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Die Korsaren hatten die Insel besetzt. Infolge der Dunkelheit und der Sorglosigkeit der Fischer hatten sie sich, ohne Widerstand zu finden, des Dorfes bemächtigt. Männer, Frauen und Kinder, im Schlafe überrascht und erschreckt von dem wilden Geschrei und den Flintenschüssen, waren den Räubern zur Beute gefallen und nach den Galeeren geschleppt worden.
Nachdem die Barbaresken die Hütten niedergebrannt hatten, wandten sie sich gegen das ihnen seit langem verhaßte Schloß der Grafen von Santafiora.
Während die vier Galeeren und die Feluke nach dem Hafen gesegelt waren, um von dort aus das Schloß zu beschießen, hatten etwa 300 Mann ihrer Besatzung sich in aller Stille, mit Sturmleitern versehen, an die Burgmauern geschlichen.
Der wachthabende Hauptmann bemerkte sie erst, als sie sich bereits in dem zur Zeit fast ausgetrockneten Wallgraben befanden. Er gab Alarm und unterrichtete den Baron und die Gräfin von der nahen Gefahr.
Die Kanonen waren jetzt nur noch gegen die Galeeren zu brauchen.
Der Ritter hatte die Feinde in solcher Nähe nicht erwartet. Aber er ließ sich nicht dadurch schrecken. Auch die junge Gräfin war jetzt beherzter. War sie doch seit der Kindheit an Gefahren gewöhnt!
Die besten Artilleristen standen auf Turm und Bastionen. Alle anderen Männer waren in Panzer gekleidet und bereit, die Stürmenden zurückzuschlagen. Die Frauen heizten indessen in der Küche große Kessel voller Wasser und Öl.
Sant' Elmo hatte den Befehl erteilt, die Schiffe durch Kanonenfeuer fern vom Hafen zu halten. Während die Kugeln ihnen den möglichsten Schaden in der Bemastung taten, wurden die Angreifer im Graben mit siedendem Wasser und Öl begossen. Donna Ida hatte ihre Dienerinnen angespornt, beides reichlich auf die Wälle zu tragen. Aber die Korsaren im Graben wichen nicht. Ein Häuflein der kühnsten versuchten es, die Brücke zum Fallen zu bringen, während andere auf den Leitern vordrangen.
Der Angriff auf die Brücke war abgeschlagen worden. Der Hauptmann hatte vom Turme aus durch Geschütze die Soldaten zurückgeworfen, vermittels einiger Ladungen gehackten Eisens und Glases.
Dagegen waren die Stürmenden auf den Leitern im Schutze des Pulverdampfes und des Feuers der Galeeren erfolgreich vorgedrungen. Aber der Baron und seine Tapferen, die sich furchtlos dem feindlichen Feuer aussetzten, ermüdeten nicht im Abschlagen der Angreifer.
Der Graben füllte sich mit Toten und Verwundeten, jedoch kam von den Galeeren immer wieder neuer Nachschub.
Der Kampf wurde ein verzweifelter. Man mußte die Leute vom Turme zu Hilfe rufen. Für eine gestürzte Sturmleiter wurden zwei oder drei angelegt. Auf die Terrasse und in die Fenster des Schlosses wurden brennende Reisigbündel geschleudert. Die Fallbrücke, die nicht mehr vom Turm aus verteidigt werden konnte, kam in schwerste Gefahr.
Mit tiefstem Seelenschmerz sah der Baron den Zeitpunkt nahen, wo seine Leute nicht mehr imstande sein würden, die Angriffe abzuwehren.
Schon hatte ihm Antiochus zugeraunt: »Wir können uns nicht länger halten!«
»Wo ist die Gräfin?« fragte der Ritter erregt.
»Sagt ihr, daß sie sich in den Turm zurückziehen solle, wo wir den letzten Widerstand leisten werden. -- Eisenkopf, halte vier Mann bereit, um die Brücke abzuschneiden!«
Der Katalane, der eben noch, hinter einer Zinne versteckt, Keulenhiebe auf die Köpfe der Feinde geführt hatte, antwortete nicht.
»Sollte er tot sein?« dachte Sant' Elmo. Dann warf er einen Blick um sich. Fünf oder sechs seiner Seeleute und Soldaten lagen da, getötet von den Kugeln der Schiffsgeschütze. Aber der Katalane war nicht darunter.
»Er wird bei Donna Ida sein«, sagte er sich. Und mit dem Rufe: »Zieht euch zurück! Alle nach dem Turme!« stürzte er zur Bastion.
In demselben Augenblick ertönte Triumphgeschrei von dem äußersten Ende der Bastion. Die Korsaren hatten die Zinnen erstiegen, eilten auf die Terrasse und trieben den Rest der fliehenden Verteidiger vor sich her.
Durch all den Waffenlärm hindurch hörte der Ritter einen Ruf: »Carlo, mein Carlo!«
Da sah er inmitten der Frauen, die über die vom Schlosse zum Turm führende Brücke sich drängten, seine Braut, während eine Schar Korsaren ihnen den Weg abzuschneiden suchte.
»Folgt mir«, schrie er. »Rettet die Gräfin!«
Ohne sich umzuschauen, stürzte er sich auf die Räuber und spornte die noch standhaltenden Soldaten an, die Holzbrücke zum Turme freizuhalten. Wie ein Tiger hemmte er den Ansturm der Feinde, die von allen Seiten, auch aus den Gemächern des Schlosses, hervordrangen.
Da trat ihm ein Schwerbewaffneter mit geschlossenem Helm entgegen, der mit beiden Händen ein Schwert schwang.
Der Baron hatte gerade noch Zeit, den Schild eines Gefallenen zu ergreifen. Er parierte den Hieb des Gegners und beantwortete ihn mit einem Kolbenschlag, der das Visier des Feindes sprengte.
Das Gesicht des letzteren wurde sichtbar. Wütend brüllte der Ritter: »Zuleik! Bei Gott, diesmal entgehst du mir nicht!«
»Ja, Zuleik!« entgegnete der Maure mit dem Ausdruck wildesten Hasses. »Zuleik, der die Dame eures Herzens liebt und sie euch raubt!«
»Stirb, Hund!« schrie Sant' Elmo und griff aufs neue an.
Mitten im Kampfgetümmel hatte sich um die beiden Kämpfer eine Lücke gebildet. Der vor Zorn rasende Ritter focht mit äußerster Kraft. Zuleik führte dagegen mit seinem Zweihänder Hiebe, die einen Felsen sprengen konnten. Doch keiner der Streiter erreichte sein Ziel, als plötzlich vom Turm der alte Wachthauptmann rief: »Die Brücke fällt!«
Die mit ihrer Zerstörung betreuten Soldaten warteten nur auf die letzten Verteidiger, um die Balken stürzen zu lassen.
In dieser Lage gab der Baron den Kampf auf und eilte zum Turme. Er hatte kaum die Pforte erreicht, als mit donnerndem Krachen die Brücke fiel und verschiedene Feinde unter sich begrub.
Wilde Todesschreie, Flüche, dann eine Staubwolke, die Tote und Sterbende verhüllte.
Die Angreifer hatten sich wieder auf die Terrasse zurückgezogen, auf die von der Plattform des Turmes aus schwere Steine und Zinnenstücke und von der Tür her Kugeln hagelten.
Schweißgebadet, den Helm zerdrückt und den Panzer mit tiefen Furchen, stürzte Sant' Elmo zur Plattform. Dort fand er die Gräfin mit ihren Frauen bei den Seeleuten, welche die Kanonen bedienten.
»Wir sind verloren, Carlo«, rief sie schluchzend, »es bleibt uns nur der Tod!«
»Noch nicht!« antwortete der Ritter. Noch ist der Turm unser! Wir werden ihn mit Gottes Hilfe bis zur Ankunft meiner Galeere halten. Die Kanonade muß ja in Sardinien, vielleicht in Cagliari, gehört worden sein!«
»Du willst mich trösten!« Donna Ida lächelte unter Tränen. »Wie tapfer du gekämpft hast!«
Die Stirn Sant' Elmos verdüsterte sich. »Nur einer schreckt mich! Zuleik! Wir haben soeben wieder gekämpft, ohne daß ich ihm den tödlichen Schlag versetzen konnte!«
»Warum haßt mich nur dieser Verräter?«
»Haß?« rief der Baron, »Liebe hat ihn dazu getrieben, das Schloß zu stürmen. Liebe zu dir!«
In diesem Moment erschien der Hauptmann mit den wenigen überlebenden auf der Plattform. »Wir haben das Tor verbarrikadiert und eine Mine unter den Turm gelegt«, rief er. »Ich nahm an, daß auch ihr lieber unter den Ruinen begraben sein wollt, als den Ungläubigen lebend in die Hände zu fallen!«
»Recht gehandelt!« erwiderte der Ritter. »Lieber Tod als Sklaverei! Wieviel Leute haben wir noch?«
»Vierundzwanzig und die Frauen.«
»Und Eisenkopf?«
»Ist hier!«
»Es geht ihm besser als den anderen!«
»Setzt 10 Mann an die Geschütze, die anderen in den ersten Stock des Turms! Munition und Arkebusen sind genügend vorhanden. Wir müssen uns bis zur Ankunft der Galeere halten!«
»Aber was kann diese allein gegen fünf Schiffe ausrichten, Herr Baron?«
»Ich hoffe, sie kommt nicht allein. Wenn der Kanonendonner gehört wurde, werden auch andere Schiffe uns zur Hilfe eilen. Verteilt inzwischen unsere Leute auf die Kampfposten! Antiochus, Mut! Vertrauen wir Gott und unseren Schwertern!«