicht, und er legte seine braune Bubenhand in ihre Rechte.

»Mutter, das ist ja nicht für lange, daß du ohne die zwei sein mußt,« – und ein sanfter Druck bewies der Mutter, wie er mit ihr fühlte. Auch Huberta mußte inzwischen empfunden haben, daß ihre Freude der Mutter gegenüber etwas zu stürmisch gewesen, und sie sagte, gleichsam entschuldigend: »Weißt, Mämmeli, ich freu' mich eben so darüber, weil ich dann doch auch noch ein klein wenig länger hier und im Walde sein kann.«

Frau Hildes wehmütiger Zug um den Mund vertiefte sich noch. Sie hatte im stillen recht auf die Hilfe ihrer nun schon Zwölfjährigen gerechnet, und sie mußte sich erst zurechtfinden mit dem Gedanken, allein mit ihrer Schwiegermutter all die kleinen und großen Geschäfte und Unannehmlichkeiten des Umsiedelns zu erledigen. Und doch war es vielleicht richtig so – richtig und fein gedacht von der Schloßherrin, Gräfin Rieneck, die seit einer Reihe von Jahren mitsamt ihrem Gatten der Familie Hagen freundschaftlich nahegestanden war und nach Herrn Hagens Tode, als die Sorgen um die künftige Erziehung der Kinder auf die Verlassene hereindrangen, ihr den Vorschlag gemacht hatte, Robi künftig mit dem jungen Erben auf Rieneck erziehen zu lassen. Forstmeister Hagen und Graf Rieneck waren einst Schul- und Studiengenossen gewesen, Robi und Wolf Sieghardt waren an ein und demselben Tage geboren und hatten bis hierher schon zusammen gelernt. Und seit Siegi, wie er genannt wurde, nach einem schweren Sturze durch ein steifes Bein in vielem gehemmt war, war der Verkehr zwischen Forsthaus und Schloß noch ein viel regerer geworden, ebenso wie die Freundschaft zwischen den beiden Knaben. In den Sommerwochen unterrichtete Herr Hausmann, ein liebenswürdiger junger Lehrer, die beiden. Im Herbst, wo die Familie in die Stadtwohnung übersiedelte, sollten dann die zwei Jungen zusammen ins Gymnasium gehen und unter der Leitung des Hauslehrers ihre Aufgaben machen. Wie herrlich war das ausgedacht, wie gütig von den Herrschaften, die Frau Hilde auf diese Weise über ihre Sorge um die Erziehung eines Sohnes und über all die Fragen, die damit zusammenhingen, hinüberbrachten. Auch die Trennung war ja eigentlich keine; denn die Stadt, in der die Witwe mit ihren Mädchen künftig wohnen sollte, war dieselbe.

»Robi kann ja jederzeit zu Ihnen und den Schwestern kommen,« hatte die Gräfin bestimmt und noch hinzugefügt: »Wie lieb und wert Sie uns sind, Frau Hilde, das wissen Sie.« Als dann Graf Rieneck auch noch in zartester Weise andeutete, daß man ihm auch später für sein Patenkind Robi die Sorge überlassen möchte, da hätte dessen Mutter eigentlich rückhaltslos glücklich und erleichtert sein müssen. Aber tief innen in ihrem Herzen war ein nagendes Weh, das sich nicht unterdrücken ließ. Ihr Bub, ihr Einziger, ihr Röbeli, wie sie ihn als geborene Schweizerin nannte, wurzelte eben in Zukunft in einem andern Boden. Andern Menschen, wenn auch den allergütigsten, sollte er angehören, von ihnen erzogen werden, in ihr Leben eingereiht werden, und zu ihr, der Mutter, würde er ja wohl gewiß oft und gern kommen, aber, wie sie sich vollständig klar machte, künftig nur noch als Gast. Und doch tat gerade dieses Kindes Art ihr jetzt so ganz besonders wohl. Robi hatte die freie, frische und dabei doch ernsthafte Art des Vaters. Das sprach schon aus seinen grundehrlichen Augen und aus seinem, wenn auch fröhlichen, so doch mehr ruhigen Wesen. Er hatte ein ungemein zartes Empfinden für das, was andere bewegte, und wenn er auch lange nicht so stürmisch zärtlich sein konnte wie Huberta und so anschmiegend wie das Annele, so kam ein Händedruck von ihm oder die einfache Frage: »Mutter, ist's wieder schwer?« aus tiefstem Herzensgrund und tut deshalb so unsagbar wohl.

Die Großmutter, gleichfalls eine geborene Schweizerin wie ihre Schwiegertochter, erschien unter der Türe und meldete, daß die Suppe auf dem Tisch stehe.

Sie war jahrelang Pfarrfrau im Dorf Rieneck gewesen, bis ihr Mann gestorben. Seit Anneles Geburt wohnte sie bei dem einzigen Sohn im Forsthaus, überall helfend und die Kinder mit erziehend.

»Was gibt's heute?« rief Huberta und lief eiligst hinaus. Sie freute sich unbändig auf das Essen, und auch die beiden andern hatten nach dem Gange von dem eine halbe Stunde entfernten Schloß her tüchtig Hunger. Die Großmutter aber trat noch einen Augenblick an den Schreibtisch, blickte auf das eng beschriebene Papier und dann auf die Tochter, und indem sie ihr liebreich forschend in die Augen sah, sagte sie: »Wie lautet dein Entschluß, – ja oder nein? Gelt, Kind, das weißt du, daß, wie er auch ausfallen mag, du fest auf meine Zustimmung rechnen darfst?«

Da stand Frau Hilde auf, legte die Arme um den Hals der alten Frau und erleichterte zuerst ihr Herz in Tränen, was sie sich selten gestattete. Dann aber, sich aufraffend und die Augen möglichst rasch trocknend, sagte sie: »Jetzt wollen wir zuerst essen, Mutter; die Kinder warten. Aber dann lies die beiden Briefe in Ruhe in deinem Stüblein durch, auch den von Tante Lina noch einmal, und heute abend noch soll die Antwort abgeschickt werden. Unterschrieben habe ich noch nicht,« setzte sie mit zaghafter Stimme hinzu.

Das Essen verlief, wie immer jetzt, stiller und rascher als sonst, wenn auch die Kinder stets allerlei auf dem Herzen hatten, – der leere Platz am Tisch wirkte auf sie bedrückend.

In der Küche war Evekätterle auch heute wieder mit ihrer Frau höchst unzufrieden, denn das schönste Stück Rehbraten lag noch auf dem Teller, nur ein winziges Stückchen davon war abgeschnitten, und Robi stieß Huberta mahnend an, als diese etwas sehr Lustiges von den Dorfkindern erzählen wollte.

»Du siehst doch, daß Mutter wieder geweint hat!«

Nach dem Essen aber, als Frau Hilde nach ihrer Gewohnheit sich hinaus in die Laube zurückgezogen hatte, – ach, wie war das immer so schön gewesen, als er noch dabei war! – da setzte sich die alte Frau in ihrem sonnigen Giebelstüblein zurecht, nahm die Brille und las die beiden Briefe, den einen von der Schwester ihrer Schwiegertochter, die schon längere Zeit in der Stadt eine Pension für junge Mädchen führte, zuerst. Er lautete:

St., den 29. April 19..

Meine liebe Schwester!

Lange, recht lange habe ich mir überlegt, und nur zaghaft schreibe ich das, was ich Dir vorzuschlagen habe, und doch will ich's tun, obgleich ich weiß, daß mein Plan Dir Unruhe im Herz und wohl auch Weh verursachen wird. Sprechen wir ganz sachlich! Du, liebe Hilde, hast nun ohne Beihilfe Deines vorzüglichen Mannes drei Kinder allein zu erziehen, und ich kann mir Deine Sorgen diesbezüglich vorstellen. Wenn wir auch viele Jahre nicht mehr zusammenlebten, so teile ich sie doch treulich und möchte sie Dir zu erleichtern suchen, soviel in meinen Kräften steht. Meine kleine Mädchenpension, die ich nun schon seit sechs Jahren führe, hat in letzter Zeit wieder Zuwachs bekommen, so daß die Zahl meiner Pensionärinnen auf fünfzehn gestiegen ist. Da ich nun viele Stunden zu geben habe, so ist es mir fast nicht mehr möglich, mich des Haushalts und der Buchführung so anzunehmen, wie es sein sollte. Auch für Beaufsichtigung der Mädchen bei den Aufgaben und in der Freistunde fehlt mir jemand. Mademoiselle Camille allein ist da nicht mehr genügend. Dabei mußte ich auch noch einige Räume, die im dritten Stock zu haben waren, mieten, wodurch ein weiteres Mädchen nötig ist. Und nun kommt mein Vorschlag: Wolltest Du, liebe Schwester, anstatt in eine kleine eigene Wohnung, zu mir ziehen und gemeinsame Sache mit mir machen? Freilich könnte ich Dir mit den beiden Mädchen nur ein Zimmer und ein kleineres Gemach anbieten – die Räume in der Stadt sind kostbar. Du würdest obige Verpflichtungen übernehmen; den Haushalt zu führen verstehst Du ja musterhaft, und da Du früher auch die Lehrerinnenprüfung gemacht hast, so wird es Dir nicht schwer fallen, die Überwachung der Aufgaben von den Mädchen zu übernehmen. Vorteile für Dich wären, daß Du keine eigene Haushaltung zu führen hättest, und daß Deine beiden Mädchen eine tüchtige, kostenlose Erziehung erhalten könnten. Zur Bedingung würde ich machen, daß Deine Älteste, so sie strebsam ist, was ich von ihr erwarte, einstens meine Stütze wird. Daß wir beide, die wir das Leben ernst ansehen, in Frieden zusammen auskämen, hoffe ich. Peinlich ist nur für Dich, daß Deine Schwiegermutter sich von Dir und den Kindern trennen müßte. Das wird Euch schwer fallen. Aber in der Pension wäre kein Platz und die Unruhe auch zu groß für sie. Und dann hat ja, wie Du mir geschrieben, Euer Onkel Jakob kürzlich den Wunsch ausgesprochen, seine einzige Schwester wieder bei sich in der Schweiz zu haben. Der scheint allem nach recht pflegebedürftig zu sein, und so, wie ich die Frau Pfarrer kenne, wird sie ihn nur ungern umsonst bitten lassen. Auch wäre es ja immerhin schön, wenn sie in ihren alten Tagen wieder in ihren Heimatort zurückkehrte und bei ihrem Bruder den Lebensabend beschließen könnte.

Nun überlegt Euch zusammen das, was ich geschrieben, und gib dann bald Antwort

Deiner getreuen Schwester
Lina.

Großmutter hatte diesen Brief nun schon zum soundsovielten Mal gelesen, und jedesmal verursachte er ihr neues Herzweh, obgleich ja jedes Wort, das die vernünftige Fräulein Schindler schrieb, viel Wahres enthielt. Nach langem Besprechen und Überlegen mit Frau Hilde hatte sie sich dies immer wieder gesagt. Aber nun der Entschluß einer Trennung von ihr und den geliebten Enkeln unabänderlich verlangt wurde, ward ihr das Herz doch furchtbar schwer. Schwer war eben überhaupt jetzt alles, und die Großmutter war sich wohl bewußt, daß ein Stadtleben für sie, die immer auf dem Lande gewesen, auch fast nicht zum Ertragen wäre. Und dazu der Ruf ihres noch einzigen Bruders aus der alten Heimat. Also in Gottes Namen! Sie wischte sich rasch ihre Brille ab, die trübe geworden war, und griff nach dem andern Brief, der Antwort Frau Hildens.

Liebe Lina!

Deine Fürsorge rührt mich, und ich hätte Dir gerne gleich geantwortet. Aber Du begreifst, daß solch eine gänzliche Lebensänderung gründlich verarbeitet sein will, und ein wehes Herz wie das meinige zuckt noch vor allem Neuen. Aber Du hast recht, irgend etwas muß geschehen, meine Mittel sind nur beschränkt. Körperlich bin ich ja gottlob gesund. Und so will ich in Gottes Namen Ja sagen und Dir die Hand reichen zu künftiger gemeinsamer Arbeit. Ich hoffe, daß ich dem entsprechen kann, was Du von mir erwartest, und hoffe auch, daß die Mädchen Dir keine zu große Last sind. Wie die beiden, die ganz im Freien und im Walde aufgewachsen sind, sich in die Beschränkung finden werden, davor bangt mir am meisten. Deshalb bitte ich Dich jetzt schon: Habe Geduld mit ihnen; Kinder gewöhnen sich ja rasch an andere Verhältnisse. Wir gedenken nächste Woche zu packen, und dann heißt es die liebe, teure Waldheimat verlassen. Alles Nähere in meinem nächsten Brief. Wir grüßen Dich alle herzlichst und dankbar.

Deine Hilde.

Großmutter legte auch diesen Brief beiseite, klappte die Brille zusammen und steckte sie in ihr Futteral. Dann saß sie vornübergebeugt mit gefalteten Händen ein paar Minuten lang da.

»Also, – und der Herr möge helfen! Kann Hilde es durchmachen, die noch so viel mehr verlor, so muß ich es auch können. Wenn nur die Kinder, die Kinder nicht wären!«

Großmutter stand auf – sie war noch eine rüstige Sechzigerin – und ging zu ihrer Schwiegertochter in die Laube hinaus. Auch hier hieß es: Also in Gottes Namen! Zwei Hände fanden sich in innigem Druck, und zwei Paar Augen sahen aneinander vorüber. Sich in diesem Augenblick durch die Augen ins Herz zu sehen, wäre beiden nicht möglich gewesen. Was ein jedes dachte, wußte das andere, und vor allem hieß es nun stark sein wollen und stark bleiben.


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