Friedrich Schiller
Die Braut von Messina
Friedrich Schiller

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Zweiter Aufzug.

Erster Auftritt.

Die Scene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaale tritt

Beatrice, geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht.
Es ist es nicht – Es war der Winde Spiel,
Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen;
Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,
Mit trägem Schritt seh' ich die Stunden schleichen,
Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl,
Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen.
Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen;
Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen.

Und nahe hör' ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen;
Ich höre fern das ungeheure Meer
An seine Ufer dumpferbrandend stoßen.
Es stürmen alle Schrecken auf mich her,
Klein fühl' ich mich in diesem Furchtbargroßen,
Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,
Verlier' ich mich im grenzenlosen Raume.

Warum verließ ich meine stille Zelle?
Da lebt' ich ohne Sehnsucht, ohne Harm!
Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,
An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.
Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle,
Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm;
Zerrissen hab' ich alle frühern Bande,
Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande.

Wo waren die Sinne?
Was hab' ich gethan?
Ergriff mich bethörend
Ein rasender Wahn?

Den Schleier zerriß ich
Jungfräulicher Zucht,
Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle!
Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?
Dem Manne folgt' ich,
Dem kühnen Entführer, in sträflicher Flucht.

O, komm, mein Geliebter!
Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie
Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,
Es faßt mich der Schmerz;
Mit liebender Nähe versichre mein Herz.

Und sollt' ich mich dem Manne nicht ergeben,
Der in der Welt allein sich an mich schloß?
Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
Und frühe schon hat ich ein strenges Loos
(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)
Gerissen von dem mütterlichen Schooß.
Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,
Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.

Und so erwuchs ich still am stillen Orte,
In Lebens Gluth den Schatten beigesellt,
– Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,
Schön, wie ein Gott, und männlich, wie ein Held.
O, mein Empfinden nennen keine Worte!
Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,
Und schnell, als wär' es ewig so gewesen,
Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.

Vergib, du Herrliche, die mich geboren,
Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,
Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
Nicht frei erwählt' ich's, es hat mich gefunden;
Ein dringt der Gott auch zu verschloßnen Thoren,
Zu Perseus' Thurm hat er den Weg gefunden,
Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.
Wär' es an öde Klippen angebunden
Und an des Atlas himmeltragende Säulen,
So wird ein Flügelroß es dort ereilen.

Nicht hinter mich begehr' ich mehr zu schauen,
In keine Heimath sehn' ich mich zurück;
Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,
Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?
Mit meinem Loos will ich mich gern bescheiden,
Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.

Nicht kenn' ich sie und will sie nimmer kennen,
Die sich die Stifter meiner Tage nennen,
Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
Ein ewig Räthsel bleiben will ich mir;
Ich weiß genug, ich lebe dir! (Aufmerkend.)
Horch, der lieben Stimme Schall!
– Nein, es war der Wiederhall
Und des Meeres dumpfes Brausen,
Das sich an den Ufern bricht,
Der Geliebte ist es nicht!
Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?
Mich umschlingt ein kaltes Grausen!
Immer tiefer
Singt die Sonne! Immer öder
Wird die Oede! Immer schwerer
Wird das Herz – Wo zögert er? (Sie geht unruhig umher.)

Aus des Gartens sichern Mauern
Wag' ich meinen Schritt nicht mehr.
Kalt ergriff mich das Entsetzen,
Als ich in die nahe Kirche
Wagte meinen Fuß zu setzen;
Denn mich trieb's mit mächt'gem Drang
Aus der Seele tiefsten Tiefen,
Als sie zu der Hora riefen,
Hinzuknien an heil'ger Stätte,
Zu der Göttlichen zu flehn,
Nimmer konnt' ich widerstehn.
Wenn ein Lauscher mich erspähte?
Voll von Feinden ist die Welt,
Arglist hat auf allen Pfaden,
Fromme Unschuld zu verrathen,
Ihr betrüglich Netz gestellt.
Grauend hab' ich's schon erfahren,
Als ich aus des Klosters Hut
In die fremden Menschenschaaren
Mich gewagt mit frevelm Muth.
Dort, bei jenes Festes Feier,
Da der Fürst begraben ward,
Mein Erkühnen büßt' ich theuer,
Nur ein Gott hat mich bewahrt –
Da der Jüngling mir, der fremde,
Nahte, mit dem Flammenauge,
Und mit Blicken, die mich schreckten,
Mir das Innerste durchzuckten,
In das tiefste Herz mir schaute –
Noch durchschauert kaltes Grauen,
Da ich's denke, mir die Brust!
Nimmer, nimmer kann ich schauen
In die Augen des Geliebten,
Dieser stillen Schuld bewußt! (Aufhorchend.)
Stimmen im Garten!
Er ist's, der Geliebte!
Er selber! Jetzt täuschte
Kein Blendwerk mein Ohr.
Es naht, es vermehrt sich!
In seine Arme!
An seine Brust!

(Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens. Don Cesar tritt ihr entgegen.)

Zweiter Auftritt.

Don Cesar. Beatrice. Der Chor.

Beatrice (mit Schrecken zurückfliehend.)
Weh mir! Was seh' ich!

(In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.)

Don Cesar.                           Holde Schönheit, fürchte nichts! (Zu dem Chor.)
Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt
Die zarte Jungfrau – Weicht zurück und bleibt
In ehrerbiet'ger Ferne! (Zu Beatricen.)
                                    Fürchte nichts!
Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.

(Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre Hand.)

Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,
Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab' ich
Gesucht, nach dir geforschet; wachend, träumend
Warst du des Herzens einziges Gefühl,
Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten,
Wie eines Engels Lichterscheinung, dich
Zum erstenmal erblickte – Nicht verborgen
Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst.
Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,
Die Hand, die in der deinen zitternd lag,
Verrieth sie dir – ein kühneres Geständniß
Verbot des Ortes ernste Majestät.
– Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet,
Und da ich von den Knieen jetzt erstanden,
Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften,
Warst du aus meinen Augen weggerückt;
Doch nachgezogen mit allmächt'gen Zaubers Banden
Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften.
Seit diesem Tage such' ich rastlos dich
An aller Kirchen und Paläste Pforten,
An allen offnen und verborgnen Orten,
Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann,
Hab' ich das Netz der Späher ausgebreitet;
Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht,
Bis endlich heut, von einem Gott geleitet,
Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit
In dieser nächsten Kirche sich entdeckte.

(Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens.)

Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse
Eher die Glieder, eh' ich von dir scheide!
Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse
Und mich verwahre vor des Dämons Neide,
So red' ich dich vor diesen Zeugen allen
Als meine Gattin an und reiche dir
Zum Pfande deß die ritterliche Rechte. (Er stellt sie dem Chor dar.)

Nicht forschen will ich, wer du bist – Ich will
Nur dich von dir, nichts frag' ich nach dem Andern
Daß deine Seele, wie dein Ursprung, rein,
Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen,
Und wärst du selbst die Niedrigste geboren,
Du müßtest dennoch meine Liebe sein,
Die Freiheit hab' ich und die Wahl verloren.

Und daß du wissen mögest, ob ich auch
Herr meiner Thaten sei und hoch genug
Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte
Mit starkem Arm zu mir emporzuheben,
Bedarf's nur, meinen Namen dir zu nennen.
– Ich bin Don Cesar, und in dieser Stadt
Messina ist kein Größrer über mir.

(Beatrice schaudert zurück; er bemerkt es und fährt nach einer kleinen Weile fort.)

Dein Staunen lob' ich und dein sittsam Schweigen,
Schamhafte Demuth ist der Reize Krone,
Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne,
Und es erschrickt vor seiner eignen Macht.
– Ich geh' und überlasse dich dir selbst,
Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse,
Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt. (Zu dem Chor.)
Gebt ihr – sie ist's von diesem Augenblick –
Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin!
Belehret sie von ihres Standes Größe.
Bald kehr' ich selbst zurück, sie heimzuführen,
Wie's meiner würdig ist und ihr gebührt. (Er geht ab.)

Dritter Auftritt.

Beatrice und der Chor.

Chor (Bohemund.) Heil dir, o Jungfrau,
Liebliche Herrscherin!
Dein ist die Krone,
Dein ist der Sieg!

Als die Erhalterin
Dieses Geschlechtes,
Künftiger Helden
Blühende Mutter begrüß' ich dich!

(Roger.) Dreifaches Heil dir!
Mit glücklichen Zeichen,
Glückliche, trittst du
In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus,
Wo die Kränze des Ruhmes hängen,
Und das goldene Scepter in stetiger Reihe
Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab.

(Bohemund.) Deines lieblichen Eintritts
Werden sich freuen
Die Penaten des Hauses,
Die hohen, die ernsten,
Verehrten Alten.
Au den Schwelle empfangen
Wird dich die immer blühende Hebe
Und die goldne Victoria,
Die geflügelte Göttin,
Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,
Ewig die Schwingen zum Siege gespannt.

(Roger.) Nimmer entweicht
Die Krone der Schönheit
Aus diesem Geschlechte;
Scheidend reicht
Eine Fürstin der andern
Den Gürtel der Anmuth
Und den Schleier der züchtigen Scham.
Aber das Schönste
Erlebt mein Auge,
Denn ich sehe die Blume der Tochter,
Ehe die Blume der Mutter verblüht.

Beatrice (aus ihrem Schrecken erwachend).
Wehe mir! In welche Hand
Hat das Unglück mich gegeben!
Unter allen,
Welche leben,
Nicht in diese sollt' ich fallen!

Jetzt versteh' ich das Entsetzen,
Das geheimnißvolle Grauen,
Das mich schaudernd stets gefaßt,
Wenn man mir den Namen nannte
Dieses furchtbaren Geschlechtes,
Das sich selbst vertilgend haßt,
Gegen seine eignen Glieder
Wüthend mit Erbittrung rast!
Schaudernd hört' ich oft und wieder
Von dem Schlangenhaß der Brüder,
Und jetzt reiße mein Schreckenschicksal
Mich, die Arme, Rettungslose,
In den Strudel dieses Hasses,
Diese Unglücks mich hinein! (Sie flieht in den Gartensaal.)

Vierter Auftritt.

Chor (Bohemund.) Den begünstigten Sohn der Götter beneid' ich,
Den beglückten Besitzer der Macht!
Immer das Köstlichste ist sein Antheil,
Und von Allem, was hoch und herrlich
Von den Sterblichen wird gepriesen,
Bricht er die Blume sich ab.

(Roger.) Von den Perlen, welche der tauchender Fischer
Auffängt, wählt er die reinsten für sich.
Für den Herrscher legt man zurück das Beste,
Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,
Wenn sich die Diener durchs Loos vergleichen,
Ihm ist das Schönste gewiß.

(Bohemund.) Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,
Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,
Dieses beneid' ich ihm unter allem,
Daß er heimführt die Blume der Frauen,
Die das Entzücken ist aller Augen,
Daß er sie eigen besitzt.

(Roger.) Mit dem Schwerte springt der Corsar an die Küste
In dem nächtlich ergreifenden Ueberfall;
Männer führt er davon und Frauen
Und ersättigt die wilde Begierde.
Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,
Die ist des Königes Gut.

(Bohemund.) Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang
Und die Schwelle des heiligen Raums,
Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimniß
Dringe und der Herrscher uns lobe,
Der das Köstlichste, was er besitzet,
Unsrer Bewahrung vertraut. (Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.)

 
Die Scene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes.

Fünfter Auftritt.

Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.

Isabella. Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,
Der langersehnte, festliche, erschienen –
Vereint seh' ich die Herzen meiner Kinder,
Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,
Und im vertrauten Kreis zum erstenmal
Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.
Fern ist der fremden Zeugen rohe Schaar,
Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte –
Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,
Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut
Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang
Mit altverjährtem Eigenthum genistet,
Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,
Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner
Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,
Den neuen Bau lebendig zu beginnen:
So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen
Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,
Der schellen Mißgunst und dem bleichen Neide,
Aus diesen Thoren murrend zu der Hölle,
Und mit dem Frieden zieht geselliges
Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein. (Sie hält inne.)
– Doch nicht genug, daß dieser heut'ge Tag
Jedem von beiden einen Bruder schenkt,
Auch eine Schwester hat er euch geboren.
– Ihr staunt? Ihr seht mich mir Verwundrung an?
Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich
Das Siegel breche und das Siegel löse
Von einem lang verschlossenen Geheimniß.
– Auch eine Tochter hat' ich Eurem Vater
Geboren – eine jüngre Schwester lebt
Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen.

Don Cesar. Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,
Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!

Don Manuel. Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,
Daß eine Schwester uns geboren worden;
Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,
Nahm sie der Tod hinweg.

Isabella.                                     Die Sage lügt!
Sie lebt!

Don Cesar.     Sie lebt, und du verschwiegest uns?

Isabella. Von meinem Schweigen geb' ich Rechenschaft.
Hört, was gesäet ward in frührer Zeit
Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll.
– Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon
Entzweite euch der jammervolle Zwist,
Der ewig nie mehr wiederkehren möge,
Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz.
Da wurde eurem Vater eines Tages
Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm däuchte,
Er säh' aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig
Dicht in einander flechtend – zwischen beiden
Wuchs eine Lilie empor – Sie ward
Zur Flamme, die, der Bäume dicht Gezweig
Und das Gebälk ergreifend, prasseln aufschlug
Und, um sich wüthend, schnell das ganze Haus
In ungeheurer Feuerfluth verschlang.

Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte,
Befragt' der Vater einen sternekundigen
Arabier, der sein Orakel war,
An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel,
Um die Bedeutung. Der Arabier
Erklärte: wenn mein Schooß von einer Tochter
Entbunden würde, tödten würde sie ihm
Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm
Durch sie vergehn – Und ich ward Mutter einer Tochter;
Der Vater aber gab den grausamen
Befehl, die neugeborene alsbald
Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte
Den blut'gen Vorsatz und erhielt die Tochter
Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst.

Don Cesar. Gesegnet sei er, der dir hilfreich war!
O, nicht an Rath gebricht's der Mutterliebe!

Isabella. Der Mutterliebe mächt'ge Stimme nicht
Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen.
Auch mir ward eines Traumes seltsames
Orakel, als mein Schooß mit dieser Tochter
Gesegnet war: Ein Kind, wie Liebesgötter schön,
Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe
Kam aus dem Wald, der in dem blut'gen Rachen
Die frisch gejagte Beute trug, und ließ
Sie schmeichelnd in den Schooß des Kindes fallen.
Und aus den Lüften schwang ein Adler sich
Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen,
Und legt es schmeichelnd in den Schooß des Kindes,
Und beide, Löw' und Adler, legen, fromm
Gepaart, sich zu des Kindes Füßen nieder.
– Des Traums Verständniß löste mir ein Mönch,
Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz
Rath fand und Trost in jeder ird'schen Noth.
Der sprach: »Genesen würd' ich einer Tochter,
»Die mir der Söhne streitende Gemüther
»In heißer Liebesgluth vereinen würde.«
– Im Innersten bewahrt' ich mir dies Wort;
Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge
Vertrauend, rettet' ich die Gott verheißne,
Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand,
Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein,
Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte.

Don Manuel (seinen Bruder umarmend).
Nicht mehr der Schwester braucht's, der Liebe Band
Zu flechten, aber fester soll sie's knüpfen.

Isabella. So ließ ich an verborgner Stelle sie,
Von meinen Augen fern, geheimnißvoll
Durch fremde Hand erziehn – der Anblick selbst
Des lieben Angesichts, den heißerflehten,
Versagt' ich mir, den strengen Vater scheuend,
Der, von des Argwohns ruheloser Pein
Und finster grübelndem Verdacht genagt,
Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte.

Don Cesar. Drei Monde aber deckt den Vater schon
Das stille Grab – Was wehrte dir, o Mutter,
Die lang Verborgne an das Licht hervor
Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen?

Isabella. Was sonst, als euer unglücksel'ger Streit,
Der, unauslöschlich wüthend, auf dem Grab
Des kaum entseelten Vaters sich entflammte,
Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab?
Konnt' ich die Schwester zwischen eure wild
Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr
In diesem Sturm die Mutterstimme hören?
Und sollt' ich sie, des Friedens theures Pfand,
Den letzten heil'gen Anker meiner Hoffnung,
An eures Hasses Wuth unzeitig wagen?
– Erst mußtet ihr's ertragen, euch als Brüder
Zu sehn, eh' ich die Schwester zwischen euch
Als einen Friedensengel stellen konnte.
Jetzt kann ich's, und ich führe sie euch zu.
Den alten Diener hab' ich ausgesendet,
Und stündlich harr' ich seiner Wiederkehr,
Der, ihrer stillen Zuflucht sie entreißend,
Zurück an meine mütterliche Brust
Sie führt und in die brüderlichen Arme.

Don Manuel. Und sie ist nicht die Einz'ge, die du heut
In deine Mutterarme schließen wirst.
Es zieht die Freude ein durch alle Pforten,
Es füllt sich der verödete Palast
Und wird der Sitz der blühnden Anmuth werden.
– Vernimm, o Mutter, jetzt auch mein Geheimniß.
Eine Schwester gibst du mir – Ich will dafür
Dir eine zweite liebe Tochter schenken.
Ja, Mutter! Segne deinen Sohn! – Dies Herz,
Es hat gewählt; gefunden hab' ich sie,
Die mir durchs Leben soll Gefährtin sein.
Eh dieses Tages Sonne sinkt, führ' ich
Die Gattin dir Don Manuels zu Füßen.

Isabella. An meine Brust will ich sie freudig schließen,
Die meinen Erstgebornen mir beglückt;
Auf ihren Pfaden soll die Freude sprießen,
Und jede Blume, die das Leben schmückt,
Und jedes Glück soll mir den Sohn belohnen,
Der mir die schönste reicht der Mutterkronen!

Don Cesar. Verschwende, Mutter, deines Segens Fülle
Nicht an den einen erstgebornen Sohn!
Wenn Liebe Segen gibt, so bring' auch ich
Dir eine Tochter, solcher Mutter werth,
Die mich der Liebe neu Gefühl gelehrt.
Eh dieses Tages Sonne sinkt, führt auch
Don Cesar seine Gattin dir entgegen.

Don Manuel. Allmächt'ge Liebe! Göttliche! Wohl nennt
Man dich mit Recht die Königin der Seelen!
Dir unterwirft sich jedes Element,
Du kannst das Feindlichstreitende vermählen;
Nichts lebt, was deine Hoheit nicht erkennt,
Und auch des Bruders wilden Sinn hast du
Besiegt, der unbezwungen stets geblieben. (Don Cesar umarmend.)
Jetzt glaub' ich an dein Herz und schließe dich
Mit Hoffnung an die brüderliche Brust;
Nicht zweifl' ich mehr an dir, denn du kannst lieben.

Isabella. Dreimal gesegnet sei mir dieser Tag,
Der mir auf einmal jede bange Sorge
Vom schwer beladnen Busen hebt – Gegründet
Auf festen Säulen seh' ich mein Geschlecht,
Und in der Zeiten Unermeßlichkeit
Kann ich hinabsehn mit zufriednem Geist.
Noch gestern sah ich mich im Wittwenschleier,
Gleich einer Abgeschiednen, kinderlos,
In diesen öden Sälen ganz allein,
Und heute werden in der Jugend Glanz
Drei blühnde Töchter mir zur Seite stehen.
Die Mutter zeige sich, die glückliche,
Von allen Weibern, die geboren haben,
Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht!
– Doch welcher Fürsten königliche Töchter
Erblühen denn an dieses Landes Grenzen,
Davon ich Kunde nie vernahm? – denn nicht
Unwürdig wählen konnten meine Söhne!

Don Manuel. Nur heute, Mutter, fordre nicht, den Schleier
Hinwegzuheben, der mein Glück bedeckt.
Es kommt der Tag, der Alles lösen wird,
Am besten mag die Braut sich selbst verkünden,
Deß sei gewiß, du wirst sie würdig finden.

Isabella. Des Vaters eignen Sinn und Geist erkenn' ich
In meinem erstgebornen Sohn! Der liebte
Von jeher, sich verborgen in sich selbst
Zu spinnen und den Rathschluß zu bewahren
Um unzugangbar fest verschlossenen Gemüth!
Gern mag ich dir die kurze Frist vergönnen;
Doch mein Sohn Cesar, deß bin ich gewiß,
Wird jetzt mir eine Königstochter nennen.

Don Cesar. Nicht meine Weise ist's, geheimnißvoll
Mich zu verhüllen, Mutter. Frei und offen,
Wie meine Stirne, trag' ich mein Gemüth;
Doch, was du jetzt von mir begehrst zu wissen,
Das, Mutter – laß mich's redlich dir gestehn,
Hab' ich mich selbst noch nicht gefragt. Fragt man,
Woher der Sonne Himmelsfeuer flamme?
Die alle Welt verklärt, erklärt sich selbst,
Ihr Licht bezeugt, daß sie vom Lichte stamme.
Ins klare Auge sah ich meiner Braut,
Ins Herz des Herzens hab' ich ihr geschaut,
Am reinen Glanz will ich die Perle kennen;
Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen.

Isabella. Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf.
Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl
Vertrautest du, wie einer Götterstimme.
Auf rascher Jugendthat erwart' ich dich,
Doch nicht auf thöricht kindischer – Laß hören,
Was deine Wahl gelenkt.

Don Cesar.                             Wahl, meine Mutter?
Ist's Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen
Ereilt in der verhängnißvollen Stunde?
Nicht, eine Braut zu suchen, ging ich aus,
Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir
Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes,
Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht.
Gleichgültig war und nichts bedeutend mir
Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht,
Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich,
Die ich gleich wie ein Götterbild verehre.
Es war des Vaters ernste Todtenfeier;
Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir
Ihr bei, du weißt's, in unbekannter Kleidung;
So hattest du's mit Weisheit angeordnet,
Daß unsers Haders wild ausbrechende
Gewalt des Festes Würde nicht verletze.
– Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff
Der Kirche, zwanzig Genien umstanden,
Mit Fackeln in den Händen, den Altar,
Vor dem der Todtensarg erhaben ruhte,
Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt.
Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab
Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone,
Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen,
Das Schwert mit diamantenem Gehäng.
– Und Alles lag in stiller Andacht knieend,
Als ungesehen jetzt vom hohen Chor
Herab die Orgel anfing sich zu regen,
Und hundertstimmig der Gesang begann –
Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg
Mit sammt dem Boden, der ihn trug, allmählich
Versinkend in die Unterwelt hinab,
Das Grabtuch aber überschleierte,
Weit ausgebreitet, die verborgne Mündung,
Und auf der Erde blieb der ird'sche Schmuck
Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend –
Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs
Schwang die befreite Seele sich nach oben,
Den Himmel suchend und den Schooß der Gnade.
– Dies alles, Mutter, ruf' ich dir, genau
Beschreibend, ins Gedächtniß jetzt zurück,
Daß du erkennest, ob zu jener Stunde
Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war.
Und diesen festlich ernsten Augenblick
Erwählte sich der Lenker meines Lebens,
Mich zu berühren mit der Liebe Strahl.
Wie es geschah, frag' ich mich selbst vergebens.

Isabella. Vollende dennoch! Laß mich Alles hören!

Don Cesar. Woher sie kam, und wie sie sich zu mir
Gefunden, dieses frage nicht – Als ich
Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite,
Und dunkel mächtig, wunderbar ergriff
Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe.
Nicht ihres Wesens schöner Außenschein,
Nicht ihres Lächelns holder Zauber war's,
Die Reize nicht, die auf der Wange schweben,
Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt –
Es war ihr tiefste und geheimstes Leben,
Was mich ergriff mit heiliger Gewalt,
Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben –
Die Seelen schienen ohne Worteslaut
Sich ohne Mittel geistig zu berühren,
Als sich mein Athem mischte mit dem ihren;
Fremd war sie mir und innig doch vertraut,
Und klar auf einmal fühlt' ich's in mir werden,
Die ist es oder Keine sonst auf Erden!

Don Manuel (mit Feuer einfallend).
Das ist der Liebe heil'ger Götterstrahl,
Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,
Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,
Da ist kein Widerstand und keine Wahl,
Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.
– Dem Bruder fall' ich bei, ich muß ihn loben,
Mein eigen Schicksal ist's, was er erzählt,
Den Schleier hat er glücklich aufgehoben
Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt.

Isabella. Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl,
Will das Verhängniß gehn mit meinen Kindern.
Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,
Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn,
Nicht des gemeßnen Pfades achtet er,
Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.
So unterwerf' ich mich – wie kann ich's ändern? –
Der unregiersam stärkern Götterhand,
Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.
Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand,
Sie denken groß, wie sie geboren sind.

Sechster Auftritt.

Donna Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Thüre.

Isabella. Doch, sieh, da kommt mein treuer Knecht zurück!
Nur näher, näher, redlicher Diego!
Wo ist mein Kind? – Sie wissen Alles! Hier
Ist kein Geheimniß mehr – Wo ist sie? Sprich!
Verbirg sie länger nicht! Wir sind gefaßt,
Die höchste Freude zu ertragen. Komm!

(Sie will mit ihm nach der Thüre gehen.)

Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst?
Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet!
Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an.
Wo ist sie? Wo ist Beatrice? (Will hinaus.)

Don Manuel. (für sich betroffen).     Beatrice!

Diego. (hält sie zurück).                                     Bleib!

Isabella. Wo ist sie? Mich entseelt die Angst.

Diego.                                                             Sie folgt
Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht.

Isabella. Was ist geschehn? Bei allen Heil'gen, rede!

Don Cesar. Wo ist die Schwester? Unglücksel'ger, rede!

Diego. Sie ist geraubt! Gestohlen von Corsaren!
O, hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!

Don Manuel. Faß dich, o Mutter!

Don Cesar.                                   Mutter, sei gefaßt!
Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen!

Diego. Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen,
Die oft betretne Straße nach dem Kloster
Zum letztenmal zu gehn – Die Freude trug mich
Auf leichten Flügeln fort.

Don Cesar.                               Zur Sache!

Don Manuel.                                               Rede!

Diego. Und da ich in die wohlbekannten Höfe
Des Klosters trete, die ich oft betrat,
Nach deiner Tochter ungeduldig frage,
Seh' ich des Schreckens Bild in jedem Auge,
Entsetzt vernehm' ich das Entsetzliche.

(Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel ist um sie beschäftigt.)

Don Cesar. Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg?
Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies?

Diego. Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man
In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd.

Don Cesar. Manch Segel rettet sich in diese Buchten
Vor des Orkanes Wuth – Wo ist das Schiff?

Diego. Heut frühe sah man es in hoher See
Mit voller Segel Kraft das Weite suchen.

Don Cesar. Hört man von anderm Raub noch, der geschehn?
Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht.

Diego. Hinweg getrieben wurde mit Gewalt
Die Rinderheerde, die dort weidete.

Don Cesar. Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte
Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen?

Diego. Des Klostergartens Mauern waren leicht
Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen.

Don Cesar. Wie brachen sie ins Innerste der Zellen?
Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang.

Diego. Die noch durch kein Gelübde sich gebunden,
Sie durfte frei im Freien sich ergehen.

Don Cesar. Und pflegte sie des freien Rechtes oft
Sich zu bedienen? Dieses sage mir.

Diego. Oft sah man sie des Gartens Stille suchen;
Der Wiederkehr vergaß sie heute nur.

Don Cesar (nachdem er sich eine Weile bedacht).
Raub, sagst du? War sie frei genug dem Räuber,
So konnte sie in Freiheit auch entfliehen.

Isabella (steht auf). Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub!
Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter
Aus freier Neigung dem Entführer folgen!
– Don Manuel! Don Cesar! Eine Schwester
Dacht' ich euch zuzuführen; doch ich selbst
Soll jetzt sie eurem Heldenarm verdanken.
In eurer Kraft erhebt euch, meine Söhne!
Nicht ruhig duldet es, daß eure Schwester
Des frechen Diebes Beute sei – Ergreift
Die Waffen! Rüstet Schiffe aus! Durchforscht
Die ganze Küste! Durch alle Meere setzt
Dem Räuber nach! Erobert euch die Schwester!

Don Cesar. Leb wohl! Zur Rache flieg' ich, zur Entdeckung!

(Er geht ab. Don Manuel aus einer tiefen Zerstreuung erwachend, wendet sich beunruhigt zu Diego.)

Don Manuel. Wann, sagst du, sei sie unsichtbar geworden?

Diego. Seit diesem Morgen erst ward sie vermißt.

Don Manuel. (zu Donna Isabella).
Und Beatrice nennt sich deine Tochter?

Isabella. Dies ist ihr Name! Eile! Frage nicht!

Don Manuel. Nur Eines noch, o Mutter, laß mich wissen –

Isabella. Fliege zur That! Des Bruders Beispiel folge!

Don Manuel. In welcher Gegend, ich beschwöre dich –

Isabella (ihn forttreibend).
Sieh meine Thränen, meine Todesangst

Don Manuel. In welcher Gegend hieltst du sie verborgen?

Isabella. Verborgner nicht war sie im Schooß der Erde!

Diego. O, jetzt ergreift mich plötzlich bange Furcht.

Don Manuel. Furcht, und worüber? Sage, was du weißt.

Diego. Daß ich des Raubs unschuldig Ursach sei.

Isabella. Unglücklicher, entdecke, was geschehn!

Diego. Ich habe dir's verhehlt, Gebieterin,
Dein Mutterherz mit Sorgen zu verschonen.
Am Tage, als der Fürst beerdigt ward,
Und alle Welt, begierig nach dem Neuen,
Der ernsten Feier sich entgegendrängte,
Lag deine Tochter – denn die Kunde war
Auch in des Klosters Mauern eingedrungen –
Lag sie mir an mit unabläß'gem Flehn,
Ihr dieses Festes Anblick zu gewähren.
Ich Unglückseliger ließ mich bewegen,
Verhüllte sie in ernste Trauertracht,
Und also war sie Zeugin jenes Festes.
Und dort, befürcht' ich, in des Volks Gewühl,
Das sich herbeigedrängt von allen Enden,
Ward sie vom Aug des Räubers ausgespäht,
Denn ihrer Schönheit Glanz birgt keine Hülle.

Don Manuel (vor sich, erleichtert).
Glücksel'ges Wort, das mir das Herz befreit!
Das gleicht ihr nicht! Dies Zeichen triff nicht zu.

Isabella. Wahnsinn'ger Alter! So verriethst du mich!

Diego. Gebieterin! Ich dacht' es gut zu machen.
Die Stimme der Natur, die Macht des Bluts
Glaubt' ich in diesem Wunsche zu erkennen;
Ich hielt es für des Himmels eignes Werk,
Der mit verborgen ahnungsvollem Zuge
Die Tochter hintrieb zu des Vaters Grab!
Der frommen Pflicht wollt' ich ihr Recht erzeigen,
Und so, aus guter Meinung, schafft' ich Böses!

Don Manuel (vor sich).
Was steh' ich hier in Furcht und Zweifelsqualen?
Schnell will ich Licht mir schaffen und Gewißheit. (Will gehen.)

Don Cesar (der zurückkommt).
Verzieh, Don Manuel; gleich folg' ich dir.

Don Manuel. Folge mir nicht! Hinweg! Mir folge Niemand! (Er geht ab.)

Don Cesar (sieht ihm verwundert nach).
Was ist dem Bruder? Mutter, sage mir's.

Isabella. Ich kenn' ihn nicht mehr. Ganz verkenn' ich ihn.

Don Cesar. Du siehst mich wiederkehren, meine Mutter;
Denn in des Eifers heftiger Begier
Vergaß ich, um ein Zeichen dich zu fragen,
Woran man die verlorne Schwester kennt.
Wie find' ich ihre Spuren, eh' ich weiß,
Aus welchem Ort die Räuber sie gerissen?
Das Kloster nenne mir, das sie verbarg.

Isabella. Der heiligen Cecilia ist's gewidmet,
Und hinterm Waldgebirge, das zum Aetna
Sich langsam steigend hebt, liegt es versteckt;
Wie ein verschwiegner Aufenthalt der Seelen.

Don Cesar. Sei guten Muths! Vertraue deinen Söhnen!
Die Schwester bring' ich dir zurück, müßt' ich
Durch alle Länder sie und Meere suchen.
Doch eines, Mutter, ist es, was mich kümmert:
Die Braut verließ ich unter fremdem Schutz.
Nur dir kann ich das theure Pfand vertrauen,
Ich sende sie dir her, du wirst sie schauen;
An ihrer Brust, an ihrem lieben Herzen
Wirst du des Grams vergessen und der Schmerzen. (Er geht ab.)

Isabella. Wann endlich wird der Fluch sich lösen,
Der über diesem Hause lastend ruht?
Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,
Und nimmer stillt sich seines Neides Wuth.
So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen,
So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand,
Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen,
Und freudig winkend sah ich schon das Land
Im Abendglanz der Sonne sich erhellen;
Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt,
Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!

(Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt.)


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