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Im Lande der Heibranen ward es wieder einmal Nacht. Der Wind raschelte heftiger in den Lorbeerbäumen – und es begann die Finsternis, immer schwärzer und schwärzer zu werden.
«Hurasâla! Hurasâla!» riefen klagend die alten greisen Priester in die dunklen Wälder hinein. Der große Tempel des Semâfi leuchtete hellweiß auf, denn er war ganz aus weißem Marmor gebaut.
Wieder riefen die Priester:
«Hurasâla! Hurasâla! Efakô!»
Dann ward's still ringsum.
Der große Tempel des Semâfi lag ruhig weiß leuchtend da – zwischen den Lorbeerbäumen – wie ein großer schlafender weißer Elefant.
Da plötzlich – da hinten – da drüben – Flammen – viele Flammen – Fackeln – und ein Knistern – ein langer Zug kommt heran – mit vielen Fackeln zum Tempel des Semâfi.
Knaben sind's, die die Fackeln tragen.
Semâfi aber ist der Gott der Torheit. Im ernsten Lande der Heibranen betet man den Gott der Torheit als Erlöser an.
Doch Semâfis Priester haben so viele Torheiten begangen, haben so viel gelacht in ihrem Amt, daß sie das Lachen und das Torsein allmählich verlernten.
Das hörten nun viele Jünglinge im Lande der Heibranen, und diese Jünglinge – Knaben zumeist – veranstalteten deswegen eine drollige Fackelprozession – und diese «Knabenprozession» näherte sich jetzt dem Tempel der Torheit, dessen Priester wehklagten, daß sie so ernst geworden waren.
Die Knaben wollten die alten Priester erlösen – erlösen von ihrem schwerfälligen Ernst, der die Alten ungeschickt machte, ihr Amt im Tempel der Torheit ordentlich zu verwalten.
Und die alten Priester glaubten auch fest daran, daß ihnen die Knaben die Erlösung bringen würden... die Knaben, die jetzt Fratzen schneidend immer näherkommen mit flackernden Fackeln.
Nun – nun – wie die Alten glaubten, so geschah's. Die Knaben waren bei Saitenspiel und Becherklang so töricht, lasen dabei so schrecklich wunderliche Geschichten vor, daß die Alten endlich einmal wieder lachen konnten.
Und da dankten die Alten den törichten Knaben – und die Alten sowohl wie die Jungen – Alle fühlten sich sehr gestärkt – die Torheit hatte sie so recht gründlich erfrischt....
Die Fackeln flackerten. Der Wein floß in Strömen – – und die Gesichter glänzten...
Also wirkte vor vielen Jahren im Lande der ernsten Heibranen eine «Knabenprozession». Im Lande der Heibranen wären die alten Priester aus ihrem Amt verjagt worden, wenn die törichten Knaben nicht als Retter und Erlöser erschienen wären.
Damals ward's im Lande der Heibranen wieder einmal Morgen.
Überall wird's so schnell nicht wieder Morgen.
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An dieser Geschichte ist nun beim besten Willen wenig zu erklären.
Aber lustiger wird man auch nicht.
Alle Drei kommen sich wie Semâfi's Priester vor, zu denen die herrliche Zeit der törichten Jugend nicht wiederkehrt. Vergeblich starren die Gelehrten in den gestreiften Himmel und versuchen, irgendein menschliches Fahrzeug zu entdecken. Aber – kein Luftballon und keine Knabenprozession ist zu sehen, Fackeln sind allerdings da – aber keine menschlichen Hände halten die Fackeln.
Eine ungeheure Wehmut, eine gradezu heroische Wehmut bemächtigt sich der langen Gelehrten. Der Narrenwein verscheucht die trübe Stimmung nur noch auf Augenblicke.
Die gelehrte germanistische Forschung verliert beinah allen Reiz.
Nur Passko hält sich einigermaßen aufrecht. Er erklärt den Semâfi erst für einen Mäzen, dann für das Publikum, dann für einen Hauptdichter – schließlich für das Haupt der Verleger und Kunstdirektoren.
Doch Passko's gelehrte Glossen machen den beiden Andern gar keinen Spaß. Kusander hält diese Tempelphantasie für die Verhöhnung einer Religionssekte.
Jeder geht in eine Flaschenecke und beschäftigt sich mit seinen Gedanken ganz allein. Passko studiert die Landkarten von ganz Europa, um das Volk der Heibranen zu entdecken und findet natürlich Nichts von dieser ernsten Rasse. Dafür werden ihm die Worte Hurasâla und Efakô sehr bedeutsam. Und wie wiedermal die alten Email-Uhren aufgezogen sind, spricht der kluge Germanist zu seinen Freunden also:
«Zwischen dem Geschrei der Priester des Semâfi und den Zaubersprüchen in der Prinzessin Rona scheint mir ein Zusammenhang zu bestehen. Beide Geschichten könnten wohl von demselben Verfasser herrühren, der ohne Frage die Sprachen der späteren Jahrtausende vorgeahnt hat. Diese wunderbar wohllautende, ausdrucksreiche, gefühlswarme, schon rein-klanglich wirkende, uns noch unverständliche Sprache bildet einen ungemein wertvollen Beitrag zur höheren Sprachentwicklung im Innern Asiens.»
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Die drei Gelehrten entdecken in der Folgezeit auf linguistischem Gebiete eine ganze Reihe merkwürdiger Analogien, die geeignet sind, die ethnologischen und ethnosophischen Forschungen in hervorragendem Maße zu befruchten.
Der alte Kusander hält die Geschichte für lauter faulen Zauber. Das ärgert den Brüllmeyer ungemein, und er holt aus seinem Schatz ein kleines Spott-Poem hervor, das allen nörgelnden Kritikern recht kräftig auf den alten Dickschädel haut.
Brüllmeyer liest hastig – hüpfend – wie ein See, über den ein frischer Morgenwind weht: