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Rede Arnold Ruges in der 45. Sitzung der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche (22. 7. 1848)

Den Antrag, meine Herren, den ich mir zu stellen die Ehre gebe, hat der Präsident soeben verlesen. Erlauben Sie mir aber, daß ich denselben nochmals verlese. Er lautet:

»Da der bewaffnete Friede durch seine stehenden Heere den Völkern Europas eine unerträgliche Bürde auferlegt, und die bürgerliche Freiheit gefährdet, so erkennen wir das Bedürfniß an, einen Völkercongreß ins Leben zu rufen, zu dem Zwecke einer allgemeinen europäischen Entwaffnung.«

Meine Herren! Die Frage könnte scheinen eine utopistische zu sein. Sie ist es aber nicht. Sie ist nichts weiter, als die positive Consequenz, die wir aus der Revolution ziehen müssen, und die positive Consequenz, die aus dem sehr humanen und anerkennenswerthen Berichte unseres Ausschusses zu ziehen ist. Ihr Ausschuß, meine Herren, hat das Verdienst, daß er das Factische, das jetzt in der Welt besteht, den Weg, den ein humanes Princip in Europa gemacht, anerkennt, daß er die Reconstituirung der Völker auf den humanen Grundlagen, die die gegenwärtige Revolution der Welt predigt, und nicht nur predigt, sondern durch neue Institutionen ins Werk gesetzt hat, anerkennen, und darauf eine neue Welt bauen will. Dieß ist etwas sehr Großes, und wir haben gewiß das Wort des Herrn Präsidenten sehr zu beachten, daß wir den Zweck, diesen großen und gewichtigen Gedanken, den Frieden Europas auf der neuen Basis, durch nichts, was Leidenschaft oder Kriegsgelüste oder Parteisucht ist, stören möchten. Die ganze bisherige Entwickelung Europas ist mit der jetzigen Revolution zu einem großen Abschluß gelangt, und es ist gewiß richtig, daß der Ausschuß in seinem ersten Satz anerkannt, die Selbstständigkeit und Ehre jeder Nation sei das oberste Princip ihres Verfahrens, und in dem zweiten Satze, die Nichtintervention der Völker aus principiellen Rücksichten in die inneren Angelegenheiten anderer Völker. Es ist damit anerkannt, daß jedes Volk nach der Bildung, die ihm innewohnt, sich selbstständig zu entwickeln habe. Diese Grundsätze haben wir nicht anzufechten. Indessen ist, seitdem das Christenthum in die Welt kam, ein allgemeines Princip in der Welt vorhanden, das alle Völker durchdringt. Die verschiedenen Parteien der verschiedenen Völker sind Freund mit einander, und der Grundsatz der französischen Nation, den Lamartine ausgesprochen hat, daß nämlich die französische Republik in dem Falle, daß um sie herum sich demokratische Republiken bildeten, und von ihr Unterstützung verlangten, diesem ihrem Princip ihre Unterstützung angedeihen lassen wolle, ist gewiß ein richtiger. Es ist dieß ein höherer Gesichtspunkt, als der Gesichtspunkt der Nichtintervention. Der Gesichtspunkt, daß man für seine Partei auch in dem fremden Volke Partei ergreife, ist richtig. Die Humanität ist derjenige Gedanke, ist die Consequenz des Christenthums, welche jetzt durch die ganze Welt sich zieht, und in der ganzen Welt realisirt werden wird. Meine Herren! Lassen Sie uns eine humane Frage human behandeln. Die großen Principien sind keine Utopien. Der menschliche Geist ist das Utopien, welches uns Alle beherrscht, über Alles den Sieg feiert. Als die Puritaner aus England mit der Republik im Herzen, und die Quäker dazu nach Nord-Amerika gingen, da haben sie die Utopien, die in ihren Herzen lebten, und wozu sie den Ort in England nicht finden konnten, in den Urwäldern Nord-Amerikas gefunden, und von den Urwäldern Amerikas, wo sie die Republik gründeten durch die Unabhängigkeitserklärung und Constituirung der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, sind diese utopistischen Ideen, die den Menschengeist in jener großen Zeit der Reformation bewegt haben, und die aus der Reformation eine Republik haben hervorgehen lassen, zurückgekehrt nach Frankreich. Die französische Revolution hat diese großen Ideen über unsern Welttheil getragen, und seit der französischen Revolution ist auf dem französischen Thron kein Prinz wieder geboren worden, der über Frankreich regiert hätte; seitdem und bis auf den heutigen Tag haben nur Parteimänner über Frankreich regiert, die vor der französischen Revolution geboren wurden, Napoleon nicht ausgenommen, der nichts im Herzen hatte, als den Begriff des alten Despotismus und der Tyrannei. Seitdem beginnt nun eine neue Periode von Europa. Die napoleonische Periode und darauf folgende heilige Alliance ist das alte Europa. Die heilige Alliance, meine Herren, hatte aber einen humanen Grund, die Ordnung der europäischen Differenzen durch friedliche Übereinkunft; sie ist zwar ein Fürstencongreß gewesen, aber die Fürstencongresse repräsentirten damals die Völker. Wie wir jetzt den Fürstencongreß des Bundestags aufgelöst, und an seine Stelle den Volkscongreß hier in der Paulskirche gesetzt haben, so werden die Nationen Europas gezwungen sein durch die Logik der Ereignisse, an die Stelle der Fürsten-Congresse in Zukunft den Völkercongreß zu setzen. Der Völker-Congreß von Abgeordneten der freien Völker zur friedlichen Schlichtung ihrer Angelegenheiten, das ist der Gegensatz des bisherigen Systems; es ist das nordamerikanische System; es liegt also kein Utopien in dem Völkercongresse. Das System der Congresse wird erst dann ein wahres, wenn Diejenigen, welche den Congreß bilden, von dem Volke zum Congreß gewählt sind; die wahren Congresse sind nur die Völkercongresse, die falschen sind die Diplomatencongresse. Darum hat auch die Schweiz den Diplomatencongreß, genannt Tagsatzung, der ein falscher war, und erst seit der letzten Erhebung wahr wurde, aufgehoben, und in ihrer neuen Verfassung an die Stelle des Diplomaten-Congresses den schweizerischen Volkscongreß gesetzt. Meine Herren! Ich schlage also nichts Verkehrtes, nichts Utopistisches, nichts Unmögliches vor, sondern ich schlage vor, daß das denkende Volk der Deutschen, welches es sich zur Ehre schätzt, das einzige Volk zu sein, das die Philosophie consequent fortgebildet, und die Blüthe der reinen, freien, vollkommenen, befreiten Philosophie hervorgebracht hat; ich schlage Ihnen vor, daß dieses deutsche Volk die Initiative ergreife in diesem großen Gedanken, und daß es den übrigen Völkern diesen Gedanken ans Herz lege. Es wird Niemand in dieser Versammlung sein, der dagegen ist, daß wir die Ehre, das philosophische Volk genannt zu sein, in Anspruch nehmen, und wenn auch Einzelne aus Mißverstand dagegen sich aufgelehnt haben, meine Herren, so wollen wir ihnen das verzeihen mit dem großen Worte des großen Reformators: » Sie wissen nicht, was sie thun.« Die Elemente aber zu dem Antrag, den ich hier gestellt habe, liegen in Europa schon vor. Sie liegen vor in der Politik der Franzosen; sie liegen vor in der Politik der Engländer; sie liegen vor in unserer Entwickelung, und in unsern eigenen Gedanken. Die französische Politik wird beherrscht durch den Anstoß, welchen ihr die Februarrevolution gegeben hat; sie ist beherrscht durch den großen Mann Lamartine, der proclamirt hat, die Principien der neuen Revolution seien die Principien des Humanismus, die Principien des Friedens, und der zuletzt gesagt hat, das Princip, das er proclamirt, hätte sich so sehr bewährt, daß er überzeugt sei, die jetzige, mehr kriegerische Regierungsgewalt werde nicht umhin können, die Consequenzen seiner richtigen Politik forthin auch noch zu befolgen, und dieß würde das einzige Richtige sein, und so lange er eine Stimme in dem Rathe seines Landes hätte – und Sie werden zugeben, er hat eine sehr gewichtige so lange würde diese Politik darauf hingehen, eine Vereinigung mit Deutschland um jeden Preis herbeizuführen. Diese Vereinigung mit Deutschland, meine Herren, hat darin ihre Möglichkeit, daß durch die Lamartine'sche Idee, durch die humane Politik dieses Mannes und durch die Macht, welche diese große Idee über alle Herzen der Franzosen gewonnen hat – denn in Frankreich ist es nicht der Fall, wie bei uns, daß man hochherzige Männer, Dichter und Philosophen verachtet, weil sie Dichter und Philosophen sind; nein, meine Herren, man ehrt sie deßhalb, weil sie es sind; man hat Lamartine nur deßwegen das Vertrauen geschenkt, und die Poesie Lamartine's hat sich sehr praktisch bewiesen; es hat sich gezeigt, daß, obschon ihm alle Politiker, vom National bis zum letzten Pariser Blatt, vorwarfen, er sei nur ein Poet, kein Politiker, er in dieser großen Krisis der einzige, der größte Politiker Frankreichs gewesen ist – daß die humane Politik dieses Mannes, die Friedenspolitik, in Frankreich durchdringen werde. Er hat den alten Titel der gloire française gänzlich gestürzt; er hat gesagt, Napoleon war kein Diplomat, er wußte nicht mit den Völkern umzugehen; sein einziger Diplomat war die Kanone. – Die Brutalität des Kanonirens (Gelächter) und des Füsilirens hat Lamartine in den Herzen der Franzosen, welche lange Zeit rechte Narren des Pistolenschießens und des Kanonirens gewesen sind, für immer gestürzt; denn selbst die Kriegspartei hat ihm Beifall gegeben, und der National hat es nicht vermocht, mit den großen Gedanken des Reformators der französischen Republik etwas Anderes vorzunehmen, als zu wiederholen, was Lamartine in seinem Manifeste gesagt hat. Wenn Marast, früher der größte Anhänger der Kriegspartei, nichts Anderes wußte, als diesen Gedanken zu wiederholen, und ihn seiner Partei, der Kriegspartei, der ehemaligen napoleonischen Kriegspartei zu empfehlen, so werden Sie mir zugeben, das Kriegsgelüste ist in den Herzen der Franzosen gestürzt. Wir haben also alle Ursache, uns darauf zu verlassen, daß die Franzosen diesen Weg, der ihnen einen großen Einfluß in Europa verschafft, der sie auf eine neue Stufe der Macht in Europa erhoben hat, beibehalten, und daß es möglich geworden ist, jenen Vorwurf, den wir ihnen einst mit Recht gemacht haben, sie wären Länderfresser, sie wären Kriegslustige; sie wären es, die uns das Elsaß genommen hätten, die uns die Pfalz verbrannt, die uns durch ihre Eroberungsgelüste so viel Unheil zugefügt haben, ich sage, – daß es jetzt möglich geworden ist, diesen Vorwurf den Franzosen abzunehmen. Und wenn ihre politischen officiellen Organe dieses aussprechen, so werden wir einigermaßen uns beruhigen können. Nun dieß möglich geworden ist, so haben wir von Seiten der Franzosen alle Hoffnung, daß, wenn unser Gedanke von jenem Volke aufgefaßt wird, Alles dazu hinwirkt, die ungeheure Last der Bewaffnung des Militärs, diese verrückten Festungsbauten, wie den von Paris, welcher Millionen und Milliarden verschlungen, und zu nichts genützt hat, als den Beutel des französischen Volks zu leeren, diese ganze Dummheit der Festungswirthschaft aufzugeben, und die Barbarei der Kriegspolitik in Europa zu stürzen. Wenn die Franzosen zu diesem Gedanken gelangt sind, werden wir hoffen dürfen, daß die ganze Welt dazu gelangt; denn die Engländer sind nicht dagegen, und wir Deutsche sind ein friedfertiges Volk; wir wollen den Krieg weder um des Ruhms, noch um des Vortheils willen. Es sind aber nicht nur die Franzosen, welche die Möglichkeit einer europäischen Entwaffnung in Aussicht stellen, es sind auch die Engländer, die dasselbe in Aussicht stellen, denn die Cobden'sche Partei ist es, die schon lange darauf angetragen, und vor der Revolution schon darauf gedacht hat, man müsse eine europäische Bewaffnung herbeiführen. (Heiterkeit. Mehrere Stimmen: Entwaffnung, nicht Bewaffnung!) Die Bewaffnung ist wahrlich groß genug, da wir ja eine ganze Million Soldaten auf die Beine bringen wollen, aber die Entwaffnung habe ich natürlich gemeint. Die Cobden'sche Partei hat dieß schon im Jahre 1847 vorgeschlagen; des Engländers Ansicht von Kriege ist überhaupt eine ganz andere, als die der GLOIRE, des Pistolen- und Kanonenschießens; englische Ansicht vom Kriege ist die, daß man Soldaten hat, um sie zu mercantilen und civilen Zwecken zu gebrauchen; sie betrachten den Kriege nur als ein Handelsmittel, als einen bewaffneten Handel mit den Barbaren. Das ist die Ansicht der Engländer vom Krieg, so haben sie mit China gewirthschaftet, und so würden sie mit Deutschland wirtschaften, wenn Deutschland nicht aufhörte, ein China zu sein, was zu bewerkstelligen wir eben im Begriffe sind, wir arbeiten hier daran, daß diese chinesische Wirthschaft in Deutschland endlich ihr Ende erreiche. (Bravo und Händeklatschen.) Wenn die Engländer also aufhören, uns für eine Nation zu halten, die man mit Gewalt benützen und auskaufen kann, so haben sie keine Ursache, kriegerisch sich gegen uns zu verhalten. Auch wird Niemand daran denken, und es hat Niemand daran gedacht, daß die Engländer uns erobern könnten oder wollten. Man hat immer gewußt, daß die Engländer dieß nie im Sinne hatten, denn die englische Bewaffnung ist so gut wie keine. England ist schon so gut wie entwaffnet. Hingegen mit Frankreich ist es etwas Anderes, welches erst jetzt durch uns und durch die Verhältnisse im Osten Europas von der Möglichkeit einer Entwaffnung überzeugt werden muß. Endlich unsere, die deutsche Ansicht der Sache brauche ich Ihnen nicht lange zu entwickeln; unsere Ansicht ist nicht kriegerisch, wir haben keine große Feldherren, und die wir hatten, haben mehr ein populäres, als ein Feldherrn-Verdienst, wie der alte Blücher, dessen Talent zurückstand hinter der großen Popularität, womit er die Massen zu behandeln wußte; und wäre er auch ein noch so großer General gewesen, so ist sein populärer Ruhm so eigenthümlicher Natur, daß diejenigen Herren, welche eine besondere militärische GLOIRE im Auge haben, gewiß die Größe Blücher's nicht zum Muster nehmen werden. (Heiterkeit in der Versammlung.) Bei uns überhaupt, meine Herren, die wir denn doch nur ein philosophisches Volk sind, haben die schlagenden Gründe bis auf die letzte Zeit, die ich allerdings bedaure, kein sonderliches Gewicht gehabt; wir sind immer der Meinung gewesen, mit Gründen der Vernunft könne man durchdringen, und ich bin noch der Meinung, daß selbst in der Majorität dieser Versammlung die Gründe der Vernunft prävaliren werden. (Bravo und Händeklatschen.) Obgleich die Majorität dieser Versammlung in einigen Fragen gegen meine Ansichten ist, (Gelächter) so glaube ich doch, wie ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe, daß zuletzt die Vernunft der Sache die Majorität vollkommen beherrschen wird, und daß es ein Frevel wäre, mit » schlagenden« Gründen gegen eine solche Majorität aufzutreten, wie denn auch der Frevel, den die Franzosen zu früh, und ehe noch die Versammlung sich gehörig discreditirt hatte, unternahmen, gänzlich fehl schlug, und von Rechtswegen unterdrückt wurde. Meine Herren! Wir haben mit unserer ganzen Entwickelung auch in der letzten Periode dargethan, daß wir dem Militär abgeneigt sind; alle unsere Empörungen sind Empörungen gegen das Militär, vielweniger gegen die Regierungsgewalt und das Königthum, es waren Empörungen gegen das Militär, und diese Empörungen gegen die Junker im Militär, gegen die Garde du Corps etc., sie indiciren den germanischen Geist, daß wir eine bürgerliche Freiheit und keine Militärwirthschaft wollen; (Bravo!) unsere ganze Bewegung hat die Richtung auf den parlamentarischen Kampf, und diesen kann Niemand besser eingehen, als eine philosophische Nation, welche das Gesetz der Majorität anerkennt, aber auch die Anarchie des theoretischen Geistes, die freie Discussion der Minorität, welche das Recht hat, fortwährend zu protestiren, und neue Majoritäten zu schaffen durch die Presse, durch die Volksversammlungen und durch alle agitatorischen Mittel, die gerecht, erlaubt, und durch unsere Revolution feierlichst sanctionirt worden sind, und welche der richtige Instinkt des Volkes sich nicht wieder nehmen lassen wird. (Bravo!) Meine Herren! Unsere Bewegung geht darauf hin, das Militär zu entwaffnen, und das Volk zu bewaffnen, das Volk aber nicht als militärische Cadres zu organisiren, sondern, wie Nord-Amerika und die Schweiz schon längst gethan haben, als Miliz. Wir dürfen uns nicht fürchten vor den Russen und Barbaren. Wir können heute entwaffnen, es hätte nichts zu bedeuten; wir würden uns zu halten wissen, wie die Schweiz sich zu halten gewußt hat, als man noch in ganz Europa meinte, die Schweiz hätte gar keinen Willen, und mittelst der Noten lächerlicher Gesandten könnte man mit der Schweiz anfangen, was man wollte, – die Schweiz hat gesiegt, und die Schweiz hat gezeigt, daß auch die kleine Nation, die sich erhebt, eine Großmacht ist. (Bravo!) Es ist aber nicht bloß der Zug unsrer Geschichte, welcher uns darauf hinführt, das Volk zu bewaffnen, und die stehenden Heere aufzuheben, sondern es ist auch das ungeheure Bedürfniß, diese furchtbaren Ausgaben für Müßiggänger und Fresser des Staatsvermögens aufzuheben, und diese vielen Millionen und Milliarden auf die Industrie und auf die Schulen zu verwenden, und schon die Kinder in diesem Spiel der Waffen zu üben, damit sie es als Männer von selbst verstehen. Das ist der Zug der deutschen Geschichte, das die Möglichkeit, welche die Engländer uns bieten, den Entwaffnungscongreß einzuleiten, das die Möglichkeit, welche uns auch die Franzosen bieten. Wir können also bei einem Völkercongreß, wo wir diese populäre Idee, die kein Utopien ist, sondern die in der Schweiz und in Amerika bereits existirt, wir können für die Schöpfung jener großen, einfachen Republikaner jetzt auch bei uns in Europa auf Sympathieen und auf Erfolg rechnen. Wir brauchen nur diesen Gedanken in den Congreß zu werfen, und wir werden Sympathieen finden. Der Franzose wird es uns danken, daß das peuple philosophique einmal einen nicht somnambulen und nicht träumerischen, sondern einen realen, den realsten Gedanken herbeibringt, und sie auffordert, in diesen Gedanken einzugehen; die Engländer werden finden, daß wir ihren Vorschlag von 1847 gut benutzt haben. Um uns von der Wichtigkeit der Entwaffnung zu überzeugen, sehen wir nach Nord-Amerika. Es ist dort eine durchgehende politische Maxime, keine stehenden Heere zu haben; das zeigen alle Paragraphen der amerikanischen Constitution, welche auf diese Sache Bezug haben. Es gibt keine einzige Constitution in Amerika, in welcher nicht der Paragraph stände, daß die stehenden Heere in Friedenszeiten gefährlich sind, und daß sie nirgends existiren sollen ohne die jedesmalige Zustimmung der gesetzgebenden Versammlung. Daß das Heer unter der genauen Controle der Civilmacht gehalten, und von der Civilmacht absolut beherrscht werden soll, das ist ein Grundsatz der amerikanischen Constitutionen, welcher, von Washington eingeleitet, in alle Einzelverfassungen übergegangen ist; und es ist eine Maxime, welche durchaus in die deutsche Constitution und unter die Maximen des öffentlichen Verhaltens eingereiht, die aber auch in das europäische Völkerrechtssystem hineingelegt werden muß. Denn wir müssen den bewaffneten Frieden, welchen aufrecht zu erhalten, eine Unmöglichkeit ist, abschaffen, nicht nur, weil es eine Unmöglichkeit ist, sondern auch, weil er eine Barbarei ist, ein ganz verkehrter Weg gegen alle Ordnung der Freiheit, gegen die neue Ordnung, gegen die demokratische und republikanische Ordnung, die wir gründen wollen; wir müssen die alte Furcht vor den Fremden, wir müssen die Furcht, daß die französischen Kriegsparteien uns verschlingen möchten, daß die Russen uns verschlingen könnten, zerstören, und dafür die neue Idee annehmen, das Selbstbewußtsein und Kraftgefühl eines freien Volkes, welches jeden Augenblick sich erheben, und seine Feinde niederschlagen kann. – Ich habe Ihnen gezeigt, meine Herren, daß ein europäischer Völkercongreß zu einer allgemeinen Entwaffnung durch die Ereignisse der letzten Bewegung vorbereitet ist, daß in den Köpfen der Franzosen dafür die Prämissen vorhanden sind, daß bei den practischen Engländern dieser Gedanke eine angemessene Geltung gewonnen hat, und daß derselbe in unserer Bildung und politischen Tendenz schon liegt, denn wir haben ihn in Europa erfunden mit unserer Erhebung gegen alle Militärwirthschaft, und es ist nur diese Thatsache allgemein zu formuliren in dem Gedanken: Also muß das Militär überhaupt aufhören, damit die Unbewaffneten nicht mehr unterdrückt, damit die Städte nicht mehr bombardirt werden, damit die ganze schlechte Wirthschaft des alten Regiments aufhöre, und die bürgerliche Ordnung nur durch die Bürger aufrecht erhalten werde. – Es ist nun die Frage, was wir von diesem Congresse der freien Völker, d. h. ihrer Abgeordneten, zu erwarten haben. Nichts Geringeres, als daß der Frieden in Italien, daß der Frieden in Polen wieder hergestellt werde. Nur ein solcher Congreß, auf der Basis allgemeiner Entwaffnung errichtet, ist im Stande, recht im Sinne der europäischen Bewegung, die nichts Anderes will, als die gegenwärtige Revolution, als die auf parlamentarische und bürgerliche Freiheit gerichtete Bewegung, aufrecht erhalten, sie in dem Geleise zu erhalten, wohin sie gehört, das heißt, in dem Geleise der Reconstituirung aller europäischen Völker, und ich schließe hiervon Rußland nicht aus. Die Bewegung wird die Macht haben, auch Rußland zu reconstituiren, wie dieß ja auch in Österreich und Preußen geschehen ist, und wenn es noch nicht ganz geschehen ist, wird man die Gegner bald noch definitiv stürzen. Auch in Rußland wird die Militärwirthschaft aufhören, und wenn die freien Völker sich genöthigt sehen, dazu hilfreiche Hand zu leisten, so wäre dieß der letzte Krieg, der Krieg gegen den Krieg, der Krieg gegen die Barbarei, welche der Krieg ist. Ich bin der Meinung, daß ein solcher Völkercongreß, den anzubahnen Deutschland die Macht, und sogar die Pflicht hat, eine friedliche Lösung der europäischen Differenzen herbeiführen wird. Es ist mit uns die Sympathie der Franzosen für die Befreiung Polens und Italiens, es ist mit uns der Vortheil der Engländer in allen Reichen der Welt denn die Engländer können in Europa nicht, wie in China, mit Kanonen Handel treiben – die Sitte dieses freien Handelsvolkes, und, meine Herren, das Dritte ist unser eigener Idealismus, unsre Gewohnheit, dem Gedanken die Ehre zu geben, großen Gedanken zu folgen, und die großen Gedanken der Philosophen und Dichter zu ehren, ein Idealismus, welcher in unserm Volke steckt, weil es bisher nichts hatte, als Gedanken, und weil ihm die Realität des Staatslebens fehlte, – dieser Idealismus ist uns eine Bürgschaft, daß wir zu der Consequenz unsrer geistigen Bildung uns hinreißen lassen werden, diesen Gedanken der Entwaffnung mit Energie zu ergreifen und durchzuführen. Die drei großen Nationen Europas, England, Frankreich und Deutschland werden sich also in dem Gedanken einigen, und Rußland wird sich nicht isoliren. Und wenn es sich isoliren wollte, so würde es den letzten Krieg, den Krieg gegen das barbarische Militärsystem, verlieren, wogegen sich jetzt schon seine eigene Bauernbevölkerung erhebt. Es ist dieß kein utopischer Vorschlag, sondern dieser Gedanke hat alle Prämissen des Gelingens für sich. Ich schlage Ihnen daher vor, meine Herren, daß Sie diesen Zusatz in die Grundsätze und Maximen für die politischen Verhältnisse, für die völkerrechtlichen Verhältnisse Europas mit aufnehmen, und daß Deutschland die ehrenhafte Mission in die Hand nimmt zu einer allgemeinen Bewaffnung – (Viele Stimmen: Entwaffnung!) Entwaffnung – so sehr, meine Herren, ist man von den fixen Ideen der alten Zeit durchdrungen – damit es möglich werde, die Revenuen des Staates zu Zwecken der Industrie und der Bildung des Volkes anzuwenden, und dem Volke wirklich zu helfen, indem wir den Ungeheuern Alp der fixen Idee, ich meine die Militärwirthschaft, von der Brust des deutschen Volkes abwälzen. Dreißig Jahre lang haben wir diese Fresser unterhalten, und als es zum Klappen kam, sind sie überall geschlagen worden von Leuten, die keine Waffen hatten. (Bravo auf der Linken.) In Berlin sind sie geschlagen worden. (Bravo auf der Linken. Auf der Rechten eine Stimme: Sie sind in Prag nicht geschlagen worden! Andere Stimmen: Schluß!) Sie brauchen mir nicht »Schluß!« zuzurufen, ich hätte schon, wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten, selbst geschlossen. Ob das Militär in Prag geschlagen worden ist, ist mir einerlei, ist es auch nicht geschlagen worden, so wird es gewiß noch geschlagen werden. Ich schlage Ihnen vor, meine Herren, daß dieser Zusatz in die allgemeinen Grundsätze unser Politik, wofür wir die Initiative ergreifen wollen, mit aufgenommen werde. (Stürmisches Bravo von der Linken. Einige Stimmen: Abstimmung!)


[Nachwort von Peter Wende und Anhang aus ©-Gründen gelöscht. Re. Für Gutenberg]

 


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