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XII.

Als der folgende Tag sich zum Abend neigte, wurde Hatto sehr bedenklich, weil Lippe noch nicht zurückgekehrt war.

»Lieber Doktor, es ist doch eine so eigene Sache. Ich kann von dem Gedanken nicht los kommen, daß Lippe etwas passiert ist. Mir schwebt immer und immer wieder das unheimliche Bild des armen Kleißt vor.«

»Ja, ja, aber das hat sich doch ganz natürlich aufgeklärt, ein Unglücksfall und kein Verbrechen ist geschehen.«

»Es kann aber auch Lippe ein Unglück zugestoßen sein. Zweifellos hat er sich gestern abend, ohne ein Wort zu sagen, aus dem Schloß entfernt, die Reste seines Abendbrotes standen auf dem Tisch, die Kleider hatte er abgelegt und ….«

»Seine beiden Browningpistolen fehlen auch, das ist mir das beruhigendste an der Sache. Lieber Herr Baron, wenn Lippe diese beiden Freunde in der Not bei sich hat, dann ist er einer Spitzbubenkawrusse von zehn Kunden gewachsen.«

»Ich denke weniger an ein Verbrechen, als an einen Unglücksfall.«

»Ich bin nicht so pessimistisch, wie Sie, Herr Baron. Wenn Lippe eine große Sache vor hat, passiert es mehr als häufig, daß er drei vier Tage völlig unsichtbar bleibt, es sollte mich nicht wundern, wenn er hier irgend wo hinter einer Gardine oder einer spanischen Wand steht, und uns auslacht, daß wir uns über ihn ängstigen.«

»Trotz alledem. Wenn er heute nacht nicht zurückgekehrt ist, dann möchte ich doch die Gegend absuchen lassen.«

»Das können wir natürlich tun. Es ist nur sehr schwer, eine Spur zu finden, da wir gar keine Anhaltspunkte haben, wohin er sich gewandt hat.«

In diesem Augenblick brachte der Haushofmeister eine Depesche für den Herrn Baron. Er riß sie schnell auf und las die wenigen Worte mit freudestrahlendem Gesicht vor, sie lauteten: »Sorgt Euch nicht um mich, bin wohl und munter. L.«

»Na, da sehen Sie, ich habe es Ihnen gleich gesagt, es passiert dem gewiegten Fachmann so leicht nichts. Er weiß schon, was er zu tun hat, und vor allem ist er so vertraut mit den Verbrecherschlichen, daß ihm schwerlich einer von Ihren preußisch-polnisch-littauischen Gaunern etwas Neues zeigen kann. Er ist sicherlich einer Spur gefolgt, die ihn mehrere Tage in Atem hält. Wir werden erleben, daß er mit großen Resultaten zurückkommt.«

Mohrungen erhielt am selben Abend noch eine zweite, bedeutend erfreulichere Botschaft.

Er hatte nämlich sofort, nachdem Lippe ihm den Brief des Professors Köbner übergeben, mit Zustimmung des Fahnders an die dort mitgeteilte Adresse Cornelias nach Rom telegraphiert und sie gebeten, ihm umgehend zu antworten. Nun wurde noch kurz vor Telephonschluß von Kallningken aus die Ankunft eines Telegramms aus Rom gemeldet. Sofort ließ Hatto seinen Leibjäger aufsitzen und hinüberreiten. Cornelias Nachricht zerstreute mit einem Schlage alle Traurigkeit in Hattos Herzen und die Mitteilung, daß sie nie an ihm gezweifelt, lediglich dem Wunsche ihres Vaters entsprochen hätte, als sie die Verlobung aufgelöst, gab ihm seinen früheren Frohsinn auf einmal zurück.

Jetzt, wo durch die sorgfältige Behandlung des Arztes jede Spur der Morphiumwirkung ausgetilgt war, hatte Mohrungen seine volle Lebensenergie und seinen alten Lebensmut wiedergewonnen. Daß ihn tückische Mörder bedrohten, schien ihm heute mehr als eine Kuriosität und die Jagd nach ihnen als ein interessanter, vielleicht etwas aufregender Sport. Jene unheimliche Angst, die ihn früher unter dem Einfluß des Morphiums gequält hatte, kannte er gar nicht mehr. Er war völlig wieder der Alte. Nur der eine Gedanke, daß er sich in das Sanatorium, gewissermaßen das Hauptquartier der Mordbuben begeben sollte, war ihm unerträglich, aber es half nichts. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Ruhig und ereignislos verliefen die Nacht und die beiden darauf folgenden Tage. Lippe war noch nicht zurückgekehrt, hatte auch keine Nachricht gegeben. Da meldete sich am vierten Tage nach seinem Verschwinden gegen elf Uhr vormittags der Gendarm in Mohrungen. Er habe ein Individuum festgenommen, das äußerst verdächtig schiene. Papiere fehlten gänzlich, Antworten gäbe der Kerl auch nicht, er spreche anhaltend in einer Sprache, die kein Christenmensch verstehen könne, ob der Herr Baron erlaube, daß ihm der Mann vorgeführt werde, oder ob er ihn gleich ins Amtsgefängnis nach Kallningken abliefern solle.

»Ja, lieber Wachtmeister, ich habe doch rechtlich mit dem Burschen gar nichts zu tun.«

»Halten zu Gnaden, gnädiger Herr Baron, ich habe das Individuum in der Mohrunger Feldmark festgenommen, der gnädige Herr sind also als Amtsvorsteher zuständig.«

»Es wird ein Landstreicher, wie jeder andere sein, vielleicht ein Russe, der über die Grenze gekommen ist.«

»Halten zu Gnaden, gnädiger Herr Baron, nein, so ein bißchen von dem Kosakendeutsch versteht man ja auch hier, der spricht nicht polnisch, nicht lettisch und nicht littauisch. Es ist eine ganz andere Sprache. Die unser einem nicht momentan ist.«

»Wo haben Sie denn den Kerl?«

»Ich habe ihn unten an mein Pferd gebunden.«

»Na, meinetwegen, Wachtmeister, bringen Sie ihn mal ins Amtszimmer hinunter, ich werde dann kommen und versuchen, ob ich mich mit ihm verständigen kann.«

»Zu Befehl, gnädiger Herr Baron.«

Der Gendarm machte eine militärische Wendung und verließ das Zimmer.

»Da sehen Sie nun, was ein Amtsvorsteher für Scherereien hat. Irgend ein Kerl wird da aufgegriffen und markiert den Tungusen, da muß man denn persönlich zur Vernehmung heran.«

»Ich denke mir das ganz interessant, darf ich vielleicht als Ihr Assistent ….«

»Aber natürlich. Nach Lippes Anordnung sollen Sie mich doch überhaupt nicht verlassen, und wer kann wissen, ob der fremde Strolch nicht ein Attentat auf mich plant, kommen Sie nur mit.«

Unten im Amtszimmer saß ein seltsamer Strolch, von oben bis unten mit Moorschmutz bedeckt, eine fragwürdige Kopfbedeckung auf grauem, schütteren Haar und alte verwitterte Züge. Wie alt konnte man nicht recht sagen, denn das Gesicht starrte vor Schmutz.

»Das ist der Kerl, gnädiger Herr Baron, vielleicht können der gnädige Herr die Sprache verstehen, die das Ungeziefer spricht.«

Jetzt ließ sich das Ungeziefer vernehmen:

»Ave liber baro, maximus histrio tragoediae te salutat. Exmittas bovem illum, quod cum te colloqui debeo.«

»Me hercule, hic est amicus noster!« antwortete Doktor Schäfer, und konnte sich das Lachen nur mit großer Mühe verbeißen, denn er hatte sofort bei der lateinischen Anrede in dem schmutzigen Ungeziefer Lippe erkannt. Auch Hatto mußte lächeln, wandte sich aber vollkommen ernst an den Gendarm, ließ sich das Dienstbuch geben, bescheinigte ihm den Patrouillengang und befahl dann:

»Lieber Herr Wachtmeister, Sie sehen, der Herr Doktor hat dem Festgenommenen sofort geantwortet, wir verstehen die Sprache, die er spricht.«

»Halten zu Gnaden, gnädiger Herr Baron, habe mir doch gleich gedacht, daß der Berliner Herr die Sprache verstehen würde. Wenn ich ganz gehorsamst fragen darf, was ist denn der Kerl für ein Landsmann?«

»Es ist ein Italiener.«

»Aber er spricht etwas den Dialekt des Grauen Klosters,« warf jetzt Doktor Schäfer ein.

»Deubel auch …. bitte ganz gehorsamst um Verzeihung, gnädiger Herr Baron, so was kann ein Gendarm natürlich nicht verstehen. Ich kann also nach Kallningken zurückreiten?«

»Jawohl, Wachtmeister, reiten Sie nur, wir werden das Protokoll aufnehmen, und wenn etwas gegen den Kerl vorliegt, liefern wir ihn nach dem Amtsgefängnis ab.«

»Halten zu Gnaden, gnädiger Herr Baron, wenn es nur ein Landstreicher ist, lassen ihn der gnädige Herr Baron ruhig lausen, es macht nur unnütze Schreibereien. Bitte gehorsamst, abtreten zu dürfen.«

»Ja, Wachtmeister, Sie können gehen, aber lassen Sie sich von Romerkatis erst etwas zum Frühstück servieren.«

»Danke gehorsamst, Herr Baron.«

Damit war er draußen, und kaum hatte er die Tür geschlossen, brachen die drei in ein schallendes Gelächter aus.

»Lippe, Mensch, wenn der Gendarm zufällig lateinisch verstanden hätte.«

»Ja, dann hätte ich ihm auch auf lateinisch sagen können, daß er ein Ochse ist …. Die Situation war durchaus kritisch. Wenn mich der Bursche visitiert hätte, mußte er meine Browningpistolen finden und meine Legitimation, dann war ich natürlich von allen Schwierigkeiten erlöst. Aber ich weiß nicht, wie sehr seine Indiskretion unserem Ermittlungsverfahren geschadet hätte. Darum ließ ich mich festnehmen. Hätte er mich ins Amtsgefängnis nach Kallningken abgeführt, so wäre ich immer beim Lateinischreden geblieben, so lange, bis ich dem Amtsvorsteher vorgeführt worden wäre, ich hätte es dann genau so wie hier gemacht, ihn begrüßt und um eine Unterredung unter vier Augen gebeten, lateinisch natürlich.«

»Nein, Lippe,« begann jetzt Hatto, »ich hätte Sie nicht erkannt, wo haben Sie denn Ihren Schnurrbart hingebracht?«

»Hier ….« Mit einem Ruck riß er den grauen schäbigen Vollbart vom Gesicht und zeigte dann wenigstens in der unteren Hälfte die Lippesche Physiognomie.

»Haben Sie denn etwas ermittelt, lieber Freund?«

»Ermittelt ist gar kein Ausdruck, die Angelegenheit ist völlig geklärt, auch der Schuldige so gut wie überführt …. Aber, lieber Mohrungen, nehmen Sie mir es nicht übel, ich habe eine furchtbare Sehnsucht nach einem warmen Bade, nach sauberer Wäsche, nach Eau de Cologne und sonstigem raffinierten Toilettenluxus. Dann möchte ich anständig frühstücken und eine Flasche Heidsieck trinken. Heute ist Feiertag in Mohrungen. Und während das alles vorbereitet wird, während zum Frühstück geblasen wird, kannst Du mal, lieber Schäfer, diese vier Pulver hier aus Morphium untersuchen. Heute morgen habt ihr harmlosen Zucker in eurem Kaffee gehabt, statt Morphium, und vor zwei Tagen auch, die wirklichen Pulver habe ich hier – ich habe sie vertauscht, und nun, meine Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nach meiner Badewanne schmachte, bei Heidsieck sehen wir uns wieder.«

Nach diesen Worten verschwand Lippe plötzlich und ließ die beiden mit verdutzten Gesichtern zurück.

»Doch ein großartiger Kerl, dieser Lippe.«

»Ich habe es Ihnen ja gesagt, Herr Baron. Um den braucht man sich nicht zu sorgen, der läßt sich die Butter nicht vom Brot nehmen.«

»Und Sie glauben wirklich, daß er eine gute Entdeckung gemacht hat?«

»Wenn er so zuversichtlich zurückkommt, ist der Fall aufgeklärt, darauf können Sie sich verlassen. Lippe weiß, was er sagt und tut, ich will jetzt nur schnell die vier Pulver untersuchen, ich bin überzeugt, daß sie auf Morphium reagieren werden.«

»Ich werde ein solennes Frühstück bestellen und zwar will ich persönlich Siegnis aufsuchen und mit ihr beraten, was wir Leckeres für unseren Freund bereiten können.«

Die Köchin war fast zur Salzsäule erstarrt, als ihr gnädiger Herr, zum ersten Mal, seitdem er das Majorat übernommen hatte, in der Küche erschien. Sie wurde rot vor Freude und verschlang ihren Herrn mit den Augen. Jetzt wußte sie doch, daß die Liebespulver, wenn auch nach langer Bemühung, eine entscheidende Wirkung hervorgebracht hatten.

»Also machen Sie Ihre Sache gut, Siegnis, und es muß so schnell wie möglich geschehen. In einer Stunde melden Sie mir, daß angerichtet ist. Zeigen Sie mal, was eine tüchtige littauische Margell zu leisten vermag.«

»Jawohl, gnädiger Herr, ich werde alles zur höchsten Zufriedenheit besorgen.«

Lippe hatte recht gehabt, der Tag seiner Rückkehr war ein Festtag für Mohrungen. Die vier Pulver hatten sich als jedes ein halbes Gramm Morphium enthaltend erwiesen. Es fiel somit in die Augen, daß es dem Detektiv gelungen war, die Quelle, aus der das tödliche Gift floß, endlich zu ermitteln.

Bei dem Frühstück ging es außerordentlich fröhlich zu, bis am Schluß bei der Zigarette Lippe nunmehr mit seinem Plan vorrückte.

»Also, meine Herren, ich will Sie nicht lange mit der Erzählung aufhalten, auf welche Weise es mir gelang, den Absender des Morphiums zu entdecken. Ich will Ihnen nur so viel sagen, daß es ein vorzüglich angelegter Plan war, der ja auch in zwei Fällen glänzend gelungen ist. Wenn alles vorüber, und wenn wir in der Berliner Stadtwohnung Mohrungens, die Schuldigen aber hinter den schwedischen Gardinen sitzen, dann werde ich Ihnen auf Grund meiner Tagebücher genauen Bericht erstatten, auf welchen Schleichpfaden ich habe gehen müssen, um endlich in das Nest des tückischen Drachens zu gelangen. Was jetzt geschehen muß, ist eine sehr einfache Sache, aber sie ist nicht ohne Gefahr. Ich will ganz klar sprechen, nicht wie der geheimnisvolle Detektiv im Kriminalroman, sondern wie der trockene Polizist: Die Verbrechergemeinschaft bedient sich zweier Mittelspersonen. Eine davon ist die Siegnis, die vollkommen harmlos der Sache gegenübersteht. Sie ist in dem Wahn, das ihr in die Hand gespielte Morphium sei ein Liebespulver.«

Die beiden Herren blickten überrascht auf.

»Ja, ja, ein Liebespulver, und zwar versteigt sich ihre abenteuerliche Phantasie immer zu dem Herren dieses Schlosses, den sie sich zum Geliebten wünscht …. und ich glaube die Herren dieses Schlosses, unser lieber Hatto nicht ausgeschlossen, haben als echte Ostelbier der schönen Köchin alle Veranlassung gegeben, sich Liebesgrillen in den Kopf zu setzen.«

»Ich leugne es nicht, daß ich vor meiner Verlobung ….«

»Gut, gut, lieber Mohrungen, ich bin kein Beichtvater und will kein Geständnis haben. Der andere Beteiligte ist ein tückischer, geheimnisvoller Bursche, der tief im Liebenauer Moor wohnt, dort ein wildes, einsiedlerisches Dasein führt, und dem ein Menschenleben fast nichts bedeutet. Ich habe davon Abstand genommen, ihm näher als auf zweihundert Schritte zu kommen, denn ich weiß, es hätte zwischen uns eine Auseinandersetzung gegeben, bei der wahrscheinlich meine Pistole das letzte Wort gesprochen. Der Kerl ist wild und unbändig, spricht kein Wort deutsch, aber er ist treu und anhänglich wie ein Hund an seinen Herrn. Er tut alles, was ihm aufgetragen wird, ohne zu fragen, ohne zu grübeln, ohne einen Schimmer von Moral und Ethik. Der Kerl wird auch den Namen seines Auftraggebers nicht nennen, selbst wenn man ihm den Kopf vor die Füße legt. Wir müssen also an der Quelle arbeiten, und die ist das Sanatorium in Wannsee. Heute Nacht inszenieren wir einen Tobsuchtsanfall, Schäfer, Du wirst das richtig machen, kannst ja durch eine Morphiumspritze die nachfolgende Erschöpfung vorbereiten. Und morgen fahren wir drei gemeinschaftlich nach Berlin. Schäfer geht als Ihr Kammerdiener, Baron, ich werde ihm seinen schönen Schnurrbart abrasieren und ihn in eine tadellose Mohrunger Livree stecken. Außer einer Browningpistole braucht er kein Gepäck. Vor allem aber ist es nötig, daß wir ohne jede Furcht der Gefahr entgegengehen. Ich bin immer zu erreichen, denn ich werde mich irgendwo in Wannsee einquartieren, werde Tag und Nacht ein vierzigpferdiges Automobil zur Verfügung halten, so daß nicht das Geringste ohne meine Kenntnis geschehen kann. Der Kammerdiener wird natürlich im Sanatorium ein- und ausgehen können und mir geschickt Bericht erstatten …. Das, meine Herren, ist der Plan in großen Zügen, was im einzelnen geschehen muß, werden wir ja sehen. Nur nicht überraschen, nur nicht verblüffen lassen, und geschickt den Kranken mit seinem Kammerdiener spielen, alles andere geht dann von selbst.«

»Und Sie meinen, eine persönliche Gefahr für mich bestehe nicht?«

»Aber, lieber Freund, natürlich besteht eine Gefahr für Sie, für Schäfer und für mich, für jeden, der sich diesem Mörderkonsortium nähert in der Absicht, es zu entlarven, aber was heißt Gefahr. Gefahr heißt gar nichts für einen Mann, der wie Sie einen Meter fünfundachtzig in den Stiefeln steht und gesund ist. Gefahr war, solange Sie unter der Morphiumdepression lebten, solange Sie Angst vor allem hatten und nicht Herr Ihrer körperlichen Kräfte und Ihres Willens waren. Gefahr bestand, als Sie, ohne zu ahnen, worum es sich handelte, in meinem Bureau die Geschichte von dem Tode Ihrer beiden Brüder erzählten. Die Gefahr ist vorüber, war vorüber in dem Augenblick, da wir ihr in die Zähne sehen konnten, da wir wußten, von woher das Unheil droht, und sie ist jetzt völlig beseitigt, da Ihre Gesundheit wieder hergestellt ist.«

»Jedenfalls verstehen Sie es vorzüglich, einem armen Kerl wie mir Mut einzureden.«

»Haben nicht Ihre Vorfahren gegen die wilden Littauer gekämpft? Wenigstens schienen mir die alten, schönen Rüstungen im Vestibül, die verblichenen Deutschrittermäntel und die bekreuzten Schilde darauf hinzudeuten.«

»Ganz recht, aber wir Nachkommen sind ein entnervtes Geschlecht.«

»Das sagt man so. Im Augenblick der Gefahr bewähren wir uns alle, wenn wir Rasse und Blut haben …. Also, der Standpunkt der Unternehmung ist gegenwärtig der: Wir sind, um die Sache rein militärisch auszudrücken, aus der Defensive herauszutreten bereit, wir gehen zur Offensive über, und zu diesem Zweck wird Doktor Schäfer jetzt an das Sanatorium telegraphieren, er halte es für nötig, daß sein Patient einige Wochen in Anstaltspflege gegeben werde. Der Patient habe selbst gewünscht, das Sanatorium Mühlforts aufzusuchen, in dem seine beiden Brüder so vorzüglich verpflegt worden seien …. Also, Schäfer, bereite Dich vor, inszeniere den Tobsuchtsanfall heute Nacht geschickt, das ganze Schloß muß davon sprechen, und morgen früh reisen wir ohne weitere Förmlichkeiten ab.«


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