Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI. Briefe aus der Zeit der Jenaer Frühromantik

1796-1800

»Sonderbar ist es, daß, Einmal in die Stürme einer großen Revolution verwickelt mit meinen Privatbegebenheiten, ich es gleichsam jetzt zum zweitenmal werde, denn die Bewegung in der literarischen Welt ist so stark und gährend wie damals die politische.«

*

57. An Luise Gotter

Jena d. II.Jul. [17]96

Liebe Louise, ich hoffe, Du bist so glücklich wieder in Gotha angelangt, wie wir in Jena. Nachmittags warst Du sicher im Park, nur daß es der verwaiseten Mutter nicht halb so viel Freude machte, als wenn sie eins ihrer Schäfchen bey sich gehabt. Daß Du nicht mit her kamst, war doch gut, denn zu Anfang ging alles drunter und drüber, doch kamen wir sämtlich die Nacht noch zur Ruhe, und es macht sich nun schon alles. Das Haus ist klein, aber recht artig. Nur in Einem Stück hat Schlegel mich betrogen – hintergangen! Er schrieb von weißen Vorhängen. Die Wahrheit ist, daß kleine graue Läpchen vor den Fenstern hängen. Da mußt Du mir gleich helfen, meine Liebe Gute ...Ich kan diesen Gräuel nicht mit ansehn. Auch hab ich meinen Thee bey Dir gelaßen. Darüber hat S. sehr geschmält, und ich habe gestern, da Hufelands zu mir kamen, bey der Schiller Thee borgen müßen. Schick mir den auch mit... Vorgestern nach Tisch gingen wir zu Schillers, denn an demselbigen Abend wars nicht mehr möglich. Ich hatte mir alles grade so gedacht, wie es war – nur schöner fand ich Schillern, und sein Knabe ist prächtig. Eben gingen wir hin, da kam man uns mit der Nachricht entgegen, daß sie von einen zweyten Knaben vor einer Viertheistunde entbunden sey. Er kam zu uns heraus und war gar freundlich und gut. Morgen, meint er, würd ich sie wieder sehn können, denn sie ist recht wohl. Das erstemal kam die Kalb hin mit der kleinen Rezia. Die Schiller hat noch glücklich ein Mädchen für mich aus Rudolstadt bekommen, das schon da war, und mir bis jezt äußerst behaglich scheint, und kochen kan. – Wir gingen von ihnen zu Hufelands, die uns wie Verwandte empfiengen. Gestern waren sie schon wieder bey uns, und luden uns auf Morgen Abend ein. Da will ich denn vorher zu der Schüz gehn. Die Voigt hat der Schiller weis gemacht, sie kennte mich. Ich weiß nichts davon.

Habe ich sonst noch etwas bey Dir gelaßen, so vorenthalte es mir nicht, ob Du mir gleich unzählig mehr Verpflichtungen mit auf den Weg gegeben. Wir danken euch noch herzlich für alles so sehr Gute und Liebe. Wann werden wir es euch nur ein wenig vergelten können? Nun geht es doch aber endlich über Stock und Block, die wir hinter uns laßen, weg, im graden Gleise, wie Ihr lange gegangen seyd, und in einem nachbarlichen dazu. Ich bin auch unbeschreiblich froh. Grüße die Deinigen und Mad. und Mlle. Schläger und Minchen.

Die Luft vertrieb mein Kopfweh. Schlegel war angst, die Felsen am Eingange möchten mich abschrecken. Aber ich achtete nichts, als das Gute und Angenehme, und bin schon mit diesem romantischen Thal ganz befreundet. Gustel lebt noch in der Errinnerung.

*

58. An Luise Gotter

[Jena] d. 17.[-20.] Jul. [17]96

... Diesen Morgen lag ich noch im Bett, als ich ein weitläufiges Billet von Schüz bekam, worinn wir zu einer Spazierfarth eingeladen wurden, allein das schlug ich ab.

d. 18. Jul.

Und wohl mir, daß ich es that. Ich hätte Göthen versäumt. Gestern Nachmittag da ich allein war, meldet man mir den Hrn. Geheimerath. Ohngemeldet hätte ich ihn nicht erkant, so stark ist er seit 3 Jahren geworden. Er war gar freundlich, freute sich, mich in so angenehmen Verhältnißen zu treffen, sagte viel schönes von Schlegel, bis dieser selbst kam. Er hat mir gedroht, oft, auf seinen Weg ins Paradies, bey uns einzusprechen. Wir gingen nachher zu Schillers, und Abends in den großen hiesigen Clubb, wo er an beyden Orten war. Diesmal wird er nicht lange bleiben; er hat nur das Ende von Wilhelm Meister herüber gebracht, um mit Schiller darüber zu sprechen.

Frau von Kalb hab ich oft bey der Schiller getroffen, die fortfährt sich wohl zu befinden. Jene sagte mir mit einer leichten Wendung, daß ich sie des Morgens einmal besuchen möchte. Ich habe dies für einen Befehl gehalten und bin hingegangen. Höre – es ist doch eine Adliche, et même très fort, so artig sie ist. So viel ich durch den Adel hindurch sehn konte, scheint sie wirklich Geist zu haben. Giebt es aber vielleicht nicht mehr wie Eine Fr. von Kalb? Dieses kan ohnmöglich diejenige seyn, die bey der Esther in Thränen zerfloßen ist. Sie hat mir eben so leichthin gesagt, daß ich sie in Weimar besuchen möchte.

d. 20. Jul.

Das wird ein ordentliches Tagebuch. Ich bin gestern erbärmlich krank gewesen, darum blieb der Brief liegen. Es war am Sontag so heiß, daß ich den halben Tag in Einem Röckchen und ohne Strümpfe ging, da hab ich mich verkältet und einen geschwollnen Hals – und Fieber bekommen, so daß ich nun diesen Abend aus einer Gesellschaft bey Woltmann bleiben muß, wo Göthe ist, wenn er nicht noch gestern Abend weggeritten ist...

Auf dem großen Clubb sah ich Loders, Rath Hufelands u. s. w. Man war von allen Seiten sehr artig. Gestern besuchte uns Bötticher aus Weimar. Du kanst denken, was es da für süße Reden gab. Niethammer ist auch schon bey mir gewesen ...

Sind Wiebekings schon fort? Darmstadt ist freylich nicht sicher mehr – zittert man doch hier. Lebe wohl, wohl Liebe.

*

59. An Julie und Karl Schlegel

[Jena, Juli 1796]

Die Bewohner der Hügel und Felsen an dem Ufer der reißenden Saale grüßen die Einwohner der Residenzstadt an den flachen Ufern der stillen Leine, und versichern, daß ihnen recht wohl zu Muth ist. Vors erste werdet Ihr auch sicher nichts anderes von uns erwarten. Ich habe Mütterchen gemeldet, auf welche Art es uns wohl geht, und bitte, ihr nur zu enträthseln, was sie in meinem Brief nicht sollte lesen können. – Göthe hat den letzten Theil des Wilh. Meister, hinter sich aufs Pferd gebunden (denn er reitet troz seiner Corpulenz wacker darauf los), in Manuscript herüber gebracht, und Schiller sagte gestern, daß er uns in den nächsten Tagen zu einer Vorlesung deßelben einladen würde. Ich wünschte, daß Sie das, ohne sich von der Stelle zu bewegen, mit anhören könnten. Es hat mir große Freude gemacht Göthen, und zwar so holdselig, wiederzusehn. Er sprach davon, wie lustig und unbefangen wir damals noch alle gewesen wären, und wie sich das nachher so plötzlich geändert habe. Fichten habe ich auf dem Clubb kennen lernen, ein kurzer untersäzziger Mann, mit feurigen Augen, sehr nachlässig gekleidet. Er hat seinen Sohn Immanuel Hartmann taufen laßen. Wir haben auch ein paar hallische Profeßoren, Beck und Gilbert, hier gehabt. Jena scheint mir ein grundgelehrtes, aber doch recht lustiges Wirthshaus zu seyn. Unter uns, die Studenten sehn immer noch etwas barbarischer wie in Göttingen aus, es komt mir vor, als hätten sie alle einen ganz verbrannten teint.

Es ist heiß gewesen in den letzten Tagen, und da hat uns Ihr Himbeeressig, mein bestes Julchen, sehr erquickt. Haben Sie nochmals vielen Dank dafür. Ich hoffe, Sie haben auch einiges Papier für sich behalten, um uns dann und wann zu schreiben.

*

60. An Luise Gotter

[Jena] d. 4ten September [17]96

Bisher, meine liebe Louise, hast Du Dich der Nachbarschaft nur in Comißionen zu erfreuen gehabt, aber so Gott will, wird auch eine andre Zeit kommen. Vorgestern waren Deine Schwester und Dorette bey mir und da hab ich mirs recht lebhaft gedacht, Dein liebes Gesicht bald bey mir zu sehn. Sind wir erst in der Stadt, so verschmäh keine Gelegenheit, mir die Vorstellung wahr zu machen, denn da hab ich gleich mit auf eine Herberge für Dich gerechnet. Ganz en famille sollt Ihr freylich erst nächsten Sommer kommen, wenn jeden Tag eine andre Herrlichkeit der Gegend vorgenommen werden kan. Ihr werdet nicht so vortreflich wie bey Mad. Schüz logiren, aber das müßen wir schon auf andre Weise wieder einzubringen suchen.

Es geht mir noch immer über alle Maaßen wohl hier, und ich habe mich recht angesiedelt, mit dem Gefühl, als wenn meines Bleibens hier seyn könte. Meinem Vorsaz wenig Bekantschaften zu machen bin ich treu geblieben. Von der studierenden Jugend werd ich nichts gewahr, und ich bin wenigstens gesichert, daß sie mir die Fenster nicht einwerfen kan, da wir künftig über einen Hof hinüber wohnen. Spaziergänge nehmen wir jeden Abend vor, und die heilige Dreyzahl unsres häuslichen Zirkels hat sich in eine partie quarrée seit der Ankunft meines Schwagers verwandelt, der uns mit seinem inn und auswendig krausen Kopf viel Vergnügen macht. Für den Spätherbst bekommen wir das Weimarische Schauspiel. Göthe ist jezt wieder hier und läßt das Theater arrangiren, sonst giebt er sich diesmal viel mit Raupen ab, die er todt macht und wieder auferweckt. – Wenn Du den Allmanach siehst, so wirst Du auch sehn, wie er sich seither mit dem Todschlagen abgegeben hat. Er ist mit einer Fliegenklappe umhergegangen, und wo es zuklappte da wurde ein Epigramm. Schiller hat ihm treulich geholfen, sein Gewehr giebt keine so drollige Beute von sich, aber ist giftiger. Göthe hat eine Parodie auf den Calender der Musen und Grazien gemacht, die einem das Herz im Leibe bewegt. Es heißt die Musen und Grazien in der Mark –

ach wie freu ich mich, mein Liebchen,
Daß Du so natürlich bist!
Unsre Mädchen, unsre Bübchen
Spielen künftig auf dem Mist

so sagt er unter andern darinn.

Dein Mann ist unerbittlich gewesen? Ich werde mir darauf ein Epigramm bestellen.

Wir hatten wieder einige Gastirungen, weil zwey Schwestern, ein Bruder und eine Schwägerinn von der Hufeland aus Braunschweig ins Land rückten. Die beyden Schwestern sind noch hier, der Bruder ist weiter nach Dresden gegangen. Göthe war mit bey Hufelands. Schillers haben andre Gäste, deren ich für mein geringes Theil allenfals entübrigt wäre, das ist ihre Schwester und Schwager, ein dicker Hr. von Wohlzogen, der während der Revolution viel in Paris gewesen ist. Die Schwester ist nicht halb so natürlich wie die Schiller, und kan einem faut soit peu Langeweile machen...

*

61. An Luise Gotter

Jena den 25ten Dec [17]96

Grade zu rechter Zeit traf gestern Dein Päckchen noch ein, liebste Seele, und Auguste und ich danken Dir herzlich für die gütige und gute Besorgung ... Täglich und stündlich denk ich an Euch, und wäre Weimar nicht weiter von Gotha wie von hier, so hätte ich nicht geruht, bis ich von dort aus zu Euch gekommen wäre. Sey nicht ganz sicher vor einem solchen Ueberfall. Wenn ich mir ihn selbst nur als möglich vorstelle, so ists bald geschehn. Meistens scheint es mir freylich gar nicht thunlich meine 4 Wände zu verlassen. Auch nach Weimar reißte ich nicht sowohl, als daß die Pferde mit mir davon reißten. Nachher war ich es freylich ganz zufrieden ohngeachtet ich wieder den Cammerherrn von Einsiedel nicht kennen gelernt. Was mag das Verhängniß dabey für schlaue Absichten haben! Am ersten Abend waren wir im Schauspiel. Wir hatten gar nicht gewußt, was gegeben werden würde, zum Glück war es nichts uninterreßanters als eine Oper, die heimliche Heyrath, italiänische Musik, von Cimarosa, die ich in Braunschweig von den Italiänern und immer sehr gern gehört hatte. Mit dem aller Welts Cicerone, dem theuren Bötticher, und seiner lieben Frau, die eben so süß und so feyerlich ist, und die Augen bis zum Weißen verkehrt, die Hände faltet und schön! schön! ruft, gingen wir hin, und Mlle. Schröder saß vor mir. Ich merkte, daß sie sich bey meinen Nachbarn nach dem fremden Gesicht erkundigte, und erkundigte mich auch, mit einer Ahndung, daß sie es seyn könte. Da präsentirte man uns einander. Nun ging ich am 2ten Morgen drauf um 11 Uhr zu ihr, nachdem ich es ihr früh wißen laßen. Schlegel ging mit und wollte Einsiedel besuchen; der hatte eben ausgehn müßen. Abends um 5, wie wir von Göthe zurückkamen und gleich wegfahren wollten, ließ sich Einsiedel ansagen und war vielleicht schon unterwegs, aber wir auch unterwegs in den Wagen, und das ist nun die traurige Geschichte, wie sich Menschen verfehlen! Nachdem bey der Schröder die erste Steifigkeit gelenkig geredet worden war, hat sie uns, und Schlegeln noch besonders für sich, doch recht wohl gefallen. Ich habe sie sehr nach Jena eingeladen, und wenn Ihr im Sommer kommt, so wollen wir sehn, ob sie sich nicht einen Tag herüber verfügt. – Frau von Kalb habe ich auch gesehn, aber Ihr mögt sagen was Ihr wollt, sie kan am jüngsten Gericht als eine ächte Adliche bestehn, und wird so erfunden werden. Über Mangel an Artigkeit hab ich gar nicht zu klagen – allein ihr Geist – und Geist hat sie – ist doch in eine etwas schiefe verrenkte Form gegoßen. – Wer mich entzückt und fast verliebt gemacht hat, das ist Herder. Wir hatten einen Thee dort, zu welchen Wieland beschieden worden war, den ich in einer außerordentlich guten Laune gesehn haben soll, und es ist wahr, er sagte lustige Sachen, unter andern schimpfte er gegen die Schweine, deren Schöpfung er dem lieben Gott nie verzeihn könte – und die er in dem höchsten Anfall von Unwillen darüber Antigrazien nannte – dann über die Xenien – und über Fr. von Berlepsch, Genlis, Staal usw. Aber von mir hat er nachher gutes gesagt, ob er gleich einen argen Schnupfen von dem Abend gekriegt hatte. Er hätte auch den Hals brechen können, weil es just so glatt wurde, als sich »die ältesten Menschen« (ists nicht so der rechte Styl?) nicht errinren konten. Madam Herder habe ich mir kleiner, sanfter, weiblicher gedacht. Aber für die fehlgeschlagne Erwartung hat mich der Mann belohnt. Der Curländische Aczent stiehlt einen schon das Herz, und nun die Leichtigkeit und Würde zugleich in seinem ganzen Wesen, die geistreiche Anmuth in allem, was er sagt – er sagt kein Wort, das man nicht gern hörte – so hat mir denn seit langer Zeit kein Mensch gefallen, und es scheint mir sogar, daß ich mich im Eifer sehr verwirrt darüber ausgedrückt habe. Den Mittag drauf waren wir bey Göthe, und Herder auch, wo ich bey ihm und Knebeln saß, allein ich hatte den Kopf immer nur nach Einer Seite. Göthe gab ein allerliebstes Diner, sehr nett, ohne Überladung, legte alles selbst vor, und so gewandt, daß er immer dazwischen noch Zeit fand, uns irgend ein schönes Bild mit Worten hinzustellen (er beschrieb zB. ein Bild von Fueßli aus dem Sommernachtstraum, wo die Elfenköniginn Zetteln mit dem Eselskopf liebkoset) oder sonst hübsche Sachen zu sagen. Beym süßen Wein zum Desert sagte ihm Schlegel grade ein Epigramm vor, das Klopstock kürzlich auf ihn gemacht, weil Göthe die deutsche Sprache verachtet hat, und darauf stießen wir alle an, jedoch nicht Klopstock zum Hohn; im Gegentheil, Göthe sprach so brav, wie sichs geziemt, von ihm. Gern war ich noch länger dageblieben, um bey Göthe nicht allein zu hören, sondern auch zu sehn, und daneben freylich auch zu hören, aber das muß auf den Sommer verspart bleiben. Was ich sah, paßte alles zum Besitzer – seine Umgebungen hat er sich mit dem künstlerischen Sinn geordnet, den er in alles bringt, nur nicht in seine dermalige Liebschaft, wenn die Verbindung mit der Vulpius (die ich flüchtig in der Comödie sah) so zu nennen ist. Ich sprach noch heute mit der Schillern davon, warum er sich nur nicht eine schöne Italiänerinn mitgebracht hat? Jezt thut es ihm freylich auch wohl nur weh die Vulpius zu verstoßen, und nicht wohl sie zu behalten. – Du siehst, daß wir unsre Zeit in Weimar recht gut zugebracht haben. Sollten wir einmal wieder hingehn, so will ich doch Schlegel bitten, daß er sich der Herzogin Amalie bekant machen läßt, und Einsiedel soll uns alsdenn gewiß nicht entgehn. Knebel ist seitdem hier bey uns gewesen – ein ehrlich Gemüth von einem Edelmann! – Wenn wir – oder auch ich allein – im Gasthof waren, so leistete uns Falk Gesellschaft, der Satiren Schreiber, das gutmüthigste Kind von der Welt, der sich jezt in Weimar aufhält und von den Weimeranern lieb haben läßt, die immer jemand des Schlages haben müßen. Im Frühjahr war es Jean Paul Richter, in deßen Büchern Gotter gewiß nicht Eine Seite läse.

Ich höre, daß man die Beylage in der Hamburger Zeitung bey Euch vortreflich gefunden hat. Sie ist auch wirklich gar so übel nicht, aber es müßte freylich noch anders kommen, bis die Xenienmacher Auweh! sagen könnten. Ich glaubte Trapp darinnen zu erkennen, aber nun wißen wir, daß Ebeling in Hamburg der Verfaßer ist, und die erste Muthmaßung hatte mich auch schon deswegen wieder verdünkt, weil Trapp nie Stollbergs Parthei, überhaupt nicht die eines Grafen und Christen genommen hätte, auch meinen Schlegel nicht mit seinem Bruder verwechselt. Von diesem lezten steht mit seinem Nahmen im Journal Deutschland ein Aufsatz über Göthe, der ihn allenfals als Panegiristen gelten lassen könte, obwohl eine vollkomne Freymüthigkeit darinn herrscht. Hingegen mein Schlegel hat nie etwas über Göthe besonders geschrieben, ob er ihn gleich im Innersten seiner Seele lieb und werth hat. Die heftigste Antwort steht im ioten Stück Deutschland und rührt von Reichard her. Man muß sehn, was darauf erfolgt. In der Recension des Allmanachs ebendaselbst sind nur einige unglückliche Verstöße begangen, nehmlich man hat alles auf Schiller gemünzt, und die Epigramme auf Reichard rühren von Göthe her, so hat auch Göthe das Epigramm gemacht, das sonst sehr witzig Schillern als ein naives Epigramm zugeschrieben wird. – Diese lezten Nachrichten amüsiren wohl Gotter oder Jacobs, wenn auch Dich nicht, liebste Louise.

Fr. von Berlepsch war eben aus Weimar abgereißt nach Dresden, um Mounier aufzusuchen, den berühmten Exdeputirten. Man behauptet, sie will ihn heyrathen.

Zum Schluß hat mein Mann eine Bitte an Deinen Mann. Ob er ihm wohl durch Rousseau die 5 lezten Jahrgänge der schönen Bibliothek zukommen laßen will, die hier nicht aufzutreiben sind, da sie bey Schütz gleich ins Burgverließ kommen. Er kennt sie fast gar nicht und bedarf sie zu einigen allgemeinen Notizen. Indeßen sagt es Jacobs nicht, sonst möchte der sich feindseeliges dabey denken. Vergiß es nur nicht, meine Beste ...

*

62. An Friedrich Schiller

[Nachschrift zu A. W. Schlegels Brief vom 1. Juni 1797.]

Vergönnen Sie mir, selbst zu bestätigen, was mein Mann Ihnen in meiner Seele betheuert hat. Ich habe so wenig wie er je den entferntesten Antheil an dem Vorgefallnen genommen ich habe die Rezension, von der jezt die Rede ist, noch bis diese Stunde nicht gesehn, und mische mich in so verwickelte Dinge nicht. Wir verehren und lieben Sie so aufrichtig, daß diese grade und feste Gesinnung uns auch auf einen graden Weg führte, wenn noch so viel anscheinende Collisionen da waren. Vergeben Sie mir, daß ich diese Versichrung jezt nicht unterdrücken kan, da Schlegel in Gefahr ist ein Glück einzubüßen, wovon ich weiß, wie sehr es ihm am Herzen liegt.

*

63. An August Wilhelm Schlegel

[1797?]

[Anfang, 2 Blätter, fehlt.]

... gedacht? Ich habe mir so das Ganze überlegt. Kurz muß er durchaus seyn – höchstens Ein Bogen. Das Stück ist voller Leben, voller Bedeutung, aber doch auch so einfach – es sind keine Räthsel darinn zu lösen. Der Charakter des Mönchs hat Tiefe, ohne Geheimniß. Kein Heiliger, ein würdiger, sanft nachdenkender Alter, ein edel betrachtender Geist, fast erhaben in seiner vertrauten Beschäftigung mit der leblosen Natur, und äußerst anziehend, pickant (wenn Du erlauben willst) durch seine eben so genaue Bekantschaft mit dem menschlichen Herzen. Seine Kentniß deßelben ist mit einer frölichen, ja wizigen Laune gefärbt. Er hat einen schnellen Kopf, sich in den Augenblick zu finden und ihn zu nuzen, muthig in Anschlägen und Entschluß, fühlt er ihre Wichtigkeit mit menschenfreundlichen Ernst. Von seinem Orden scheint er nichts zu haben, als ein wenig Verstellungskunst und physische Furchtsamkeit – er ist frey von Herschsucht, und sezt sich ohne Bedenken aus, um etwas Gutes zu stiften, ist freymüthig und Herr seiner selbst in einer Gefahr, der er nicht mehr entrinnen kan. Es ist sonderbar zu sagen, aber es giebt nichts liebenswürdigres als diesen Mönch, und die erste Szene, in der er auftritt, dient dazu, uns eine achtungswürdige Gewalt in seinem Wesen fühlen zu laßen, die jenen Eindruck durch Verehrung stärkt. Er thut was die jungen Leute haben wollen, aber er scheint uns nicht ihrem Ungestüm, sondern der beynah heiligen Empfindung, der Erfahrung, von dem was Leidenschaft ist, nachzugeben. Er thut an Julien eine Forderung wie an eine Heldin, er mahnt sie zur Standhaftigkeit in der Liebe, wie an eine hohe Tugend, und scheint vorher zu wißen, daß er sich nicht in ihr betrügen wird – in der sich zur Leidenschaft schon die reine gewißenhafte – die fromme Treue der Gattin gesellt. – Julie ist nichts wie Liebe, und doch war es unmöglich sie nur für ein glühendes Mädchen zu nehmen, das zum erstenmal erwacht, und gleichviel auf welchen Gegenstand verfällt. Diese beyden scheint wirklich ihr guter Geist sich einander zugeführt zu haben – sie treffen sich in einem Blick, und jedes nächste Wort ist wie dieser Blick. Man glaubt mit ihnen, daß hier keine Täuschung stattfinden kan. Selbst Romeos Flatterhaftigkeit giebt uns keinen Zweifel – es ist, als war seine erste Anhänglichkeit nur ein Gesicht der Zukunft gewesen, ein Traum seiner Fantasie, ihn vorzubereiten. Und ob wir gleich an beyden nichts sehn wie ihre Leidenschaft, so zeigt sie sich doch so, daß sie auf eine edle Bestimtheit der Seele schließen läßt. Zürnt nicht mit Julien, daß sie so leicht gewonnen wird – sie weiß von keiner andern Unschuld als ohne Falsch dem mächtigen Zuge zu folgen. In Romeo kan nichts ihre Zartheit, und die feinen Forderungen eines wahrhaftig von Liebe durchdrungnen Herzens zurück scheuchen und beleidigen. Sie redet frey mit sich und ihm, sie redet nicht mit vorlauten Sinnen – sondern nur laut, was das sittsamste Wesen denken darf. Der heißen Italiänerinn verzeiht man die Lebhaftigkeit der Vorstellung. Von dem Augenblick an, da sie seine Gattin wird, ist ihr Leben an das seinige gefeßelt; sie hat den tiefsten Abscheu gegen alles, was sie abwendig machen will, und scheuet gleich die Gefahr, entweihet oder ihm entrißen zu werden. Da sie gezwungen wird sich zu verstellen, thut sie es mit Standhaftigkeit, und deswegen ohne Gewißenszweifel, weil sie ihre Eltern nach solcher Begegnung nicht sehr achten konte. Ihren Monolog halt ich für einen von Sh. Meisterzügen, die ohne Flecken sind. Erst der Schauer sich allein zu fühlen, fast schon wie im Grabe – das Ermannen – die Überlegung, der so natürliche Argwohn, und wie sie ihn heldenmüthig, mit einer Seele über alles Arge erhaben von sich weißt – größer wie der Held, der wohl nicht ohne Ostentation die Arzney austrank – [ Schluß fehlt.]

*

64. An August Wilhelm Schlegel

[Anfang, 2. Blätter, fehlt.]

... Geschichte schreiben, ihm ebenfalls recht wieder zu Gut kommt.

Die Hufland hat vorgestern fast die ganze Rolle der Julie aus Gotters Oper gesungen; die Musik ist sehr edel nach meinem Gefühl. In die Oper selbst ist nichts vom Geist des Originals übertragen. Die Liebenden kommen mir immer wie Julie und St. Preux darinn vor – die sich – Mad. de Stael mag es anders sagen – ein wenig nach Grundsäzen liebten. Sh. Julie ist so jung, so aufrichtig glühend. Dort haben wir eine moralische, hier eine romantische Leidenschaft. Darinn gleicht Romeo dem St. Pr., daß er seinen Schmerz nicht verhehlen und nicht bemeistern kan. Wer aber würde dieses auch von dem Jüngling fordern? Was dem Manne ziemt, weiß der Mönch wohl, aber auch, daß er in die Luft redet und nur die Amme erbauen wird, doch vergingen darüber einige Minuten, in denen sich der verzweifelnde sammeln und dann auf den reellen Trost des tröstenden horchen konte, der ihm eine Julia zusagt, wies die Philosophie nicht konte. Romeos milde Festigkeit wird bei andern Gelegenheiten sichtbar. Seine Tapferkeit sucht keinen Streit, auch ohne Liebe scheint er über den Haß hinaus zu seyn – diese läßt ihn eine Beleidigung verschmerzen. Der Tod des edlen Freundes nur wafnet seinen Arm.

Im ersten Ausbruch von beyder Verzweiflung sind unstreitig – wir mögens uns so sanft vorsagen wie wir wollen, lieber Freund – einige Sh-rische Härten und Unschönheiten – aber dagegen ist es auch wieder himmlisch, wie in dem Abschiedsauftritt die Freuden der Liebe den wilden Kummer gebrochen haben – wie wehmüthig, hofnungsvoll und unglückahndend zugleich sie aus ihnen spricht. Du wirst nicht unterlaßen zu bemerken, daß in diesem Auftritt ganz vorzüglich die poetische Schönheit mit dem einfachsten Ausdruck eines zerrißnen Gemüthes verschmolzen ist. Die erste Unterredung im Garten hat einen romantischem Schwung, aber sie hat auch eben solche Ausdrücke der innigsten Zärtlichkeit, wie sie unmittelbar dem Herzen und der von Liebe erfüllten Phantasie entschlüpfen. Romeo ist nicht mehr niedergeschlagen – Die Hofnung, die blühende jugendliche Hofnung hat sich seiner bemächtigt – fast frölich wartet er auf Nachricht. Er nennt das selbst nachher den lezten Lebensbliz. Dergleichen Züge gehören ganz Shakesp. Ich weiß niemand, der ihm darinn ähnlich wäre – das sind solche, womit er die Seelen der Menschen umwendet. – Was Romeo nun hört, das verwandelt auch wie ein Bliz sein Inners – zwey Worte – und er ist zum Tode entschloßen, entschloßen in die Erde hinabzusteigen, die ihn kaum noch so schwebend trug.

Den nächsten Auftritt find ich sehr gut, auch nicht etwa das Ganze unterbrechend. Hier ist eine Spur vom Ton des Hamlet – der könte so geendet haben, wenn er Gift zu kaufen nöthig gehabt hätte.

Laß Romeos lezte Szene für sich selbst reden – merke nur an, wie verschieden die Todtenfeier des treuen Bräutigams von der des Geliebten ist, wie gelaßen er seine Blumen streut. Und dann, daß Romeos Edelmuth auch hier hervorbricht, wie ein Stral aus düstern Wolken, da er über dem in Unglück verbrüderten die lezten Segensworte spricht. Ich kann deswegen auch nicht fragen, war es nöthig, daß diese gute Seele hingeopfert wurde, und Romeo noch einen Menschen umbringt? Paris ist eine durchaus nothwendige Person im Stück – und eine solche, denen im Leben und Sterben wohl ist. – Von einer gewißen Oeconomie (vortreflicher) neuerer Stücke – Lessings Stücke sind so eingerichtet – wo alles überflüßig scheinende erspaart wird, und auch oft Personen nur erwähnt, nicht dargestellt werden, wo jedes so genau berechnet ist, daß kein Wort wegfallen darf, ohne Nachtheil des Ganzen, wußte Sha. freylich nichts. Er war so freygebig wie die Natur, der man zuweilen auch müßige Rollen und unnöthige Begebenheiten vorwerfen möchte. – Es ist viel, daß er Rosalinden nicht erscheinen läßt, da es ihm auf einen mehr oder weniger gar nicht ankörnt. – Vielleicht könte Rosalinde ganz wegfallen, ohne Schaden des Stücks. Und doch pflegt man, je tiefer man in den Gang eines Shak. Stücks eindringt, desto mehr Harmonie und Nothwendigkeit, so daß man sich zulezt nichts nehmen lassen mag, zu entdecken (Cimbelyne wird diese Freude schwerlich gewähren; es ist wenig Zusammenhang darinn, nur die Ausführung einzelner Sachen schmelzend schön).

Die Geschichte, die Fabel ist nicht sein eigen, heißt es oft. Der Geist ists immer. Der rohe Plan, und der Geist, wie ich hier immer den feinern Plan nennen will, sind sehr verschieden. So wie Hamlet jezt ist, ist er Sh. eigenste Schöpfung (wie wir längst wißen). Ich bilde mir ein, es ist eher vortheilhaft für das Genie, nicht stets zugleich zu erfinden und auszuführen. Sollte nicht eben die Fremdheit des rohen Stoffs zu Schönheiten Anlaß geben, indem das weniger Zusammenhängende in dem, was der Dichter vorfindet, durch die Behandlung erst wahre Einheit gewinnt? und diese, wo sie sich mit scheinbaren Wiedersprüchen zusammen findet, bringt den wundervollen Geist hervor, dem wir immer neue Geheimniße ablocken, und nicht müde werden, ihn zu ergründen. (Wenn Ihr Euch nur versteht, ich begreif es recht gut). Ich entsinne mich nicht der Legende von Hamlet, aber vermuthlich war das Ende wie im Trauerspiel, daß der Zufall die Rache übernimt mehr wie Hamlet. Und wem sind wir dann den Hamlet schuldig? – Im Romeo fand Sh. weit mehr Stoff vor, und ist ihm sehr treu gefolgt, aber wie ist er sein eigen geworden. Die Charaktere helfen der Geschichte nach und bringen die lebendigste Wahrscheinlichkeit hinein. – Die Heftigkeit des Vaters, das Gemeine im Betragen beyder Eltern ist sehr anstößig, allein es rettet Julien von dem Kampf zwischen Leidenschaft und kindlicher Liebe, und von allem Tadel. Jener wäre hier gar nicht an seiner Stelle gewesen (wie er es allerdings in dem moralischen Liebeshandel der nouvelle Heloise war). Dieser bleibt nun lediglich Johnsons Strenge überlaßen (denk an die Note). Das muß ich sagen, alle Schimpfwörter des Vaters sind mir nicht so anstößig als der Mutter Wort: I would the fool were married to her grave. So was übersezt ich nun so gern weg. Ist es nur ein pöbelhaft gedankenloser Ausdruck – warum sollte mans nicht thun dürfen? Selten wird sich solch eine Gelegenheit zur Untreue finden. In Margarethens Munde (King Richard III.) will ich keinen Fluch unterdrücken, und auch Lady Macbeth mag sagen: ich weiß wie süß es ist, ein Kind an eigner Brust zu tränken etc., statt – ich habe keine Kinder etc. Aber Mislaute wie jener, wo sonst alles so harmonisch ist, thun weh.

Den Merkutio und die Amme, die man auch ihrer eignen schwazhaften Zunge überlassen kann, magst Du allein behalten.

Und ob Romeo und Julie ein Trauerspiel ist, mögt Ihr beyden ausmachen.

Dienstag 19ten

Heute muß ich etwas von Dir hören. Mein guter Freund, wie läßt mich die Hofnung des Tages Last so leicht ertragen.

Gestern bin ich wieder mit 40 bis 50 Menschen zusammen gewesen, ohne deß froh zu werden. Nun hat der [Schluß fehlt.]

*

65. Friedrich Schlegel an Caroline

[Berlin, Nov.? 1797]

[Auszug]

Wenn ich doch nur mehr schreiben könnte, liebe Caroline! Es geschähe so gerne. – Sie müssen nicht übel nehmen, daß ich nun in dem Gedränge von Allem, was ich eigentlich schreiben wollte und sollte, jetzt immer dem den Vorzug gebe, was das Journal betrifft. – Schreiben Sie mir doch ja, alles was Sie für sich dazu zu thun denken, auch noch ehe Sie fixirt sind. Ich rathe Ihnen dann, so gut ichs weiß. Rathen auch Sie mir, und überlegen Sie alles, was ich von meinen Arbeiten und Projekten dafür schreibe, recht kritisch und gründlich. – Besonders aber auch das, was Wilhelm thun kann und will, befördern Sie durch Ihre Theilnahme. Wenn er meinen Vorschlag wegen der neuesten lyrischen Gedichte des Meisters eingeht: so können Sie ihm gewiß sehr viel dazu helfen. – Lassen Sie sich weder [durch] Wilhelms Treiben noch Ihre Arbeitsscheu den Gedanken verleiden, selbst Beyträge zu geben. Wenn Sie dieß aber auch nicht gleich können oder wollen, so bleibt Ihnen doch sehr viel übrig – durch Theilnahme und Rath unsern Eifer zu verdoppeln und zu berichtigen. –

Ich habe immer geglaubt, Ihre Naturform – denn ich glaube, jeder Mensch von Kraft und Geist hat seine eigenthümliche – wäre die Rhapsodie. Es wird Ihnen vielleicht klar, was ich damit meyne, wenn ich hinzusetze, daß ich die gediegene feste klare Masse für Wilhelms eigentliche Naturform, und Fragmente für die meinige halte. – Ich habe wohl auch Rhapsodien versucht und W. kann gewiß sehr gute Fragmente machen, aber ich rede nur von dem, was jedem am natürlichsten ist. Man erschwert sichs gewiß sehr, wenn man, besonders bey wenig Uebung, eine Form wählt, die Einem nicht natürlich und also nur durch große Kunst und Anstrengung erreichbar ist. – Sollten Sie jemahls einen Roman schreiben: so müßte vielleicht ein andrer den Plan machen, und wenn nicht das Ganze aus Briefen bestehn sollte, auch alles darin schreiben, was nicht in Briefen wäre. –

Sie können wohl Fragmente sprechen und auch in Briefen schreiben: aber sie sind immer grade nur in dem, was ganz individuell und also für unsern Zweck nicht brauchbar ist. – Ihre Philosophie und Ihre Fragmentheit gehn jede ihren eignen Gang. – Seyn Sie also ja vorsichtig bey der Wahl der Form, und bedenken Sie, daß Briefe und Recensionen Formen sind, die Sie ganz in der Gewalt haben. An den Briefen über Shakespears komischen Geist schreiben Sie doch auch mit, wenn der Vorschlag acceptirt wird? –

Was sich aus Ihren Briefen drucken ließe, ist viel zu rein, schön und weich, als daß ich es in Fragmente gleichsam zerbrochen, und durch die bloße Aushebung kokett gemacht sehn möchte. Dagegen denke ich, es würde mir nicht unmöglich seyn, aus Ihren Briefen Eine große philosophische Rhapsodie zu – diaskeuasiren. Was meynen Sie dazu? – Das wäre etwas für den Sommer, wenn ich wieder bey Ihnen bin: denn ich bin sehr geneigt mit Euch zu ziehn und im Sommer vollends bey Euch zu bleiben: dagegen aber auf den Winter wieder hierher zurückzukehren. – Was mir auf die Länge jetzt noch in Jena sehr fehlen würde, sind Bücher, die ich hier haben kann, wie ich wünsche, und die ich dort ganz entbehren muß. Wenn ich mich schon in Ruhe hinsetzen dürfte und einen meiner Romane ausführen, so wäre es etwas anders. Doch würde ich auch dabey homogene Lektüre brauchen. – Es freut mich sehr, daß Wilhelm mich wieder zu sich wünscht, und wie haben Sie glauben können, daß ich einer Einladung wiederstehen könnte, die nur (mit) meinen Wünschen entgegenkam?

Was Sie mir von Augusten schreiben, freut mich sehr. Nur das nicht, daß Sie sie nicht mitbringen wollen. – Singen kann sie hier so gut lernen, wie irgendwo. Vielleicht könnte ich ihr Zutritt in der Faschischen Singakademie verschaffen, wo sie Vokalmusik hören würde, wie man sie selbst in Dresden gar nicht hat. So oft Ihr in Gesellschaften gingt, wo sie nicht Lust hätte, oder Sie nicht gut fänden, daß sie mitginge, könnte sie mit mir ins Theater gehn. Ich verspare das absichtlich auf die Zeit und bin seit einem Vierteljahr nicht dreymahl dringewesen. – Oder sie kann auch Griechisch mit mir lesen. – Ich bitte Sie recht sehr, es zu überlegen. Mit der Unschuld, das ist nichts. Erstlich kann Auguste Berlin sehen und unschuldig bleiben. Wenn die Unschuld aber darin besteht, daß man immer an demselben Fleck klebt: so ist Auguste, die schon so vieler Menschen Städte und Sitten gesehn hat, ein weiblicher Odysseus, nicht mehr unschuldig, und hat also nichts zu verliehren. – Im Ernst, ich dächte, es könnte ein kleiner Beytrag zu der Art von Bildung, die ihr nächst dem Beyspiel doch auch etwas der Zufall gegeben hat, und die sie so sehr von andern Mädchen ihres Alters unterscheidet, seyn, Berlin zu sehn. – Und dann, denken Sie nicht an die Trennung?

[...]

*

66. An Georg Joachim Göschen

Jena d. 16. Dez. 97

Liebster Freund, ich bin noch krank – aber lassen Sie uns nicht davon reden, denn ich möchte gern den Seidelbast mit Stillschweigen übergehn, der mir nun wirklich auf dem Arme liegt und zieht, nachdem er drey Tage auf die Seite meines Eigensinns getreten zu seyn und nichts wirken zu wollen schien. Auch isländisch Moos trinke ich und Ihr Celanienpulver kommt zu spät.

Wie oft ich den Morgen ans Fenster gegangen bin und dachte und hofte, Sie würden in dem schmälichen Regen, der sich gleich hinter Ihnen her ergoß, wieder umgekehrt seyn. Aber Sie sind noch eigensinniger wie ich. Wir hatten alle keine Ruhe, bis wir Sie uns doch etwa in Naumburg denken konten, und es war recht gut, daß Sie uns Nachricht gaben. Nie werden wir Sie wieder auf die Art von uns lassen.

Die bewusten Reinetten soll ich Morgen haben und denke sie Ihnen noch vor Weinachten schicken zu können, aber Sie Böser haben gewiß Ihr Memorandum book, Ihr Herrmann und Dorotheechen verlohren, daß ich keinen Bast zum Kleide für Gusteln kriege, den ich doch ganz nothwendig haben muß. Liebste Göschen, helfen Sie mir doch ja damit – es ist das solide Stück von Gustels Weinachten. – Am Mittwoch oder heute hätte es schon kommen können, wenn Ihr Mann mit einen Gedanken sich unsrer errinret hätte.

Sag ichs nicht, daß sich alle Barone an Sie wenden? Diesen Nachmittag hat der Cammerherr Einsiedel hier gesessen und gemunkelt, daß er Ihnen gar zu gern – so mit der Zeit seine vollständige Theorie der Schauspielkunst, die er allein ohne Jean Paul schreibt, gönnen möchte – es sollen Kupfer, aber nur skizzirte Umrisse so wie etwa die Attitüden der Lady Hamilton dazu kommen? Werden Sie ihm gar keine Hoffnung machen? Er ist im Grunde zehnmal mehr werth wie Ihre andern Barone. Schlegel wird den kleinen Versuch anzeigen und hat zugleich den Auftrag von ihm den Verstoß mit Jean Paul zu erläutern. In der Michaelmesse kommt Einsiedel nach Leipzig – wenigstens deucht mich, daß er so sagte.

Ich habe von der Griesbachen keine Buchstaben gekriegt. Sie soll Ihnen zum heilgen Christ ein ganz frisches Alfabeto backen.

Leben Sie wohl bester Freund – nehmen Sie unsre herzlichsten Grüße für sich und Ihre Lieben, komen Sie bald, bald wieder und bleiben Sie uns zugethan.

C.S.

 

So schadenfroh bin ich doch nicht gewesen mich über Ihr Unglück zu freun, im gegentheil wir haben Sie sehr bedauert; aber eine kleine strafe ist es doch, daß Sie nicht noch länger Hier blieben, Die Gans war sehr schön, grüßen Sie indessen Ihre ganze Familie und sich selbst von Ihrer

Auguste.

Die Klopstockschen Oden, die Sie vergessen haben, hiebei.

*

67. Novalis an Caroline

Freiberg, den Sonntag früh
[Juni oder Juli 1798]

Weder kommen, noch schicken hab ich können. Wer aber auch eine Natur und Welt zu bauen hat, kann wahrhaftig nicht abkommen. Auf meiner Entdeckungsreise oder Jagd bin ich, seitdem ich Sie nicht sah, auf sehr vielversprechende Küsten gestoßen, die vielleicht ein neues wissenschaftliches Continent begrenzen. Von neuen Inseln wimmelt's in diesem Meere.

Der Brief über die Antiken wird umgeschmolzen. Sie erhalten statt dessen ein romantisches Fragment – der Antikenbesuch – nebst einer archäologischen Beylage. Ich hoffe beinah mit Zuversicht auf Ihr Interesse. Mir scheint Armuth an Neuheiten wenigstens kein Fehler dieser Arbeit zu werden.

Meine Symphysik mit Friedrich betrifft meine neuste Masse allgemeiner philosophisch physiologischer Experimente vorzüglich. An die Form kann ich unter diesen Umständen noch nicht denken. Schreiben Sie ihm das. Seine Papiere soll er ehestens erhalten; wann die meinigen – verbessert, vermehrt und geordnet – das weiß ich noch nicht bestimmt zu sagen. An meinem Fleiße soll das Spät nicht liegen – eher an der Unkultur des Gegenstandes und seiner unermeßlichen Mannigfaltigkeit, die zwar um deswillen auch höchst einfach ist, aber so schwer als solche gefaßt, gehalten und nachgebildet wird. Je tiefer ich in die Untiefe von Schellings Weltseele eindringe, desto interessanter wird mir sein Kopf, der das Höchste ahndet und dem nur die reine Wiedergebungsgabe fehlt, die Göthe zum merkwürdigsten Physiker unsrer Zeit macht. Schelling faßt gut – er hält schon um vieles schlechter und nachzubilden versteht er am wenigsten.

Schreiben Sie mir nur, wie lange Sie noch in Dresden bleiben, daß ich mich mit meiner Reise darnach richte. Wann ich Ihnen etwas schicke, weiß ich ebenfalls noch nicht genau. Empfehlen Sie mich Funk, den Sie gewiß sehen werden.

Ihr Mann könnte mir eine Gefälligkeit erzeigen, wenn er beiliegende Rechnung für mich bezahlen und sich quittiren lassen wollte. Ich werde mündlich es ihm danken und die Auslagen wieder erstatten.

Empfehlen Sie mich der vortrefflichen Ernsten und William herzlich. Erzählen Sie mir von allem und von dem was Sie machen – vorzüglich. Die Madonna erhalte Sie gesund und beschütze unsre Freundschaft.

Hardenberg.

 

Ihr Mann könnte mir einen großen Gefallen erweisen. Mir sind Helmont's und Fludd's Werke sehr nöthig. Sollte nicht William sie für sich von Dasdorf auf vierzehn Tage geliehn erhalten können – und sie mir in diesem Fall sogleich überschicken? Bedenken Sie, daß die Kosmogonie dabei interessirt ist – und das ist doch nichts kleines. Schelling wird sich über meine Entdeckungen wundern und freun. Friedrichs Beifall und Sympraxis ist mir gewiß. – Friedrichs petillanter Geist hat wunderbare Mischungen und Entmischungen im physicalischen Chaos zuwege gebracht. Seine Papiere sind durchaus genialisch – voll genialischer Treffer und Fehler. Schreiben Sie ihm, mein Brief würde durchaus neu – nur wenig aus den alten Papieren. Ich hoffe, unser Briefwechsel soll wahrhafte fermenta cognitionis in Fülle begreifen und mehr als eine Lavoisier'sche Revolution entzünden. Mir ist jetzt als saß ich im Comité du Salut public universel.

*

68. An Friedrich Schlegel

Jena d. 14[-15.] Oct. [17]98

[Auszug]

Ich kann Ihnen heut allerley sagen, was Sie gern wissen wollen. Wilhelm blieb in Weimar zurück um Göthen zu sprechen, und der ist sehr wohl zu sprechen gewesen, in der besten Laune über das Athenäum, und ganz in der gehörigen über Ihren Wilhelm Meister, denn er hat nicht blos den Ernst, er hat auch die belobte Ironie darin gefaßt und ist doch sehr damit zufrieden und sieht der Fortsetzung freundlichst entgegen. Erst hat er gesagt, es wäre recht gut, recht charmant, und nach dieser bei ihm gebräuchlichen Art vom Wetter zu reden, hat er auch warm die Weise gebilligt, wie Sie es behandelt, daß Sie immer auf den Bau des Ganzen gegangen und sich nicht bey pathologischer Zergliederung der einzelnen Charaktere aufgehalten, dann hat er gezeigt, daß er es tüchtig gelesen, indem er viele Ausdrücke wiederholt und besonders eben die ironischen. Sie haben alle Ursache Ihr Werk zu vollenden von dieser Seite, und so thun Sie es denn doch recht bald. Er hat Wilhelm mit Grüßen für Sie beladen, und läßt vielmals um Entschuldigung bitten, wegen des Nichtschreibens, eine Sache, die wirklich aus der Geschäftigkeit des lezten Vierteljahrs, wovon nachher ein Mehreres, zu erklären ist. An W hat er den ganzen Brief schon fertig diktirt und doch nicht abgeschickt. Auch von der griechischen Poesie hat er gesprochen; bey manchen Stellen hätte er eine mündliche Unterredung und Erläuterung dazu gewünscht, um etwa ein längeres und breiteres Licht zu erhalten. Gelesen hat er auch redlich; das kann man ihm nicht anders nachrühmen. Die Fragmente haben ihn ungemein interressirt; ihr hättet euch in Kriegsstand gesezt, aber er hat keine einzige Einwendung dagegen gemacht; nur gemeint, es wäre eine allzu starke Ausgabe [Zusatz W Schlegels: die Verschwendung wäre doch zu groß, war der pivot seines allgemeinen Urtheils], und es hätte sollen getheilt werden. Wilhelm hat ihm geantwortet, in Einem Strich ließe sichs freylich nicht lesen; da hat er so etwas gemurmelt, als das hätte er denn doch nicht lassen können, es wäre denn doch so anziehend –

In Weimar ist das Athenäum sehr viel gelesen. Ein gewisser Friedrich von Oertel hat sich Jean Pauls gegen Sie angenommen, es steht im Merkur [W. Schl.: im Octoberstück], noch sahn wir es nicht. Böttiger hat Wilhelm davon gesagt, er hätte es nicht wollen einrücken, aber Wieland hätte gesagt, weil es bescheiden geschrieben wäre, hätten sie keine Ursach es zu versagen. Von Carl Nicolais Unfug wusten wir noch nichts, können aber das, und auch was Hirt schreibt, hier bekommen, und Wilhelm hoft, der Haufen soll bald recht hoch werden. Tieks Zettel wird besorgt; hat er sich nicht zu weitläuftig heraus gelassen?

In Dessau sprachen wir einen jungen Mann, der eben aus Wien kam und da einen Brief von Böttiger an Hammer (der sich im Merkur zuweilen vernehmen läßt) gesehn, woraus er sich der Worte errinnerte: »die beiden Götterbuben, wie Wieland sie nennt« – das Übrige war irgend eine Notiz gewesen, was ihr gethan oder wo ihr euch aufhieltet, die er vergessen hatte. Es kommt nur darauf an, ob er mehr Akzent auf das Göttliche oder Bübische gelegt.

Nun von Göthens Geschäftigkeit. Er hat das weimarische Comödienhaus inwendig durchaus umgeschaffen, und in ein freundliches glänzendes Feenschlößchen verwandelt. Es hat mir erstaunlich wohl gefallen. Ein Architekt und Dekorateur aus Studtgart ist dazu her berufen und innerhalb 13 Wochen sind Säulen, Gallerien, Balcone, Vorhang verfertigt und was nicht alles geschmückt, gemahlt, verguldet, aber in der That mit Geschmack. Die Beleuchtung ist äußerst hübsch, vermittelst eines weiten Kranzes von englischen Lampen, der in einer kleinen Kuppel schwebt, durch welche zugleich der Dunst des Hauses hinaus zieht. Göthe ist wie ein Kind so eifrig dabey gewesen, den Tag vor der Eröfnung des Theaters war er von früh bis spät Abends da, hat da gegessen und getrunken und eigenhändig mit gearbeitet. Er hat sich die gröbsten Billets und Belangungen über einige veränderte Einrichtungen und Erhöhung der Preise gefallen lassen und es eben alles mit freudigem Gemüth hingenommen, um die Sache, welche von der Theatercasse bestritten ward, zu stand zu bringen. Nun kam die Anlernung der Schauspieler dazu, um das Vorspiel ordentlich zu geben, worinn ihnen alles fremd und unerhört war. Es stellt Wallensteins Lager dar, wie Sie wissen, und ist in Reimen in Hans Sachsens Manier, voller Leben, Wirkung, Geist der Zeit und guter Einfälle. Schiller hat doch in Jahren zu Stande gebracht, was Göthe vielleicht (die Studien abgerechnet) in einem Nachmittag hätte geschrieben, und das will immer viel sagen. Er hat sich (dies komt von Wilhelm) dem Teufel ergeben, um den Realisten zu machen und sich die Sentimentalität vom Leibe zu halten. Aber genug, es ist gut, er hat alle Ehre und die andern viel Plaisir davon. Göthens Mühe war auch nicht verloren; die Gesellschaft hat exzellent gespielt, es war das vollkommenste Ensemble und keine Unordnung in dem Getümmel. Für das Auge nahm es sich ebenfals treflich aus. Die Kostume, können Sie denken, waren sorgfältig zusammen getragen, und contrastirten wieder unter einander sehr artig. Zum Prolog war eine neue, sehr schöne Dekoration. – Bey der Umwandlung des Hauses war Schillers Käfig weggefallen, so daß er sich auf dem offnen Balkon präsentiren muste, anfangs neben Göthe, dann neben der herzoglichen Loge. Wir waren im Parket, das denselben Preis mit dem Balkon hat, wo wir auch hätten hingehn können, aber lieber die bekannten Stellen wählten. – Die Korsen und Kotzebue gingen vorher. Bey dem Vorspiel hat man mehr gelacht und applaudirt. Der Schauspieler bringt überhaupt eine ganz andre, lebhaftere, materiellere Begeisterung hervor als der Dichter, aber hier konnte doch auch die im Allgemeinen geringe Liebe für diesen und selbst seine Gegenwart mitwürken, abgerechnet, daß man das Ding fremd finden muste, und obendrein auch soll zu lang gefunden haben.

Piccolomini wird wohl im Dezember, ebenso, gleichsam auf die Probe gespielt werden, wo man sich mit unsern Schauspielern behilft. Göthe meint, der alte Piccolomini (denn Vater und Sohn sind darin), das würde eine Rolle für Iffland seyn. Auf Schröder rechnet man schon. – Göthe ist heute wiederum hier angelangt, um nun weiter den vergangnen Effeckt des Vorspieles und den zukünftigen des Piccolomini zu überlegen. Desto besser für uns. – Schelling fuhr an Schlegels Stelle in der Nacht mit mir zurück. Gustel war nicht mit, wir hatten Parthie mit Gries und Mayer gemacht. Es kam gar zu hoch, das Billet 1 Thlr. Doch wird sies schon noch sehn, ich habe ihr alles erzählt. Fichte hatte mir nach der Comödie 4 Gläser Champagner aufgenöthigt, das muß ich nicht vergessen zu melden.

Schelling wird sich von nun an einmauren, wie er sagt, aber gewiß nicht aushält. Er ist eher ein Mensch um Mauern zu durchbrechen. Glauben Sie, Freund, er ist als Mensch interressanter, als Sie zugeben, eine rechte Urnatur, als Mineralie betrachtet, ächter Granit.

Tiek muß sich nun eben so wenig über Göthens Schweigen skandalisiren als Sie, denn er bittet auch ihn um Nachsicht. Und ich will Ihnen auch sein Urtheil über den 1sten Theil von Sternbald wiedergeben; Sie überantworten es Tiek. Man könnte es so eigentlich eher musikalische Wanderungen nennen, wegen der vielen musikalischen Empfindungen und Anregungen (die Worte sind übrigens von mir), es wäre alles darinn, außer der Mahler. Sollte es ein Künstlerroman sein, so müßte doch noch ganz viel anders von der Kunst darin stehn, er vermißte da den rechten Gehalt, und das Künstlerische käme als eine falsche Tendenz heraus. Gelesen hat er es aber, und zweymal, und lobt es dann auch wieder sehr. Es wären viel hübsche Sonnenaufgänge darinn, hat er gesagt [W. Schlegel: an denen man sähe, daß sich das Auge des Dichters wirklich recht eigentlich an den Farben gelabt, nur kämen sie zu oft wieder].

Wollen Sie nun mein Urtheil über den zweyten? Vom ersten nur so viel, ich bin immer noch zweifelhaft, ob die Kunstliebe nicht absichtlich als eine falsche Tendenz im Sternbald hat sollen dargestellt werden und schlecht ablaufen wie bei Wilhelm Meister, aber dann möchte offenbar ein andrer Mangel eintreten – es möchte dann vom Menschlichen zu wenig darinn seyn. Der zweyte Theil hat mir noch kein Licht gegeben. Wie ist es möglich, daß Sie ihn dem ersten vorziehn und überhaupt so vorzüglich behandeln? Es ist die nemliche Unbestimmtheit, es fehlt an durchgreifender Kraft – man hoft immer auf etwas entscheidendes, irgendwo den Franz beträchtlich vorrücken zu sehn. Thut er das? Viele liebliche Sonnenaufgänge und Frühlinge sind wieder da; Tag und Nacht wechseln fleißig, Sonne, Mond und Sterne ziehn auf, die Vöglein singen; es ist das alles sehr artig, aber doch leer, und ein kleinlicher Wechsel von Stimmungen und Gefühlen im Sternbald, kleinlich dargestellt. Der Verse sind nun fast zu viel, und fahren so lose in und aus einander, wie die angeknüpften Geschichten und Begebenheiten, in denen gar viel leise Spuren von mancherley Nachbildungen sind. Solt ich zu streng seyn, oder vielmehr Unrecht haben? Wilhelm will es mir jetzt vorlesen, ich will sehn, wie wir gemeinschaftlich urtheilen.

d. 15 Oct.

Fast habe ich so wenig Kunstsinn wie Tieks liebe Amalie, denn ich bin gestern bey der Lektür eingeschlafen. Doch das will nichts sagen. Aber freylich wir kommen wachend in Obigen überein. Es reißt nicht fort, es hält nicht fest, so wohl manches Einzelne gefällt, wie die Art des Florestan bei dem Wettgesang dem Wilhelm gefallen hat. Bey den muntern Szenen hält man sich am liebsten auf, aber wer kann sich eben dabey enthalten zu denken, da ist der Wilhelm Meister und zu viel W. M. Sonst guckt der alte Trübsinn hervor. Eine Fantasie, die immer mit den Flügeln schlägt und flattert und keinen rechten Schwung nimt. Mir thut es recht leid, daß es mir nicht anders erscheinen will. Was Göthe geurtheilt hat, theilen Sie ihm doch unverholen mit.

*

69. An Novalis

[Jena] 4. Febr. 1799

Ob Sie mich gleich mit Ihren Dithyramben über das mercantilische Genie, das uns fehlt und Sie auch nicht haben, einmal recht böse gemacht, so sind Sie doch besser wie ich gewesen. Sie geben wenigstens Nachricht von sich. Ich aber habe mich in Absicht der nöthigen Mittheilungen ganz auf Ihre Weihnachtsunterhaltung mit der Ernst verlassen und mehr an Sie gedacht als geschrieben. Endlich kommt beides zusammen.

Was Sie von Ihrer Kränklichkeit erwähnen, darüber will ich mich nicht ängstigen, weil immer viel guter Muth dadurch hervorleuchtet, und Sie bei Ihrer Reizbarkeit immer Zeiten haben müssen, wo Sie nichts taugen. Das Wort des Trostes, was Sie nennen, geht mir weit mehr zu Herzen: Liebe. Welche? Wo? Im Himmel oder auf Erden? Und was haben Sie mir mündlich Schönes und Neues zu sagen? Thun Sie es immer nur gleich, wenn es nichts sehr Weitläufiges und etwas Bestimmtes ist. Es giebt keine Liebe, von der Sie da nicht sprechen könnten, wo, wie Sie wissen, lauter Liebe für Sie wohnt. In der That – darf ich alle Bedeutung in den Schluß Ihres Briefes legen, den er zu haben scheint? Ich will ruhig schweigen, bis Sie mirs sagen.

Ihre übrige innerliche Geschäftigkeit aber macht mir den Kopf über alle Maßen warm. Sie glauben nicht, wie wenig ich von eurem Wesen begreife, wie wenig ich eigentlich verstehe, was Sie treiben. Ich weiß im Grunde doch von nichts etwas als von der sittlichen Menschheit und der poetischen Kunst. Lesen thu ich alles gern, was Sie von Zeit zu Zeit melden, und ich verzweifle nicht daran, daß der Augenblick kommt, wo sich das Einzelne auch für mich wird zusammen reihen und mich Ihre Äußerungen nicht blos darum, weil es die Ihrigen sind, erfreuen. Was ihr alle zusammen da schaffet, ist mir auch ein rechter Zauberkessel. Vertrauen Sie mir vors Erste nur so viel an, ob es denn eigentlich auf ein gedrucktes Werk bey Ihnen herauskommen wird, oder ob die Natur, die Sie so herrlich und künstlich und einfach auch construiren, mit Ihrer eignen herrlichen und kunstvollen Natur für diese Erde soll zu Grunde gehn. Sehn Sie, man weiß sich das nicht ausdrücklich zu erklären aus Ihren Reden, wenn Sie ein Werk unternehmen, ob es soll ein Buch werden, und wenn Sie lieben, ob es die Harmonie der Welten oder eine Harmonika ist.

Was kann ich Ihnen von Ritter melden? Er wohnt in Belvedere und schickt viel Frösche herüber, von welchen dort Überfluß und hier Mangel ist. Zuweilen begleitet er sie selbst, allein ich sah ihn noch nie, und die Andern versichern mir, er würde auch nicht drei Worte mit mir reden können und mögen. Er hat nur einen Sinn, so viel ich merke. Der soll eminent seyn, aber der höchste, den man für seine Wissenschaft haben kann, ist es doch wohl nicht – der höchste besteht aus vielen. Schelling sagt, Sie sollen Rittern nur schreiben, wenn Sie ihm etwas zu sagen haben. Es thäte nichts, daß Ritter selbst gar nicht schreiben könnte. Aufs Frühjahr werden Sie ihn ja sehn.

Was Schelling betrifft, so hat es nie eine sprödere Hülle gegeben. Aber ungeachtet ich nicht sechs Minuten mit ihm zusammen bin ohne Zank, ist er doch weit und breit das Interressanteste was ich kenne, und ich wollte, wir sähen ihn öfter und vertraulicher. Dann würde sich auch der Zank geben. Er ist beständig auf der Wache gegen mich und die Ironie in der Schlegelschen Familie; weil es ihm an der Fröhlichkeit mangelt, gewinnt er ihr auch so leicht die fröhliche Seite nicht ab. Sein angestrengtes Arbeiten verhindert ihn oft auszugehn; dazu wohnt er bei Niethammers und ist von Schwaben besetzt, mit denen er sich wenigstens behaglich fühlt. Kann er nicht nur so unbedeutend schwatzen oder sich wissenschaftlich mittheilen, so ist er in einer Art von Spannung, die ich noch nicht das Geheimnis gefunden habe zu lösen. Neulich haben wir seinen vierundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Er hat noch Zeit milder zu werden. Dann wird er auch die ungemeßne Wuth gegen solche, die er für seine Feinde hält, ablegen. Gegen alles, was Hufeland heißt, ist er sehr aufgebracht. Einmal erklärte er mir, daß er in Hufelands Gesellschaft nicht bei uns seyn könnte. Da ihn Hufeland selbst bat, ging er aber doch hin. Ich habe ihm mit Willen diese Inconsequenz nicht vorgerückt. Er hat so unbändig viel Charakter, daß man ihn nicht an seinen Charakter zu mahnen braucht. Der Norwege Steffens, den ich Ihnen schon angekündigt habe, hat hier in der Gesellschaft weit mehr Glück gemacht. Das scheint ihn auch so zu fesseln, daß es die Frage ist, ob er noch nach Freiberg kommt. Er würde Ihnen angenehm gewesen seyn. Er ist es uns auch, aber ganz kann ich ihn nicht beurtheilen, denn ich weiß nicht, wie weit er da hinausreicht, wo ich nicht hinreiche, und die Philosophie ist es doch, die ihn erst ergänzen muß.

In Fichten ist mir alles klar, auch alles was von ihm kommt. Ich habe Charlotten aufgetragen, Ihnen seine Appellation zu schicken; er läßt Sie daneben grüßen. Schreiben Sie mir etwas darüber, das ich ihm wieder bestellen kann. Was sagen Sie zu diesem Handel? was zu Reinharden? und wie ihn Fichte zwischen Spalding und Jacobi stellt. – Ein wenig zu viel Accent hat Fichte auf das Märtyrerthum gelegt. Das Übrige ist alles hell und hinreißend. Ich bin andächtig gewesen, da ich es las, und überirdisch. In Dresden wird die Schrift noch nicht zu haben seyn. Ich beredete Fichte, sie Ihrem Vater zu schicken, und glaube, daß ers gethan hat.

Nach dem Atheismus ist hier das neuste Evenement die Aufführung des ersten Theils von Wallenstein, die Piccolomini, in Weimar. Wir haben sie gesehn, und es ist alles so vortrefflich und so mangelhaft, wie ich mir vorstellte. Die Wirkung des Ganzen leidet sehr durch die Ausdehnung des Stoffes in zwei Schauspiele. Aber das Dramatische interreßirt Sie nicht – ich will mir die paar Augenblicke, die uns bleiben, hiermit nicht rauben. Göthe bringt den Februar hier zu. Die Elegie ist noch nicht vollendet, das Athenäum erst zur Hälfte gedruckt.

Von Friedrich nichts, bis ich die Veit und Lucinde gesehn. Wir gehen in der Woche vor Ostern nach Berlin, wo jene den Sommer über bleiben werden. Lieber Hardenberg, gehn Sie mit uns! Wir können Sie ja in Naumburg treffen. Es wäre gar zu hübsch. Denken Sie mit Ernst daran.

Wir sind fleißig und sehr glücklich. Seit Anfang des Jahrs komme ich wenig von Wilhelms Zimmer. Ich übersetze das zweite Stück Shakespear, Jamben, Prosa, mitunter Reime sogar. Adieu, ich muß dies wegschicken.

*

70. An Novalis

[Jena] 20. Febr. 1799

So ist es denn wahr, mein liebster Freund? Sie haben uns recht glücklich und froh gemacht! Ihren Freunden blieb bisher kein ander Mittel übrig, als nur an Sie allein, nicht an Ihre Zukunft zu denken, und Sie hatten uns auch oft alle Sorge verboten. Ich nahm das selbst so an – gegen die, die uns lieb sind, wird man so leicht gelehrig und gehorsam. Nie habe ich Sie gefragt, wie wird sich der Knoten lösen? kann das so bleiben? Kaum habe ich mich selbst gefragt. Ich war ruhig im Glauben – denn ich habe doch am Ende mehr Glauben als ihr alle – nicht daß es grade so kommen würde, aber daß sich an irgend einer Brust die Spannung brechen müßte, und das Himmlische mit dem Irdischen vermählen. Was Sie Scheidung zwischen beiden nennen, ist doch Verschmelzung. Warum soll es nicht? Ist das Irdische nicht auch wahrhaft himmlisch? Nennen Sie es aber wie Sie wollen, genug Sie sind glücklich. Ihr Brief ist eigentlich voll Wonne und wie auf Flügeln zu mir gekommen.

Ich freue mich jetzt – wie Sie sich freuen werden – daran zu denken, wie dies so sich machen mußte. Nur in dieser fast öden Einsamkeit, durch das Band der süßen Gewohnheit konnten Sie allmälig gewonnen werden. Wie weise und artig setzten Sie uns einmal auseinander, daß dies alles keine Gefahr habe, Gefahr nicht, aber Folgen doch. Soll das Liebenswürdige umsonst seyn? Wie doppelt leid thut es mir, Julien nicht gesehn zu haben. Es war meine Schuld nicht, die Ihrige auch wohl nicht. – Sehn Sie, liebster Hardenberg, das könnte mich doch traurig machen, wenn Sie nicht unser blieben, wenn Ihre Frau nicht unsre Freundin durch sich selber würde, aus eigner Neigung. Kommen Sie nur, wir schwatzen mehr darüber. Es ist fast wahrscheinlich, daß Sie um Ostern uns hier finden und wir erst um Pfingsten reisen.

Charlotten haben Sie gewiß aufs Leben verboten uns nichts zu sagen, denn ich errathe nun, sie hat es um Weihnachten erfahren, aber geschwiegen über alle Maßen. Sie schreibt mir eben, daß sie Charpentier und Sie zusammen hofft bei sich zu sehn. Ein Glück, das sie nicht gern schreibt; gesagt hätte sie mirs doch. Friedrich verräth auch eine Ahndung – ich habe ihm Gewißheit gegeben. Sehr möglich, daß ein Dach uns alle noch in diesem Jahr versammelt. Friedrich bleibt den Sommer in Berlin, was mir lieb ist. Im Winter wünscht er herzukommen. Sie leben in Weißenfels. Sie könnten auch wohl einmal eine Zeitlang hier leben. – Mit Ihrem Vater ist wohl alles überlegt und es stehn Ihnen keine Schwierigkeiten im Wege? Er wird nur froh seyn, Sie froh zu wissen. Muß sich Thielemann nicht unendlich freuen! Ihren andern Schwager abandonniren wir Fichten.

Es ist kein Zweifel, wenn Fichte sich ganz von Reinhards Mitwirkung überzeugen könnte, so würde er ihn zum zweiten Göze machen. Er wills noch nicht glauben, oder vielmehr er wünscht Thatsachen, um den Glauben in der Hand zu haben. Mit der letzten Post hat er Reinhard selbst geschrieben, ihm seine Schrift geschickt und ihn zum Wehe über das Pfaffenthum aufgefordert. Er will abwarten, was er darauf erwiedert. Schreiben Sie es mir nur, ob Sie es gewiß wissen. Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, aber schwerlich hat er doch offen genug gehandelt, daß man Thatsachen von ihm anführen könnte. Fichten ist sehr daran gelegen übrigens. Ich habe ihm den größten Theil Ihres Briefs mitgetheilt – ja, weil er Sie so liebt, auch das, was Sie angeht, und worüber er sich innig gefreut hat. Daß man in Preußen honnet verfahren ist, werden Sie nun wissen.

Bald, bald kommt das dritte Stück Athenäum. Hier ist indessen etwas andres. Was werden Sie zu dieser Lucinde sagen? Uns ist das Fragment im Lyceum eingefallen, das sich so anfängt: Saphische Gedichte müssen wachsen oder gefunden werden etc. Lesen Sie es nach. – Ich halte noch zur Zeit diesen Roman nicht mehr für einen Roman als Jean Pauls Sachen – mit denen ich es übrigens nicht vergleiche. Es ist weit phantastischer, als wir uns eingebildet haben. Sagen Sie mir nun, wie es Ihnen zusagt. Rein ist der Eindruck freilich nicht, wenn man einem Verfasser so nahe steht. Ich halte immer seine verschlossene Persönlichkeit mit dieser Unbändigkeit zusammen und sehe, wie die harte Schale aufbricht – mir kann ganz bange dabey werden, und wenn ich seine Geliebte wäre, so hätte es nicht gedruckt werden dürfen. Dies alles ist indeß keine Verdammniß. Es giebt Dinge, die nicht zu verdammen, nicht zu tadeln, nicht wegzuwünschen, nicht zu ändern sind, und was Friedrich thut gehört gemeiniglich dahin.

Wilhelm hat die Elegie geendigt. Eine Abschrift hat Göthe, der hier ist, die andere Friedrich. Sie müssen also warten. Der eigentliche Körper des Gedichts ist didaktisch zu nennen und sollte es auch seyn nach Wilhelms Meinung. Die Ausmalung des Einzelnen ist vortrefflich – das Ganze vielleicht zu umfassend, um als Eins in der Seele aufgenommen zu werden, wenigstens erfordert dies eine gesammelte Stimmung. Sie sollen es hier lesen. Es kommt in das vierte Stück.

Wenn Sie herkommen, so treten Sie doch gleich bey uns ab, wenn Sie keine Ursach weiter haben es nicht zu thun. An Ihrem Verkehr mit Schiller hindert es Sie gar nicht. In der Mitte des April kommt der vollständige Wallenstein auf das Theater. Wollen Sie ihn nicht sehn?

Göthe ist sehr mit Optik für die Propyläen beschäftigt und an keinem öffentlichen Orte sichtbar. Leben Sie wohl, Bester, ich muß noch an Charlotten schreiben. Julie ist uns gegrüßt! Theilen Sie Charlotten die Lucinde mit.

*

71. An Luise Gotter

Jena d. 24. Aprill [17]99

[Besorgungen.] Ihr werdet euch nun wieder von den hochzeitlichen Festen erholt haben und die junge Frau fortgeschickt. Gern, gern kam ich dafür herüber, aber es will sich denn doch nicht so bequem machen lassen, als es leicht aussieht. – Man sagte mir, am Sonnabend wär Vanderbek in Weimar gewesen. Warum hat sich Minchen nicht mit auf den Weg gemacht? Es wäre doch allerliebst gewesen, wenn wir uns mit einenmal da getroffen hätten. Hieher soll sie nun nicht eher kommen, bis es ganz grün und warm ist. – Wir haben in Weimar endlich den Wallenstein ums Leben gebracht und wollen hoffen, daß er dadurch die Unsterblichkeit erlangt. Die Schönheit und Kraft der einzelnen Theile fällt am meisten auf. Wenn man es nach einem einzigen Sehen beurtheilen dürfte, so würd ich sagen, das Ganze hat sehr an Effeckt durch die Länge verlohren. Es hätte nur Ein Stück seyn müssen, dann hätten sich die Szenen konzentrirt auf Einen Brennpunkt, die sich jetzt langsam folgen, und dem Zuschauer Zeit zu kühler Besonnenheit lassen. Der lezte Akt thut keine Wirkung – man merkt den Fall des Helden kaum, an dessen Größe 11 Akte hindurch gebauet werden, um eine große Erschütterung durch seinen Sturz hervorzubringen. Und die mannichfache Absicht, die Berechnungen, welche hindurchschimmern! Es ist eben ein Werk der Kunst allein, ohne Instinkt. Ich kann Dir nicht sagen, wie dagegen das Ende Shakespscher Trauerspiele, auch seiner politischen, das Herz erfüllen und bewegen. Schreib mir doch, wie Van der Bek davon geurtheilt hat. Die Piccolomini ließen weit mehr ahnden, es schien so viel darinn vorbereitet zu seyn, das sich hier unbedeutend lößt. Die Iffland schreibt mir, daß diese in Berlin sehr kalt aufgenommen worden sind. Das ist freylich kein Beweis gegen sie. Iffland soll herlich gespielt haben. – Er geht nach Dessau, Leipzig und Breslau. Weißt Du denn, daß zu Dessau der Baron Lichtenstein nebst seiner Gemalin in einer selbstgemachten und selbstcomponirten Oper selbst mitgespielt hat unter den übrigen Schauspielern? Dies hat sich am 2ten Ostertag zugetragen und ist sehr übel vom Adel und sehr gut vom übrigen Publikum aufgenommen worden.

Nur mit Kummer kann ich Dir von dem schreiben, wonach Du mich fragst – von der Fichtischen Sache. Glaube mir, sie ist sehr schlimm für alle Freunde eines ehrlichen und freymüthigen Betragens. Wie Du von der ersten Anklage, die von einem bigotten Fürsten und seinen theils catholischen theils herrnhutischen Rathgebern herrührte, zu denken hast, wirst Du ungefähr einsehn. Wir hoften aber, es sollte sich mit einer unbedeutenden Formularität endigen. Aber da hezt man den Fichte durch allerley Berichte von Weimar, es stehe schlimm usw., daß er an den Geheimerath Voigt schreibt, er werde seinen Abschied nehmen, wenn man ihm einen gerichtlichen Verweis gebe und seine Lehrfreiheit einschränke. – Der Brief war überdem nachdrücklich genug – sah ihn der Herzog, der voll übler Laune gegen Jena ist, so konnte schwerlich etwas andres erfolgen. Aber Fichte hatte Ursache Voigt für seinen Freund zu halten – war es Voigt, so mußte er F. den Brief zurückgeben, und ihm sagen – ihr überlaßt mir den Gebrauch desselben, und ich mache den davon, ihn zu cassiren, wenn ihr nicht dennoch wollt, daß ich ihn zeige.

Er wurde dem Herzog vorgelegt und zu den Akten gelegt. Es erfolgt ein Rescript mit einem Verweis, der so gut wie keiner ist, und den man um der Nachschrift willen nun recht sanftmüthig einrichten konnte. Diese enthielt denn, daß man Fichtens Dimissions Forderung annehme, da man doch nicht umhin gekonnt habe einen Verweis zu geben – der freylich nicht so war, wie ihn Fichte vermeiden wollte um seiner Ehre willen. – Alle Hofediener, alle die Professoren, die Fichte überglänzt hat – er hatte 400 Zuhörer in dem lezten Winter – schreyen nun über seine Dreistigkeit, seine Unbesonnenheit. Er wird verlassen, gemieden.

Die Studenten haben sich nach Weimar gewendet um ihn zu erhalten, der natürlich nicht geblieben wäre. Die Antwort ist: daß man ihnen Fichtens Privatbrief an den Voigt communicirt und sie gleichsam zu Richtern mache. – Die Sache läuft darauf hinaus, man ergriff freudig den Vorwand ihn los zu werden, aus Furcht vor dem Chursächsischen Hof, und weil Fichtens unerschütterliche Redlichkeit sie oft in Verlegenheit setzt. Der Herzog hat sich viel gegen Jena erlaubt. Du wirst von der Schützischen Comödientollheit gehört haben – es mochte recht gut seyn, daß er die große Entreprise hemmte, aber er ist so weit gegangen durch eine zweyte Polizeiverordnung jede Aufführung in einem Zimmer vor ein paar Freunden zu verbieten. Und an diesen lächerlichen Handel schließt sich der allerdings sehr ernsthafte wegen Fichte, der den öffentlichen Geist hier, Du solltest Dich wundern wie schnell! umgekehrt, und einer klugen Einschränkung unterwürfig gemacht hat. – Lebe recht wohl und küße Deine lieben Kinder.

*

72. An Luise Gotter

[Jena, Juni 1799]

Recht viel Freude hat es mir gemacht Deine Schwester und Deinen Bruder zu sehn, der eben von mir geht. Ach wenn Du hättest mitkommen können!... Ich selber muß diesen Abend in eine Gesellschaft, die dem Hrn. von Dohm zu Ehren gegeben wird. Ich wollte nicht hin, aber er besuchte uns den Morgen und so war es unartig. Er sagte uns einiges merkwürdige von den lezten Rastadter Greueln, und wie sehr die Nacht die fürchterlichste seines Lebens gewesen war. Du wirst den gesandschaftlichen Bericht, den er aufgesetzt hat, wohl gelesen haben. – Dein Bruder hat es uns abgeschlagen, diesen Abend mit in der Gesellschaft zu seyn, da er Morgen sehr früh reißt. [Besorgungen.]

Meine Haushaltung hat sich sehr vergrößert, denn denk nur, Paulussens essen bey mir nebst dem Prof. Schelling. Die Paulus kann jetzt keine Köchin kriegen, und weil ich Schelling angenommen hatte, so kamen sie darauf, und alle Mittag erscheinen die Gäste, was sich denn recht artig macht. Aber mir kostets Kopfbrechen in diesen theuern und hungrigen Zeiten. Doch hab ich eine sehr gute Köchin. Apropos von Köchin – die Lotte ist alleweil hier mit ihrem Kinde und zwar als ehrliche Frau. Der Schurke hat sie doch noch geheyrathet. Das Kind ist hübsch, gesund, und besonders sehr trutzig, und heißt Caroline Auguste...

Möge unsrer Cécile das Bad recht wohl bekommen dieß Jahr! Sonst ist der Sommer schlecht genug.

Leb wohl, Beste, und grüße alles um Dich her. Spricht Minchen nicht davon zu uns zu kommen?

Deine Caroline.

*

73. An Johann Diederich Gries

Jena d. 9ten Jun [17]99

Sie vergeben und vergessen gewiß, daß ich spät antworte um meiner heutigen Begleitung willen. Hier ist etwas für Ihre einsamen Stunden. In diesem Augenblick werden Sie freylich nicht einsam seyn, ich vermuthe Sie in Cassel. Sind Sie nicht da – pends toi, brave Crillon!

Genug der Brief ist für Sie erbeutet. Schelling hat nichts dazu gethan, als daß ers auch gewollt hat. Fichtens Famulus hat ihn abgeschrieben und ich habe gerade einen halben Laubthaler dafür bezahlt. Schade daß ich nicht daran gedacht ihn auf grünen Papier abschreiben zu lassen, damit er mit dem Original noch mehr übereinkäme und nichts von seiner Magie verlohren ging. Es wird denn doch genug übrig bleiben um die Bezauberung an Ihnen zu vollenden, die der Steffens mit seinen Fragmenten des Fragmentes begonnen hat. Von Ihnen erwarte ich zu hören, ob Sie alles gefunden haben, was Sie erwarten, weissagen kan ich nichts darüber. Mir ist der Brief ganz unendlich lieb und interressant gewesen, doch nicht um der Aufschlüsse willen – als welche mich alle nichts angehn, denn ich weis doch, was ich weis. Ausgefüllt scheint mir die Lücke nicht, ausser durch den Sprung, den Sie kennen, den Jacobi selbst den Salto mortale nennt – und so sprang Sapho vom Leukadischen Fels, da sie nicht ohne Liebe leben konnte. Ja – ein Meer ist es, in welches Jacobi sich stürzt, wo anfangs die Wellen dem heißen Gemüthe schmeicheln und der Untergang nahe ist – aber das hoffe ich, ihn nehmen die Götter auf, ehe er den Tod im Abgrunde findet.

Die Worte von Jacobi »ich bin nicht und ich mag nicht seyn, wenn kein Gott ist« und »das Gute – was ist es? – ich habe keine Antwort, wenn kein Gott ist« das sind die, wo ich nicht mit ihm fühlen kann, und die auch mein bischen Kopf für gefährlich erkennt. Meinem innersten Glauben ist nichts mehr zuwider, als daß das Gute soll auf einer Bedingung beruhn – in so fern ist das Gute mein Gott, von dem ich eine unmittelbare Erkenntniß habe. Nun frag ich für mich nicht weiter nach einer Persönlichkeit – ich stoße sie auch nicht von mir und lasse sie mir gern erscheinen, besonders wenn ich glücklich bin. Nie ist es mir in der Noth eingefallen meine Gedanken an sie zu richten. – Die Seite, daß der Mensch seine Moralität von einer Überzeugung abhängig macht, die er sich nicht geben kann, die der geweihete selbst nur in geweiheten Stunden hat – die kommt mir ewig verderblich vor. Ich verdamme Jacobi nicht um sie, aber das glaub ich, ohne seine unmittelbare Liebe zum Guten führt sie zur Unwürdigkeit und Knechtschaft. Und die Stütze, die Jacobi im Woldemar verwirft, »traue dem Herzen nicht« – nur das Herz kann den Menschen aufrecht erhalten unter solcher Gesinnung.

Sie wissen, daß ich über diese Dinge ohne irgend eine Kenntniß des philosophischen oder metaphysischen Wortgebrauchs spreche, ja auch viele Bedürfnisse des spekulirenden Geistes gar nicht kenne, und ich bescheide mich gern, daß nicht alle Gemüther über die Wissenschaft des Unendlichen und Begränzten so genügsam sind als ich.

Wie wenig Sinn ich also eigentlich für Fichtens System, das ich erst durch die lezten Streitigkeiten ein wenig zusammen buchstabirte, habe, können Sie denken. Das Gute um des Guten willen, das begreife ich in ihm, das erhebt meine Seele, und ausserdem bewundre ich an ihm die Höhe des menschlichen Geistes und interressire mich für den Verfechter der Freyheit im Denken – seine persönliche Bravheit abgerechnet.

Es ist sehr schön von Jakobi, daß er so warm in ihm verehrt, wogegen er doch die stärkste Abneigung hat, nur dieß ist für mich das begeisternde im Brief. Erstaunlich hübsch und muthwillig und mir gewaltig einleuchtend ist das Gleichniß vom Strickstrumpf.

Fichte wird wahrscheinlich noch in diesem Monat Jena verlassen, er allein, denn die Frau muß bey dem Knaben bleiben, der nun seit 10 Wochen kränkelt, und so daß er beständige Wartung erfordert ... Wohin F. geht, weiß ich noch nicht. Er ist aber munter. Seine gerichtliche Verantwortungschrift ist erschienen, ich werde Ihren Bruder fragen, ob er sie Ihnen mit beylegen will. Sie ist noch weit mehr dazu gemacht zu wirken als die Appellazion, sie nimt die Sache nicht so feyerlich, und beißender.

Ein sehr angenehmer Besuch ist uns Dohm gewesen, (der – im Vorbeygehn – sich sehr gut für Fichte erklärt hat.) Huber hatte mir schon geschrieben, wenn jene Gräuel in Rastatt ans Tageslicht kämen, und andre Höfe bestimmten, so sey es Dohms ewig preiswürdigen Bemühungen zu verdanken, der mit Heldenmuth die augenblicklichen Maasnahmen betrieben. Wir sprachen ihn nun hier selbst darüber, denn er besuchte uns. Ein wahrhaft verehrungswürdiger Mann, der in Staatsgeschäften sein Haar gebleicht, ohne den Bürgersinn einzubüßen. Er macht einen starken Contrast mit Goethe und Schiller, die über jene Begebenheit wie Emigrirte sprechen. »Wer es gethan habe, sey einerley, nur gut daß es geschehn, denn das Abscheuliche müsse geschehn.«

Bey Goethe ist das eine Art von Verzweiflung darüber, daß die Ruhe, die er liebt, sich ferner und ferner hält.

Was wollen Sie damit, daß ein Dichter den Glauben an Gott braucht? – er braucht nicht einmal den an die Menschen. Die Religion des Dichters ist wieder etwas ganz anders, der Glaube nicht, die guten Werke. Was hat denn Goethe für einen eurer Glauben, und er wird doch zur ewigen Herrlichkeit gelangen. Was vortreflich ist, enthält Göttliches, und sollte noch zu läutern seyn, so ist das bald gethan.

Wir halten uns in diesen schlimmen Zeiten enge zusammen. Denken Sie, nicht Schelling allein, auch Paulus essen bey uns und eben hab ich auch Hufland und Loder. Wenn Sie nur da wären! Ihren Bruder sehn wir fast gar nicht; gestern ließen wir ihn bitten, da war er in Dornburg; Heise kam.

Steffens war kürzlich noch in Berlin, erst aus Freyberg wollt er uns schreiben. Hardenberg ist in Weißenfels, und schickte uns seine Schwester als Gesandtin; Geschäfte halten ihn zurück, doch muß er nun bald hier seyn.

Schelling ist aufgeweckt und er läßt sich sogar zu einiger Geschmeidigkeit an.

Schlegel heckt Bosheiten aus. Auguste übt sich in der Luzienschaft gegen Schelling.

Leben Sie recht wohl, besorgen Sie die Einlage. Wir hören ja wohl bald wieder von Ihnen.

Caroline Schlegel.

*

74. An Auguste

[Jena] Montag [21. Sept. 1799]

Wüste ich nur, wie es Dir ginge, mein Schäfchen, noch ist der Fuhrmann nicht zurück. Wenn Ihr nur früh genug in Dieskau ankamt! Und wie wirst Du Dich heute Mittag bey dem Canzlerischen Tische angestellt haben? Wenn Du dies erhältst, bist Du schon in Dessau, schreib nur bald. Gestern früh war schrecklich, es regnete den ganzen Morgen. Ich wüste keinen andern Trost als mir eine ganze Menge Blumen zu kaufen und um mich her zu setzen – das waren meine Kinder, sie rochen mich lieblich an, aber singen konnten sie nicht. Der Mittag ging noch toll genug hin, wir tranken aus Desperazion viel Wein, sie blieben lange, und darauf sezte ich mich zum Schreiben an die Mumu in Hannover. Abends Thee mit den beyden Brüdern. Heut ist Friedrichs Stube gänzlich eingerichtet, so daß er sich schon breit darin niedergesetzt hat. Auch Wilhelms Stube und Kammer sind gereinigt und ich schlafe diese Nacht wieder oben. Vorige Nacht brachte ich in eurem Neste zu und las im Bett les voeux temeraires von Mad. Genlis, die sehr tugendhaft und geistreich zu seyn streben. Anbey muß ich Dir melden, daß ich sehr naß heut auf einem Spaziergang geworden bin, wogegen weder Geist noch Tugend helfen.

Der russische Kaiser komt nach Wien. Goethe ist heute hier angekommen. Er hat expreß gewartet, der alte Herr, bis ihr weg waret, glaub ich.

Die Zeitungsfrau ist gestern Abend mit einem Unkepunz niedergekommen, männlichen Geschlechts.

Mein liebes Mädchen, es gehe Dir recht wohl, wie ich auch nicht zweifle, aber es doch jede Minute wissen möchte. Ich umarme alle die dortigen Deinigen. Hier sind einige zurückgelaßne Effecten, die Frangen leg ich für Bettinchen bey. Von Tischbein kam heute die Einlage, wenn er etwas schönes gemahlt hat, so schreib mirs. Es grüßt Dich Paul und Peter. Adieu, liebe liebe Seele. Noch kein Gries.

*

75. An Auguste

[Jena] d. 30. Sept. [17]99 [Auszug]

Du Herzensmädchen, was hat mich Dein Brief gefreut, und die arme böse Mutter kann nun erst heut antworten! Du glaubst nicht, wie geschäftig ich in der letzten Woche gewesen bin, und krank dazu, denn endlich muß mir mein Laufen und Rennen, das ich so gern that, doch zu Haus und zu Hof kommen. Loderchen hat mir was verschreiben müssen. Nun ist das ganze Haus gereinigt und neu aufgeputzt. Ich habe dabey eine große Wäsche gehabt, und etwa einige 20 Vorhänge aufzustecken. Auch das neue Sopha ist gemacht, und es sieht alles aufs netteste aus, besonders ist unsre kleine Stube, mit dem Frommanschen kleinen Sopha, hübsch. Friedrich wohnt Dir wie der beste appanagirte Prinz. Diesen Abend supiren wir 3 bey Schelling, um ihm sein neues Nest einzuweihen. Er freut sich, daß Du ihn zum Bachus gemacht hast, indem Du ihn den Geber des Weins nennst, bald wird er auch der Geber der Freude heißen können, denn er ist sanft und liebreich, und scherzhaft, und läßt Dir sagen, Du möchtest ihm bey Deiner Wiederkunft nicht wie eine spröde Halbmamsell begegnen. Wilhelm macht alle Morgen ein Gedicht. Friedrich thut alle Tage nichts – als die Veit erwarten, die nicht über Dessau kommt. Wir wollten sie vorgestern von Leipzig abholen, Friedrich und ich, als wieder andre Ordre kam, doch kommt sie sicher nächste Woche. Vorgestern fand sich mit einmal Hardenberg ein, blieb aber nur bis gestern nach Tisch, was gut war, denn ich mochte ihn diesmal gar nicht leiden, er hat recht abgeschmacktes Zeug mit mir gesprochen, und ist so gesinnt, daß er, darauf wolt ich wetten, die Tiek mir vorzieht. Denk nur, Kind! wir wissen noch nicht, wann diese kommen, wahrscheinlich bald. – Ungemessen lange Spaziergänge haben wir gemacht, von 2 bis 7 ist das gewöhnliche Un-Maaß. Wilhelm will nicht mehr mit ausgehn, er liefe sich die Beine ab; da er nun die vorige ganze Woche jeden Morgen von 10 bis 1 Uhr mit Goethe hat auf und abspazieren müssen, so ist es wohl billig, daß er den Nachmittag ausruht, der Länge lang nach. Goethe hat seine Gedichte, nehmlich Goethens Gedichte, von denen ein neuer Band herauskommt, mit ihm durch[ge]sehn, und ist erstaunlich hold. [...]

*

76. An Luise Gotter

Jena d. 5. Oct. 1799

Meine liebe beste und immer gleichgeliebte Freundin – das bist Du, und wenn ich Jahre lang schweigen müste. Gemußt hab ich nehmlich, das kan Dir die Seidler sagen, sie weiß, wie es bey mir zugegangen ist. Ich habe tausend Freuden davon gehabt, aber freylich seit einem vollen Vierteljahr keinen Augenblick Ruhe. Es hat mich auch wirklich angegriffen, und so wie die Freunde weggegangen sind, hat die Medicin herhalten müssen, und es wird mir alles sehr sauer. Wie ich Deine Hand sah, legt ich den Brief ganz still hin und war betrübt, denn ich hatte Dir schreiben wollen, gewollt mit aller Macht und doch nicht gekont. Ja seit dem Empfang sind 8 Tage wieder hingegangen, wo das ganze Haus von oben bis unten umgekehrt wurde, eine große Wäsche gehalten, Vorhänge aufgesteckt bis zum lahm werden. Auch Augustens Hülfe fehlt mir jetzt, wie Du wissen wirst, sie ist in Dessau bey den Tischbeins, ihr Herz ist freylich doch bey der Mutter zurückgeblieben. Die Tischbeins theilen die Sehnsucht nach Jena mit ihr, wo es auch während ihrer Anwesenheit allerliebst war. Welche gesellige fröliche musikalische Tage haben wir verlebt! Ich hatte die Freude, meiner Mutter den Aufenthalt recht angenehm zu machen.

Zuerst kamen Tiek aus Berlin (ein sehr liebenswürdiger junger Mann) und Hardenberg, die waren 14 Tage bey uns, und dann fanden sich die Braunschweiger ein, Mutter, Schwester, Schwager, ein Kind und Mädchen. Luise hat einen Engel von Kinde, eine so liebliche impertinente Neugier muß noch nie auf einem Gesicht gewohnt haben. Sie selbst ist nicht so blühend und gesund wie sonst, die beyden Kinder haben ihr viel genommen, besonders der Schmerz um das eine, der sie um das andre über alles Maaß hinaus ängstlich macht. Acht Tage nachher fand sich die Tischbein mit einem Knaben von ein paar Jahren und ebenfals einem Mädchen ein. Ihre beyden Töchter waren in Weimar bey Bertuchs und kamen nur dann und wann herüber bis nach der Braunschweiger Abreise, wo auch diese ganz bey mir wohnten. Ich hatte es so einzurichten gesucht, daß alles ordentlich zuging. Freylich die drey Mädchen, Caroline, Betty und Auguste haben argen Lärm verführt und ihre Stube war schlecht aufgeräumt, aber auch welche Wonne den frölichen Geschöpfen zuzusehn. Betty ist ein Kleinod, sie muß jedermann entzücken; nicht das herrliche musikalische Talent, und die durchaus originelle Wendung ihres ganzen Wesens sind es allein, es ist eine solche Güte und Unbefangenheit in ihr, daß man die Mutter um sie beneiden muß. Carolinens Stimme hat sich mit großer Gewalt entwickelt, wir haben ein paar Concerte gehabt, die herrlich waren, wo sie und Betty Arien und Auguste mit ihnen Duetts und Trios, und die Mutter mit den beyden Töchtern Chöre sangen. Wie sehr hätte ich gewünscht, daß alle hieran Theil nehmen möchten, die ich liebte, daß ich euch nur auf kurze Zeit herüber hätte zaubern können. Du must mir selbst die Begeisterung wohl anmerken.

Drey Wochen sinds nun, daß uns auch diese verlassen. Damals hatte ich jeden Mittag ein 15-18 Personen zu speisen. Meine Köchin ist gut, ich aufmerksam, und so ging alles aufs beste. Mein Schwager war auch unvermuthet von Berlin angekommen zu unsrer großen Freude. Auguste ging aus Freundschaft und Musikliebhaberey mit nach Dessau. Nun hat es sich so gemacht, daß demohngeachtet keine Leere eintrat und der Besuche kein Ende wurden. So erwart ich übermorgen eine Schwägerin aus Göttingen, die Hoppenstedts. Du wirst in Gotha von ihnen hören. Wenn ich nicht irre, ist eine Tochter der Glockenbringk dabey. Unten in die Stube zieht eine Frau aus Berlin, eine Tochter von Mendelsohn, eine sehr wackre Frau, die ich täglich erwarte, und die auch bey uns essen wird. Auch Tiek aus Berlin zieht mit seiner Frau auf den Winter nach Jena und sie wollen bey uns den Tisch haben. Ein Theil meiner bisherigen Gesellschaft hat sich heut unter gegenseitigen Wehklagen von uns getrennt, Paulus nehmlich.

Da hast Du einen trocknen Abriß meines geschäftigen Lebens. Und nun laß uns noch von andern Geschäften sprechen. Iffland hat jetzt eben nichts von sich hören lassen, allein ich mahne ihn sogleich dringend um sein Versprechen gegen Dich. Er kann es aus der Acht lassen, aber gewiß nicht brechen. Den 1oten Okt. wird Schlegels Hamlet in Berlin aufgeführt. Wir sollten hin, aber dies wurde mir doch auf alle Weise zu viel.

Jetzt hab ich Dir noch etwas vorzutragen, das Augusten betrift. Ich kann mich nicht überwinden sie hier confirmiren, nehmlich ihr hier den dazu nöthigen Unterricht geben zu lassen. Die Prediger sind so beschaffen, daß ein Kind von Augustens Nachdenken sich nothwendig oft beleidigt finden müste, und auch diese kurze Qual möcht ich ihr ersparen. Es war also meine Idee sie Dir und Löfflern für die Zeit anzuvertrauen. Nun wünscht ich, daß Du mit Löfflern sprächst. Ich weiß nicht, wie eure Einrichtungen beschaffen sind, und ob er es wohl überhaupt thut. Das glaub ich mich zu erinneren, wenn sie bey Dir wohnt, müste sie vom Oberhofprediger confirmirt werden; denke aber, dieß ließe sich so vermitteln, daß man angäbe, als wäre sie bey Deinen Eltern. Vielleicht ist dies auch bey Fremden nicht nöthig zu beobachten. Schreibe mir nur, ob mein Plan ausführbar ist. Ich will nichts als den einfachsten Unterricht, der mit 6 Wochen vollkommen vollendet werden könnte, und würde mich, wenn Hr. Löffler sonst nur geneigt ist in meine Wünsche einzugehn, schon mit ihm hierüber verständigen. Gieb mir doch hierauf je eher je lieber Bescheid. Was macht Löffler? Siehst Du ihn zuweilen?

Die Seidler hat mir immer alles, was sie erfuhr, von Gotha erzählen müssen. Nach unsrer guten Cécile habe ich oft gefragt, und ohngefähr gehört, was Du mir schreibst. Daß ich sie bald einmal recht gesund und frisch umarmen könte! Wenn das mit Auguste ausgeführt wird, seh ich euch im Frühjahr. Grüße mein liebes Minchen. Ihr Verlangen hat sie nicht nach Jena gezogen, sie ist wie gebannt in den Kreis der gothaischen Freunde. Wie hübsch, wenn sie in dieser lezten Zeit mit uns hätte leben und weben und das Land durchziehn können – denn wir haben keine Burg 3 Meilen in die Runde unbesucht gelassen ...

Ich bitte Dich, Beste, geh eigends zu Mad. Schläger und erzähl ihr ein wenig von mir – ich kann diesmal nicht mehr schreiben. Ist sie leidlich wohl? Sag ihr, es gehe uns ganz ausgelassen gut. Wir lebten in schöner Geselligkeit, und das Frühjahr bringe gewiß wieder Reisen herbey.

[ Besorgungen.]

Empfiehl mich Deinen Hausgenossen. Die Kinder drücke ich so wie Dich mit alter Liebe an mein Herz. Vergieb mein Schweigen und liebe

Deine Caroline.

*

77. An Auguste

[Jena] 21. Oct. [17]99

Mein liebes Mädchen, wie kommt es, daß ich seit 3 oder 4 Postagen nichts von Dir erhalte? Du ängstigst mich sehr. Ich habe Dir außer dem lezten jedesmal geschrieben. Einen Brief gab ich Schlegel nach Leipzig mit, damit er früher kommen sollte, der wird aber wohl dadurch später gekommen seyn? Meine liebe Seele, bist Du nicht wohl? bist Du betrübt? Wer weiß, ob Hufelands nicht doch noch über Dessau gehn und Du mit ihnen wiederkommst! Sie haben noch immer nicht aus Berlin geschrieben, und ich weiß nun gar nicht, wie es steht in der Welt – ich weiß nicht, was mein Kind macht. Meinst Du etwa, weil ich Dich noch dort lassen wollte, ich hätte Dich nicht lieb? Glaub nur, Du bist Deiner Mutter das theuerste, was sie hat, und das wirst Du schon noch fernerhin gewahr werden.

Ganz aus der Fassung setzt mich Euer allseitiges Stillschweigen.

Von Dresden hab ich einen traurigen Brief, Utteline hat ein faules Nervenfieber und war am 13ten noch nicht außer Gefahr.

Am Donnerstag kamen Tieks. Sie sind durch Dessau gekommen, und glaubten Dich mit der Tischbein in Dresden, so daß sie Dich nicht gesucht haben und nur wahrscheinlich mit Dir in der Comödie waren, in den Arkadiern. Häßlich ist die Tiek nicht. Hätte sie Anmuth und Leben, und etwas mehr am Leibe als einen Sack, so könte sie für hübsch gelten. Das kleine Tiekchen ist recht sehr hübsch und blühend geworden. Es macht sich übrigens alles recht gut zusammen. Den ersten Abend hat Schlegel gleich den König Richard und gestern Tiek ein Stück von Holberg vorgelesen. Das soll alles noch einmal gelesen werden, wenn Du kommst. Hast Du denn auch von dem Spuk in Leipzig gehört? Daran würde sich Kuhn jämmerlich ergötzen. Kotzebue hat ein Stück gegen die Schlegel gemacht und während der Messe aufführen lassen. Eine Rolle drin ist aus den Fragmenten im Athenäum ausgeschrieben, und soll so den Friedrich vorstellen, der zulezt ins Tollhaus geschickt wird. Übrigens platterdings kein Witz darin außer der Schlegels ihr eigner. Es hat großen Lärm im Parterr gegeben pro und contra – das pro hat natürlich bey den Leipzigern die Oberhand behalten, hinterher hat Müller aber die weitre Aufführung verbieten lassen. Das Stück heißt der hyperboreische Esel oder die Bildung unsrer Zeit. Du kanst leicht denken, wie sich Schlegel tout de bon daran ergötzt hat. Es ist Dir ein Tausendspaß. – Schillers Musencalender ist auch da, das Gedicht von der Imhof eben weiter nicht viel als ein Rudel Hexameter, aber über ein Gedicht von Schiller, das Lied von der Glocke, sind wir gestern Mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen, es ist a la Voss, a la Tiek, à la Teufel, wenigstens um des Teufels zu werden.

Herzenskind, fehlt Dir etwas?...

Schellings Bruder ist seit gestern da, aber noch nicht hier gewesen, denn er ist vom Postwagen gefallen und noch stupide. Er soll größer seyn wie Sch. und erst 16 Jahr. Niethammers sind auch wieder zurück, nicht überentzückt von Schwaben. Von Schellings Schwester hat sie mir aber eine sehr vortheilhafte Beschreibung gemacht. Mammeselle Niethammer ist mitgekommen, und wird den hiesigen Schönen, wenigstens allen Blondinen, starken Eintrag thun.

Die Veit fährt fort eine trefliche Frau zu seyn, und Friedrich zu träumen. Die Schillern hat eine Tochter. Die Melish auch, und denke Dir, erst vor ein paar Tagen kam sie nieder. Er schickte einen Expressen. Daß die Schiller schwanger, hast Du wohl nicht einmal gewußt? Gott segne Dich, Du weißt vieles noch nicht. Lernst Du denn doch wenigstens singen?

Dein verzweifelndes Mütterchen.

*

78. An Auguste

[Jena] d. 28. Oct. Montag [1799]

Liebes Kind, nun ich Dich nicht gleich wieder bekommen kann, fängt die Sehnsucht auch an, mir in die Seele zu treten. Gestern kamen Hufelands wieder, mit denen hättest Du nun auf keinen Fall kommen können, also darfst Du mir doch die Schuld nicht mehr geben, daß ich Dich fern von uns verschmachten lasse, und ich habe sie mir auch nicht mehr selber beyzumessen. Schicksal! Schicksal! mein Engel und das Gemeine – nehmlich das Gemeine, daß man nicht fliegen kan – enfin alles wie es in dem Wallenstein steht, die Sterne, der Hufschlag der Pferde usw. Doch die Zeit wird kommen, und Du sollst einen herrlichen Weinachten hier feyern. Mit dem Husten das ist schlimm, spiele nur recht viel und thue Deine Ohren auf, um recht zu hören, was die andern spielen und singen, damit Dir ein innres Verständniß der Musik aufgehe. Laß keine Operette ungehört vorbeygehn. Was es kostet, will ich denn schon bezahlen. Deinen Muff schick ich Dir durch die Schwester der Fromman, Mad. Bohn, die über Dessau zurückreisen. Auch der Fromman Tante, Mad. Hanbury, ist da mit vielen Kindern, kurz eine ganze Hamburgerey bey ihnen aufgeschlagen. Der Hofrath Hufeland ist zurück nebst Frau und Kindern. Lauserey das alles! Buonaparte ist in Paris. O Kind, bedenke, es geht alles wieder gut. Die Russen sind aus der Schweiz vertrieben – die Russen und Engländer müssen in Holland schmälich capituliren, die Franzosen dringen in Schwaben vor. Und nun komt der Buonaparte noch. Freue Dich ja auch, sonst glaub ich, daß Du blos tändelst und keine gescheiten Gedanken hegst.

Die Tiek misfällt mir im Grunde doch, ich mag es nur nicht aufkommen lassen. Er ist sehr amüsant, und wir sind viel beysammen. Was die Menschen vor Zeugs aushecken, das glaubst Du nicht. Ich werde Dir ein Sonnet auf den Merkel schicken, der in Berlin geklatscht hat, der Herzog habe den Schlegels wegen des Athenäum Verweise geben lassen usw. Da haben sich Wilhelm und Tiek lezt Abends hingesetzt und ihn mit einem verruchten Sonnet beschenkt. Es war ein Fest mit anzusehn, wie beyder braune Augen gegeneinander Funken sprühten und mit welcher ausgelassenen Lustigkeit diese gerechte malice begangen wurde. Die Veit und ich lagen fast auf der Erde dabey. Die Veit kann recht lachen, was sie Dir wohl bestens empfelen wird. Der Merkel ist ein geliefertes Ungeheuer. Davon erholt er sich nicht. Ein Mordlerm wird übrigens von allen Seiten losgehn. Schütz und Wilhelm haben artige Billette gewechselt, Schelling rückt der A. L. Zeitung mit voller Kraft auf den Leib. Doch diese Händel gehn Dich nichts an, die Russen und Buonaparte aber viel ...

Wenn doch Tischbein recht früh, im November schon käme und Dein Bild noch fertig machte.

Die Schillern ist an einem Nervenfieber im Wochenbett so krank, daß der Arzt sie schon aufgegeben hat.

Grosmutter hat wieder geschrieben. Ich bin stark willens Dich hier confirmiren zu lassen mit der Luise Seidler.

Also dick wirst Du, mein schlankes Kind, o das ist häßlich, da muß ich Dich nur dort lassen, damit Du Dich mager grämst ...

Schellings Bruder ist groß und stark und spricht dick und breit schwäbisch, Ähnlichkeit mit dem Bruder, aber doch nichts von dem geistreichen Trotz im Gesicht. Er ißt nicht bey uns, Schelling meint, so einem Bengel müßte es nicht gleich so übermäßig gut werden ...

Hab ich Dir geschrieben, daß Charlottens Kind todtkrank war, so wiße hiemit, daß es auch wieder beßer ist.

Ich werde das nächstemal der lieben Tischbein schreiben, heut ists unmöglich.

*

79. An Ludwig Ferdinand Huber

[Jena] den 22. Nov. [17]99

Schlegel ist diesen Morgen auf mehrere Tage verreißt, um Augusten wieder zu hohlen, die wir seit 8 Wochen nicht bey uns gehabt haben. Ihr Brief kam vor einigen Stunden, ich brach ihn auf, weil ich Ihre Hand erkannte und also wußte, daß ichs durfte. Nun lassen Sie mich ihn auch vorläufig beantworten, und zwar eben, damit die Antwort nur Ihren Brief gelte, denn die Rezensionen sind bis heut noch nicht erschienen, vielleicht kommen sie morgen.

Ich glaube, Therese hatte Recht. Sie mußten entweder den Antrag nicht annehmen, oder Schlegel sagen, daß Sie ihn übernehmen, da Ihr Urtheil so stand. Denn, mein lieber Huber, Sie wußten genug vom Geist oder Ungeist der Literatur Zeitung und vom jetzigen hiesigen Geist, um einzusehen, daß sie diesen grade damit in die Hände arbeiten. Persönlichkeiten abgerechnet, waren Sie das der Sache schuldig, die Sie doch hoffentlich im Ganzen mit Schlegel gemein haben, oder ich müßte nichts mehr von Ihnen wissen. Die Art tadlen, das verwechselt der gemeine Haufe mit der Sache, und in der LZ. schreibt man nur für den gemeinen Haufen. S. hat Ihnen dazu mehrmals bestimmt gesagt, wie er über dieses Institut dachte, daß er so durchaus kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Sie werden aus einen der lezten Blätter desselben sehen, daß er sich darüber, und zwar durch die jämmerliche Handlungsweise der Redaktoren getrieben, nun öffentlich erklärt hat; redlich haben Sie also dieser unredlichen clique in diesem entscheidenden Moment beygestanden. sie muß Ihnen unendlich verbunden seyn. Glauben Sie mir, mein Freund! Ihre freye Unbefangenheit des Urtheils und Geschmacks übersieht dieses Gewebe nicht; eben darum haben Sie sich damals schon bewegen lassen, Kotzebues Elendigkeit durch Ihre gutherzige Zurücknehmung Vorschub zu thun. Sie haben den ersten Schritt gethan, um diesen mit der LZ. zu verbinden, die denn nun auch, wenigstens Schütz und er, in der genauesten Coalition stehen. So hat Schlegels literarisches Benehmen schon mehrmals die auffallende Wirkung gehabt, die miserablen nahe zusammen zu drängen. Denn eben gegen ihn haben diese sich nun verbündet. Schütz hat in seinem Hause, wo Mad. Schütz halbverrückt die Minna v. Barnhelm spielte, einen Prolog im Geschmack des Kotzebueschen Stücks aufführen lassen, eben so sehen Sie nun den alten Nicolai gnädiger an, und da Sie über alles, was dieser seit Jahren geschrieben, sich zu reden schämten, zeigen Sie nun auf einmal dies Buch an, das gegen die Schlegel gerichtet ist. Es bildet sich jetzt ein allgemeiner Kampf des Guten und Schlechten, Sie kennen revoluzionäre Zeiten, und sollten an der Weise nicht krittlen. Was Sie wollen, nennt man im Politischen halbe Maaßregeln, ich gestehe, ich halte Sie, auch im politischen, für zu friedliebend, zu genau abwägend, darum haben Sie eine größere Wirkung verfehlt, die Ihnen sonst gewiß zu Gebote stand. Was ich hierüber meyne, ist gewiß nicht Liebe zum Streit. An meinen Vorstellungen, ja an meinen dringenden Bitten, hat es nicht gelegen, daß nicht die Hälfte des Anzeigers im Athenäum unterdrückt wurde. Ich habe zulezt der männlichen Gewalt nachgegeben, ich habe geschwiegen, wie ich das eben in politischen Angelegenheiten auch thun würde, im Glauben, daß, aller unsrer Vernunft zum Trotz, die Männer dieses doch besser verstehen. Jetzt da es geschehen ist, kommt es mir nothwendig vor, und wenn sich die ganze Welt dagegen auflehnte, wie es ja auch geschieht. Denn sehen Sie, mein Freund, ich kenne Schlegel – ich bin wie von meinem Leben davon überzeugt, daß nicht der Schatten eines persönlichen acharnements in ihm ist. Hat er sich denn nicht alle diese Feinde erst gemacht? Die Plattheit, die Nullität, die Unpoesie ist ihm in den Tod zuwieder. Verfolgt man die Sache, so geht es dann auch gegen die Person. Ist nicht Wielands Poesie Wielands Person? Es ist nur thörichte Weisheit beide hinterher noch trennen zu wollen. Am Privatleben eines solchen Menschen wird sich Schlegel nie vergreifen, das geht dann ans Pasquill, er selbst wird sich wahrscheinlich dergleichen gefallen lassen müssen, man wird alle Waffen gegen ihn aufbieten. Ich kenne niemand, der das ruhiger zu ertragen im Stande wäre. Sein ganzer Geist ist vorwärts gerichtet, der Wiederstand kann nur ihn mehr beflügeln. Glauben Sie doch nicht, daß er sich ernstlich mit diesen Teufeleyen abgiebt. Er lebt in ganz andern Planen. Dieses amusement wird eine Weile dauern, ist es denn vorüber, so bleibt es nicht ohne Wirkung, es ist gut gewesen, weil es zum Fortkommen gehörte. – Auch wird er sich nicht dabey aufopfern, da er noch andre als kritische Mittel in seiner Gewalt hat, um durchzudringen. Sie kennen Schlegel nicht, wenn Sie ihn an Männlichkeit mahnen, er ist Mann: frey und selbständig, wie je einer war, dazu hat ihn die Zeit gebildet. Was er zu Ihrem Brief und der Rezension sagen wird, weiß ich, was er Ihnen sagen wird, nicht; für alle Bitterkeit aber stehe ich Ihnen und versichre Sie im voraus, daß die nicht Statt finden wird, im Fall er selbst etwa nicht antworten sollte. »Die Hand aufs Herz« und an den Kopf gelegt, würde er Ihnen erzählen, daß er im innersten Gemüth so schlecht von Wieland denkt, und ihn in einem solchen Grade für unsittlich hält, als er es noch nie öffentlich ausgesprochen hat. Und dieses auszusprechen, unter seinem eignen Namen, ist also für ihn wenigstens eben so billig und gerecht, als es für Sie ist Ihre Misbilligung am Athenäum und der Lucinde in der ALZ. unter den Schutz der Autorität [Anonymität?] auszudrücken.

Ihre psychologischen Bemerkungen über Friedrich sind wirklich eben so ungegründet. Das ist ja doch wohl psychologisch einen der Affectation, der Sucht nach Originalität zu beschuldigen. Er weiß gar nicht anders, als daß man so wunderbar ist, wie er den Menschen erscheint. Er wundert sich kindisch über unsern Wiederspruch und Kopfschütteln. Friedrich ist ein tiefsinniger, oft tiefgrübelnder, innerlich großer Mensch, der äußerlich ein Thor einhergeht. Selbst die künstliche Absichtlichkeit seiner Composizionen behandelt er mit kindlicher Zuversicht und Unbewußtheit. Er ist in Allem aufrichtig, bis in den tiefsten Grund der Seele hinein. Und da sprecht ihr nun so leichthin von Affectation, und daß der Mensch verkehrt sey, oder vielmehr sich verkehrt machen wolle – und Sie sollten doch bedenken, daß es von je der außerordentlichen Menschen Schmach gewesen ist, so auszusehen. Lucinde hätte nach meiner Meynung nicht gedruckt werden müssen, nehmlich in der Gegenwart nicht. In 50 Jahren da könt ich es leiden, daß sie vor 50 Jahren gedruckt worden wäre. Wozu hatten Sie aber nöthig sie zu rezensiren, das, dächte ich, hätte noch weit weniger geschehen müßen, zumal da sie noch nicht fertig ist.

Denken Sie nicht, daß diese Männer sich unter einander schmeicheln, und etwas weis machen: sie kennen sich, sie sagen sich ihre Wahrheiten, aber sie haben ein Ziel – und das haben sie sehr fest in den Augen. Ich könnte mir sehr den Triumpf wünschen Sie persönlich unter uns zu sehen. Es würde lebhafte prächtige beredte Disputen geben. – Was sprechen Sie von Faction? Keine Revoluzion ohne Faction, das wissen Sie, oder sind Sie plözlich so modere geworden? Zu den Klagen gegen die LZ. und Schlegels Erklärung schließen sich Fichte und Schellings Sache und Klage unmittelbar an. Das alles wird noch viel lauter werden, und die LZ. fürchtet sich bitterlich. Sie haben das ihnen mögliche gethan, um S. Erklärung zu verhindern, die sie nun so nach Hufelandscher Art fein und hinterlistig, auch etwas langweilig beantwortet haben. Und glauben Sie denn, daß in die Sache der schlechten Schriftsteller nicht auch die hohen Häupter gemischt werden? Es ist alles geschehen, um den Herzog aufzuwiegeln, und was der nicht that, oder nicht thun konnte, wurde ihm angelogen. Und alle dies Volk wird sich nun ausgelassen über Ihre Rezension freuen et vous avés bien merité de la patrie! Die Redaktoren fügen sicher noch die Anmerkung hinzu, daß sie von einem Freund Schlegels sey.

Schlegel dachte Sie in aller Unschuld zu bitten, Sie möchten um der guten Sache und andrer Projekte willen nicht mehr für die ALZ. arbeiten, besonders ihnen den W. Meister nicht liefern. Er dachte sich mit Ihnen einzuverständigen. Das scheint mir nun freylich nicht mehr an seiner Stelle. Nie wird er sichs zum kleinsten Verdienst anrechnen Ihrem Willen Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, und in diesem Sinn Ihr Freund zu bleiben, wie ers bisher war, aber wie soll er es mehr werden können? Den Eifer habe ich ihm nun vorweg genommen auf alle Fälle. Die Partheylichkeit werden Sie natürlich finden, doch erinnern Sie sich, daß mich Fichtens Sache auch warm gemacht hat. Auch ist der Eifer überhaupt in mir erregt, durch die erneute Theilnehmung an den französischen Begebenheiten, besonders seit Buonaparte Consul ist. Adieu ...

NB. Der Literarische Anzeiger ist zwey kleine Sachen ausgenommen ganz von W. Schlegel, also macht er freylich nicht blos halb mit.

*

80. An Johann Diederich Gries

Jena d. 27. Dez. [17]99 [Auszug]

Es war mein bester Wille Ihnen zum Weinachten an Sie zu schreiben; aber er ist so geschwind herbey kommen, daß ich es nun mir zum Weinachten thue. Da ich auch so unbillig lange gewartet habe, so ist es nicht mehr als billig, daß ich mir gar nicht mehr anmaße, Ihnen damit ein Vergnügen zu machen, und nur froh bin, wenn Sie dieses ohne Groll lesen wollen. Ich bin in mich gegangen, daß es nicht recht ist nur mit den anwesenden Freunden zu schwatzen, Steffens ist der Busprediger geworden. Seit dem ersten Festage ist er hier und leistet uns in dieser wiederkehrenden harten Kälte Gesellschaft. Wir sind keine Thoren und fahren so viel im Schlitten wie voriges Jahr nie, ich habe vor den Ofen in der großen Stube noch ein zweites kleines Sopha gesetzt, und da würden wir gar nicht wegkommen, wenn unser armer Tiek nicht seit 3 Wochen an Rheumatismen litte und uns so manchen Abend eine Völkerwanderung nöthig machte.

Es ist ganz prächtig, daß mit unsrer Existenz manchmal so plözliche Umwandlungen vorgehn. So sieht unsre winterliche Geselligkeit ganz anders aus als unsre sommerliche. Sie ist wie das, was zurückbleibt, wenn der Wein ins Frieren gekommen ist. (Wer könnte jetzt seine Gleichnisse wo anders hernehmen als von Eis und Feuer?) Wir sehn fast niemand außer uns, die bloßen Bekannten haben sich ziemlich von den Freunden geschieden. Seit Schlegels Bruch mit der ALZ. sehn wir selbst unsre nächsten Nachbarn nicht mehr. – Ich stelle mir vor, lieber Gries, wenn Sie so von uns hören, Sie schlagen jedes mal die Hände über den Kopf zusammen. Es sind allerley wunderbare Dinge vorgegangen. Über das lezte Athenäum haben Sie Ihr besorglich Haupt nicht vergebens geschüttelt, es hat eine Wirkung gehabt, daß wir alle Tage neue Mährchen davon zu hören bekommen, und so im nordlichen Deutschland spricht man vielleicht nur in Göttingen wenig davon. – Wenn ich Ihnen von unsrer Lage Bericht geben will, so muß ich dieß wohl berühren, doch würd es Ihnen und mir langweilig seyn viel davon zu erzählen. Nur wegen der LZ. einige Aufklärung. Der Abschied von derselben hat sich schon seit einen Jahr vorbereitet und nur die persönliche Verbindung mit den Redaktoren hat ihn verzögert. Jetzt waren aber der Beschwerden (in Verbindung mit Schelling und andern) so viel geworden, daß ich es nicht mehr wagte Schlegeln ein bischen um Glimpf zu bitten. Er hatte seiner eignen Würde genug zu thun. Seine Erklärung ist buchstäblich auf die wahre Beschaffenheit der Sache gegründet. Die feige und hinterlistige Antwort der Redaktoren müßte das schon genugsam ins Licht setzen, wenn sich die Leute nicht durch den anscheinend moderaten Ton eines wohllöblichen Instituts verblenden ließen, und es nicht überhaupt an der Zeit war, die Schlegel zu detestiren. – Schlegel hat seine Erklärung Huflanden mündlich angekündigt, der darauf noch einen Schritt nach seiner Weise that um sie zu verhindern. Er wußte nehmlich, daß Schlegel vor mehr als zwey Jahren eine Rezension geschrieben hat, von der er nicht gern als Verfasser bekannt seyn wollte, weil er einige Zeit darauf mit dem Rezensirten persönlich bekannt und Freund wurde, und zwar über seine Werke nicht anders denkt, aber die Verbindung ihm doch werth ist. Er schrieb also an Schlegel – sie würden in ihrer Antwort alle seine Rezensionen nahmhaft machen, dies sey die unerlaßliche Bedingung, unter der sie seine Erklärung aufnähmen. Da ihnen nun Schlegel sehr ruhig erwiederte, sie möchten dieses auf ihre Gefahr thun, indem andre Mitarbeiter sehn würden, wie weit sie sich auf den Contrakt mit ihnen verlassen könnten – er habe übrigens die Nennung seiner Rezensionen nicht zu scheun und könnte sie sich wohl selbst vorbehalten haben – so unterliesen sie dieses, wirkten aber in ihre Antwort Andeutungen ein, als ob irgend eine Ursach vorhanden sey, die Schlegel zum Stilleseyn nöthigte. Schlegel wird im nächsten Stück des Athenäums statt aller übrigen Fehde mit der ALZ., durch die er sich jetzt die Zeit nicht verderben will, seine Rezensionen nennen. – Überhaupt wird sich Schlegel in keine Repliken einlassen, aber nach wie vor sein freymüthig Urtheil üben. – Unter die vielen Geschwätze gehört auch, daß der Herzog sich in die Sache gemischt und Schlegeln eben das freymüthige Urtheil untersagt haben soll. An allem diesen ist nichts. Wenn sich auch der Herzog aufhetzen ließe, so würde Goethe es ihm wohl misrathen. Goethe hat sich in diesen Dingen äußerst freundschaftlich bewiesen. Er hat sich mit Rath und That tief in alles eingelassen und stimmt Schlegeln auch völlig bey, was die LZ. betrift. Ehe Schiller Jena verließ, war G. noch 4 Wochen hier, selbst nach Schillers Abreise noch und hat auch versprochen wieder zu kommen. Schiller wohnt diesen Winter in Weimar, wie Sie vielleicht erfahren haben. Sie hat sich sehr langsam von ihren Wochen erholt und war in einen völligen Wahnsinn verfallen, wobey Schiller eine traurige Zeit verlebt hat. [...]

*

81. Auguste an Luise Gotter

Jena den 31sten März [1800]

Ich hätte Ihnen gern schon lange geschrieben, liebe Madam Gotter, aber ich habe die Zeit her so viel mit der Mutter zu thun gehabt, daß kein Augenblick übrig war. Die Mutter ist wirklich sehr krank gewesen und ist noch nicht ganz hergestellt.

Erst bekam sie ein Nerfenfieber, wo sie 8 Tage sehr schlim war, nun verordnete der Arzt ein Senfpflaster ans Bein, dieses blieb zu lange liegen und kam auch nachher eine falsche Salbe drauf, so daß es sehr schlim ward und der Mutter große Schmerzen veruhrsachte. Dies brachte sie wieder so zurück, daß sie das Nervenfieber von Neuem bekam, und nun da das vorbei ist, hat sie auch noch sehr heftige Krämpfe bekommen, die aber jezt auch nachlassen, und wir sehn ihrer völligen Genesung mit jedem Tag entgegen. Man sagt, sie habe ein paar mal in Lebensgefahr geschwebt, aber dieser Gedanke ist mir zu furchtbar, als daß ich ihn gehabt hätte, Gottlob es ist nun alles von Gefahr vorbei, und wenn es so fort geht und das Wetter gut bleibt, so kann sie vielleicht in ein paar Tagen schon wieder ausfahren.

Heute sind es nun schon 4 Wochen, daß sie krank ist, es war eine schreckliche Zeit, ich mögte sie um alles nicht noch einmal erleben!

Die Mutter läßt sich Ihnen empfehlen und dankt für Ihre freundschaftlichen Wünsche, sie hoft bald selbst wieder schreiben zu können. Verzeihn Sie mein geschmier und unfollständige Nachricht, nächsten Posttag denke ich mehr Zeit zu haben und dann will ich Cecilien eine rechte umständliche Beschreibung von allem schicken.

Grüßen Sie Ihre Kinder, meine lieben Freundinnen, recht herzlich von mir, ach wenn doch eins von ihnen in diesen Tagen hier gewesen wäre, welch ein Trost wäre mir das gewesen!

Leben Sie wohl, liebe Mutter, und behalten Sie Ihr Töchterchen ein bischen lieb.

Auguste Böhmer.

Verzeihn Sie ja mein geschmier.

*

82. Auguste und Caroline an Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

[Bamberg] Sonntag den 8ten[-9.] Juni 1800

Wir haben gestern Deinen niedlichen Brief bekommen und er hat uns große Freude gemacht. Du bist recht artig, daß Du uns so bald geschrieben, wir sehnten uns schon recht. Mutter ist recht wohl und die Kälte hat ihr nichts geschadet, wir sind auch alle Tage zusammen spazieren gegangen, wenn es das Wetter erlaubte. Aber mit mir armen Kinde geht kein Mensch des Abends spazieren, einmal ließ ich mir einfallen, weil es gar zu schön war, mit Röschlaub und Kusine zu gehn, da schlepten sie mich gleich nach Buch, aber ich blieb standhaft und gieng durchaus nicht hinein, sondern grade vorbey nach dem Dorf zu, da mußten sie mir wohl folgen, sonst hätten sie mich wahrhaftig wieder da hinauf in den garstigen

Tanzsaal geschlept. So geht es uns Kinderchen, wenn Du nicht da bist, kom nur bald wieder. Von Deinem Schwesterchen hast Du doch auch nicht ein Wort geschrieben, wie sie Dir gefällt, ist das nun nicht recht schlecht?

Nun stell Dir unser Unglück vor, mit dem schönen Logis bei Hofrath Faber ist es wieder nichts; der Herr Hofrath wollte es wohl sehr gern vermiethen, und mit dem Preis waren wir auch einig, nämlich 5 Carol. für 3 Monat. Aber nun hat der Herr Hofrath noch einen Vater, der Titular Geheimerrath ist und von dem der Sohn, der erstlich dum ist und zweytens viel Schulden hat, abhängt, und dieser will es durchaus nicht zugeben, das vermiethet wird. Röschlaub war selbst bey ihm, aber er hat allerley Vorwände, es wäre keine Frau im Hause, denn der Sohn ist Witwer mit kleinen Kindern, und da könnten Unordnungen entstehen, und es könnte was an den Möbeln verdorben werden und das Haus stünde so im Verkauf, und kurz, er giebt es nicht zu, und der Sohn kann nun nichts machen und steht da, als wenn er die Ruthe vom Papa bekommen hätte. Nicht genug, das die Frauen an diesem Orte Männer haben anderes Sinnes wie sie, um uns zu quälen, die Söhne haben auch Väter, und die Titular Geheimeräthe scheinen uns ganz besonders aufsäßig zu sein. Und was wirst Du erst sagen, wenn ich Dir erzähle, daß dieser halsstarrige Vater derjenige ist, vor dessen abscheulicher Nase wir einsmals nicht zu abend essen konnten, der uns auf dem Spaziergang begegnete.

Mit dem ist es also wieder nichts; ich ärgere mich nur, daß ich Dir schon davon geschrieben habe. Nun haben wir wieder ein andres auf der Spur, von dem wir aber noch nichts gewisseres wissen.

 

Montag

Gestern konnte Dein armes Kind den Brief nicht vertig schreiben, denn es hatte solche Schmerzen in der Schulter, daß es nicht im Stande war, die Feder zu halten, und habe beynah den ganzen Tag auf dem Bett liegen müssen. Heute ist es nun aber wieder vorbey.

Die alte Mad. Schindler, die Unterhändlerin bey dem Faberschen Logi war, weil sie den Hofrath sehr genau kennt, meint, der alte hätte [es] nicht zugeben wollen aus religions Haß. Selbst religions Haß.

Vom neuen Logi sollst Du nicht ehe ein Wort hören, bis alles in Richtigkeit ist.

Mutter will auch noch ganz viel schreiben. Leb recht wohl, Du Mull, und vergiß das Uttelchen nicht, das so gern mit Dir spazieren ginge.

 

Montag früh d. 9ten

Ich habe das kleine zärtliche Gemüth zur Ruhe verwiesen, denn troz ihrer Versicherung ist sie doch noch nicht wieder besser und hatte Fieber gestern – es wird aber weiter nichts draus entstehn, als daß ich meine Abreise bis auf den 12ten verlege, auch aus der Ursache, weil es so kalt ist, und ich in das kühlere Bocklet nicht mit der Kühlung eintreffen mag. Marcus ist heut nach Nürnberg, und ich hab ihm versprechen müssen seine Rückkehr den 11ten Abends abzuwarten. Erst von Bocklet schreib ich, was ich hier ausgerichtet habe – Wir haben Tag und Nacht zu sorgen gehabt, seit Du weg bist, und ich könt ein Lied nach alter Weise mit einem doppelten Refrain dichten – »wenn er doch nur bey uns wäre!« und »gut daß er nicht bey uns ist!« Bald hätte ich Dich mir zur Entscheidung gewünscht, und dann war ich wieder so froh Dich aller dieser Plage überhoben zu wissen, zumal ich selbst allein sie besser zu tragen vermochte. Nur das war mir im Wege – meine Schüchternheit an Deiner Stelle zu handeln, da ich es ganz als Deine Sache ansehe – Du weist, ich folge Dir, wohin Du wilst, denn Dein Leben und Thun ist mir heilig, und im Heiligthum dienen – in des Gottes Heiligthum – heißt herrschen auf Erden. Doch könnt ich nicht aus dem Gesicht verlieren, daß unser Aufenthalt hier schon wie gemacht, erklärt und bereitet ist, daß er so manche Vortheile für Dich anbietet, und das bestimmte mich, allen Verdruß zu ertragen, den ich sonst oft auf den Punkt war von mir zu stoßen, und ohne weiter etwas ausgemacht zu haben, nach Bocklet zu gehn. Erst dort werd ich wahrscheinlich hören, ob Dir die nöthige Ruhe im Hause Deiner Eltern wird, worauf so viel ankömmt – gewiß bekomme ich nun hier keinen Brief mehr von Dir. Daß ich einen andern, nehmlich von meiner Mutter, noch hier abwarten kann, weil ich am Mittwoch noch da bin, ist mir lieb. Du giebst mir nicht eine einzige militairische Nachricht. Fast sollt ich vermuthen, ihr würdet Kaiserliche bekommen. Das wird Dich stören.

Vorgestern hat mich Marcus zu seiner einen Schwiegerin geführt, wo ich auch die andre, sammt der Gräfin Rothenhahn und Hofmarschall Redwitzens traf. Beyde Schwägerinnen sind artige Frauen. Dieser Bruder von Marcus, der krank ist an Krämpfen, sieht natürlich wie der idealisirte Hofr. Schütz aus. Die Rotenhahn war ganz und gar nicht adelich, sie hat sich so gefreut und wir haben unendlich viel mit einander geschwazt – es war auch eigentlich ein Rendésvous mit ihr.

Röschlaub hat mir eben das Geld gebracht.

Eben hat mich die Commerzienräthin Markus besucht.


 << zurück weiter >>