Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ein Mittel gegen Liebe.

An dem großen Eßtische sitzt der Bankdirektor, ein Herr hoch in den Fünfziger-Jahren, dessen hübsche Frau und ein Mitglied der –schen Gesandtschaft, ein eleganter Lebemann, nicht mehr ganz jung, aber immerhin ein Jüngling gegen den Gatten. Die kleinen Mokkaschalen sind geleert, der Bankdirektor hat das zweite Glas Cognac hinter die Binde gegossen, der Freund des Hauses löffelt etwas zerstreut in dem Bodensatz des türkisch zubereiteten Kaffees herum und die junge Frau lehnt sich in den Sessel zurück und streicht mit ihren weißen Händen über den breiten, kraushaarigen Pelzbesatz ihrer dunkelrothen Hausrobe.

Der Direktor. Also, wenn's beliebt, Herr von …, gehen wir rauchen.

Die Gattin. Ihr könnt' ja auch hier rauchen

Der Direktor. Ich rauche nur eine Zigarre, und zwar beim Spielen, sonst schmeckt sie mir nicht, kommen Sie …

Herr v. K. ( erhebt sich, einen verstohlenen Blick auf die Gattin werfend, mit einem leisen Seufzer) Mahlzeit, gnädige Frau … ( er küßt ihre kleine Hand).

Der Direktor ( seine Frau auf die Stirne küssend und, neben Herrn v. K. stehend, einen Blick auf dessen Füße werfend, und bemerkend, daß der linke Lackschuh seinen Glanz verloren hat, als ob Jemand den Fuß darauf gesetzt hätte.) Hm – wer putzt denn Ihre Schuhe?

Herr v. K. Ich selbst – man kann das nicht einmal dem besten Diener überlassen.

Der Direktor. So? –

Herr v. K. ( sehr verlegen). Warum fragen Sie?

Der Direktor. Ach, nur so … also bitte, gehen wir.

*

( Im Spielzimmer.)

Der Direktor. Ich bin Ihnen Revanche schuldig, – das Pech hat Sie in der letzten Zeit beständig verfolgt, – das heißt: Sie spielen unaufmerksam, lieber K.

Herr v. K. ( etwas verlegen): Oh – –

Der Direktor. Ja, – Sie sind verliebt ( indem er das halbe Kartenspiel in der linken Hand auf den Tisch stützt und die übrigen Karten langsam hineinzwängt) – verliebt in meine Frau …

Herr v. K. Herr Direktor!!!

Der Direktor. Jawohl. Das kenne ich – vor zwanzig Jahren war ich in ganz derselben Lage, wie Sie in diesem Augenblick; – nur saß mir gegenüber ein ungemüthlicher Patron, der mir so ein kleines Ding mit sechs Läufen aufnöthigte … Sie brauchen Aehnliches nicht zu befürchten.

Herr v. K. ( rasch den Stuhl zurückschiebend). O, bitte, bestimmen Sie …

Der Direktor. Bleiben Sie sitzen, – pardon, Sie haben die Kreide hinuntergeworfen, treten Sie nicht darauf … Ich wiederhole Ihnen, Sie lieben meine Frau. Können Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß es nicht so ist?

Herr v. K. ( erregt), Herr Direktor, ich bin zu jeder Genugthuung bereit …

Der Direktor. Pst – nicht so laut. – Sagen Sie mir gefälligst: Warum lieben Sie meine Frau?

Herr v. K. ( konsternirt). Herr Direktor, ich muß gestehen, – ich begreife diese Frage nicht.

Der Direktor. Nun, Sie werden mir doch einräumen, daß mich, als Gatten, das interessiren muß – also warum lieben Sie Angela? Ich ersuche Sie dringend um eine Antwort.

Herr v. K. Ich habe nicht gesagt, daß ich sie liebe; ich verehre sie, weil sie der Inbegriff einer reizenden, bezaubernden und tugendhaften Frau ist – ein Engel – eine Heilige – diese jugendfrische Schönheit, dieses Haar, die Augen!

Der Direktor. Ja, diese schönen, großen Augen –

Herr v. K. Kinderaugen, in denen der ganze Himmel liegt!

Der Direktor. Und was sagen Sie zu ihren Händen?

Herr v. K. O, diese entzückenden kleinen Patschhändchen –

Der Direktor. Sie sollten sie erst Klavier spielen hören!

Herr v. K. O, ich habe sie gehört!

Der Direktor. Und singen …

Herr v. K. Gounod's »Frühlingslied«: Liebchen komm' in's duft'ge Grün, wo die heimlichen Veilchen blüh'n …

Der Direktor. Hat sie Ihnen das vorgesungen? Mir noch nicht. – Schade um sie, sie wäre vielleicht eine gute Sängerin geworden!

Herr v. K. Eine Art Patti …

Der Direktor. Nicht wahr? – Aber darum handelt sich's jetzt nicht. Ich muß noch einmal darauf zurückkommen. Sie lieben Angela? Antworten Sie, auf Ehre.

Herr v. K. ( nach kurzem Besinnen, mit Entschlossenheit). Ja, ich liebe sie mit einer unvernünftigen, hoffnungslosen Leidenschaft –

Der Direktor, Pst – etwas leiser, wenn ich bitten darf.

Herr v. K. ( gedämpft). Mit hoffnungsloser, unsinniger, aber glühender Leidenschaft! – ich bin von der Ungeheuerlichkeit dieser Neigung durchdrungen; mein Mannes-Ehrenwort, daß ich dagegen seit Monaten mit übermenschlicher Kraft ankämpfe, aber vergeblich, ich kann nicht, ich kann nicht ( er stützt den Kopf in beide Hände) – es geht über meine Kraft, ich vermag es nicht.

Der Direktor. Geben Sie Acht, Sie werfen die Zündhölzchen um.

Herr v. K. Ich weiß, daß ich daran zu Grunde gehe – so oder so … Herr Direktor – machen Sie mit mir, was Sie wollen, schießen Sie mich über den Haufen, wie einen Hasen, so erlösen Sie mich von einer Sehnsuchtsqual, die mich bei Tag und Nacht foltert, die mich verzehrt.

Der Direktor ( immer bedächtig die Karten weiter mischend). Hm … Ich mache Ihnen einen Vorschlag.

Herr v. K. Ich erwarte Ihre Bestimmungen. ( Will sich erheben.)

Der Direktor. Bitte, bleiben Sie.

Herr v. K. In der Form eines Duells soll Ihnen, dem Beleidigten, Gelegenheit geboten werden, das an mir zu vollstrecken, was unausbleiblich ist, was ich selbst thun müßte, um mich von dieser wahnsinnigen Leidenschaft zu befreien. Es ist nur ein Dienst, den Sie mir erweisen.

Der Direktor. Wie käme ich dazu? Nein. Ich wollte Ihnen einen anderen Vorschlag unterbreiten.

Herr v. K. Ah, ich bitte, reden Sie mir nicht etwa von Verreisen und Vergessen, das sind Mittel, die man Krämerseelen zumuthen darf, aber nicht einer Natur, wie der meinen.

Der Direktor. Lassen Sie mich doch ausreden, Sie sind furchtbar unruhig, man kann mit Ihnen heute gar nicht gemüthlich plaudern.

Herr v. K. Ich habe nur noch Ihre Kartellträger anzuhören.

Der Direktor. Ach, was Sie immer haben. Hören Sie mich an. Sie lieben Angela – –

Herr v. K. ( zwischen den Händen, auf den Spieltisch starrend, dumpf). Ja! …

Der Direktor. Nun ja. Also: Ich bin ein guter Kerl, das wissen Sie. Nicht weil ich jedes Jahr so und so viel für Wohlthätigkeitszwecke ausgebe, sondern ich bin im Herzensgrund ein guter Mensch, der Niemanden leiden sehen kann; ich weiß, wie es thut, wenn man sich so mit seinem jungen Herzen herumquälen muß, und darum möchte ich Ihnen helfen. Duell ist nicht nach meinem Geschmack, ich bin furchtbar ungeschickt in diesen Dingen, und ich könnte Malheur haben, in die Luft schießen wollen und dabei Sie treffen.

Herr v. K. ( ohne aufzublicken). Also Säbel –

Der Direktor. Bitte, unterbrechen Sie mich nicht und schlagen Sie sich doch diesen romantischen Gedanken aus dem Kopf. Man würde darüber reden, wozu sollen wir die Chronique scandaleuse bereichern? Es ist ja auch bis jetzt nichts passirt. Sie sind ein heißblütiger, junger Herr, und Angela ist eine kokette Frau, die gern mit dem Feuer spielt. Ihr habt miteinander ein bischen Unsinn getrieben, wie die Kinder hinter dem Rücken des Lehrers. Nein, es gibt einen unblutigen Ausweg –

Herr v. K. Keinen!

Der Direktor ( fortfahrend). Ich bin kein Jüngling mehr, ein weißhaariger Sechziger, jedenfalls zu alt für eine Frau, die solche Leidenschaften erweckt, wie es bei Ihnen der Fall ist – ich esse bei meiner Frau das Gnadenbrot der Liebe – und dann, ich habe das Eheglück schon einmal genossen. Ich habe Angela als Witwer geheiratet, sie ist ganz unbemittelt, aus einer kleinbürgerlichen Familie. Es war eine Vernunftehe, meines Sohnes wegen, der damals noch einer Pflegerin bedurfte, er wird im Mai Lieutenant, diese Rücksicht ist also längst hinfällig geworden; hören Sie meinen Vorschlag: Ich trete zurück – eine stille Scheidung – heiraten Sie Angela.

Herr v. K. Was sagen Sie?

Der Direktor. Sie sollen Angela heiraten – das ist klar und einfach – danken Sie mir nicht, wir sprechen noch darüber – jetzt bitte, heben Sie ab. ( Legt das Kartenspiel auf den Tisch.)

Herr v. K. Ich glaube zu träumen – o, Sie denken, daß ich jetzt fähig wäre, zu spielen – verzeihen Sie, aber ich fürchte zu ersticken – es ist so heiß hier und vor meinen Augen tanzt Alles –

Der Direktor ( aufstehend, kühl). Wenn Sie vielleicht ein bischen frische Luft –

Herr v. K. Ja, Luft, an die Luft – verzeihen Sie, ich bin ganz verwirrt –

Der Direktor ( drückt auf das elektrische Signal). Selbstverständlich. – Und ich habe es Ihnen doch so schonend wie möglich beigebracht. ( Zu dem eintretenden Diener.) Den Pelz für Herrn v. K.

Herr v. K. ( der sich in eilfertiger Verwirrung anzieht). Herr Direktor – ich weiß nicht, was ich sagen soll –

Der Direktor. Versteht sich, in Ihrer Freude – na, wir sprechen noch darüber. Auf Wiedersehen!

Herr v. K. ( schon an der Thür). Auf – A – Adieu, Herr Direktor.

( Vierzehn Tage später.)

Die junge Frau. Unbegreiflich, daß Herr v. K. sich gar nicht mehr blicken läßt. – Hast Du etwas gehabt mit ihm?

Der Direktor. Nicht das Geringste, – das heißt, das letztemal eine längere Auseinandersetzung.

Die junge Frau. Ah, einen Streit beim Spiel?

Der Direktor. Keineswegs, eine ganz friedliche Unterhaltung. – Er hat mir gestanden, daß er ohne Dich nicht leben kann, und da habe ich ihm erklärt, daß ich das schmerzliche Opfer bringen würde, Dich freizugeben; vorausgesetzt, daß Du ihn ebenso liebst, wie er Dich liebt, denn dann gibt es für uns Drei nur einen Ausweg, den, daß Ihr Euch heiratet. Das habe ich ihm rund heraus und in aller Ruhe erklärt, und nun überlegt er sich offenbar die Antwort. Wann war er denn das letztemal bei uns?

Die junge Frau. Am Feiertag.

Der Direktor. Also vor vierzehn Tagen; na, er braucht lang' dazu … So und jetzt muß ich fort. Ich hole Dich Abends zum Theater ab; leb' wohl, Kind.

*

Die junge Frau ist allein in ihrem Boudoir. Sie schließt ein Fach ihres Miniatur-Schreibtisches auf, nimmt die Photographie eines Mannes heraus, reißt sie der Länge und der Breite nach durch und schleudert die vier Stücke in den Kohlenkasten.

Das Stubenmädchen erscheint: Gnädige Frau, Herr v. K…

Die junge Frau ( schnell). Ich bin nicht zu Hause!

Das Stubenmädchen. Nein, ich wollte nur sagen, Herr v. K. hat das letztemal seinen Regenschirm bei uns stehen lassen, – soll ich ihn nicht hinschicken?

Die junge Frau. Machen Sie, was Sie wollen, Rosa; – gehen Sie.

( Allein):

»Unter Zurücklassung seines Regenschirmes geflohen! O die Männer, die Männer, sie sind nicht werth, daß man seinen Mann mit ihnen betrügt!!«

*

Soll man derlei tragisch nehmen? Ist es ein Ereigniß, das in dem großen Hauptbuch der Liebe verzeichnet wird, wenn eine Frau ein Abenteuer haben will, und wenn ein oberflächlicher junger Lebemann Angst bekommt in dem Augenblick, da es sich darum handelt, seine Galanterien in die That umzusetzen.


 << zurück weiter >>