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Dreizehnte Vorlesung

Der vollkommene Geist ist absolute Wirklichkeit, vor aller Möglichkeit – Wirklichkeit, der keine Möglichkeit vorhergeht. In ihm selbst ist alles Er selbst. Z.B. wenn wir von der ersten Gestalt des Seins in ihm abstrakt redeten, könnten wir es das an sich Seiende nennen, aber dies ist unrecht geredet, es ist nicht unbestimmt das an sich Seiende, sondern es ist der an sich seiende Geist, und also wie dieser vollkommene Wirklichkeit. Um zu verstehen, was ich damit ausdrücken will, bitte ich Sie folgendes zu bedenken. Das an sich Seiende könnte zwar das an sich Seiende sein, jetzt nämlich, und sofern es sich nicht bewegte, nicht aber so, daß es nicht auch das Gegenteil davon sein könnte. Von dem so gedachten müßte man also sagen: es ist das an sich Seiende, und ist es auch nicht, es ist es, aber nicht entschieden, nicht ohne Möglichkeit des Gegenteils, also (wie ich bei einer früheren Gelegenheit erklärt habe) es ist selbst nur potentieller Weise das an sich Seiende, weil es potentiell oder der Möglichkeit nach auch das nicht an sich Seiende ist. Aber der vollkommene Geist ist die Wirklichkeit, die aller Möglichkeit zuvorkommt. In dem vollkommenen Geist ist das an sich Seiende Er selbst, es nimmt an der Wirklichkeit seines unvordenklichen Existierens teil, und ist daher wie Er selbst entschiedene Wirklichkeit. Dasselbe gilt von der zweiten Gestalt (dem für sich seienden Geist) und von der dritten – dem als solcher seienden Geiste, der nicht mehr das bloße An-sich, sondern das für sich seiende An-sich ist.

Gesetzt es ginge dem Sein des vollkommenen Geistes die Möglichkeit eines anderen Seins voraus, so wäre dieser Geist in der Tat weder absolut noch ursprünglich. Nicht absolut; denn alsdann würde er nur sein vermöge einer Entscheidung für dieses Sein, er wäre nicht ohne jenes andere Sein ausgeschlossen, d.h. ohne es vorausgesetzt zu haben. Es wäre gleichsam zweierlei Sein möglich gewesen, das nun in ihm gesetzte, und das andere. Aber das Entgegengesetzte war nie möglich, weil der vollkommene Geist nie nicht seiend war, sondern Ist, eh' von einer Möglichkeit die Rede ist. Ebenso – wäre für den vollkommenen Geist seine eigne Möglichkeit, die Möglichkeit seines gegenwärtigen (des in ihm nun gesetzten) Seins seiner Wirklichkeit vorausgegangen, so wäre er nicht wahrhaft ursprünglich. Denn, wie dies schon früher erläutert worden, ursprünglich (original) nennen wir niemals, was schon als ein Mögliches voraus begriffen worden, eh' es wirklich wurde. Original nennt man nur etwas, wovon man erst einen Begriff erhält, dadurch daß es wirklich ist, also das, wo die Wirklichkeit der Möglichkeit zuvorkommt. Also – um jetzt auf unsern Satz zurückzukehren – in Gott ist alles Wirklichkeit, alles Er selbst, und Sie werden nun verstehen, was ich früher sagte: die Potenzen sind in dem absoluten Geist nicht als Potenzen, sondern als = Er selbst. – – Nichts verhindert aber, daß nach der Hand, post actum, d.h. so wie jener Geist da ist, also von Ewigkeit (denn er ist eine ewige Idee, oder der Idee, der Natur nach ewig, d.h. er ist nicht eben ewig in dem Sinn, wie man dies gewöhnlich nimmt, daß er von unendlicher Zeit her ist, sondern er ist so ewig, daß er immer, und wann er ist, nur ewig – ewigerweise – ist) nichts verhindert also, daß post actum, d.h. nachdem jener Geist da ist, von seiner ewigen – und aller Möglichkeit zuvorkommenden Wirklichkeit an – daß von da an ihm an seinem eignen Sein sich die Möglichkeit eines anderen, also nicht ewigen Seins zeige und darstelle. Ich sage, daß diese Möglichkeit sich ihm darstelle. Denn gesetzt wird sie eigentlich nicht, gesetzt ist vielmehr das Gegenteil dieser Möglichkeit, sie selbst zeigt sich ihm nur, und erscheint eben auch dadurch als das – nur nicht Auszuschließende, von selbst, d.h. ohne seinen Willen sich Einstellende, Einfindende, als die eigentlich Nichts ist, wenn er sie nicht will, und nur Etwas ist, wenn er sie will. Nun entsteht aber natürlich die Frage: was ist diese Möglichkeit, oder vielmehr: was ist das andere Sein, von dem sich ihm die Möglichkeit zeigt? Hierüber Folgendes. – Es ist nicht zu leugnen, daß im nicht Seienden oder im bloßen Wesen auch die Möglichkeit eines Seins liegt, das es für sich haben könnte, diese zeigt sich nur nicht an ihm vor dem Aktus des unvordenklichen Seins, aber nichts verhindert, daß diese Möglichkeit eines anderen Seins, eines über das Wesen hinausgehenden Seins, sich dem vollkommenen Geist, sowie er Ist, gleichsam vorstelle oder sichtbar mache. Wenn nun das Wesen, auf dem die ganze Einheit ruht, das eigentlich die Ruhe, aber eben darum auch das mögliche bewegende Prinzip des Ganzen ist – wenn das bloße Wesen aus dieser Tiefe sich wirklich erhöbe, so würde dadurch zwar die Einheit nicht absolut zerstört, denn der vollkommene Geist ist nicht bloß zufälliger-, nicht bloß materiellerweise, nicht dem bloßen Sein nach, sondern er ist seiner Natur nach, er ist – wie wir gezeigt haben – eine übermaterielle, geistige und eben darum unzerreißbare Einheit, die ihm nicht erlaubt, das eine ohne das andere (eine Gestalt ohne die andere) zu sein, aber eben weil die Einheit nicht sich auflösen oder zerstören, die Gestalten des Einen nicht absolut auseinander gehen könnten, so würde, wenn jene Möglichkeit, die sich post actum am Wesen zeigt – wenn diese – was ohne göttlichen Willen übrigens nicht geschehen könnte; es könnte immer nur der vollkommene Geist selbst sein, der sein Sein auf diese Weise veränderte oder verstellte – wenn diese Möglichkeit aus ihrem Nichts sich erhöbe, würde eine durch das Ganze gehende Spannung gesetzt, und die Potentialität, die in der ersten Gestalt hervorgetreten wäre, würde sich auf alle fortpflanzen, ja es würde, schon eh' es zur wirklichen Erhebung jenes Prinzips käme, schon indem sich die Potentialität (die Möglichkeit eines anderen Seins) an ihm nur zeigte, eine mittelbare Potentialisierung aller andern entstehen; also eben die, welche bis dahin nur Gestalten des absoluten Geistes und = Er selbst waren, würden als Möglichkeiten eines anderen, von seinem ewigen Sein, d.h. von seinem Sein im Begriff, verschiedenen Seins erscheinen. Das Wesen würde sich zur ersten Potenz umkehren, zur unmittelbaren Möglichkeit eines anderen Seins, also zur Potenz, die dem Sein am nächsten ist, es würde als das unmittelbar Seinkönnende, als das Seinkönnende der ersten Stufe, der ersten Möglichkeit oder (wie wir jetzt auch sagen können) Potenz erscheinen. Aber dieses nicht Seiende war dem rein Seienden Subjekt, es war das, dem jenes rein Seiende war. Aber in diesem erst ganz hinein- und ihm zu-Gewendeten, das nur ihm Potenz war – wenn es jetzt Potenz von sich selbst (Seinkönnendes seiner selbst) wird, kann es nicht mehr sein Subjekt, also sich erkennen, es tritt also in seine eigne Selbstheit zurück, d.h. es bekommt ebenfalls eine Potenz in sich – was Sie auch auf folgende leichter zu fassende Art einsehen können.

Das rein Seiende war das gerade ausgehende – nicht auf sich selbst zurückgehende, es war, wie wir uns ausdrückten, das nur sich gebende, ganz hingegeben und sich gebend eben dem, welches selbst alles eignen Seins bloß und ledig ist; aber diese gegenseitige Annehmlichkeit zwischen beiden ist sofort aufgehoben, wenn das Wesen selbstseiendes wird, das rein Seiende ist: also genötigt in sich selbst, in sein eignes Selbst zurückzutreten, es ist als das rein Seiende negiert, gehemmt, also nicht mehr das rein Seiende, denn das rein Seiende ist das potenzlos Seiende – in ihm ist aber jetzt eine Negation, eine Hemmung, d.h. ein Nichtsein, eingetreten. Da es aber darum doch nicht aufhört seiner Natur nach das rein Seiende zu sein, so wird es durch eben diese Potentialisierung (dadurch daß es in statum potentiae gesetzt wird) wird es – nicht etwa nun frei zu wirken oder nicht zu wirken, sondern es muß wirken, es kann gar nicht anders als streben, sich in das reine Sein wiederherzustellen, und da dies nicht geschehen kann, es sei denn das, was sich ihm als Subjekt entzogen, ihm wieder zum Subjekt geworden, in sein ursprüngliches Nichts oder An-sich zurück überwunden, so kann es gar nicht anders als streben, das aus sich herausgetretene An-sich, das seiend gewordene nicht Seiende zu überwinden, um dadurch sich selbst zu dem, was es ursprünglich war, zum rein Seienden wiederherzustellen. Und so erscheint denn – auch vorläufig schon, und eh' es zur wirklichen Erhebung des nicht Seienden kommt, schon indem dieses nur noch als das auf solche Weise sein könnende sich zeigt – schon hier, sage ich, erscheint das rein Seiende als das mittelbar Seinkönnende, das nämlich eines eignen Seins (denn davon ist hier die Rede) nur dadurch fähig ist, daß es von einem anderen in statum potentiae gesetzt wird. Auch in diesem tritt also eine mittelbare Potentialität hervor. Denkt man sich die Spannung als wirklich eingetreten, so wird das rein Seiende in dieser Spannung nur noch als das sein, d.h. als das wirken Müssende erscheinen (weil es nicht frei ist zu wirken oder nicht zu wirken, sondern seiner Natur nach gar nichts anders sein kann als der Wille, seinen Gegensatz zu überwinden). Indem es in potentiam gesetzt wird, zeigt sich, daß es seiner Natur nach actus purus ist, dem die Potenz fremd ist, und daß es daher alles tut, seiner Potenz los zu werden, also das wieder zu negieren, wovon es negiert ist. In eine noch tiefere Negation tritt aber der Geist zurück, welcher das im Sein nicht Seiende war. Denn auch dieser, wenn es zu der Spannung käme, würde aus dem Sein gesetzt, das er in der Einheit hat; auch er erscheint also, sowie nur jene Möglichkeit an dem nicht Seienden sich hervortut, als Möglichkeit, Potenz eines anderen, eines zukünftigen Seins, als ein Seinkönnendes, das aber noch weiter entfernt ist vom Sein als das rein Seiende, indem es gar nicht unmittelbar wie dieses wirken, nicht sich selbst proprio actu in das Sein wiederherstellen kann, sondern erst dann in das Sein wieder eingesetzt würde, wenn das aus seinem An-sich herausgetretene Seinkönnende durch das Seinmüssende in sein An- sich zurück überwunden wieder zum Setzenden von ihm – dem Geist – geworden wäre. Dieses entfernteste Verhältnis zum Sein wird ausgedrückt durch den 'Begriff des bloß sein Sollenden. Das bloß sein Sollende ist soweit auch ein nicht seiendes, aber das entfernteste vom Sein. Denn im Begriff des sein Sollenden liegt schon, daß es nicht ein selbstwirkendes ist, daß es also, einmal aus dem Sein gesetzt, seine Wiederherstellung in das Sein von der Wirkung einer anderen Potenz erwartet (daß sie ihm nur vermittelt wird). Demnach würden nun (aber, wohl zu merken, erst hintennach, post actum) das nicht Seiende, das rein Seiende und das im nicht Sein Seiende – die drei Gestalten würden sich jetzt ihm (dem absoluten Geist) als ebenso viele Potenzen eines künftigen Seins darstellen. Die erste wäre die unmittelbare Potenz eines anderen, eines zufälligen Seins, das unmittelbar Seinkönnende, das Seinkönnende der ersten Potenz, also, wenn wir den Begriff des Seinkönnens durch A bezeichnen, A1; die andere wäre das Seinkönnende der zweiten Ordnung = A2 die dritte das Seinkönnende der dritten = A3. Da sich uns für die bloß mittelbaren Potenzen inzwischen eigne Ausdrücke ergeben haben, so brauchen wir von der ersten nicht mehr zu sagen, sie sei das unmittelbar Seinkönnende, sondern eben, sie sei das Seinkönnende, und die Folge von Potenzen, wie sie dem absoluten Geist sich in ihm selbst darstellt, ist daher diese: 1. das Seinkönnende, 2. das Seinmüssende, 3. das Seinsollende. Hierin sind alle möglichen Verhältnisse des noch nicht Seienden zu dem künftig Seienden, wir können eben damit zugleich sagen: alle Urkategorien des Seins begriffen. Sie haben also nun gesehen, wie das, was im vollkommenen Geist = Er selbst war, sich zu Potenzen eines anderen und künftigen Seins umwenden kann.

Den Anlaß aber zu dieser allgemeinen Potentialisierung oder zu dieser Erscheinung von Potenzen eines (noch nicht seienden) Seins in dem absoluten Geiste – den Anlaß zu dieser allgemeinen Erscheinung gibt ursprünglich nur die an dem Wesen hervortretende oder sich zeigende Möglichkeit. Diese Möglichkeit war vor dem Sein des vollkommenen Geistes auf keine Weise da, sie tritt erst nachher hervor als das Unversehene (Unvorhergesehene), gleichsam Unerwartete (auch dies, wie überhaupt nichts, sage ich umsonst – eben diese Potenz wird sich uns in der Folge wiederholt darstellen als das Unversehene, Plötzliche), sie ist das nicht Gewollte, denn sie tritt von selbst hervor, ohne Willen des Geistes; aber, obwohl das zuvor nicht Gesehene, erscheint sie doch nicht als ein ungern Gesehenes, als ein invisum in diesem Sinn, sondern im Gegenteil als ein Willkommenes. Denn indem sie dem absoluten Geist das Sein zeigt oder vorstellt, das er annehmen könnte, wenn er wollte, das also nichts ist und nie mehr als bloße Möglichkeit sein würde, wenn er es nicht wollte – indem sie also dem vollkommenen Geist etwas zeigt, das er wollen könnte – und zwar etwas eigentlich zu Wollendes – nämlich ein bloßes sein und nicht sein Könnendes, Zufälliges (nur ein solches kann eigentlich gewollt werden), indem sie also dem vollkommenen Geist einen solchen Gegenstand eines möglichen Wollens zeigt, wird er sich als Wille, als der wollen kann, inne, und diese Erscheinung (denn mehr ist es nicht) es ist noch keine Realität, es ist eine bloße Erscheinung in dem vollkommenen Geist, diese Erscheinung der ersten Möglichkeit eines von ihm selbst verschiedenen Seins setzt ihn zuerst in Freiheit gegen die Notwendigkeit seines unvordenklichen Seins, das er nicht sich selbst gegeben hat, in dem er also nicht mit Freiheit oder mit Willen ist, jene Erscheinung gibt ihn also zuerst sich selbst, indem sie ihn von jener heiligen zwar und übernatürlichen, aber unverbrüchlichen Ananke befreit, in deren Armen er gleichsam zuerst empfangen worden, und bis zu diesem – obwohl ohne Zwischenzeit eintretenden – der Ewigkeit unmittelbar folgenden – Moment gelegen hatte. Wir müssen uns nämlich jetzt eine frühere Unterscheidung zurückrufen. Der vollkommene Geist ist actu purissimo – in einem sein Gegenteil, daß ich so sage, nicht kennenden, alles Konträre, alles nicht Sein verzehrenden und zum Sein machenden Sein – in diesem verzehrenden Sein ist der Geist actu purissimo das Wesen, das rein Seiende und das als Wesen Seiende. Hier wird also ein Einssein (ich bitte Sie dies wohl zu merken) – es wird ein Einssein der drei Gestalten in ihm gesetzt, aber er ist nicht dem bloßen Sein nach, er ist seiner Natur nach, also er ist an sich der all-einige, so daß er, um uns so auszudrücken, es sein würde, wenn er es auch nicht wirklich, nicht im Sein wäre, und nicht aufhören könnte es zu sein, wenn auch jener actus purissimus seines Seins unterbrochen – ja durch ein hervortretendes Konträres, durch eine irgendwie eingetretene Spannung aufgehoben würde. Nun sehen Sie, eben davon ist jetzt die Rede. Indem jenes andere Sein ihm als ein mögliches gezeigt wird – dadurch eben wird er sich inne als der nicht bloß im Sein, nicht bloß materiell, sondern als der geistig, als der übermateriell All-Einige – und indem er sich als diesen geistig (d.h. auch unabhängig von aller materiellen All-Einigkeit) – All-Einigen sieht, wird er eigentlich erst sich als sich, als den wahrhaft absoluten und an nichts (an kein Sein – auch nicht an sein eignes) gebundenen Geist inne, als den, der der All-Einige auch bleibt in der Zertrennung der Potenzen, und der daher absolut gleichgültig ist gegen die zwei Möglichkeiten, in dem ursprünglichen – spannungslosen – Sein zu bleiben, oder in jenes gespannte und in sich selbst konträre Sein hervorzutreten. Er wird sich inne als der in der Zertrennung selbst nicht Zertrennbare, unüberwindlich Eine, der eben darum, und nur darum, frei ist, die Zertrennung zu setzen. Es verschlägt ihm nichts, dem Sein nach Einheit oder Spannung zu sein, denn Er selbst wird dadurch nicht verändert, es ist nur eine andere Form der Existenz, denn er existiert in der Spannung ebensowohl, nur auf andre Weise, als in der Einheit. Da aber ist erst die wahre Freiheit, z.B. für mich selbst, wo es mir nichts verschlägt, sondern in Ansehung meiner selbst vollkommen gleichgültig ist (ich sage: in Ansehung meiner selbst, denn in andern Rücksichten braucht es mir nicht gleichgültig zu sein), wahre Freiheit erkenne ich erst da, wo es mir in Ansehung meiner selbst gleichgültig sein kann, so oder so zu sein, so oder so zu handeln. Hier also erst ist Seiendes, das Ist = schlechthin freier Geist = Gott. Hier erst ist der vollkommene Geist nicht mehr bloß als nicht-Notwendigkeit, in das Sein überzugehen, sondern auch als Freiheit, ein anderes, von seinem ewigen oder Begriffs-Sein verschiedenes Sein anzunehmen, d.h. als Freiheit, aus sich selbst herauszugehen, erreicht. Hier erst kann er von sich selbst sagen: Ich werde sein, der ich sein werde, d.h. der ich sein will, es hängt bloß von meinem Willen ab, dieser oder ein anderer zu sein – hier stellt sich der vollkommene Geist als Gott dar; hier sind wir berechtigt ihm diesen Namen zu geben. Denn das Wort Gott ist an sich ein bloßes Wort, wo es sich also um die richtige Anwendung desselben fragt. Ist aber bloß davon die Rede, fragt es sich z.B., ob der Name Gott auch auf eine tote, unbewegliche, in blinder Notwendigkeit über ihren eignen Bestimmungen brütende Substanz, oder auf ein in gleicher Notwendigkeit – etwa durch sukzessive Negationen alles bestimmten Seins endlich sich selbst als das reine Nichts darstellendes Prinzip angewendet werden könne, da kann allein der Sprachgebrauch und zwar der ursprüngliche entscheiden. Eine urkundlichere Erklärung des Namens Gott aber, wie ich schon früher bemerkte S. Philosophie der Mythologie, II, II, 47, vgl. mit Einleitung in die Philosophie der Mythologie, 11,1,171. A. d.O. gibt es nicht, als die der wahre Gott selbst dem Gesetzgeber Israels erteilt; denn als dieser fragt, bei welchem Namen er ihn (den wahren Gott) dem Volk nennen sollte, antwortet Er: Nenne mich: Ich werde sein, der ich sein werde, dies ist mein Name. Und eine andere Bedeutung hat auch der Name Jehovah nicht, der wenigstens seit Mosis Zeiten dem wahren Gott im ganzen Alten Testament beigelegt wird. Das »Ich werde sein, der ich sein werde« kann entweder heißen: Ich werde sein, der ich will (wenn [...] sensu neutro genommen würde: Ich werde sein, was ich will), oder, wenn man das hebräische Tempus aoristisch versteht: Ich werde sein, der ich bin, d.h. ich werde sein und dabei doch derselbe bleiben, ich werde sein ohne Nachteil und ohne Veränderung meiner selbst.

In völliger Freiheit also ist Gott, das ihm gezeigte Sein, welches nicht mehr in actu purissimo besteht, sondern ein actus ist, in dem zugleich Spannung, Widerstand ist – er ist in völliger Freiheit, dieses Sein anzunehmen oder nicht anzunehmen, weil er nicht der bloß materiell, sondern der übermateriell All-Einige ist, weil er also in der materiellen nicht-Einheit ebensowohl oder nicht weniger der an sich Eine ist als in der materiellen Einheit. Die Einheit ist die Einheit seiner Natur, welche als eine übermaterielle, absolut geistige durch die materielle nicht-Einheit so wenig affiziert wird, als sie durch das materielle Einssein bedingt war, da dieses vielmehr eine Folge von ihr ist. Ferner können wir auch sagen: es steht ihm absolut frei, das ihm gezeigte Sein anzunehmen, weil er auch dann, auch wenn er aus dem spannungslosen Sein in das gespannte heraustritt, damit sein göttliches Sein im Grunde bloß suspendiert, nicht aufhebt, denn vielmehr eben durch die Spannung selbst (wie wir bald hören werden) und durch den Gegensatz der Potenzen wird es wiederhergestellt, so daß er dieses Sein alsdann nur als ein vermitteltes und wiederhergestelltes besitzt, das er ursprünglich als ein unmittelbares und unvermitteltes besaß. Aber ob mittelbar oder unmittelbar ist für ihn gleich viel, denn seine Gottheit besteht nicht in dem so-Sein, sondern darin, daß er unveränderlich Er selbst ist, d.h. sie besteht in jenem Sein, das mit dem Wesen selbst Eins ist, und in bezug auf welches das alte Wort gesprochen ist: In Deo non differunt Esse et quod Est – d.h. eben das wahre Sein Gottes ist das, daß Er – Er selbst ist.

Nachdem wir nun aber den Punkt der gänzlichen und vollkommenen Freiheit Gottes im Annehmen oder Nichtannehmen jenes von ihm selbst verschiedenen Seins ins Reine gebracht haben, so bleiben noch zwei Fragen übrig: 1. wie, auf welche Weise er dieses Sein annehmen könne, 2. wodurch er im Fall der Annahme dieses Seins zu derselben bewogen gedacht werden könne, welche Beweggründe zu dieser Annahme in ihm sich denken lassen. Denn das ist die Art der sittlich freien Natur, zu ihren Handlungen nicht blindlings, sondern durch Beweggründe bestimmt zu werden.

Was nun die erste Frage betrifft, wie es mit der Annahme jenes Seins zugehe, so ist bereits erklärt, worin der Grund der ganzen Spannung – also des außergöttlichen Seins liegt (denn das unmittelbare göttliche Sein ist das spannungslose, ist actus purissimus). Der Grund der ganzen Spannung ist das aus seinem An- sich hervorgetretene, selbst seiend gewordene An- sich. Nun ist aber Gott seiner Natur nach das an sich Seiende, und weil Gott der an sich seiende Geist ist, so kann dieser, also das an sich Seiende auch durch den bloßen Willen Gottes außer sich sein – als dieses außer sich seiende eben hat es alsdann die Eigenschaften eines ganz und bloß durch den göttlichen Willen Seienden. Als dieses, als das aus seinem An- sich herausgetretene Wesen, ist es nun freilich nicht mehr Gott selbst, doch ist es auch nicht schlechthin nicht-Gott, denn da in ihm die Möglichkeit ist in sein An-sich zurück überwunden, zurückgebracht zu werden, so ist in ihm auch wieder die Möglichkeit oder Potenz des Gottseins, d.h. es ist wenigstens potentiâ Gott.

Es wird hier überhaupt – zum Verständnis der weiteren Entwicklung – notwendig sein, folgendes über das Wort Potenz zu bemerken. Wir haben bereits gesehen, wie sich dem vollkommenen Geist an den Gestalten seines Seins zuerst die Potenzen darstellen. Hier werden sie also für ihn – Möglichkeiten, Potenzen eines anderen Seins, eines von seinem gegenwärtigen verschiedenen Seins. In dem wirklichen Sein aber, wo sie nun nicht mehr Gestalten des unmittelbaren göttlichen, sondern wirklich eines vom göttlichen verschiedenen Seins sind, verhalten sie sich auch wieder als Potenzen, als Möglichkeiten, nämlich als Potenzen oder Vermittlungen des wiederherzustellenden göttlichen Seins, so daß sie also, innerlich, Potenzen des außergöttlichen, äußerlich geworden, Potenzen des göttlichen Seins sind. Wir werden sie daher auch in dem äußeren Sein Potenzen nennen dürfen, wiewohl sie es da in einem andern Sinne sind, als dort, wo sie noch bloß innerlich als Möglichkeiten erschienen.

Also um wieder auf den eigentlichen Fragepunkt zurückzukehren, so verhindert nichts, daß Gott, da er durch seine Natur das Wesen (das an sich Seiende) und also auch das in diesem verborgene Seinkönnende ist, durch seinen bloßen Willen statt dessen das außer sich Seiende sei, jenes existamenon, von dem gleich im Anfang die Rede war; nur muß man dabei denken, daß er es nicht ist, um es zu sein, sondern um eines andern Zwecks willen, den er dadurch erreichen will. Denn es ist eine uralte Lehre, daß Gott stets durch das Gegenteil, dia tôn enantiôn seine Absichten ausführe. Er ist dieses Andere – dieses außer sich Seiende – er verwirklicht dieses Mögliche durch ein unmittelbares Wollen nur, damit er in diesem überwunden werde, ja er ist sogar nur frei, dieses Sein anzunehmen, weil er an der zweiten Gestalt seines Wesens, die in diesem Verhältnis zur zweiten Potenz wird, weil er an dieser hat, wodurch er jenes Sein überwinde. – Wir sind also nun durch diese Auseinandersetzung, in der von einem Zwecke die Rede war, von selbst auf die andere Frage geführt: wodurch Gott, im Fall der Annahme jenes Seins (das wir einstweilen voraussetzen oder nur als möglich denken), wodurch also Gott, im Fall der Annahme eines Seins außer sich, dazu bewogen gedacht werden könne.

Man könnte sich den Übergang von dem unmittelbaren und widerstandlosen Sein zu dem durch Widerstand vermittelten etwa auf folgende Art denken. Jedes Wesen, sowie es sich in seiner Ganzheit und Vollständigkeit nur hat (Gott aber hat von Ewigkeit sich selbst in seiner Ganzheit), jedes Wesen dieser Art sucht natürlich zuerst sich in seinen verschiedenen Gestalten auseinanderzusetzen und zu unterscheiden, oder sich in jeder insbesondere zu setzen und zu erkennen. Dies ist nun aber in jenem actus purissimus des göttlichen Lebens unmöglich, indem die Gestalten nicht wirklich auseinanderzubringen sind. Der an sich seiende Geist ist materiell wie der für sich seiende; beide sind, wie wir gesehen, eine völlig gleiche Selbstlosigkeit. Ebenso ist der im an-sich-Sein für sich seiende Geist jedem der beiden für sich gleich, dem an sich seienden, denn er ist selbst auch der an sich seiende, dem für sich seienden, denn er ist ja auch dieser. In diesem reinen, noch ungehemmten Fluß des göttlichen Lebens ist zwar Anfang, Mittel und Ende, aber der Anfang ist da, wo das Ende, und das Ende ist eben da, wo der Anfang ist, d.h. beide sind nicht auseinanderzubringen. In dieser reinen Unmittelbarkeit wäre also Gott sich selbst unfaßlich, oder er könnte nicht sich selbst in seinen Gestalten setzen und festhalten, da die eine unmittelbar in die andere übergeht. Das Bestreben, sich dennoch in denselben festzuhalten, würde nur als eine Art von rotatorischer Bewegung erscheinen können, denn alles dasjenige, was sich nicht als Anfang und Ende sich selbst entgegensetzen, Anfang und Ende nicht auseinanderbringen kann, rotiert. Da nun, könnte man fortfahren, jede rotatorische, d.h. Anfang und Ende nicht finden könnende Bewegung, Unseligkeit ist, so ist ihm auch darum jene an ihm selbst – nämlich an der ersten Gestalt seines Seins – sich zeigende Möglichkeit so höchst willkommen, weil diese allein schon jener rotatorischen Bewegung ihn enthebt und ihm das Mittel wird, auch daraus schon und ohne wirkliches Auseinandergehen sich in allen seinen Gestalten zu unterscheiden, indem er sie vermittelt durch jene erste Möglichkeit nun schon sieht, nicht als das, was sie sind, sondern als das, was sie sein können oder sein werden, also in derjenigen Gestalt, wo eine der anderen ungleich, die eine wirklich außer der anderen ist. Darum also ist ihm jene erste Möglichkeit, jene potentia prima, die der Anfang zu allen anderen Möglichkeiten ist, so willkommen; denn nicht nur setzt sie ihn gegen die Notwendigkeit seines alles verzehrenden, d.h. kein Außereinander und keine Unterscheidung zulassenden, Seins in Freiheit, sondern es kommt auch durch sie zuerst Erkenntnis in Gott, darum kann sie ihm nicht als Gegensatz erscheinen, sondern nur als Gegenstand des Ergötzens und einer nie aufhörenden Freude; ja, wenn die Frage entsteht, womit Gott von Ewigkeit sich beschäftigt, so kann man darauf nur antworten: eben jene potentia prima war von Ewigkeit der einzige Gegenstand seiner Beschäftigung, seiner Lust. (Hierauf kommen wir wieder zurück.) – Um aber aus jener rotatorischen Bewegung, die mit seinem Ursein notwendig gesetzt wäre, auch wirklich zu entkommen und in die entgegengesetzte, d.h. in die geradlinige Bewegung überzugehen, hätte der vollkommene Geist kein anderes Mittel, als Anfang, Mittel und Ende in sich selbst sich wirklich ungleich zu machen (bisher waren sie nur potentia sich ungleich); denn die gerade Linie ist eben die, in welcher Anfang und Ende außereinander sind, während der Punkt dasjenige ist, dem der Anfang auch gleich das Ende und das Ende der Anfang ist. Anfang, Mittel und Ende würde er aber erst in der Tat sich ungleich machen, wenn er die an den drei Gestalten seines Seins erblickten Möglichkeiten zur Wirklichkeit erhöbe. Denn da sind sie wirklich für sich gegenseitig außereinander, und schließen sich voneinander aus, und zwar so, daß jedes gerade nur in dieser Ausschließung und Spannung ist, was es ist. Mit dieser Spannung ist aber zugleich nun eine notwendig vom bestimmten Anfang durch bestimmten Mittelpunkt in ein vorbestimmtes Ende fortschreitende, d.h. es ist eine geradlinige Bewegung gegeben. Auf diese Weise also ließe sich jener freiwillige Übergang Gottes in das andere oder äußere Sein darstellen. Man könnte hierher eine merkwürdige Stelle in dem Platonischen Werk von den Gesetzen beziehen, wo Platon – ich sage Platon, ich will mich damit nicht anheischig machen, gegen diejenigen zu streiten, die dieses Werk dem Platon absprechen; mir scheint es Platonisch, und ich getraue mir es im System der Platonischen Werke wohl zu begreifen; überhaupt scheint es mir nicht recht, den Geist eines großen Schriftstellers so an sich gebunden zu denken, daß er überall und durchaus sich selbst gleich sein müßte, am wenigsten scheint mir dies dem Schriftsteller angemessen, dem die Verehrung der Nachwelt seit zwei Jahrtausenden schon den Namen des göttlichen (divinus) eigentümlich beigelegt hat – dieser also führt als einen palaion logon, wahrscheinlich als Überlieferung der ältesten, d.h. unmittelbar aus der Mythologie hervorgegangenen Philosophie, folgende Worte an: Diese Stelle (De Legg. IV p. 716) wurde schon früher (in der Philosophie der Mythologie, II, II, 83) angewendet; hier ist die Erklärung der Stelle selbst näher angegeben, die übrigens auch Gegenstand einer besonderen Abhandlung ist, welche vom Verfasser in der philosophisch-philologischen Klasse der Münchener Akademie vorgetragen wurde. A. d. O. Gott, Anfang, Mittel und Ende der Dinge in sich begreifend, dringt geraden Wegs durch, da er seiner Natur zufolge umlaufen würde, griechisch: ho men dê theos archên te kai teleutên kai mesa tôn ontôn hapantôn echôn, eutheian (oder, wie man jetzt liest: eutheia) perainei kata physin periporeuomenos. (Dabei müssen freilich die letzten Worte: kata physin periporeuomenos, wie man jetzt liest, in die Worte kata physin peripheromenos verändert werden – allein jeder, der die Stelle ansieht, wird mir darin beistimmen, denn 1. ist es ganz begreiflich, ja natürlich, daß periporeuomenos aus der Umgebung hineingekommen ist; 2. der Ausdruck kata physin fordert eine unwillkürliche Bewegung [denn wie einer kata physin übersetzt hat: in der Natur oder in der Schöpfung umwandelnd, kann ich wenigstens mit meinem wenigen Griechischen nicht vereinigen; kata physin kann nur heißen: der Natur, d.h. seiner Natur gemäß, dies fordert also eine unwillkürliche Bewegung] in dem periporeuomenos aber wäre eine willkürliche ausgedrückt. Und so wie hier das kata physin eine unwillkürliche Bewegung fordert, so ist in dem eutheian perainei offenbar eine freie, vorgesetzte, mit einem Vorsatz verbundene Bewegung gemeint, welche nun ihrerseits wieder in dem zweiten Glied einen Gegensatz fordert; da aber der Gegensatz des geraden Fortgangs nur das sich Umdrehen, peripheresdai, sein kann, so ist gar nicht zu zweifeln, daß dieses Wort gesetzt werden müsse). Sinn: Gott geht gerade vorwärts, indem er wollend Anfang, Mittel und Ende sich ungleich macht, da er seiner bloßen Natur nach umlaufen würde, d.h. Anfang und Ende nicht auseinanderbringen könnte. Doch es bedarf der Autorität des Platon nicht, um diese Anwendung des Gegensatzes von geradliniger und rotatorischer Bewegung auf das göttliche Leben zu rechtfertigen. Denn auch ein Prophet des Alten Testaments Hos. 14, 19. sagt: [...], die Wege des Herrn sind gerade, d.h. vom Anfang gerade in das vorgesetzte Ende gehend; und dagegen in dem schon angeführten Gleichnis Christi, wo der Geist to pneuma, und zwar, wie der Zusammenhang zeigt, der Geist in seiner ersten Geburt, in seinem ersten Dasein, wo er also gleichsam noch nicht Zeit gehabt hat in eine andere Bewegung überzugehen, auch hier wird ja das erste Sein des Geistes mit dem Wehen des Windes insofern verglichen, als in diesem Anfang und Ende nicht zu unterscheiden, nicht auseinanderzuhalten sind, d.h. auch hier wird die erste oder unmittelbare Bewegung des Geistes mit einer rotatorischen, in sich zurücklaufenden verglichen. Der Gedanke von einem Weg oder von Wegen Gottes, den Platon in der angeführten Stelle ganz mit den Vorstellungen des Alten Testaments gemein hat, geht ohnedies durch die ganze Schrift. Man kann aber Gott keinen Weg zuschreiben, ohne ihm eine Bewegung, d.h. ohne ihm ein Ausgehen von Sich – oder von da, wo er ursprünglich ist, zugleich zuzugeben. Und so wird namentlich in einer Stelle, über die ich später ausführlicher sein werde, jene Potentia prima redend eingeführt: der Herr (Jehovah) hatte mich im Anfang seines Wegs, d.h. anteqam ex se ipso progrederetur, eh' er aus sich selbst herausging.

Auf diese Art könnte man sich also das Herausgehen Gottes aus seinem Ursein in ein anderes Sein etwa verdeutlichen. Ich will nur noch bemerken, daß übrigens, wie Johannes Kepler anführt, schon ältere Mathematiker das Geradlinige Gott, das Krumme der Kreatur zugeeignet haben, woraus die hohe Bedeutung dieses Gegensatzes, der uns auch äußerlich schon durch die Erscheinung des Lichts und die Rotation der Weltkörper so nahe gelegt ist, überhaupt erhellt.

In einer anderen vielleicht weniger kühnen, aber übrigens völlig sachgemäßen Wendung kann man das göttliche Herausgehen so erklären: die Absicht sei, das nicht selbstgesetzte Sein, jenes Sein, in dem Gott sich selbst nur findet, in ein selbstgesetztes zu verwandeln, also zunächst und unmittelbar an die Stelle jenes actus purissimus, in dem das göttliche Ursein besteht, einen durch Widerstand unterbrochenen, aber eben darum in seinen Momenten unterscheidbaren und begreiflichen Aktus, kurz einen Prozeß zu setzen, der, inwiefern in ihm nur das ursprüngliche göttliche Sein wiederhergestellt oder wieder erzeugt wird, ein theogonischer genannt werden könnte. Indes ist bei dieser Ansicht zu bemerken, daß es sich zwar allerdings so verhält, nämlich daß durch jene Herauswendung der Potenzen der reine unvermittelte Aktus des göttlichen Seins nur in einen vermittelten verwandelt wird; dies kann jedoch als eigentliches Motiv darum nicht geltend gemacht werden, weil der Erfolg dieses vermittelten Aktus für Gott selbst doch eigentlich ohne Resultat sein würde, da er sich auch ohne diesen Aktus, in jenem ersten sich Innewerden, wo er die Gestalten zuerst von sich (als wesentlicher Einheit) unterscheidet, in der ganzen Vollständigkeit seines Seins erblickt. Das eigentliche Motiv könnte nur in etwas liegen, das ohne jenen vermittelten Aktus, d.h. ohne jenen Prozeß, der durch die gegenseitige Spannung der Potenzen entsteht, gar nicht sein könnte. Ein solches, jetzt noch nicht Seiendes, also bloß Zukünftiges, aber allein durch den mit Willen gesetzten Prozeß Mögliches könnte nun aber nur die Kreatur sein. Das wahre Motiv des Herausgehens wäre also die Schöpfung, und jener Prozeß müßte sich als Schöpfungsprozeß darstellen lassen.

Ehe ich dies nachweise, bedarf es noch einer weiteren Auseinandersetzung des Allgemeinen.

Der vollkommene Geist erblickt an dem, was in ihm reines, bloßes Wesen – ich bitte Sie sich hierbei an das zu erinnern, was von dem bloß wesenden Sein früher gesagt worden – also an dem, was in ihm reines Wesen, d.h. bloß wesentliches oder an sich seiendes Sein ist, an diesem ersieht der vollkommene Geist die Möglichkeit eines anderen, eines über das Wesen hinausgehenden oder hinzukommenden Seins. Ich habe schon gezeigt, wie diese an der ersten Gestalt ersehene Möglichkeit oder Potentialität sich auf die beiden anderen fortpflanzt; denn wenn es möglich ist, daß das an sich Seiende des Geistes ein außer sich seiendes werde, oder wenn dieses an sich Seiende des Geistes als das Seinkönnende im transitiven Sinn des Worts gesehen wird, so ist es auch eine Möglichkeit (eine entferntere und vermittelte zwar, aber denn doch eine Möglichkeit), daß das rein oder bloß gegenständlich Seiende des Geistes aus diesem reinen Sein, welches ihm nur durch das an sich Seiende vermittelt ist – und zwar nur durch das an sich Seiende, inwiefern es ihm Subjekt (also nicht selbst Objekt oder Subjekt (Möglichkeit) seines eignen Seins ist) – es ist auch möglich, sage ich, daß das rein Seiende aus diesem reinen Sein gesetzt, negiert werde; es stellt sich also zum voraus dar als das in diesem Fall sein Müssende, nämlich als dasjenige, welches al sdann oder in dem angenommenen Fall nicht frei ist, zu wirken oder nicht zu wirken, sondern wirken muß, um sich eben in das reine Sein wiederherzustellen, von dem es durch die Selbsterhebung des an sich Seienden ausgeschlossen worden. Es erscheint zum voraus als das sein Müssende, heißt: es erscheint als das Seinkönnende der zweiten Potenz. Nicht weniger aber stellt sich auch die dritte Gestalt, in welcher der vollkommene Geist das für sich selbst seiende An-sich ist – auch diese stellt sich dar als das durch die Selbsterhebung des an sich Seienden Auszuschließende, demnach der Negation – nicht der gänzlichen Aufhebung, aber doch der Potentialisierung – Fähige. Auf diese Weise aber potentialisiert, in den Zustand des nicht Seins, d.h. eben der bloßen Potenz, gesetzt, wäre sie in ihr ursprüngliches Sein, welches ein reines von selbst Sein war, nur wiederherzustellen, wenn das an sich Seiende wieder in sein An-sich zurückgebracht – zurück überwunden würde. Dieses könnte nun aber nur durch die zweite Potenz, die sich in dieser Spannung als das sein Müssende, notwendig Wirkende verhält, geschehen, damit stellt sich demnach die vom ursprünglichen Sein ausgeschlossene dritte Gestalt als das nur durch doppelte Vermittlung Seinkönnende, als Seinkönnendes der dritten Potenz, als sein Sollendes dar. Käme es nun aber wirklich zu dieser – bis jetzt bloß als möglich vorausgesetzten – Spannung, so ist leicht einzusehen, daß mit dieser zugleich ein Prozeß gesetzt sein würde. Die veranlassende Ursache dieses Prozesses wäre das aus seinem An-sich – aus seinem Mysterium – herausgetretene An-sich. Die wirkende Ursache wäre die in ihr ursprünglich-reines, d.h. potenzloses Sein notwendig sich wiederherzustellen strebende zweite Potenz; denn diese, ausgeschlossen von ihrem Sein und selbst negiert durch das, was ihr ursprünglich Subjekt, Potenz war, jetzt aber selbst Seiendes geworden ist – diese kann ihrer Natur nach nichts anderes sein als der Wille, dieses sie Negierende hinwiederum zu negieren, d.h. es in sein ursprüngliches Nichts, nämlich in sein An-sich wieder zu überwinden, dieses nicht sein Sollende zum sich selbst Aufgeben, zur Exspiration zu bringen, wo es dann von selbst wieder zum Setzenden jenes Dritten wird, dem allein gebührt zu sein, des eigentlich sein Sollenden. Wenn also das aus seinem An-sich herausgetretene An-sich die veranlassende, das aus seinem potenzlosen Sein gesetzte rein Seiende die wirkende Ursache des Prozesses war, so ist das sein Sollende die End-Ursache, die causa finalis des Prozesses. – Um sich zu denken, wie jenes Prinzip des Anfangs, jenes den Prozeß veranlassende Prinzip wieder in sein An- sich überwunden werde, bitte ich Sie, an das sich zu erinnern, was schon früher gezeigt worden, S. oben S. 746 daß das Seinkönnende in seinem Hervortreten, oder wenn es sich zum Aktus erhebt, nur als ein positiv gewordener, entzündeter Wille sich verhalten kann. Wille aber, wie er das einzige Widerstandsfähige, ist er auch das einzige Überwindliche. Die Möglichkeit dieses Prozesses beruht nun aber nur darauf, daß die drei Potenzen, obwohl sich gegenseitig ausschließend, doch nicht wirklich auseinander können, also darauf, daß ihre ursprüngliche Einheit eine geistige, eine unzerreißbare ist. Die Potenzen stellen das bloß materielle Existieren vor, das Seiende selbst ist über der bloßen Materie des Seins erhaben, die übermaterielle, eben darum unauflösliche Einheit, welche die Potenzen, auch wenn sie in Spannung oder Entgegensetzung sind, nicht auseinanderläßt, sie zwingt uno eodemque loco zu sein, und so die materiellen Ursachen eines Prozesses zu sein, dessen übermaterielle Ursache sie selbst (die Einheit) ist.

Um sich die in der Zertrennung bestehende Einheit aufs bestimmteste zu denken, bitte ich zu bemerken, daß die Potenzen während der Spannung zwar sich gegenseitig ausschließen, also für sich gegenseitig, aber nicht für Gott außereinander sind. Gott ist die unauflösliche Einheit der Potenzen nicht unmittelbar als solcher, er ist nur die unzertrennliche Einheit seiner selbst, und dadurch mittelbar auch der Potenzen – nur sie sind also zertrennt, aber Er ist in ihnen, auch in den jetzt alterierten und ein anderes gewordenen immer derselbe, alle durchdringende Geist. Sie sind sich gegenseitig untereinander, aber sie sind nicht für ihn undurchsichtig. – Das Reelle in ihnen ist noch immer das Göttliche, das, was an ihnen das nicht Göttliche ist, oder das, wodurch sie (bloße) Potenzen sind, ist das bloß Akzessorische, ist nicht Wesen, sondern nur Erscheinungsweise. Daher dann freilich, wenn das Erzeugnis dieser Potenzen die Welt ist, auch die Welt nicht Wesen, sondern nur Erscheinung, wiewohl eine göttlich gesetzte Erscheinung ist.

Daß alles aus Gott sei, hat man von jeher gleichsam gefühlt, ja man kann sagen: eben dieses sei das wahre Urgefühl der Menschheit. Aber nie ist man über das bloße Daß hinausgekommen, und auch dieses ( daß es so ist) hat man höchstens auf dialektische ( d.h. den Verstand bloß logisch zwingende), aber keineswegs auf überzeugende Weise zu zeigen vermocht. Denn dazu war erforderlich anzugeben, wie das, was ursprünglich, nämlich in Gott, nur tanquam in actu purissimo, als lauterstes, geistigstes Leben gedacht werden kann, wie eben dieses sich materialisieren, substantialisieren, gleichsam entgeisten, zu etwas von Gott Verschiedenem, zu einem außergöttlichen Leben werden könne. Durch unsere Entwicklung, durch die am rein Geistigen Gottes nachgewiesenen Möglichkeiten ist gezeigt, was bis jetzt keine Philosophie und keine Theosophie zeigen konnte. – Nun ein weiterer Punkt!

Auch in den gespannten und sich gegenseitig ausschließenden Potenzen existiert noch immer nur Gott. Die Gottheit oder das göttliche Sein der Potenzen ist zwar suspendiert, aber eben darum ist nur die Form oder Art der göttlichen Existenz eine andere, nicht aber die Existenz Gottes selbst aufgehoben. Gott existiert in der Spannung und Zertrennung der Potenzen nicht weniger als in der Einheit. Inwiefern aber nun Gott die Potenzen in der gegenseitigen Ausschließung nicht weniger als in der Einheit ist (sie sind in der Spannung nur die frei gewollte Form seiner Existenz), insofern ist er in jeder ein anderer; er ist ein anderer als der aus seinem An-sich herausgetretene, ein anderer als der dieses außer sich Gesetzte seines Wesens wieder zurückbringende und überwindende, ein anderer als der, welcher sein soll – er ist also in jeder der drei sich jetzt ausschließenden Gestalten ein anderer, aber nicht ein anderer Gott, denn Gott ist er nicht als eine dieser Gestalten insbesondere, sondern nur als die unauflösliche Einheit derselben; er ist daher zwar Mehrere, aber nicht mehrere Götter, sondern nur Ein Gott. Mit dieser letzten Reflexion sind wir, wie Sie sehen, wieder auf den Begriff des Monotheismus geführt, d.h. auf denjenigen Begriff, der der höchste aller wahren Religion ist – eben deshalb auch der, von welchem eine (objektive) Erklärung der falschen Religion auszugehen hat. Als solchen haben wir ihn in dem früheren Vortrag bereits entwickelt, und ich erinnere Sie hier nur wieder an die Hauptpunkte desselben. Wir unterschieden damals den Monotheismus im Begriff vom Monotheismus als Dogma oder dem wirklichen Monotheismus. Letzterer ist da, wo die Potenzen sich gegenseitig ausschließen, also eine wirkliche Mehrheit in Gott gesetzt ist. Denn vor der Spannung ist diese Mehrheit in Gott nur potentiell, und dies nannten wir den Monotheismus im Begriff. Diesem selbst aber liegt als letzter Gedanke zugrund, daß Gott nicht (wie im bloßen Theismus) der schlechthin Einzige, sondern der als Gott einzige ist, oder daß die Behauptung der Einzigkeit in Gott nicht eine bloß negative, daß sie nur eine positive, d.h. affirmative sein könne. Affirmativ ist die Behauptung der Einzigkeit in dem Fall, wenn erst in einem Wesen eine Mehrheit gesetzt ist, und die Einheit des Wesens als solche behauptet wird. Posita pluralitate asseritur unitas Dei qua talis. Die Bedingung einer wirklichen Affirmation der Einheit Gottes ist, daß zuerst eine Mehrheit in ihm gesetzt sei. Diese affirmative Behauptung ist nun vermöge unserer Begriffe möglich. Denn Gott ist a) der an sich seiende, b) der für sich seiende, c) der im An-sich für sich seiende Geist. Von dieser Seite betrachtet ist er allerdings nicht Einer im bloß negativen oder ausschließlichen Sinn; bezeichnen wir die drei Begriffe durch drei Buchstaben, so ist er nicht bloß a, nicht bloß b, nicht bloß c, sondern a+b+c, d.h. Mehrere, aber doch nicht mehrere Götter, denn eben weil er nicht als b oder c insbesondere, sondern nur als a+b+c erst Gott ist, so ist er, obgleich a+b+c, doch nicht mehrere Götter, sondern nur Ein Gott. Nur inwiefern er (zwar nicht mehrere Götter, aber doch) Mehrere ist, kann ich sagen, es sei nur Ein Gott; und dies ist dann also eine affirmative Behauptung. Der Monotheismus als ein unterscheidender Begriff und vollends als eine Unterscheidungslehre kann nicht in einer bloßen Verneinung, er muß in einer Behauptung bestehen. Diese Behauptung kann nicht darin liegen, daß Gott überhaupt nur Einer ist; denn damit ist immer nur gesagt, daß er nicht mehrere ist. Der Fehler des gewöhnlichen Vertrags besteht darin, daß man sich denkt, das, was im Begriff des Monotheismus unmittelbar behauptet werde, sei die Einheit, da das unmittelbar Behauptete vielmehr die Mehrheit ist, und nur mittelbar, nämlich nur erst im Gegensatz mit dieser Mehrheit die Einheit als solche behauptet wird. Weit entfernt, daß in dem richtigen Begriff die Einheit unmittelbar behauptet wird, ist sie vielmehr das unmittelbar Widersprochene; es wird geleugnet, daß Gott einzig in dem Sinn sei, in welchem eine Potenz, z.B. die von uns als erste bezeichnete eine ist. Den Gestalten seines Seins nach ist Gott nicht Einer, sondern Allheit, also Mehrheit (denn Allheit ist nur geschlossene, vollendete Mehrheit). Als solche tritt diese Mehrheit aber erst hervor in der Scheidung der Potenzen, d.h. im Prozeß: hier zeigt sich dann aber auch die Einheit als solche; denn Gott ist der in den Potenzen seiende, in ihnen wirkende und schaffende, und als dieser ist er nicht mehrere, sondern Einer, und hier also ist der Monotheismus (als Lehre) ausgesprochen. Von dem so begriffenen Monotheismus läßt sich nun auch der Polytheismus als ein möglicher ableiten. Denn betrachten wir die Potenzen nicht in ihrem Verhältnis zu Gott, sondern so, wie sie in ihrer gegenseitigen Ausschließung erscheinen, so müssen wir erkennen, daß sie als solche außer ihrer Gottheit gesetzte sind, d.h. sie sind außer jenem pneuma, außer jenem actus purissimus gesetzt, in welchem sie selbst = Gott sind; sie sind daher in ihrer Entgegensetzung nicht Gott, und doch auch nicht schlechthin nicht-Gott, sie sind nur nicht wirklich Gott, ihre Gottheit ist eine suspendierte, aber nicht aufgehobene – aber eben darauf, zu erklären, wie irgend etwas außer Gott (praeter Deum), und doch dabei nicht nichts und auch nicht schlechthin nicht- göttlich sein könne, kommt es an, wenn der Polytheismus wirklich erklärt werden soll. Es ist hier eine Mehrheit, von deren Elementen man nicht schlechthin und in jedem Sinn sagen kann, daß sie nicht Gott sind, wo also eine Möglichkeit allerdings vorhanden ist, diese Elemente als mehrere Götter zu denken. Bloße Potenzen (ich bitte Sie dies wohl zu bemerken) sind sie eben auch nur in der Spannung, d.h. während des Prozesses, aber wenn das aus sich Herausgetretene wieder in sich zurückgebracht ist, im Ende des Prozesses, den wir ja bereits als einen theogonischen bestimmt haben, da sind sie – wieder aufgerichtet zu ihrem ursprünglichen Wesen – nicht mehr Potenzen, sondern wieder = Er selbst. So begreift sich, wie im Menschen Gott selbst, ja wie der Mensch seinem ursprünglichen Sein nach nur der wiederhergestellte vollkommene Geist selbst ist. Dies führt uns nun auf den Schöpfungsprozeß selbst.

Weil die Potenzen sich gegenseitig ausschließen, und doch, wie ich schon gezeigt, in Einem und demselben, uno eodemque loco, bestehen müssen, so läßt sich diese Koexistenz nicht als eine ruhige denken. Jenes Prinzip des Anfangs, in welchem eigentlich das bloße An-sich, das ewig Verborgene, das eigentliche Mysterium der Gottheit offenbar wird, dieses zur Unsichtbarkeit bestimmte Prinzip, indem es dennoch hervortritt, wirkt ausschließend zunächst auf dasjenige in Gott, dem es Subjekt war, das rein und bloß Seiende der Gottheit; indem das, was ihm Subjekt, das Setzende von ihm war, sich ihm entzieht, ja sich in das es nun vielmehr Ausschließende, Negierende verwandelt, indem dies geschieht, wird dieses Prinzip, das zuvor ohne alle Eigenheit, völlig selbstlos, in dem actus purissimus des göttlichen Lebens ganz verschlungen war – dieses wird jetzt genötigt, ein für sich seiendes zu sein, es wird also durch jene Ausschließung hypostasiert, substantialisiert; durch das gleichsam unversehens entstandene neue Sein des zuvor nicht Seienden – nämlich nur urständlich und also ohne Gegen- oder Widerständlichkeit Seiende – durch dieses neue, konträre Sein, das eben da entsteht, wo zuvor nichts (kein Widerstand war) – durch dieses neue Sein wird es selbst (das zuvor Potenzlose) potentialisiert, es bekommt eine Potenz, aber eben damit ein Leben in sich selbst; eben diese Negation, oder daß es negiert, als nicht seiend gesetzt ist, gerade die Negation gibt ihm das in-sich-Sein, da es zuvor das außer sich seiende war, diese Negation macht es zum sein oder wirken Müssenden, indem es notwendig strebt sich in sein Ursein, in das reine potenzlose Sein wiederherzustellen, was nicht geschehen kann, es habe denn zuvor jenes nicht sein Sollende, das doch ist, jenen zur Wirkung gekommenen Willen; der eigentlich nicht wirkend sein sollte, wieder in sein Nichts, d.h. in sein Nichtwollen, zurückgebracht. Eben dieser Wille aber, der eigentlich nicht wirken sollte, und den wir i nsofern wohl den Unwillen nennen dürfen, wie Unfall, Untat usw. – eben dieser Unwille hat auch die dritte Potenz von ihrem Sein ausgeschlossen. Diese selbst kann nicht wirken, denn sie würde sonst im Sein nicht ankommen als das was sie ist, als die Freiheit, als der lautere Geist, aber eben darum wird ihr die Wiederherstellung in das Sein vermittelt durch die zweite Potenz, die jenen Unwillen, indem sie ihn zum sich selbst Aufgeben bringt, eben damit auch wieder zum Setzenden (zum Sitz und Thron) jenes Höchsten macht, das eigentlich sein sollte, des als solchen seienden Geistes.

Wir haben die erste Potenz als das nicht sein Sollende bestimmt, die dritte als das Seinsollende. Demgemäß wäre es möglich, die erste Potenz als das Nichtseinsollende zu betrachten, und daraus weiter zu schließen, es sei also mit diesem Nichtseinsollenden doch eine Art von bösem Prinzip in den Prozeß mitaufgenommen, auf jeden Fall etwas, das nicht wohl als ein göttlich Gewolltes anzunehmen sei. Aber es ist ein sehr großer Unterschied, ob man von einem Prinzip sagt: es ist nicht das sein Sollende (hier wird es nur als das Seinsollende nicht gesetzt), oder: es ist das Nichtseinsollende, d.h. dem zukäme, nicht zu sein. Oder, da sich dies lateinisch vielleicht deutlicher sagen läßt und es dabei nicht gerade auf gutes Latein ankommt: es ist ein totaler Unterschied zwischen dem quod non debet esse, und zwischen dem quod debet (debebat) non esse, ein Unterschied zwischen dem, welchem nicht gebührt zu sein, und dem, welchem gebührt nicht zu sein. Nur in jenem Sinn ist die erste Potenz das nicht sein Sollende. In jeder zusammengesetzten, nicht unmittelbar zu vollbringenden Handlung ist das, was bloß Mittel ist, nicht das eigentlich sein Sollende, aber es ist doch das relativ, nämlich in bezug auf den Zweck sein Sollende, und so kann auch jenes, obgleich zur Überwindung bestimmte, Prinzip ein göttlichgewolltes sein; dies widersprechen, wäre ebensoviel als widersprechen, daß Gott durch Mittel wolle, da sieht aber jeder, daß dies ein ganz falscher Satz ist, denn die göttliche Weltregierung handelt immer durch Mittel. Jenes Prinzip ist allerdings nur hervorgetreten, um im nachfolgenden Prozeß als das Nichtseinsollende erklärt zu werden. Nun es als solches erklärt ist, verändert sich sein Anblick, und wenn es irgend eine Macht gäbe, die dieses nicht Seiende gegen den durch die Schöpfung erklärten Willen Gottes wieder zum Seienden erhöbe, jetzt unstreitig wäre das auf solche Weise Seiende das Widergöttliche und insofern das Böse; aber davon ist ja hier noch nicht die Rede. – Ebenso verhält es sich mit dem, was wir hier den Unwillen genannt haben. Wenn jener Wille, der eigentlich nicht wirkend sein sollte, der aber, weil durch den göttlichen Willen wirkend geworden, nun, d.h. für jetzt, wirken darf, wenn dieser, nachdem er erst durch den Prozeß als der nicht wirken dürfende erklärt ist, durch irgend eine außergöttliche Macht (denn die göttliche ist es, die ihn verneint) wieder positiv werden könnte, dann wäre er wieder der Unwillen, aber nun in einem ganz anderen Sinne. So viel noch über den allgemeinen Hergang des Prozesses, den ich gern nochmals wiederholte, weil es wesentlich ist für die ganze Folge, daß Sie sich den Zusammenhang dieses Prozesses aufs bestimmteste in jedem Augenblick zurückrufen können.

Soll nun aber jener durch die Spannung gesetzte Prozeß Schöpfung sprozeß sein, so müssen wir ihn vor allem als einen sukzessiven, stufenweisen uns denken. Inwiefern sind wir zu dieser Voraussetzung berechtigt? Würde die Spannung der Potenzen, oder eigentlich würde jenes Kontrarium, jenes Prinzip des Anfangs, was die veranlassende Ursache der Spannung ist, unmittelbar, gleichsam in Einem Zug überwunden, so wäre die Einheit unmittelbar wiederhergestellt ohne Mittelglieder und ohne unterscheidbare Momente. Da nun in diesem Prozeß nichts anders als nach der Absicht des Hervorbringenden geschehen kann, so muß es, wenn unsere Annahme richtig sein soll, in der Absicht und zwar unstreitig in der Endabsicht des Hervorbringenden liegen, daß die Überwindung stufenweise und insoweit sukzessiv geschehe. Denn für den Hervorbringenden selbst kann es nur völlig gleichgültig sein, ob die Momente des Prozesses etwa bloß logische oder auch reelle sind; er lernt sie nicht erst dadurch kennen, daß er sie als voneinander abgesetzte verwirklicht. Die Absicht, welche durch das Sukzessive des Prozesses erreicht werden soll, kann also nur eine in der Kreatur zu erreichende sein, und zwar müßte sie in der letzten und höchsten erreicht werden, denn zu dieser verhalten sich alle vorhergehenden nur als Stufen oder Momente, sie sind gleichsam nicht um ihrer selbst willen, sondern nur um jener letzten willen. Was kann nun aber in dieser letzten erreicht werden? Offenbar nur, daß in ihr jenes Prinzip, das die veranlassende Ursache des Prozesses und während des ganzen Prozesses das außer sich seiende ist, wieder in sich, in sein An- sich zurückgebracht sei. Das Außersichseiende, das wieder in sich selbst zurückgebracht wird, ist aber eben darum das zu sich selbst Gekommene, seiner selbst Bewußte. Obgleich nun aber der eigentliche Moment dieses Zu-sich-selbst-kommens nur das Ende des Prozesses ist, oder nur in das Ende des Prozesses fällt, so können wir doch sagen: der ganze Prozeß sei nur ein sukzessives Zu-sich-kommen dessen, was im Menschen (als dem höchsten und letzten Geschöpf) das seiner selbst Bewußte ist. Dieses letzte seiner selbst Bewußte sollte sich also dieses ganzen Wegs, aller Momente, gleichsam aller Leiden und Freuden dieser Wiederbringung bewußt sein. In dieses Final-Bewußtsein sollten alle Momente des Prozesses nicht bloß als unterscheidbare, sondern als wirklich unterschiedene und einzeln empfundene eingehen. In diesem letzten Bewußtsein sollte gleichsam der höchste Verstand, die vollendete Wissenschaft wohnen. Wenn wir diese Wissenschaft im menschlichen Bewußtsein, wie es jetzt ist, nicht mehr antreffen, wenn das menschliche Bewußtsein diese Wissenschaft nur sich wieder erringen muß, und mehr nach ihr nur strebt, als sie wirklich erreicht – wie ja schon der Name der Philosophie andeutet –, so kann daraus nicht folgen, daß ein solches vollkommenes, aller Momente seines Wegs oder seines Werdens in sich bewahrendes und unterscheidendes Bewußtsein des Menschen nicht die ursprüngliche Absicht war. Denn eben darum ringen und streben wir nach jener Wissenschaft, weil sie in uns sein sollte, weil sie zu unserem Wesen gehört. Schon Platon hat, und zwar sogar als Überlieferung aus noch älterer Zeit, die Lehre aufgestellt, daß alle wahre Wissenschaft nur Erinnerung sei, und also auch alles Streben nach Wissenschaft, insbesondere die Philosophie, nur Streben nach Wiedererinnerung. Wir streben in der Wissenschaft nur wieder eben dahin, wo wir, d.h. der Mensch in uns schon einmal war, und dieses Streben nach einer wahrhaft zentralen, alles vom Mittelpunkt aus übersehenden Erkenntnis, dieses Streben selbst ist das unverwerflichste Zeugnis dafür, daß das menschliche Bewußtsein ursprünglich in dieser Erkenntnis gewesen ist und in ihr sein sollte.

Der Prozeß ist somit ein sukzessiver, ein durch Momente fortschreitender, in welchem jene durch freien Aktus gesetzte Spannung nur stufenweise sich löst. Jener konträre, widerstehende Wille wird nicht mit Einem Schlag, sondern nur allmählich überwunden. Von dem Willen des Hervorbringenden hängt es ab, in welchem Maß dieser Wille in jedem Moment überwunden wird. Nun wird er aber doch in jedem Moment auf gewisse Weise überwunden sein; der andere also, der ihn überwindet und der nur in dem überwundenen sich selbst verwirklicht (denn durch den nicht überwundenen, noch widerstehenden ist er selbst ausgeschlossen vom Sein) – dieser andere also wird ebenfalls in jedem Moment in gewissem Maß verwirklicht sein, und also wird auch immer und notwendig auf gewisse Weise das Dritte, das eigentlich sein Sollende, gesetzt sein. Auf diese Weise erzeugen sich also bestimmte Formen oder Bildungen, die alle mehr oder weniger Abbildungen der höchsten Einheit sind, und die darum, weil sie alle Potenzen in sich darstellen, auch selbst in sich vollendet, abgeschlossen, d.h. eigentliche Dinge ousiai sein werden. Diese Dinge sind also Erzeugnisse des in sein ursprüngliches Nichts zurückgewendeten Unwillens, doch eben darum nicht dieses Willens allein, sondern ebensowohl jenes andern ihn versöhnenden oder nach dem schönen Platonischen Ausdruck ihn gleichsam beredenden, zu gut sprechenden Willens, und weil der überwundene nur sich selbst aufgeben kann, in dem er das Höchste, das eigentlich sein Sollende setzt, welches ihm während des ganzen Prozesses als Ziel (als Muster, exemplar) vorschwebt, an dem er gleichsam das hat, wonach er sich richtet und das er in sich auszudrücken strebt – so ist insofern auch die dritte Potenz notwendig zu einem bleibenden Entstehen; denn Bestand erlangt jedes Ding nur insofern, als sich, wenn auch noch so entfernt, die dritte Potenz an ihm realisiert zeigt; diese ist die jedes vollendende, beschließende, oder wie die Morgenländer dies ausdrücken, sie ist die jedes Gewordene gleichsam besiegelnde, es eigentlich fertig machende; sie ist eben darum auch während des Prozesses die mäßigende Kraft (vis moderatrix) der Bewegung, durch welche die Stufen des Prozesses bestimmt sind, die Macht, die auf jeder Stufe Stillstand gebietet, so daß wirklich verschiedene und unterscheidbare Momente stehen bleiben; sie ist die zwischen den beiden ersten Potenzen entscheidende, nur ihr gehorcht die erste, wenn es die von der zweiten an ihr hervorgebrachte Modifikation annimmt, und ebenso nur der höheren gehorcht die zweite Potenz, wenn sie das bis zu einem gewissen Grade Überwundene nicht weiter überwindet, sondern stehen läßt. Sie, die dritte Potenz, ist es, welche durch ihr bloßes Wollen, ohne eigentliche Wirkung, jedes Werdende auf seiner Stufe erhält.

Weil das erste Prinzip seiner Natur nach nur den Willen hat, unbedingt zu bestehen, das andere, nur unbedingt das erste zu überwinden, so muß ein drittes sein, dem beide sich unterwerfen, das sie selbst als ein höheres und gewissermaßen unbeteiligtes anerkennen.

Demnach ist jedes Erzeugte das gemeinschaftliche Werk der drei Potenzen, die sich, wie Sie nun sehen, als demiurgische, kosmische Potenzen verhalten, aus deren Zusammenwirkung erst alles Konkrete entsteht: sie selbst sind noch rein geistige Potenzen, auch jenes blind Seiende des Anfangs, das Gegenstand der Überwindung, und also das Substrat, das hypokeimenon des ganzen Prozesses ist, auch dieses ist in sich selbst noch immer ein rein Geistiges, wie ein erregter, in uns entbrannter Wille auch noch etwas Geistiges ist; wir müssen sogar bemerken, daß dieser Wille in seinem lauteren Entbranntsein, wo er durch den andern noch nicht besänftigt, noch nicht affiziert ist, sogar als das allem Konkreten Entgegengesetzte erscheint – erst in seinem Verhältnis zu dem andern nimmt er sukzessiv materielle Eigenschaften an – er ist jenes Prius der Natur, jenes Vorausgehende, jenes Angesicht (wie der Morgenländer es nennt), jenes Vordere des Schöpfers, das, wie Gott im A. T. sagt, kein Mensch sehen kann und leben, eben weil es in seinem Sein das alles Konkrete Verzehrende ist, das also erst zur Vergangenheit geworden sein muß, um der Kreatur erträglich zu sein, das daher erst sichtbar wird, indem es eigentlich unsichtbar wird, nämlich indem es mit der kreatürlichen Form überkleidet, und also von dieser zugedeckt, durch sie selbst unsichtbar gemacht wird – es ist das Unsichtbar-Sichtbare, und das Sichtbar-Unsichtbare. Indem wir die Potenzen nun als kosmische, demiurgische Ursachen begriffen haben (wobei ich nur kurz wieder erinnere an die frühere Unterscheidung, nach welcher jenes Prinzip des Anfangs die veranlassende, oder wie wir auch sagen können, die materielle Ursache ist – causa quae materiam praebet – die das Substrat des ganzen Prozesses hergibt, wir können auch sagen, sie ist die causa ex qua; die zweite Potenz ist die causa formalis oder die causa per quam, die dritte die causa finalis, in quam oder secundum quam – zu welcher hin als Ziel alles geschieht) – indem wir also die Potenzen als kosmische Ursachen begriffen, haben wir sie eben damit auch als relativ außergöttliche gesetzt, und es ist für die Folge wichtig, das Göttliche in ihnen (das nur in der Einheit ist), und ihre kosmische oder demiurgische Funktion wohl zu unterscheiden. Inwiefern aber in jedem Erzeugnis, so entfernt es auch von der höchsten Einheit sein mag, doch auf gewisse Weise die Einheit gesetzt ist, und weil der Wille, in welchem die drei Potenzen zur Hervorbringung eines bestimmten Gewordenen gleichsam einig werden, immer nur der Wille der Gottheit selbst sein kann, so geht insofern durch jedes Ding wenigstens ein Schein, eine Apparition der Gottheit, und es ist im strengsten Sinne zu sagen, daß nichts, auch nicht das Geringste, sei ohne den göttlichen Willen.

Wir sind also nunmehr vollkommen berechtigt zu sagen: der durch die freiwillig gesetzte Spannung bewirkte Prozeß sei der Prozeß der Schöpfung – berechtigt also auch zu wiederholen, was auch das Resultat des früheren Vertrags über den Monotheismus war, daß nämlich der wahre Monotheismus, der Monotheismus als System, als Lehre, nur mit der Schöpfung zugleich kommt, und nicht erkannt wird, ohne zugleich diese zu erkennen. Wenn also Monotheismus die wahre Lehre ist, so ist auch nur diejenige Lehre die wahre, in welcher eine freie Schöpfung erkannt wird.


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