Eduard Trautner
Tagebücher der Henker von Paris - Zweiter Band
Eduard Trautner

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Attentate auf Napoleon

Arena, Ceracchi, Topino-Lebrun, Harel, Diana.

Wir beginnen eine neue Zeit; die Zeit der hohlen Utopien ist ebensowohl dahingeschwunden wie die der demagogischen Saturnale. Die weibische Lässigkeit des Direktoriums hat es zugelassen, daß ein junger General, der aus den Ebenen Ägyptens zurückkehrte, wie Cäsar aus den Wäldern der Gallier, die Zügel des Staates mit siegreicher Hand aufnimmt.

Als Besieger der Parteien mußte Bonaparte notwendigerweise der Gegenstand des Hasses der Parteimitglieder sein. Die Republikaner verziehen ihm nicht, daß er, ein Sohn der Revolution, die Lehrsätze dieser Revolution verworfen und, ein Soldat der Freiheit, diese Freiheit der Ordnung und der öffentlichen Wohlfahrt untergeordnet hatte. Lange Zeit hatten die königlich Gesinnten gehofft, daß das Übermaß des Übels die von ihnen gewünschte königliche Restauration herbeiführen würde; dem 18. Brumaire hatten sie in der Hoffnung Beifall gezollt, daß der junge General sich von der Rolle eines Monck würde verführen lassen.

In dem Maße, wie die letzteren bemerkten, daß seine Bestrebungen auf ein höheres Ziel gerichtet waren und sein Genie diese Bestrebungen erfolgreich machen würde, verschärften sie ihren Zorn; sie nahmen keinen Anstand, das zu vergessen, was der Erste Konsul für sie getan hatte; sie sahen in ihm nichts weiter als den unrechtmäßigen Besitzer des Throns, der für die Nachfolger Ludwigs XVI. bestimmt war. Für die einen wie für die andern war das Haupt der Konsularregierung das einzige Hindernis, welches sich dem Siege ihrer Meinung entgegenstellte, und die abenteuerlichen Geister, gleichsam die verdorbenen Kinder aller Parteien, hatten keinen andern Gedanken und keinen andern Zweck, als dieses Hindernis zu beseitigen.

Die Polizei beobachtete die Republikaner mit scharfem Auge; weniger aufmerksam war sie auf die Schliche der Royalisten, denn sie hielt dieselben für unfähig, außerhalb der Vendée etwas zu unternehmen.

Im September 1800 machte ein Hauptmann in der Suite der 45. Halbbrigade namens Harel dem Polizeiminister die Anzeige: einer seiner Freunde namens Demerville, ein ehemaliger Beamter der Komitees, hätte ihm den Vorschlag gemacht, den Ersten Konsul in der Oper zu erdolchen, und ihm versichert, die Zahl derjenigen, welche in die Verschwörung eingegangen, sei schon so beträchtlich, daß sich an dem Erfolge des Unternehmens kein Zweifel hegen ließe.

Der Minister konnte unverzüglich die Verhaftung der Personen befehlen, welche ihm Harel anzeigte; es lag ihm aber daran, von seinem Eifer Zeugnis abzulegen, vielleicht auch Frankreich den Beweis zu liefern, daß das Feuer noch unter der Asche des Vulkans glimme; er befahl Harel, auf die Vorschläge seines Freundes einzugehen, um alle Verzweigungen der Verschwörung zu durchdringen, und dieser übernahm auch die traurige Rolle, die man seinem Ehrgeiz oder seiner Ergebenheit zuwies, und spielte sie mit solcher Vollkommenheit, daß Demerville ihm alle seine Geheimnisse mitteilte. Letzterer stellte ihn Ceracchi vor, einem überspannten Revolutionär und einem der Gründer der römischen Republik von 1799. Unter diesen dreien wurde der Tag der Ausführung der Verschwörung festgesetzt. – Man bestimmte dazu die erste Vorstellung der Oper »Die Horatier«, der der Erste Konsul beiwohnen sollte. Harel erhielt Geld, um Waffen zu kaufen und vier Männer zu werben, welche die ersten Streiche führen sollten.

Am 10. Oktober fand sich Harel in der Straße Desmoulins bei Demerville ein und trug unter seinem Überrock mehrere Pistolen, die ihm vielleicht aus der Rüstkammer des Polizeiministers geliefert worden waren; er fand dort Cercachi, verteilte seine Waffen und meldete, daß die vier von ihm verlangten Angeworbenen sie um zwei Uhr nachmittags in den Tuilerien erwarten würden.

Dorthin begab man sich. Harel bewaffnete noch selber seine vier Gefährten, und darauf schritt man zu den letzten Maßregeln. Demerville sollte sich mit einer größeren Zahl junger Leute, welche die Flucht der Mörder begünstigen sollten, im Garten des Palais Royal aufhalten. Ceracchi wollte mit Harel im Kaffeehause der Oper zusammentreffen, wohin ersterer den Mann mitbringen sollte, welch er, gemeinschaftlich mit den Agenten des Polizeiministers, Bonaparte niederzustoßen hatte.

Diese Person war ein ehemaliger Notar namens Diana. Ceracchi brachte ihn um sieben Uhr abends in das Kaffeehaus der Oper. Sie gingen alle in das Theater, wo Befehl erteilt war, jedermann von der Loge des Ersten Konsuls fernzuhalten, damit die Verschwörer dreister gemacht würden. In dem Augenblick, als Ceracchi sich dieser Loge näherte, wurde er von dem Generaladjutanten de Laborde festgenommen; Diana, der sich auf dem Flur des ersten Ranges aufgestellt hatte, wurde von den Agenten, die allen seinen Bewegungen gefolgt waren, ergriffen. Infolge dieser Verhaftung verfügte sich die Polizei zu Demerville. Er war nicht zurückgekehrt, aber seine Cousine oder seine Mätresse, Magdalena Fumey, eine frühere Erzieherin, befand sich mit zwei Personen zu Hause, mit einem gewissen Delavigne, einem Kaufmann, und mit Daitey, einem Bildhauer; alle drei wurden ins Gefängnis gesetzt. Gleicherweise legte die Justiz Hand auf Arsna, Generaladjutant, Mitglied des Rats der Fünfhundert, welchen Harel als Haupt der Verschwörung bezeichnet hatte, und auf den Maler Topino-Lebrun, einen ehemaligen Geschworenen beim Revolutionstribunal, welcher beschuldigt war, die zur Verübung des Attentats bestimmten Dolche geliefert zu haben.

Sei es indessen, daß der Konsularregierung nichts daran lag, Europa diesen neuen Beweis der inneren Zerwürfnisse zu geben, sei es, daß sie Bedenken fühlte, einen Prozeß anzustrengen, der gewissermaßen hervorgerufen worden war, genug, sie schien entschlossen, diese Sache zu ersticken und sich die Verschwörer vom Halse zu schaffen, indem sie dieselben aus dem Lande verbannte, wie man Felix Lepelletier, Destrem, Choudieu, den ehemaligen General Rossignol und eine große Zahl anderer unverbesserlicher Revolutionsmänner verbannt hatte; aber das Attentat mit der Höllenmaschine, welches man ursprünglich der republikanischen Partei zuschrieb, zeigte die Notwendigkeit der Strenge, und man gab daher in den ersten Tagen des Januar 1801 (im Jahre IX) den Befehl, die am 11. Oktober Verhafteten vor das Kriminalgericht zu stellen.

Der Prozeß begann am 7. Januar. Wie zu erwarten stand, versteckten sich die Angeklagten hinter ein System des gänzlichen Ableugnens und machten es sich zur Aufgabe, zu beweisen, die Verschwörung hätte nur in der Einbildung Harels, den sie als einen Polizeivigilanten bezeichneten, stattgehabt. Dieser konnte das letztere nicht leugnen, und alle seine Aussagen gingen darauf hinaus, zu beweisen, daß das ausgeführte Attentat vor seiner Anzeige und seiner Teilnahme an der Verschwörung vorbedacht gewesen sei.

Am 9. Januar, um zehn Uhr abends, fällte das Gericht den Urteilsspruch. Diana, Daitey, Lavigne und Magdalena Fumey wurden freigesprochen, und Aréna, Demerville, Topino-Lebrun und Ceracchi wurden zum Tode verurteilt. Sie kamen um die Aufhebung dieses Spruches ein; drei Sitzungen des obersten Gerichtshofes wurden der Prüfung des Urteils gewidmet. Die Appellation wurde verworfen.

Am 29. Januar erhielt mein Großvater den Befehl, das Schafott aufzurichten. Am folgenden Tage um neun Uhr morgens sollte die Hinrichtung stattfinden. Um sieben Uhr kam er mit seinen Gehilfen nach der Conciergerie; in dem Augenblick aber, als er in den Kerker trat, wo der Gerichtsschreiber dem Demerville das Urteil vorlesen sollte, erklärte der Verurteilte, er sei bereit, Enthüllungen zu machen, und verlangte, daß man den Polizeipräsidenten davon in Kenntnis setze. Die Urheber der Höllenmaschine waren noch nicht entdeckt; man vermutete, daß Demervilles Geständnisse einiges Licht auf diese Angelegenheit werfen würden; daher beeilte man sich, seinem Wunsche nachzukommen, und der Präfekt Dubois, den man davon benachrichtigt hatte, ließ Demerville nach der Kanzlei bringen, wo er anderthalb Stunden mit ihm in geheimer Beratung zubrachte. Es war aber nur ein letzter Versuch gewesen, sein Leben und das seiner Mitschuldigen zu erhalten; denn Demerville verlangte, daß, ehe er mit den versprochenen Enthüllungen beginne, der Erste Konsul sich verpflichten sollte, die Strafe der vier Verurteilten in die Strafe der Deportation zu verwandeln; dies ließ vermuten, daß er selber keine große Wirkung von seinen Enthüllungen erwartete oder daß sie nur erfunden seien.

Folgendes Protokoll, welches bei dieser Gelegenheit aufgenommen war, wurde in den Tagesblättern veröffentlicht: »Auf die erhaltene Anzeige, daß Demerville, Ceracchi, Arsna und Topmo-Lebrun, welche als zum Tode Verurteilte im Gerichtshause verhaftet saßen, wichtige Enthüllungen zu machen hätten und mit mir zu sprechen verlangten, begab ich, der Polizeipräfekt, mich nach dem genannten Hause, ließ den Demerville vorführen und fragte ihn, welche Enthüllungen er zu machen habe. Er antwortete, daß er keine Art von Enthüllungen früher zu machen gedenke, bevor der Erste Konsul sich nicht verbürge, daß die Strafe, zu welcher er verurteilt worden, in eine einfache Deportation ermäßigt würde; dieses Gesuch stellte er in betreff seiner und seiner Mitverurteilten.

Ich, der Polizeipräfekt, forderte ihn danach auf, mir alle Eröffnungen zu machen, welche die Sicherheit des Ersten Konsuls und des Staates betreffen könnten; versprach ihm, dieselben unverzüglich der Regierung vorzulegen und seine Hinrichtung bis zu dieser Kenntnisnahme verschieben zu lassen. Der genannte Demerville bestand jedoch auf den Bedingungen, die er für seine erbetenen Enthüllungen stellte, worauf ich das vorstehende Protokoll abfaßte, welches er ebenso wie ich nach geschehener Verlesung unterzeichnet hat.«

Nachdem Dubois sich zurückgezogen hatte, erging der Befehl, den Urteilsspruch unverzüglich zu vollziehen. Die Zurüstung der vier Verurteilten geschah in den Gefängnissen; man fesselte sie in dem Vorzimmer der Kanzlei. Sie schritten mit großem Mute und mit Kaltblütigkeit zum Tode. Unterwegs unterhielten sie sich übel ihre Hoffnungen und ihre Verluste; mehrere Personen, welche sie unter der Menge erkannten, grüßten sie mit einer Verbeugung. Ihre Kaltblütigkeit verleugnete sich nicht vor dem Schafott; im Augenblicke, als Aréna hinaufsteigen sollte, sagte er mit lauter Stimme:

»Wenn man mich als einen Republikaner, als einen Feind des Ersten Konsuls zum Tode schickt, so habe ich mein Los verdient; wenn man mich aber als Mitschuldigen eines Mordes bezeichnet, so bestehe ich darauf, meine Unschuld zu beschwören.«

Das Attentat mit der Höllenmaschine

Das Attentat mit der Höllenmaschine
Françis Carbon; Cadoudal, Saint-Régent; Collin.

Am 24. Dezember (3. Nivôse), um acht Uhr abends, verließ der Konsul die Tuilerien, um sich in die Oper zu begeben, wo zum erstenmal das Oratorium »Die Schöpfung« von Haydn aufgeführt werden sollte. Die Generale Lannes und Bessières, der Zweite Konsul, Lebrun, befanden sich in seiner Kutsche, die von einer Schwadron Grenadiere der Konsulargarde geleitet wurde. Die Eskorte fand die kleine Straße Saint-Nicaise, welche sie passieren mußte, von einem Fasse eines Wasserträgers und von einem Mietswagen versperrt, sie wollte den Durchgang frei machen, einer der Soldaten stieß auf einen Mann, der sich mitten in der Straße befand, und dieser, den man für den Wasserträger hielt, näherte sich schnell dem Fasse; in demselben Augenblick langte die Kutsche des Konsuls in der größten Geschwindigkeit an; kaum war dieselbe an den beiden Hindernissen vorüber, als ein furchtbarer Krach, wie die Explosion einer Pulvermine, gehört wurde; die Straße war von Toten und Verwundeten übersät; die erschütterten Häuser stürzten ein und begruben andere Opfer unter ihren Trümmern. Derjenige aber, dem dieser schreckliche Hinterhalt gelegt worden war, entrann wie durch ein Wunder dem Tode und betrat das Opernhaus unter wahnsinnigem Beifallsgeschrei.

Wie schon oben erwähnt, richtete sich die Mutmaßung der Polizei auf die Republikaner. Napoleon selber bestätigt es in dem Memorial von St. Helena.

»Etwa hundert überspannte Jakobiner,« sagte er, »die eigentlichen Urheber der Septembermorde und des 10. August, hatten den Entschluß gefaßt, sich des Ersten Konsuls zu entledigen. Zu diesem Zwecke hatten sie eine Art fünfzehnpfündiger Haubitzgranate erfunden, welche, in die Kutsche geworfen, von selber explodieren und alle Personen der Umgebung vernichten sollte. Um ihres Streiches sicher zu sein, sollte ein Teil der Straße mit Fußangeln belegt werden, damit die Pferde aufgehalten und die Kutsche zum Stillstehen gebracht würde. Der Arbeiter, welchem man den Auftrag erteilte, die Fußangeln zu legen, schöpfte sowohl über das Unternehmen selbst als über die Person, die ihn dazu bewegen, Verdacht und setzte die Polizei davon in Kenntnis. Man fand sehr bald die Spuren der Leute, ertappte sie sogar auf der Tat, als sie außerhalb Paris, in der Nähe des botanischen Gartens, die Wirkung der Maschine versuchten, welche eine schreckliche Explosion verursachte.«

Nach diesem vorhergegangenen Verfahren der Jakobinerpartei und vielleicht, weil er den Royalisten, die er von gänzlichem Untergange gerettet hatte, nicht so großen Undank zutrauen mochte, zweifelte der Erste Konsul nicht, daß die Explosion der Maschine, welcher man bereits den Namen Höllenmaschine gegeben hatte, das Werk dieser Partei sei.

Die Nachforschungen der Polizei zeigten ihm aber, daß, wenn man auch den Jakobinern den ersten Plan zu dieser Tat zuschreiben wollte, doch die Ausführung derselben nicht von ihnen ausgegangen war. Die Explosion hatte wenig Anzeichen übriggelassen, durch welche diese Nachforschungen geleitet werden konnten: das mit Pulver gefüllte Faß war in Stücken, das Pferd, welches dasselbe in die Straße Nicaise gefahren hatte, war getötet worden; mit Hilfe der Überreste desselben erforschte man die Urheber des scheußlichen Verbrechens. Alle Pferdehändler in Paris wurden vorgefordert. Einer derselben erkannte den Kadaver des Tieres; er gab die Kennzeichen des Mannes an, welchem er dasselbe verkauft hatte. Die eisernen Reifen des Fasses waren unversehrt geblieben; der Schmied, der sie verfertigt, gab ebenfalls eine Beschreibung der Person, die sie bestellt hatte, und beide Signalements stimmten überein. Dieselben bezogen sich auf einen gewissen François Jean, genannt Carbon oder Petit-François oder Constant, einen ehemaligen Seemann und Chouan, den man als einen Agenten von Georges Cadoudal bezeichnete, und nach dieser Seite hin lenkte man die Nachforschungen.

Vor dem Verbrechen wohnte François, genannt Carbon, bei seiner Schwester; man verhaftete diese Schwester und ihre beiden Töchter. Sie erklärten, Carbon hätte bei drei Frauen Zuflucht gefunden, welche ein und dasselbe Gemach in der Straße Notre-Dame des Champs bewohnten: Marie-Anne Duquesne, ehemalige Vorsteherin des Klosters von Saint-Michel, Goyon de Beaufort und Fräulein de Champion de Cicé, Schwester des ehemaligen Bischofs von Bordeaux.

Carbon wurde nebst denjenigen, die ihn aufgenommen hatten, verhaftet. Man erkannte ihn als den Käufer des Wagens und des Pferdes, und er war zu Geständnissen bereit. Nach seinen Aussagen war der Plan zu dem Verbrechen aus England gebracht worden, und zwar durch Picot de Limoëlan de Beaumont, einen ehemaligen, Georges Cadoudal befreundeten Offizier aus der Vendée und durch einen ehemaligen Marineoffizier namens Pierre Robinault, genannt Saint-Regent, welcher unter dem Namen Pierre eine Bande Chouans befehligt hatte. Carbon wurde mit dem Ankauf des Wagens und des Pferdes beauftragt, Limoëlan hatte die Verfertigung der Maschine geleitet, und Saint-Regent hatte es übernommen, das Feuer anzulegen. Carbons Aussage wurde durch die der Witwe Jourdan bestätigt, bei welcher Saint-Régent gewohnt hatte. Diese Frau hatte gesehen, wie ihr Mietsmann Zündschwamm in lange, schmale Streifen zu einer Lunte zuschnitt und, die Uhr in der Hand, prüfte, wieviel Zeit zur Verbrennung dieser Lunte notwendig sei.

Es gelang nicht, Limoëlan zu entdecken. Saint-Régent wurde am 7. Pluviôse verhaftet, und mit ihm ein Wundarzt, namens Collin, der ihn zuerst nach dem 3. Rivôse verpflegt hatte, Leguilloux, früher Kurier bei der Post, und Therese Minguer, seine Frau, welche Saint-Régent nach dem Attentat bei sich aufgenommen hatten, Micault de Lavieuville, ein ehemaliger Hoflakai, und die Ehefrau desselben, Eude Villeneuve, eine nahe Verwandte von Limoëlan, sowie ein gewisser Baudet, Handschuhmacher in den Galerien des Palais Royal.

Am 1. April 1801 (11. Germinal des Jahres IX) erschienen alle verhafteten Personen vor dem Kriminalgericht. Gegen sechs derselben wurde in contumaciam verhandelt: Limoëlan, Edouard Lahaye de Saint-Hilaire, Coster de Saint-Victor Sangé, ehemaligen Häuptling der Chouans, Bourgeois und Soyau, genannt d'Assas.

Aus den Verhandlungen ergab sich, daß Saint-Régent, als er am 3. Rivôse bei der Frau Leguilloux eingetreten, sich in kläglichem Zustande befunden habe.

»Ich fand ihn«, sagte der Wundarzt Collin, der ihn verpflegt hatte, »auf eine sonderbare Weise angegriffen; er brach Blut; das Blut trat ihm auch aus der Nase, er atmete mit Mühe, der Puls war schwach; äußerlich war keine Verletzung wahrzunehmen; er litt an furchtbaren Unterleibsschmerzen, hatte angegriffene Augen und war auf dem linken Ohre taub.«

Saint-Régent, welcher den Aussagen seines Mitschuldigen Carbon ein hartnäckiges Leugnen entgegensetzte, erklärte diesen Zustand dadurch, daß er behauptete, er hätte sich zufällig in der Nähe der Straße Saint-Nicaise befunden und wäre durch die Explosion zu Boden geworfen worden; zwei Personen, die er nicht kannte, hätten ihn aufgehoben und bis nach der Straße des Prouvaires zurückgeführt; er versicherte, er habe immer an der Taubheit gelitten, welche in der Anklage dem Umstände zugeschrieben worden, daß er sich bei der Explosion der Maschine in unmittelbarer Nähe befunden habe.

Durch keine der Zeugenaussagen konnte festgestellt werden, welche die Person war, die nach Carbons Erklärung in der Straße Saint-Denis das Faß, womit der Wagen beladen war, gegen ein anderes Faß vertauscht hatte, das derselbe Carbon mit eisernen Reifen hatte beschlagen lassen und welches ohne sein Wissen in dem von ihm bezeichneten Hause mit Pulver angefüllt worden sein sollte. Es ist anzunehmen, daß diese Erklärung nur den Zweck hatte, die auf ihm lastenden Verdachtsgründe zu schwächen und die Fabel glaubwürdiger zu machen, wonach ihm bei den Machinationen, deren Zweck er durchaus nicht erkannt hätte, eine rein passive Rolle zugefallen wäre. Die Aussage der beiden Mädchen Vallon, Carbons Nichten, stellten fest, daß das Faß, welches das zur Ausübung des Attentats bestimmte Pulver enthalten, sich noch nach dem 3. Nivôse bei ihnen vorgefunden habe und daß Limoëlan, als er es bei einem seiner häufigen Besuche bei ihnen gesehen, ihnen anempfohlen habe, es zu zerbrechen.

»Verbrenne es,« hatte er geäußert, »denn das Holz könnte uns teuer zu stehen kommen!«

Es wurden noch andere Zeugen gehört, deren Erscheinen und Aussagen die lebhafteste Teilnahme erregten; dies waren nämlich die Opfer der scheußlichen Missetat. Der eine zeigte vierzehn Wunden auf, ein anderer fünfundzwanzig, ein dritter wies seinen durch die schreckliche Operation des Trepanierens verstümmelten Kopf; eine Mutter sagte aus, ihre Tochter wäre an ihrer Seite getötet worden, sie hätte sie aber in dem fürchterlich entstellten Leichnam, den man ihr vorgezeigt, nicht wiedererkennen können.

Während diese letzteren Zeugen ihre Aussagen machten, hörte man unter den Zuhörern ersticktes Schluchzen. Carbon und Saint-Régent blieben aber ungerührt. Durch ihren unversöhnlichen Haß geblendet, unter dem Einfluß jenes Wahnes, welchen die politische Leidenschaft stets zur Folge hat, huldigten diese Männer dem gottlosen Lehrsatz, daß der Zweck die Mittel heilige, und sie wagten ihre vom Blute unschuldiger Menschen befleckten Hände zu Gott zu erheben, sie glaubten an die Rechtmäßigkeit ihrer ungeheuerlichen Tat.

Am 16. Germinal, nachdem die Verteidiger ihre Reden gehalten hatten, fällte der Gerichtshof den Urteilsspruch. Limoëlan de Beaumont, Lahaye de Saint-Hilaire, Coster de Saint-Victor, Sangé, Bourgeois und Soyau, alle sechs, gegen die in contumacianm verhandelt worden, wurden zur Todesstrafe verurteilt. Pierre Robinault, genannt Saint-Régent oder Pierrot oder Pierre Martin, der ehemalige Marineoffizier und Divisionschef in der Armee von Georges Cadoudal, Carbon, genannt Petit François oder Constant, als anwesende Angeklagte, wurden gleichfalls zum Tode verurteilt. Leguilloux und seine Frau, die Frau Ballon, Carbons Schwester, die Witwe Goyon de Beaufort und Fräulein Duquesne wurden zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie der Behörde ihres Bezirks nicht angezeigt, daß sie Saint-Régent und Carbon Quartier gegeben hatten. Collin, der Wundarzt, wurde zu drei Monaten Gefängnis und fünfhundert Franken Geldstrafe verurteilt, weil er dem Polizeikommissar seines Bezirks nicht gemeldet, daß er dem Saint-Régent ärztliche Hilfe geleistet hatte. Baudet, die Eheleute Lavieuville, die Fräulein Goyon de Beaufort und Champion de Cicé und die Töchter Vallons wurden freigesprochen.

Carbon und Saint-Régent legten Appellation ein; ihre Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 19. April (30. Germinal) verworfen, und am folgenden Tage, am 20. April (1. Floreal), wurden sie zum Tode geführt.

Sie hatten einen Beichtvater verlangt, und man erfüllte ihren letzten Wunsch. Am vorhergehenden Abend erfuhren sie durch den Besuch des Priesters, daß sie nur noch eine Nacht zu leben hätten. Als der Scharfrichter in ihren Kerker trat, fand er sie im Gebet. Carbon schien in sein Schicksal ergeben; Saint-Régent war dagegen bleich und sehr niedergeschlagen; als ihm jedoch sein Urteilsspruch vorgelesen worden war, suchte er seine Fassung wiederzugewinnen und versicherte den anwesenden Personen, sie würden ihn mit dem Mute eines Soldaten sterben sehen. Dieses Versprechen sollte er indes nicht halten. Der gehässige Charakter des Verbrechens der beiden Verurteilten hatte eine ungeheure Menge zu ihrer Hinrichtung gelockt, und auf dem ganzen Wege wurden sie von den Verwünschungen dieser Menge verfolgt. Saint-Régent suchte anfänglich der Erbitterung des Volkes die Spitze zu bieten; allmählich aber verbündete sich sein Gewissen mit den Stimmen, die ihn verfolgten, er neigte das Haupt und antwortete den Beleidigungen nur stammelnd. Der Anblick des Schafotts schlug ihn völlig nieder; kaum vermochte er sich auf den Beinen zu erhalten; seine Brust keuchte, sein Blick war stier; man mußte ihn unterstützen, als er die Stufen zum Schafott hinaufstieg, wohin Carbon ihm voraufgegangen war. Auf der Plattform versuchte er das Volk anzurufen, aber die Stimme versagte ihm; er ließ nur einen rauhen und halberstickten Laut hören, der auf seinen Lippen erstarb.


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