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Zu Innsbruck in der Hofkirche hat sich Kaiser Maximilian ein herrlich gebietendes Grabmal aufgerichtet. Denn seine Gedanken weilten oft bei der Vergänglichkeit aller Dinge, bei dem Ende alles Lebens und bei seinem eigenen Sterben.
Wie er schon während der letzten Jahre auf allen seinen Reisen eine große verschlossene Truhe mit sich herumführte, die seinen Sarg und sein Leichengeräte barg, so hatte er auch beizeiten dafür sorgen wollen, sich eine letzte Ruhestätte zu bereiten.
Niemand kann die Hofkirche zu Innsbruck betreten, niemand vermag den großzügigen Prunk dieses Grabmals zu betrachten, ohne sich vom Geiste Maximilians angeweht zu fühlen. Obgleich der herrliche Sarkophag leer ist, obwohl Maximilians sterbliche Reste weit weg von hier begraben liegen, glaubt man doch die körperliche Nähe eines wunderbaren und großen Menschen zu empfinden.
Die Kirche hier ist ganz ausgefüllt von diesem Grabmal, scheint nur das Gehäuse, nur das umschließende Gemäuer für die Ruhestätte eines einzigen Menschen zu sein, gleichwie in Paris der Invalidendom sich nur über dem Grab des Ersten Napoleon zu wölben scheint. In der Mitte der Kirche, ganz frei hingestellt, von einem hohen Prunkgitter umfriedet, baut sich der Sarkophag auf, dessen Seiten mit vierundzwanzig berühmten Marmorreliefs geschmückt sind. Hoch oben auf dem Sarkophag die Gestalt des Kaisers, die Schultern umflossen vom Mantel der Majestät, das Haupt bedeckt mit der geschlossenen Krone, kniet er, dem Altar zugewendet, in feierlichem Gebet die Hände gefaltet. Ringsumher aber zwischen den Säulen des Gewölbes in langen, langen Reihen eine Phalanx von Statuen aus Erz. Hier steht Maria von Burgund, und Bianca Sforza steht hier. Hier stehen Eleonora von Portugal, des Maximilians Mutter, und Cimburgis von Polen, die Mutter der Eleonora, hier steht Kunigunde von Österreich, Maximilians Schwester, Elisabeth von Ungarn, Margarethe von Frankreich. Maximilians Vater Kaiser Friedrich III. steht hier, Sigismund von Tirol, der ihm das erste Szepter gab. Hier stehen alle, die seinem Herzen einst teuer waren, die Gefährten seiner Jugend, die Gefährten seiner Mannheit, die Genossen seines Alters. Hier stehen aber auch seine kaiserlichen Vorfahren bis zu Rudolf von Habsburg und die Genossen seiner Träume, König Artus, Gottfried von Bouillion, Chlodwig, der gewaltige Gründer des Frankenreiches. Alle, denen er in seinem Blut verwandt war, oder denen er sich im Geist und in der Phantasie verwandt fühlte, hat Maximilian hier um sich versammelt. Es ist oft gesagt worden, daß sie wie ein eherner Hofstaat um die Gestalt des Kaisers sich scharen. Und sie nehmen sich auch wirklich so aus wie das stolze Gefolge eines stolzen Gebieters. Ihr stilles Dastehen wirkt mit ungewöhnlicher Lebendigkeit; man ist von ihnen allen immer nur auf den einen hingewiesen, dem sie hier einen andächtigen Ehrendienst zu erweisen scheinen: auf Maximilian. Feierlich ist dieses Grabmal und dabei von einer mild verklärten, sanften Heiterkeit. Alle Trauer ist aufgelöst in Pracht und Form, in Zierat und Gestalt, alle Vergänglichkeit gleichsam bezwungen in einem prunkhaften, über Jahrhunderte hinweg verharrenden Zeremoniell, das niemals endet. Dieses Denkmal hat sich ein Mann aufgerichtet, der in seiner Brust die faustische Sehnsucht trug: »Es soll die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.« Diese Lagerstätte für den ewigen Schlaf ist von einem Mann bereitet, dem so viele Wachheit aus den blauen Augen strahlte, so viel Lust und Verlangen des Daseins, daß er auch im Erkalten nicht aus dem Leben und aus der Welt hat weichen wollen. Es ist des kraftstrotzenden, glühenden Maximilians stolze Antwort an den Tod.
Im Jahre 1518 war der Kaiser schon zu den Fastnachtsfeierlichkeiten nach Augsburg gekommen. Hierher hatte er den Reichstag ausgeschrieben, auf dem er die Wahl seines Enkels, des nachmaligen Karl V., zum römischen König durchsetzen wollte. Maximilian eröffnete den Reichstag am 1. August, aber seinem Willen begegneten wieder einmal Schwierigkeiten und er fühlte sich zu krank, von seinem zunehmenden Siechtum zu sehr geschwächt, um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen. Und die Wahl unterblieb. Auf diesem Reichstag erschien auch Martin Luther zum ersten Male, aber erst nachdem der Kaiser abgezogen war. Sie haben sich nicht getroffen, wandelten aneinander vorbei wie Gestirne des Auf- und Niedergangs. Maximilian wußte von Luther, der ein Jahr zuvor seine berühmten Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg angeschlagen hatte. Es wird auch berichtet, er sei dem kühnen Reformator geneigt gewesen. Zum Kurfürsten von Sachsen, Friedrich dem Weisen, sagte er nach der Überlieferung: »Diesen Mönch müßte man aufsparen, man möchte seiner einmal bedürfen.« Und zu dem sächsischen Rat Pfeffinger ließ er sich gar, wie erzählt wird, vernehmen: »Was macht Euer Mönch? Wahrlich seine Positiones sind nicht zu verachten. Er wird ein Spiel mit den Pfaffen anfangen.« Aber eine Verbindung zwischen ihm und Luther hat wohl niemals, nicht einmal mittelbar und flüchtig, bestanden. Der Kaiser war eben damals dem Papst innig verbunden, war auch zu ermattet von seiner Krankheit, um sich zu so gewichtigen Entscheidungen aufzuraffen.
Einmal noch schritt Maximilian, wie einst in glücklichen Tagen, mit den Augsburger Patrizierfrauen im Reigentanz dahin. Aber die rechte Laune wollte sich nicht mehr einstellen.
Am 18. August brach er auf und ritt davon. Als er über das Lechfeld zog, wandte er sich bei der Rennsäule noch einmal um, schaute zu den Türmen der geliebten Stadt, die er soeben verlassen, zurück, schlug ein Kreuz und sagte traurig: »Nun gesegne dich Gott, du liebes Augsburg, haben wohl manchen guten Mut in dir gehabt, nun werden wir dich nimmer wieder sehen.« Es ging zu Ende mit ihm; und er wußte es.
Er zog nach Innsbruck, um da zu sterben.
Aber hier erlebte er noch die letzte Enttäuschung. Durch eine Saumseligkeit seiner Räte war eine Schuld von früher her an die Herbergswirte noch nicht bezahlt worden. Jetzt weigerten sich diese, das Gesinde des Kaisers aufzunehmen. Das Gepäck des kaiserlichen Hofes blieb über Nacht auf den unbespannten Wagen auf offener Straße, weil niemand es abladen wollte, ehe die alte Zeche nicht bezahlt sei. Die Innsbrucker liefen zu Maximilians Quartier und forderten mit Tumult ihr Geld von ihm. Der alte, todkranke Mann, der auf die Treue seiner Tiroler so fest gebaut hatte, war im tiefsten Herzen verletzt. Vorbei waren jetzt die Zeiten, da Maximilian gutmütig jeden Verdruß überwand, jeden Streit schlichtete und mit einem Scherz zur Versöhnung die Hand bot. In seinem körperlichen Elend vermochte er die Kränkung nicht zu ertragen, der Ärger behielt die Oberhand und noch am selben Tag verließ Maximilian Innsbruck.
Reiten konnte er jetzt nicht mehr in seiner Schwäche. Den Weg von Innsbruck nach Kufstein legte er in einer Sänfte zurück und nahm, aus einem Fenster schauend, mit den Augen Abschied von seinen Jagdrevieren. Auf einem Floß ging's von da den Inn abwärts, und dann weiter nach Wels.
Hier mußte Maximilian liegen bleiben. Er war im Sterben. Die weite Reise durch das kalte, trübe Herbstwetter hatte seine letzten Kräfte gebrochen. Sigmund von Herberstein, der den Kaiser wenige Wochen zuvor gesehen hatte, war schon sehr erschrocken über seinen körperlichen Verfall und über die gelbe Farbe seiner Augäpfel.
Sanft, voll Geduld und edler Menschlichkeit ertrug Maximilian in Wels die Leiden des Absterbens. In langen schlaflosen Nächten führte er mit den Ärzten gelehrte Gespräche, oder er ließ sich aus der Stammgeschichte der Habsburger, die auf sein Geheiß geschrieben worden war, vorlesen. Er rief den ihm befreundeten weisen Kartäuserprior Georg Reysch aus Freiburg zu sich, und als der an sein Bett trat, redete ihn Maximilian an: »Er solle ihm den Weg zum Himmel weisen.«
In der Frühe des 12. Januar 1519 verlöschte er.
Man brachte seinen Leib nach Wienerisch-Neustadt, dort schläft er in der Sankt-Georgs-Kirche im engen ungeschmückten Grab.
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