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Die Scene verwandelt sich in den Garten.
Beide Chöre. Zuletzt Beatrice.
(Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen geschmückt und die oben beschriebnen Brautgeschenke begleitend; der Chor de Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren.)
Erster Chor (Cajetan.) Du würdest wohl thun, diesen Platz zu leeren.
Zweiter Chor (Bohemund.) Ich will's, wenn beßre Männer es begehren.
Erster Chor (Cajetan.) Du könntest merken, daß du lästig bist.
Zweiter Chor (Bohemund.) Deßwegen bleib' ich, weil es dich verdrießt.
Erster Chor (Cajetan.) Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten?
Zweiter Chor (Bohemund.) Ich darf es thun, ich habe hier zu walten.
Erster Chor (Cajetan.) Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel!
Zweiter Chor (Bohemund.) Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl.
Erster Chor (Cajetan.) Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen.
Zweiter Chor (Bohemund.) Dem Erstbesitzenden gehört die Welt.
Erster Chor (Cajetan.) Verhaßter, geh und räume mir das Feld.
Zweiter Chor (Bohemund.) Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen.
Erster Chor (Cajetan.) Find' ich dich überall in meinen Wegen?
Zweiter Chor (Bohemund.) Wo mir's gefällt, da tret' ich dir entgegen.
Erster Chor (Cajetan.) Was hast du hier zu horchen und zu hüten?
Zweiter Chor (Bohemund.) Was hast du hier zu fragen, zu verbieten?
Erster Chor (Cajetan.) Dir steh' ich nicht zur Red und Antwort hier.
Zweiter Chor (Bohemund.) Und nicht des Wortes Ehre gönn' ich dir.
Erster Chor (Cajetan.) Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren.
Zweiter Chor (Bohemund.) In Tapferkeit bin ich, wie du, erfahren!
Beatrice (stürzt heraus). Weh mir! Was wollen diese wilden Schaaren?
Erster Chor. (Cajetan.) zum zweiten
Nichts acht' ich dich und deine stolze Miene!
Zweiter Chor (Bohemund.) Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene.
Beatrice. O, weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene!
Erster Chor (Cajetan.) Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit!
Zweiter Chor (Bohemund.) Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit.
Beatrice. Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit.
Erster Chor (Cajetan.) Wäre nicht Friede, Recht verschafft' ich mir!
Zweiter Chor (Bohemund.) Wär's nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir.
Beatrice. O, wär' er tausend Meilen weit von hier!
Erster Chor (Cajetan.) Das Gesetz fürcht' ich, nicht deiner Blicke Trutz.
Zweiter Chor (Bohemund.) Wohl thust du dran, es ist des Feigen Schutz.
Erster Chor (Cajetan.) Fang' an, ich folge!
Zweiter Chor (Bohemund.) Mein Schwert ist heraus!
Beatrice (in der heftigsten Beängstigung).
Sie werden handgemein, die Degen blitzen!
Ihr Himmelsmächte, haltet ihn zurück!
Werft euch in seinen Weg, ihr Hindernisse,
Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße,
Daß er verfehle diesen Augenblick!
Ihr Engel alle, die ich flehend bat,
Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte,
Weit, weit von hier entfernet seine Schritte!
(Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel.)
Don Manuel. Der Chor.
Don Manuel. Was seh' ich! Haltet ein!
Erster Chor (Cajetan, Berengar, Manfred) zum zweiten.
Komm an! Komm an!
Zweiter Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
Nieder mit ihnen! Nieder!
Don Manuel (tritt zwischen sie, mit gezogenem Schwert).
Haltet ein!
Erster Chor. (Cajetan.)
Es ist der Fürst.
Zweiter Chor. (Bohemund.) Der Bruder! Haltet Friede!
Don Manuel. Den streck' ich todt auf dieses Rasens Grund,
Der mit gezuckter Augenwimper nur
Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht!
Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an,
Des alten Zwistes Flammen aufzublasen,
Der zwischen uns, den Fürsten abgethan
Und ausgeglichen ist auf immerdar?
– Wer fing den Streit an? Redet! Ich will's wissen.
Erster Chor (Cajetan, Berengar.)
Sie standen hier –
Zweiter Chor (Roger, Bohemund unterbrechend).
Sie kamen –
Don Manuel (zum ersten Chor). Rede du!
Erster Chor (Cajetan.)
Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben
Zu überreichen, wie du uns befahlst.
Geschmückt zu einem Feste, keineswegs
Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir
In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend
Und trauend dem beschworenen Vertrag;
Da fanden wir sie feindlich hier gelagert
Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt.
Don Manuel. Unsinnige, ist keine Freistatt sicher
Genug vor eurer blinden, tollen Wuth?
Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz
Bricht euer Hader friedestörend ein? (Zum zweiten Chor.)
Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse,
Die deine kühne Gegenwart nicht dulden. (Da derselbe zögert.)
Zurück Dein Herr gebietet dir's durch mich,
Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüth,
Und mein Befehl ist auch der seine. Geh! (Zum ersten Chor.)
Du bleibst und wahrst des Eingangs.
Zweiter Chor (Bohemund.) Was beginnen?
Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit,
Und in der hohen Häupter Spahn und Streit
Sich unberufen, vielgeschäftig drängen,
Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr.
Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet,
Wirft er behend auf den geringen Mann,
Der arglos ihm gedient, den blut'gen Mantel
Der Schuld, und leicht gereinigt steht er da.
Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen,
Ich acht' es für gerathner, wir gehorchen.
(Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund der Scene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus und wirft sich in Don Manuels Arme.)
Beatrice. Don Manuel.
Beatrice. Du bist's. Ich habe dich wieder – Grausamer!
Du hast mich lange, lange schmachten lassen,
Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub
Dahin gegeben – Doch nichts mehr davon!
Ich habe dich – in deinen lieben Armen
Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr.
Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht,
Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren!
(Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genau an.)
Was ist dir? So verschlossen feierlich
Empfängst du mich – entziehst dich meinen Armen,
Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen?
Ich kenne dich nicht mehr – Ist dies Don Manuel,
Mein Gatte, mein Geliebter?
Don Manuel. Beatrice!
Beatrice. Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten!
Fort laß uns eilen, schnell der Augenblick
Ist kostbar –
Don Manuel. Bleib! Antworte mir!
Beatrice. Fort, Fort!
Eh diese wilden Männer wiederkehren!
Don Manuel. Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden.
Beatrice. Doch, doch! Du kennst sie nicht. O, komm! Entfliehe!
Don Manuel. Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten?
Beatrice. O, glaube mir, es gibt hier mächt'ge Menschen!
Don Manuel. Geliebte, keinen mächtiger als mich.
Beatrice. Du, gegen diese Vielen ganz allein?
Don Manuel. Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest –
Beatrice. Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen.
Don Manuel. Mir dienen sie, und ich bin ihr Gebieter.
Beatrice. Du bist – Ein Schrecken fliegt durch meine Seele!
Don Manuel. Lerne mich endlich kennen, Beatrice!
Ich bin nicht Der, der ich dir schien zu sein,
Der arme Ritter nicht, der unbekannte,
Der liebend nur um deine Liebe warb.
Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag,
Woher ich stamme, hab' ich dir verborgen.
Beatrice. Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du?
Don Manuel. Don Manuel heiß' ich – doch ich bin der Höchste,
Der diesen Namen führt in dieser Stadt,
Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina.
Beatrice. Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder?
Don Manuel. Don Cesar ist mein Bruder.
Beatrice. Ist dein Bruder!
Don Manuel. Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar?
Kennst du noch sonsten Jemand meines Bluts?
Beatrice. Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder
In Hasse lebt und unversöhnter Fehde?
Don Manuel. Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder,
Nicht von Geburt nur, nein! von Herzen auch!
Beatrice. Versöhnt, seit heute!
Don Manuel. Sage mir, was ist das?
Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr
Als nur den Namen bloß von meinem Hause?
Weiß ich dein ganz Geheimniß? Hast du nichts,
Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten?
Beatrice. Was denkst du? Wie? Was hätt' ich zu gestehen?
Don Manuel. Von deiner Mutter hast du mir noch nichts
Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen,
Wenn ich sie dir beschriebe – dir sie zeigte?
Beatrice. Du kennst sie – kennst sie und verbargst sie mir?
Don Manuel. Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne!
Beatrice. O, sie ist gütig, wie das Licht der Sonne!
Ich seh' sie vor mir, die Erinnerung
Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen
Erhebt sich mir die göttliche Gestalt.
Der braunen Locken dunkle Ringe seh' ich
Des weißen Halses edle Form beschatten,
Ich seh' der Stirne rein gewölbten Bogen,
Des großen Auges dunkelhellen Glanz,
Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne
Erwachen mir –
Don Manuel. Weh mir! Du schilderst sie!
Beatrice. Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen,
Vielleicht am Morgen eben dieses Tags,
Der mich auf ewig ihr vereinen sollte!
O, selbst die Mutter gab ich hin für dich!
Don Manuel. Messinas Fürstin wird dir Mutter sein.
Zu ihr bring' ich dich jetzt; sie wartet deiner.
Beatrice. Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars?
Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr!
Don Manuel. Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen?
Ist meine Mutter keine Fremde dir?
Beatrice. O unglückselig traurige Entdeckung!
O, hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!
Don Manuel. Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst,
Den Fürsten findest in dem Unbekannten?
Beatrice. O, gib mir diesen Unbekannten wieder,
Mit ihm auf dem Eiland wär' ich selig!
Don Cesar (hinter der Scene).
Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt?
Beatrice. Gott! Diese Stimme! Wo verberg' ich mich?
Don Manuel. Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast
Sie nie gehört und kannst sie nicht erkennen!
Beatrice. O, laß uns fliehen! Komm und weile nicht!
Don Manuel. Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der
Mich sucht; zwar wundert mich, wie er entdeckte –
Beatrice. Bei allen Heiligen des Himmels, meid' ihn!
Begegne nicht dem heftig Stürmenden,
Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden.
Don Manuel. Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht!
Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder!
Beatrice. O Himmel, rette mich aus dieser Stunde!
Don Manuel. Was ahnt mir! Welch ein Gedanke faßt
Mich schaudernd? – Wär es möglich – Wäre dir
Die Stimme keine fremde? – Beatrice,
Du warst? – Mir grauet, weiter fort zu fragen!
Du warst – bei meines Vaters Leichenfeier?
Beatrice. Wer mir!
Don Manuel. Du warst zugegen?
Beatrice. Zürne nicht!
Don Manuel. Unglückliche, du warst?
Beatrice. Ich war zugegen.
Don Manuel. Entsetzen!
Beatrice. Die Begierde war zu mächtig!
Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch;
Doch, plötzlich ernst und finster, ließest du
Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich.
Doch weiß ich nicht, welch böses Sternes Macht
Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten.
Des Herzens heißen Drang mußt' ich vergnügen;
Der alte Diener lieh mir seinen Beistand,
Ich war dir ungehorsam, und ich ging.
(Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem ganzen Chor begleitet.)
Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice.
Zweiter Chor (Bohemund) zu Don Cesar.
Du glaubst uns nicht – Glaub deinen eignen Augen!
Don Cesar (tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders mit Entsetzen zurück.)
Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen!
(Näher tretend, zu Don Manuel.)
Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe!
Deßwegen logst du tückisch mir Versöhnung!
O, eine Stimme Gottes war mein Haß!
Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele! (Er ersticht ihn.)
Don Manuel. Ich bin des Todes – Beatrice – Bruder!
(Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder.)
Erster Chor (Cajetan.)
Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle!
Mit Blut gerächet sei die blut'ge That! (Alle ziehen den Degen.)
Zweiter Chor (Bohemund.)
Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt.
Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina.
Erster Chor (Cajetan, Berengar, Manfred.)
Rache! Rache! Der Mörder falle! falle,
Ein sühnend Opfer dem Gemordeten!
Zweiter Chor (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir.
Don Cesar (mit Ansehen zwischen sie tretend).
Zurück – Ich habe meinen Feind getödtet,
Der mein vertrauend redlich Herz betrog,
Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte.
Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die That,
Doch der gerechte Himmel hat gerichtet.
Erster Chor (Cajetan.)
Weh die, Messina! Wehe! Wehe! Wehe!
Das gräßlich Ungeheure ist geschehn
In deinen Mauern – Wehe deinen Müttern
Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen!
Und wehe der noch ungebornen Frucht!
Don Cesar. Die Klage kommt zu spät – Hier schaffet Hilfe!
(Auf Beatricen zeigend.)
Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie
Von diesem Ort des Schreckens und des Todes.
– Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft
Die Sorge fort um die geraubte Schwester.
– Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht:
Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende!
(Er geht ab; die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor auf eine Bank gesetzt und so hinweg getragen; der erste Chor bleibt bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen.)
Chor (Cajetan.) Sagt mir! Ich kann's nicht fassen und deuten,
Wie es so schnell sich erfüllend genaht.
Längst wohl sah ich im Geist mit weiten
Schritten das Schreckensgespenst herschreiten
Dieser entsetzlichen, blutigen That.
Dennoch übergießt mich ein Grauen,
Da sie vorhanden ist und geschehen,
Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,
Was ich in ahnender Furcht nur gesehen.
All mein Blut in den Adern erstarrt
Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.
Einer aus dem Chor (Manfred.)
Lasset erschallen die Stimme der Klage!
Holder Jüngling!
Da liegt er entseelt,
Hingestreckt in der Blüthe der Tage,
Schwer umfangen von Todesnacht,
An der Schwelle der bräutlichen Kammer!
Aber über dem Stummen erwacht
Lauter, unermeßlicher Jammer.
Ein Zweiter (Cajetan.) Wir kommen, wir kommen
Mit festlichem Prangen
Die Braut zu empfangen,
Es bringen die Knaben
Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,
Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen;
Aber der Bräutigam höret nicht mehr,
Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,
Denn der Schlummer der Todten ist schwer.
Ganzer Chor. Schwer und tief ist der Schlummer der Todten,
Nummer erweckt ihn die Stimme der Braut,
Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,
Starr und fühllos liegt er am Boden!
Ein Dritter (Cajetan.) Was sind die Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der vergängliche, baut?
Heute umarmtet ihr euch als Brüder,
Einig gestimmt mit Herzen und Munde,
Diese Sonne, die jetzo nieder
Geht, sie leuchtete eurem Bunde!
Und jetzt liegst du, dem Staube vermählt,
Von des Brudermords Händen entseelt,
In dem Busen die gräßliche Wunde!
Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?
Chor (Berengar.) Zu der Mutter will ich dich tragen,
Eine unbeglückende Last!
Diese Cypresse laßt uns zerschlagen
Mit der mörderischen Schneide der Axt,
Eine Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,
Nimmer soll sie Lebendiges zeugen,
Die die tödtliche Frucht getragen,
Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,
Keinem Wandrer mehr Schatten geben;
Die sich genährt auf des Mordes Boden,
Soll verflucht sein zum Dienst der Todten!
Erster (Cajetan.) Aber wehe dem Mörder, wehe,
Der dahin geht in thörichtem Muth!
Hinab, hinab in der Erde Ritzen
Rinnet, rinnet, rinnet sein Blut.
Drunten aber im Tiefen sitzen
Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,
Der Themis Töchter, die nie vergessen,
Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,
Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,
Rühren und mengen die schreckliche Rache.
Zweiter (Berengar.) Leicht verschwindet der Thaten Spur
Von der sonnenbeleuchteten Erde,
Wie aus dem Antlitz die leichte Geberde –
Aber nichts ist verloren und verschwunden,
Was die geheimnißvoll waltenden Stunden
In den dunkel schaffenden Schooß aufnahmen –
Die Zeit ist eine blühende Flur,
Ein großes Lebendiges ist die Natur,
Und alles ist Frucht, und alles ist Samen.
Dritter (Cajetan.) Wehe, wehe dem Mörder, wehe,
Der sich gesät die tödtliche Saat!
Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,
Ein anderes zeigt die vollbrachte That.
Muthvoll blickt sie und kühn dir entgegen,
Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen;
Aber ist sie geschehn und begangen,
Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.
Selber die schrecklichen Furien schwangen
Gegen Orestes die höllischen Schlangen,
Reizten den Sohn zu dem Muttermord an;
Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen
Wußte sie listig sein Herz zu betrügen,
Bis er die tödtliche That nun gethan –
Aber, da er den Schooß jetzt geschlagen,
Der ihn empfangen und liebend getragen,
Siehe, da kehrten sie
Gegen ihn selber
Schrecklich sich um –
Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun
Die den Mörder ergreifend fassen,
Die von jetzt an ihn nimmer lassen,
Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,
Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen
Bis in das delphische Heiligthum.
(Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend.)